RE:Βουλή

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bule, Ratsversammlung in griechischen Poleis
Band III,1 (1897) S. 10201037
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Βουλή (dialekt. βουλά, βωλά, βόλλα; in späterer Zeit συνέδριον, vgl. Bekker anecd. 219, 26. 248, 11; bei Dion. Hal. ant. II 12, 4 βουλευτήριον, vgl. Paus. I 3, 4), der Rat, Beirat, dann Ratsversammlung, bezeichnet einen staatsrechtlichen Factor, der uns neben dem Souverän entgegentritt zunächst in der Stellung als Beirat (consilium), allmählich aber sich als collegiale Behörde, gleichwertig mit den anderen massgebenden Factoren des Staatswesens, zeigt, so dass zur Bezeichnung der vollen Staatsgewalt in oligarchischen Staaten neben den Magistraten, in demokratischen neben dem δῆμος die β. erscheint; sie bildet insbesondere die beratende Gewalt neben der beschliessenden (dem δῆμος). Nach den verschiedenen Verfassungsformen hat die βουλευτικὴ ἀρχή (Aristot. Pol. III 1 p. 1275 b) eine verschiedene Gestaltung und Geltung; der Entwicklungsgang lässt sich kurz so charakterisieren: aus dem Beirate, ursprünglich privater Natur, bildet sich der adelige Staatsrat, der in der Demokratie dem autonomen Gemeinderate weichen muss. Nicht immer und nicht überall ist die Bezeichnung die gleiche.

I. Β. als Beirat, also in der wörtlichen Bedeutung des Wortes, finden wir in den homerischen Gedichten als βουλὴ γερόντων: der König beruft die Ratmänner (βουλὴν ἵζει Il. II 53), um einen Plan zu beraten; er teilt mit ihnen das Mahl und den Wein, daher γερούσιος οἶνος Il. IV 259; Odyss. XIII 8. Die Männer, die dazu erscheinen, werden vom [1021] Könige bestimmt, gehören aber den βασιλῆες oder ἀριστῆες an, dem Adel. Wir wissen nicht, wie viele derselben waren (Il. II 404–408 werden sieben genannt), noch ob sich der König immer derselben Männer als Beirates bediente; doch der ‚gemeine Mann‘ zählt nicht mit im Rate, Il. II 202. Die Bezeichnung der Mitglieder des Beirates als γερόντες lässt sie wohl als gereiftere Männer, die oft über das kriegerische Alter hinaus sind, erscheinen, doch finden wir genug der Jüngeren. Die Bezeichnung als βουληφόροι, ἡγήτορες ἠδὲ μέδοντες zeigt uns den Wirkungskreis an: der König ist an ihre Zustimmung nicht gebunden, legt aber Gewicht darauf. Sie sind wohl auch Beisitzer in der Entscheidung wichtiger Rechtsfälle, besonders die den Adel selbst betreffen, als δικάσπολοι, vgl. Il. XVIII 497–508. Auch bei den Troern werden γέροντες βουλευταί erwähnt Il. VI 113f., ohne dass etwas Näheres daraus zu schliessen wäre; Gladstone Hom. St. 416ff. bemerkt, dass die Troer keine β. hatten.

Wie Agamemnon seinen adeligen Beirat hat, so war dies auch bei den anderen Königen in der heroischen Zeit der Fall; wir wissen nichts darüber, auch nicht, ob die Würde in einzelnen Familien forterbte; vgl. Dion. Hal. II 12, 4 τοῖς γοῦν βασιλεῦσιν… βουλευτήριον ἦν ἐκ κρατίστων. E. Meyer Gesch. d. Altert. II § 53. 82f. Schömann Gr. Altert. I³ 340. Allmählich steigerte sich die Macht des Adels und demgemäss auch des Rates, der als Repraesentant des Adels erscheint. So bildet sich

II. Β. als adeliger Staatsrat (vgl. Meyer Gesch. II § 226. 227). Dieser stand dem Könige bezw. dem an dessen Stelle getretenen Beamten in der Verwaltung und Rechtspflege zur Seite. Gerade die Rechtspflege bot Gelegenheit zur Festigung und Erweiterung der Machtstellung des adeligen Staatsrates; allmählich wird die Würde in bestimmten Familien erblich geworden sein. Die Regierung wurde dann geführt durch Mitglieder des Rates, die längere oder kürzere Zeit, oft selbst lebenslänglich damit betraut waren, wie wir dies in Sparta sehen, wo die Könige Mitglieder der γερουσία sind und ihrem Gerichte unterstehen. Dass es auch in Athen so war, ist längst erkannt worden, nur strittig ist, welche Form dieser Eupatridenrat hatte, in welcher späteren Einrichtung er etwa nachlebte, am wahrscheinlichsten in dem Rate auf dem Ἄρειος πάγος. Forchhammer will eine theseische β.; vgl. besonders v. Wilamowitz-Möllendorff Aristot. u. Athen II 200.

Es ist dieser Rat der oligarchische, als dessen Kennzeichen gelten (vgl. Arist. Pol. II 12, 1273 a. Hypoth. II zu Dem. XXII), dass seine Mitglieder lebenslänglich das Amt bekleiden, dass sie aus gewesenen Beamten hervorgehen und keine Rechenschaft abzulegen haben; vgl. Senatus. In oligarchischen Staaten ist der Rat auch die beschliessende Gewalt, es werden dann zwei Räte unterschieden.

III. Β. im eigentlichen Sinne des Wortes ist der vorberatende Ausschuss des souveränen Volkes, aus dem Volke für kurze Zeit bestellt und rechenschaftspflichtig. Sie erscheint neben dem δῆμος. in den Beschlüssen, ist in den demokratischen Staaten der einflussreichste Factor und erscheint [1022] neben den eigentlichen ἀρχαί selbst als eine sehr bedeutende und wichtige ἀρχή. Das Vorhandensein einer β. bildet noch in der Kaiserzeit das Zeichen einer autonomen, freien Stadt; Marquardt St.-V. I² 210. Mommsen R. G. V 234.

Β. in Athen. Genauer die Geschichte und Competenz des Rates darzustellen haben wir nur für Athen die Möglichkeit; es soll daher zuerst über den Rat in Athen gesprochen werden, dann soweit uns etwas über den Rat ausser Athen bekannt ist.

Bezeichnung. In Athen gab es zur Zeit der Demokratie zwei βουλαί, den Rat auf dem Areiopag und den Rat im Prytaneion; Bekk. anecd. 222, 6f. Plut. Sol. 19. Liban. arg. Dem. XXII, dann hypothes. II. Es wird unterschieden ἡ ἐν Ἀρείῳ πάγῳ βουλή (oder ἡ Ἀρεοπαγῖτις) und ἡ δευτέρα, auch ἑτέρα ἡ τὰ πολιτικὰ πράττουσα oder ἡ βουλὴ τῶν πεντακοσίων. Über den Areiopag s. Bd. II S. 628ff. Die letztere β. wird dann als β. schlechthin bezeichnet besonders in den Inschriften; vgl. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 200f. Es entsteht nun die Frage: ,Seit welcher Zeit gab es einen doppelten Rat?‘ ,Von wem ist der zweite Rat eingesetzt worden?‘ Eine endgültige Beantwortung dieser Fragen ist zur Zeit unmöglich; es genüge eine Zusammenstellung der darüber aufgestellten Ansichten. Aus Aristot. Ἀθην. πολ. c. 4 haben wir die Nachricht, dass Drakon einen Rat von 401 Mitgliedern eingesetzt habe, und ich sehe keinen Grund, diese Nachricht als unrichtig zu bezeichnen; vgl. Busolt Griech. Gesch. II² 36, 2 mit Litteraturangaben. v. Schoeffer Jahresber. LXXXIII (1895) 181f. Schoemann hat Jahrb. f. Philol. CXV (1875) 455 die Ansicht ausgesprochen, dass das vorsolonische Naukrarencollegium eine β. gewesen sei, die gegenüber dem eupatridischen Rat eine ähnliche Stellung hatte wie später die β. der 400 zum Areiopag (vgl. Altert. I³ 344), während Wecklein und R. Schöll in den Naukraren den eupatridischen Staatsrat der Könige sehen, Lange aber einen Adelsrat von 60 lebenslänglichen Mitgliedern (51 Epheten und 9 Archonten) annimmt und nach ihm auch Philippi (Jahrb. CXV 175f.). Lange hat einen vorsolonischen Rat von 300 auf Grund der Nachricht Plut. Sol. 12 angenommen; vgl. Caillemer in Daremberg et Saglio Dict. I 739. Neuerdings sagt Busolt a. a. O. II² 40 Anm.: ,Wenn es vor Solon neben dem Areiopag einen Gemeinderat gab, so bestand er höchstwahrscheinlich nicht aus 400, sondern aus 300 Mitgliedern‘. Duncker Gesch. d. Alt. VI 187 behauptet, mit dem Areiopag sei beibehalten der vormalige grosse Rat der 300. Meyer Gesch. d. Alt. II § 233 meint, der alte Rat habe weiter bestanden in der β. der 400 und sei ursprünglich zusammengesetzt gewesen aus den Beiräten der Phylenkönige (§ 205). Neuerdings nun hat ausführlich v. Wilamowitz über den älteren Rat gehandelt; er behauptet, der alte Rat habe weiter bestanden in dem Areopag; der ältere Rat sei eine Vertretung der Naukrarien gewesen wie der kleisthenische eine Vertretung der Demen, und bestimmt die Competenz dieses alten Rates (Aristot. u. Athen I 85). Ich meine nun, dass aus dem alten, vordrakontischen Rate, der politische und richterliche Befugnisse hatte, unter Drakon der Rat der 401 mit politischen [1023] Befugnissen abgezweigt wurde, was im Zusammenhange mit der Entwicklung der Demokratie steht (vgl. Naukraren und Prytanen). Der Areiopag blieb dann noch immer ein aristokratischer Rat, da er sich aus den gewesenen Archonten ergänzte und seine Mitglieder lebenslänglich waren, Hypoth. II zu Dem. XXII. Dieser Rat hatte weiter seine richterliche Competenz, ihn bezeichnet der Redner schlechthin mit β., wenn er vor dem Areopag spricht. Sonst aber bezeichnet β. den Rat als die vorberatende Behörde der athenischen Demokratie, von der Plut. Sol. 19 gesagt ist: βουλὴν ἀπὸ φυλῆς ἑκάστης τεττάρων οὐσῶν ἑκατὸν ἄνδρας ἐπιλεξάμενος, οὓς προβουλεύειν ἔταξε τοῦ δήμου καὶ μηδὲν ἐᾶν ἀπροβούλευτον εἰς ἐκκλησίαν εἰςφέρεσθαι; vgl. Liban. argum. Dem. XXII. Es ist demnach jene β., von der Aristot. Pol. VI (IV) 15, 1299 b sagt: δεῖ μὲν γὰρ εἶναί τι τοιοῦτον, ᾧ ἐπιμελὲς ἔσται τοῦ δήμου προβουλεύειν, ὅπως ἀσχολῶν ἔσται und βουλὴ δημοτικόν, dann ὁ μὲν γὰρ βουλευτὴς δημοτικόν, ὁ δὲ πρόβουλος ὀλιγαρχικόν. In welchem Verhältnisse die Volksabteilungen in dem Rate der 401 unter Drakon vertreten waren, können wir nicht erkennen; unter Solon sehen wir jede der 4 Phylen und zwar die ersten drei Schatzungsklassen durch je 100 Ratsherrn vertreten. Mit der Vermehrung der Phylen durch Kleisthenes wurde die Zahl der βουλευταί auf 500 erhöht, daher die Bezeichnung ἡ βουλὴ οἱ πεντακόσιοι CIA I 57 (411/410 v. Chr.). II 809 b (4. Jhdt.); Lykurg. Leokr. 37. Aeschin. ΙΙΙ 20. Liban. arg. Dem. XXII (Bekk. anecd. 248 s. ἐκφυλλοφορῆσαι hat die Bezeichnung συνέδριον τῶν πεντακοσίων, daneben ἐσκόπει ἡ βουλή). Als die Zahl der Phylen auf zwölf vermehrt wurde (Plut. Demetr. 10), finden wir ἡ βουλὴ οἱ ἑξακόσιοι CIA II 476; im 3. Jhdt. v. Chr. wurde zeitweise eine dreizehnte Phyle (Ptolemaïs) gebildet, aus jener Zeit eine βουλὴ οἱ ἑξακόσιοι καὶ πεντήκοντα CIA IV 2, 385 d. In der Kaiserzeit finden wir wieder 600, CIA III 2. 68 (Zeit der Flavier) u. ö.; dann seit etwa 126 n. Chr. 500, CIA III 5. 10. 41 (175–192 n. Chr.). 62 (126/7 n. Chr.). Nach Busolts Vermutung (Handb. IV 1, 133), der Paus. I 3, 4 βουλευτήριον τῶν πεντακοσίων καλούμενον anführt, mag es einige Zeit 540 Buleuten gegeben haben. Um 270 n. Chr. gab es 750 Buleuten, CIA III 716, in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. n. Chr. eine βουλὴ τῶν τριακοσίων CIA III 635. 719. Συνέδρια für βουλή und Areopag CIA III 10. 693 u. s. w.

Bedingung zum Eintritt, Modus der Ernennung. Bedingung für das βουλεύειν, das Amt eines βουλευτής, für die βουλεία war der Besitz des Bürgerrechts und der bürgerlichen Ehrenrechte, bis auf Aristides die Zugehörigkeit zu den ersten drei Schatzungsklassen, die βουλευτικὴ ἡλικία von 30 Jahren und die Meldung als Bewerber; vgl. Harpokr. s. βουλεία· τὸ ἐκ τῆς βουλῆς ὄντα πράττειν ἃ τοῖς βουλευταῖς προσήκει; βουλεθτικὰ ἡλικία Xenoph. memor. Ι 2, 35. Liban. arg. Dem. XXII. CIA I 9 (Bestimmungen über die β. von Erythrai aus der Zeit des Kimon): μηδ’ ἔλαττον ἢ τριάκοντο ἔτη γεγονώς. Meldung: Lys. XXXI 33.

Die Ernennung erfolgte nach Aristot. Ἀθην. πολ.. 4 schon zu Drakons Zeit durch das Los; nach der kleisthenischen Demeneinteilung wurden [1024] durch das Bohnenlos aus den von den einzelnen Demen nach Verhältnis ihrer Grösse und Bedeutung vorgeschlagenen Candidaten aus jeder Phyle 50 Buleuten erlost, eine Verbindung von Wahl und Los, wie sie Platon leg. VI 758 B (ἐκ προκρίτων κληρωθέντες) für seinen Staat verlangt; dabei wurde zugleich je ein Ersatzmann (ἐπιλαχών) erlost. CIA I 9 (für Erythrai): ἀποκληροῦν δὲ ἀπὸ κυάμων βουλήν. Thuk. VIII 09 τοῖς ἀπὸ τοῦ κυάμου βουλευταῖς. Aristot. Ἀθ. πολ. 43, 2. Harpokr. s. ἐπιλαχών· Αἰσχίνης κατὰ Κτησιφῶντος ,οὔτε λαχὼν οὔτ’ ἐπιλαχών, ἀλλ’ ἐκ παρασκευῆς πριάμενος‘· ἔοικε τὸ γιγνόμενοντοι τοιοῦτον εἶναι… ἐκληροῦντο οἱ βουλεύεινἄρχειν ἐφιέμενοι, ἔπειτα ἑκάστῳ τῶν λαχόντων ἕτερος ἐπελάγχανεν, ἵν’ ἐὰν ὁ πρῶτος λαχὼν ἀποδοκιμασθῇ ἢ τελευτήσῃ, ἀντ’ ἐκείνου γένηται βουλευτὴς ὁ ἐπιλαχὼν αὐτῷ. Bekk. anecd. 256, 3f. ἐπιλαχὼν· εἴ τις ἀποδοκμασθείη ὡς ἀνεπιτήδειος, ἄλλος ἀντὶ τούτου ἐπιλαχὼν αὐτὸς ἦρχεν. Über die Verteilung der einzelnen Ratsstellen auf die Demen vgl. Athen. Mitt. VII (1882) 103f.

Dokimasie, Amtsdauer, Iteration. Der Erlosung folgt die Prüfung, δοκιμασία, vor dem alten Rate; Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 3. Lys. XXXI 1. Dem. XXI 111. [Dem.] LIX 3. Die Prüfung erstreckte sich auf das ganze Leben des Candidaten, nicht etwa auf besondere Fähigkeiten; Lys. XVI 9 ἐν δὲ ταῖς δοκιμασίαις δίκαιον εἶναι παντὸς τοῦ βίου λόγον διδόναι; ursprünglich war diese Dokimasie vor dem Rate entscheidend, später konnte der Zurückgewiesene (ἀποδοκιμασθείς) Berufung an ein Heliastengericht einlegen; Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 3. Die Amtsdauer betrug ein Jahr, wie die der meisten Beamten, Liban. argum. Dem. XXII. Hypoth. II zu Dem. XXII; eine und dieselbe Person konnte mehrmals die βουλεία bekleiden; für Erythrai ist CIA I 9 bestimmt βουλεύειν δὲ μὴ ἐντὸς τεττάρων ἐτῶν. Auch in Athen mag ein Zwischenraum bestimmt gewesen sein, Boeckh St.-H.³ II 763.

Amtsantritt, Amtseid. Der Amtsantritt erfolgte wohl Mitte des Skirophorion (Aristot. Ἀθ. πολ. 32, 1), und zwar unter Darbringung feierlicher Opfer, εἰςιτήρια; Thuk. VIII 70. Dem. XIX 190. Suid. s. εἰςιτήρια· ἡ βουλὴ τὰ εἰςιτήρια θύει…. Schol. Dem. XXI 114 εἰςιτήρια γίγνεται μελλούσης εἰςιέναι τῆς βουλῆς εἰς τὸ βουλευτήριον. Beim Amtsantritte wurde der Amtseid, βουλευτικὸς ὅρκος, geleistet, von dem nur einzelne Bestimmungen erhalten sind (vgl. CIA I 9 für Erythrai). Aristot. Ἀθ. πολ. 22, 2. Xenoph. memor. I 1, 18. Plut. Sol. 25. Dem. XXIV 144. [Dem.] LIX 3. Lys. XXXI 1. 2. Dieser Eid bezog sich auf die verschiedenen Pflichten des Rates: nach den Gesetzen ihr Amt zu verwalten, die solonischen Gesetze zu halten, dem Volke das Beste zu raten, bei der Dokimasie die Untauglichen zurückzuweisen, nur unter gewissen Bedingungen einen Athener in Fesseln zu legen.

Abzeichen, Ehren und Vorteile. Als Abzeichen hatte der βουλευτής den Kranz, Lyk. Leokr. 122, war während seines Amtsjahres frei vom Kriegsdienste, Lyk. Leokr. 37, erhielt den βουλευτικὸς μισθός im Betrage von 1 Drachme täglich, Hesych. s. βουλῆς λαχεῖν· τὸ λαχεῖν βουλευτὴν καὶ δραχμὴν τῆς ἡμέρας λαβεῖν. Thuk. VIII 69. Bei Aristot. Ἀθ. πολ. 62, 2 werden nur mehr [1025] 5 Obolen angegeben. Vgl. das καθέσιμον τῆς βουλῆς als besondere Einnahme an den Theseien, CIA II 444–446. Dann hatten die Ratsherren Ehrenplätze im Theater: βουλευτικὸς τόπος, Aristoph. Av. 794 und Schol. Suid. s. βουλευτικὸς. Pollux IV 122 ἐκαλεῖτο δέ τι καὶ βουλευτικὸν μέρος τοῦ θεάτρου καὶ ἐφηβικόν. Nach Beendigung der Amtszeit wurde dem Rate, wenn er sein Amt ordentlich verwaltet hatte, die Bekränzung durch das Volk zu teil, Hypoth. II zu Dem. XXII § 8 νόμος δὲ ἦν τὴν βουλὴν τὴν δόξασαν τῷ δήμῳ καλῶς βεβουλευκέναι στεφανοῦσθαι; vgl. Dem. XXII 12. 36. Aristot. Ἀθ. πολ. 46, 1.

Rechenschaftsablage. Am Schlusse des Amtsjahres war jedes Ratsmitglied wie jeder Beamte verpflichtet, für seine Amtsführung Rechenschaft abzulegen (εὐθύνας διδόναι); CIA II 114. Aischin. III 20. Dem. XXII 38f. Bei der Niederlegung des Amtes wurden wie beim Antritt feierliche Opfer (ἐξιτήρια) dargebracht (Suid. s. εἰςιτήρια. Schömann I³ 402).

Der Rat als Körperschaft. Als Körperschaft hatte die β. in ihren inneren Angelegenheiten volle Autonomie, vor allem Disciplinargewalt gegen die Mitglieder: ein Ratsherr, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, wurde durch die ἐκφυλλοφορία, so genannt, weil dabei mit Ölblättern statt mit Stimmtäfelchen abgestimmt wurde, vorläufig ausgeschlossen; diese Ausschliessung wurde durch ein förmliches gerichtliches Verfahren entweder bestätigt oder aufgehoben, Harp. s. ἐκφυλλοφορῆσαι. Bekk. anecd. 248, 7f. Etyro. M. s. ἐκφυλλοφορῆσαι. Aischin. I 111f. 129 u. Schol. Nach Pollux VIII 18 war es eine κατάγνωσις, ein Vorurteil, während das Endurteil erst von dem als Gericht constituierten Rate oder einem ordentlichen Gerichte gesprochen wurde. Die β. hatte ihren geschäftsführenden Ausschuss oder eine permanente Commission aus ihrer Mitte mit einem Vorstande, welche das Präsidium in der β. führten, die Prytanen, während ein Beamter weder zur Berufung noch Leitung der Ratsversammlung oder auch nur zum unmittelbaren Zutritte berechtigt war (Gegensatz der römische Senat). Diesen geschäftsführenden Ausschuss bildeten die Ratsherren einer Phyle abwechselnd in einer durch das Los bestimmten Reihenfolge für den zehnten Teil des Jahres unter dem Titel πρυτάνεις, Aristot. Ἀθ. πολ. 43, 2. Harp. Suid. Phot. s. v. Bekk. anecd. 291, 4f. Poll. VIII 95. Der Zeitraum, während welchem die πρυτανεύουσα φυλή (CIA II 190. Poll. VIII 155) im Amte war, hiess πρυτανεία, bezeichnet nach der φυλή (z. B. ἡ Ἐρεχθηῒς πρυτανεία CIA I 31), und umfasste zur Zeit der 10 Phylen 35, bezw. 36 Tage in Gemeinjahren, 38 bezw. 39 in Schaltjahren, zur Zeit der 12 Phylen einen Monat, Poll. VIII 115: πρυτανεία δέ ἐστι χρόνος, ὃν ἑκάστη φυλὴ πρυτανεύει· καὶ ὅτε μὲν δέκα ἦσαν, πλείους ἑκάστῃ φυλῇ αἱ ἡμέραι, ἐπεὶ δὲ δώδεκα ἐγένοντο, ἑκάστη φυλὴ μηνὸς πρυτανείαν ἔχει. Im fünften und im ersten Viertel des 4. Jhdts. v. Chr. führte den Vorsitz unter den Prytanen und somit im Rate ein täglich aus der Mitte der Prytanen erlοster ἐπιστάτης τῶν πρυτάνεων, Aristot. Ἀθ. πολ. 44, 1; er führte den Vorsitz einen Tag und eine Nacht, durfte das Amt nur einmal während der Prytanie verwalten, bewahrte den Schlüssel zum Staatsschatze [1026] und zum Staatsarchiv, führte das Staatssiegel und musste mit einem von ihm bestimmten Drittel der Prytanen immer im Sitzungslocale, θόλος, anwesend sein; vgl. Suid. Etym. M. Harp. s. v. Bekker anecd. 244, 31f. Poll. VIII 96. Eustath. zu Od. XVII 455. Xen. mem. I 1, 8. IV 4, 2. Aristoph. equit. 624f. 665. 674; Acharn. 40f., in den Inschriften ὁ δεῖνα ἐπεστάτει, Hartel Stud. 4 u. ö. Hinrichs in Müllers Handb. I¹ 453. Im 4. Jhdt., zuerst bezeugt für 378/7, ging das Präsidium im Rate und in der Volksversammlung über an den ἐπιστάτης τῶν προέδρων; es wurden vor jeder Rats- und Volksversammlung aus den neun gerade nicht prytanierenden Phylen durch den ἐπιστάτης τῶν πρυτάνεων je ein πρόεδρος und aus den neun πρόεδροι der ἐπιστάτης τῶν προέδρων erlost, Aristot. Ἀθ. πολ. 44, 2. Harp. s. προέδροι. Poll. VIII 96. Es tritt dann die Formel ein: τῶν προέδρων ἐπεψήφιζεν ὁ δεῖνα, Hartel a. a. O. 15 u. ö. Den Vorsitz führten dann diese προέδροι, den Prytanen blieb nur das Recht der Einberufung (συλλογή, vgl. CIA II 390 u. ö.). Die Prytanen bildeten gleichfalls eine politische Körperschaft, sie erwählten für die Dauer der Prytanie einen Schreiber und einen Schatzmeister (CIA II 431. 440. 454. 869. 872), hatten ein Amtslocal in der Nähe des βουλευτήριον, wo sie gemeinsam auf Staatskosten speisten, θόλος und Σκιάς genannt, Aristot. Ἀθ. πολ. 43, 3. 62, 2. Harp. s. θόλος. Phot. s. σκιάς. Dem. XIX 190. Andok. Ι 12. 45. Poll. VIII 155. Paus. I 5, 1; σκιάς CIA II 476 u. ö. Sie hatten das Recht, Leute, die sich um sie verdient gemacht, zu bekränzen, wie sie selbst oft vom Rate und Volke bekränzt wurden, CIA II 190 u. ö. Über die Thätigkeit der Prytanen vgl. Plat. leg. VI 758 B–D. Aristot. Ἀθ. πολ. 43, 3. 6. Aristoph. equit. 300; Thesm. 654. 754. 854. 923. 929f. Dem. XVIII 169f. XIX 185. [Dem.] XLVII 42. Lys. XXII 1. Poll. VIII 95. An die Prytanen wendeten sich die fremden Gesandten, sie übernahmen Anzeigen und Meldungen, handhabten die Polizei durch die Toxoten, bereiteten die Vorlagen für den Rat vor und beriefen den Rat, gewöhnlich durch ein schriftliches πρόγραμμα, mit Angabe der Tagesordnung und leiteten die Ratssitzungen und Volksversammlungen. Ein πρόγραμμα erwähnt CIA II 61; Berufung des Rates und der Volksversammlung, συλλογὴ τῆς τε βουλῆς καὶ τοῦ δήμου, CIA II 390; vgl. Athen. Mitt. VII (1882) 103f. Besonderer Sitz der Prytanen Lys. XIII 37; Anträge derselben Isokr. VIII 15: ἃ γιγνώσκω περὶ ὧν οἱ πρυτάνεις προτιθέασι; Opfer für den Staat durch die Prytanen dargebracht CIA II 390. 408 u. ö. Über die Thätigkeit der Prytanen bei der Abstimmung in gewissen Volksversammlungen, z. B. bei der Bürgerrechtsverleihung, s. Hartel Stud. 272. Die β. hatte als Corporation ihre Beamten und Diener, ferner eine eigene Kasse, ein Amtslocal mit einem Altar der Götter des Rates, und konnte in ihren eigenen Angelegenheiten Beschlüsse fassen, besonders Ehrenbezeugungen für ihre Beamten und wohlverdiente Männer enthaltend.

Beamte des Rates (in der Darstellung derselben folge ich G. Gilbert Handb. I² 298f., wo auch die Litteratur angegeben ist). Von den aus der Mitte des Rates für diesen und von diesem bestellten Beamten nahmen die erste Stelle [1027] ein die γραμματεῖς, deren wichtigster der eigentliche Ratsschreiber war; derselbe war zuerst erwählt und wechselte mit der Prytanie, daher sein voller Titel lautete: ὁ κατὰ πρυτανείαν γραμματεὺς τῆς βουλῆς, dann abgekürzt: ὁ γραμματεὺς τῆς βουλῆς, Aristot. Ἀθ. πολ. 54, 3. Harp. s. γραμματεύς. Poll. VIII 98. Er hatte für die Aufzeichnung und Aufstellung der Urkunden zu sorgen, die Aufsicht über das Metroon, das in der Nähe des Rathauses lag (Paus. I 3, 4), und das Protokoll zu führen. In späterer Zeit wurde er erlost; vgl. CIA I 61. 188. Über die Erwähnung desselben in den Praescripten zur Datierung Hartel a. a. O. 4 u. ö., der aber nicht für identisch mit dem γραμματεὺς τῆς βουλῆς hält den γραμματεὺς ὁ κατὰ πρυτανείαν (ebd. 120). Seit der Mitte der sechziger Jahre des 4. Jhdts. v. Chr. wurde er nicht mehr blos für eine Prytanie, sondern für das ganze Jahr erlost, behielt aber doch den Namen γραμματεὺς κατὰ πρυτανείαν und γραμματεὺς τῆς βουλῆς, z. B. CIA II 186. Aristot. Ἀθ. πολ. 54, 4 (vgl. Poll. VIII 98) sagt weiter: κληροῦσι δὲ καὶ ἐπὶ τοὺς νόμους ἕτερον, ὃς παρακάθηται τῇ βουλῇ καὶ ἀντιγράφεται καὶ οὗτος πάντας. Von diesem Schreiber ist in den Inschriften keine Spur vorhanden; Gilbert a. a. O. vermutet wohl mit Recht, dass derselbe dieselben Aufgaben für die Gesetze zu erfüllen hatte, die dem ersten Ratsschreiber gegenüber den Rats- und Volksbeschlüssen oblagen, dass er bei Dem. XXIV 42 gemeint sei und nicht lange bestanden habe.

Hier möge der Übersicht wegen gleich angeführt werden der dritte γραμματεύς, der zwar zur β. in Beziehung stand, aber nicht aus der Mitte der Buleuten von diesen bestellt wurde, sondern vom Volke gewählt, aber doch selbst Buleut war, Aristot. Ἀθ. πολ. 54, 5 (vgl Poll. VIII 98): er war bestimmt, in der Volksversammlung und im Rate die Schriftstücke zu verlesen, wohl der γραμματεὺς τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δήμου, seit 307/6 v. Chr., gewöhnlich blos γραμματεὺς τοῦ δήμου genannt. Seit dieser Zeit war sein Wirkungskreis erweitert, indem er abwechselnd mit dem γραμματεὺς κατὰ πρυτανείαν mit der Aufzeichnung und Aufstellung der Urkunden beauftragt wird; bald nach dem Beginne des 3. Jhdts. v. Chr. wird wieder der γραμματεὺς κατὰ πρυτανείαν mit der Aufzeichnung von Beschlüssen betraut. Beide Schreiber bestanden noch in der römischen Zeit, der γραμματεὺς κατὰ πρυτανείαν als περὶ βῆμα (CIA III 10), und der γραμματεὺς τῆς βουλῆς καὶ δήμου (auch blos γραμματεὺς τῆς βουλῆς genannt, CIA III 1038. 1045). Nur vorübergehend werden genannt ὁ ἐπὶ τὰ ψηφίσματα und der ἀναγραφεύς bei der Aufzeichnung von Volksbeschlüssen, CIA II 114. 190 u. ö. Der ὑπογραμματεὺς τῆς βουλῆς diente zur regelmässigen Unterstützung des Ratsschreibers, CIA II 329. 393. 431. 441. Poll. VIII 98 erwähnt noch den ἀντιγραφεύς, von dem es heisst πρότερον μὲν αἱρετός, αὖθις δὲ κληρωτὸς ἦν, καὶ πάντα ἀντεγράφετο παρακαθήμενος τῇ βουλῇ; Harp. s. v. hat die weitere Angabe διττοί δὲ ἦσαν ἀντιγραφεῖς, ὁ μὲν τῆς διοικήσεως, ὥς φησι Φιλόχορος, ὁ δὲ τῆς βουλῆς, ὡς Ἀριστοτέλης ἐν Ἀθηναίων πολιτείᾳ. In der That wird es derselbe Beamte gewesen sein, der Gegenschreiber, welcher als Buchhalter oder Controlor des Rates alle die [1028] Geldverwaltung des Rates betreffenden Verhandlungen zu beaufsichtigen hatte. Sicher ist es nicht, ob er und vielleicht auch der ὑπογραμματεύς vom Rate aus seiner Mitte genommen wurde. Dass der Rat seine eigene Kasse hatte, ergiebt sich daraus, dass er Schatzmeister, ταμίαι, aus seiner Mitte bestellte; CIA II 61. 114 (343/2 v. Chr.) nennt zwei βουλῆς ταμίαι; sie hatten die Kasse zu verwalten, aus der die Ausgaben für den μισθὸς βουλευτικός, den Sold der Diener, die Kosten der Aufzeichnung der Ratsbeschlüsse und der Herrichtung gewisser Opfer bestritten wurden: τὰ κατὰ ψηφίσματα ἀναλισκόμενα τῇ βουλῇ (Hartel a. a. O. 130). Im 5. Jhdt. und dann seit dem Ende des 4. Jhdts. v. Chr. scheint es nur einen ταμίας der β. gegeben zu haben; vgl. Δελτ. ἀρχ. 1889, 26. 39. CIA II 329 nennt: Νικοκράτης βουλεύειν λαχών… καὶ ταμίας αἱρεθεὶς υπὸ τῆς βουλῆς εἴς τε τὰς θυσίας… Dieser ταμίας musste dem Rate Rechenschaft ablegen, ebd. 375.

Erwähnt wird ferner der κῆρυξ τῆς βουλῆς CIA II 61. 73. 329, später bezeichnet als κῆρυξ τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δήμου, CIA II 393. 394. 431; dieser war wohl besoldet. Erwähnt wird auch ein δημόσιος τῆς βουλῆς, CIA II 61. Arist. Ἀθ. πολ. 48. 52. Zur Verfügung des Rates standen auch die Toxoten oder Skythen, Aristoph. Ach. 54; Thesm. 940. 1002f.; vgl. Lysistr. 441f. Poll. VIII 132.

Ratssitzungen, Tagesordnung, Geschäftsordnung. Ratssitzungen fanden täglich mit Ausnahme der Fest- und Unglückstage statt (Aristot. Ἀθ. πολ. 43, 3. Harp. s. κυρία ἐκκλησία. Poll. VIII 95), und zwar entweder infolge des πρόγραμμα des Prytanen oder der Berufung durch den Herold, Andok. I 36; über das σημεῖον Schoemann Altert. I³ 401; de comit. 149f. Σύγκλητος βουλή: CIA II 439 βουλὴ ἐμβουλευτηρίῳ σύγκλητος; IV 2, 441f. στρατηγῶν παραγγειλάντων. In gefährlicher Zeit blieb der Rat in Permanenz, Andok. I 45 (auf der Akropolis). Die Sitzungen selbst, ἕδραι genannt (CIA I 31. 40. 50. II add. 1 b u. ö. Poll VΙΙΙ 144; vgl. ἕδραν ποιεῖν Andok. I 64), fanden gewöhnlich im βουλευτήριον, bei besonderen Gelegenheiten an anderen Orten statt, bisweilen wurde die Sitzung von einem Orte an einen andern verlegt; regelmässig wird in den Inschriften der Ort, wo die Ratssitzung stattfand, angegeben: βουλευτήριον CIA I 59. II 179 u. ö. IV 2, 128 b 30; ἐν τῷ Ἐλευσινίῳ CIA II 372. 431. Andok. I 111; ἐν τῷ Θησείῳ CIA II 481; ἐν τῷ νεωρίῳ CIA I 40; ἐν Πειραιεῖ IV 2, 373 c 4; ἐν τῷ θεάτρῳ II 482; Παναθηναϊκὸν σταδίον II 482; ἐν βουλευτηρίῳ καὶ ἐκ τοῦ βουλευτηρίου ἐν τῷ Ἐλευσινίῳ II 431, 30; ἐν τῷ θεάτρῳ ἡ μεταχθεῖσα ἐκ τοῦ Παναθηναϊκοῦ σταδίου II 482. Die Sitzungen waren regelmässig öffentlich, Dem. XIX 17; eine δρύφακτα (Xen. hell. II 3, 50) oder κιγκλίς (Aristoph. equit. 641) genannte Barrière trennte die Zuhörer von den Ratsmitgliedern. Bei geheimer Beratung musste sich das Publicum aus dem Sitzungslocale entfernen, Aisch. III 125. [Dem.] XXV 23. Harp. s. ἀπεσχοινισμένος. Die jedesmalige Tagesordnung wurde durch das πρόγραμμα bestimmt; auswärtige Angelegenheiten, z. B. wegen Gesandtschaften, gingen allen anderen voran, Dem. XIX 185. Zutritt zum Rate musste von Privaten erbeten werden: [1029] πρόσοδον γράφεσθαι, Dem. XXIV 48; der Betreffende wurde dann von den Prytanen eingeführt, ebenso auch die Beamten, Schol. Aristoph. Pax 905 τοῖς πρυτάνεσιν ἔθος ἦν προςαγαγεῖν τοῦς δεομένους εἰς τῆν βουλήν. Andok. I 111. Die πρόσοδος πρὸς τὴν βουλήν wurde auch vom Volke verliehen, CIA I 31. Das Recht, einen Antrag zu stellen, hat der Privatmann nicht. Nach der 410/9 in den Eid aufgenommenen Bestimmung mussten die Buleuten phylenweise zusammensitzen, während früher wohl die Gruppierung parteienweise erfolgt war, Schol. Aristoph. Plut. 972 φησὶ γὰρ Φιλόχορος ἐπὶ Γλαυκίππου καὶ ἡ βουλὴ κατὰ γράμμα τότε πρῶτον ἐκαθέζετο καὶ ὀμνῦσι ἀπ’ ἐκείνου καθεδεῖσθαι ἐν τῷ γράμματι ᾧ ἂν λάχωσι. Dass die φυλὴ πρυτανεύουσα und später die πρόεδροι einen besonderen Platz inne hatten, wurde schon oben gesagt. Die Verhandlungen der β. selbst begannen nach einem Opfer und Gebet an die Götter des Rates, Ζεὺς Βουλαῖος und Ἀθηνὰ Βουλαία (Antiph. VI 45), denen wohl auch die ἑστία βουλαία im Sitzungslocale geweiht war (Harp. s. βουλαία), und nachdem der Herold die übliche ἀρά ausgesprochen hatte, Dem. XIX 70. XXIII 97. Die Abstimmung geschah gewöhnlich durch Cheirotonie, bei der Ausschliessung eines Mitgliedes (ἐκφυλλοφορία) durch Ölblätter, und, wenn die β. als Gerichtshof constituiert war, durch Stimmsteine. In der drakontischen Verfassung war auf das Versäumnis einer Sitzung eine Strafe von einer Drachme gesetzt (Aristot. Ἀθ. πολ. 4. v. Wilamowitz Arist. u. Athen. I 88); ob dann im Rate der 500 derjenige Buleut, der zur Sitzung zu spät kam, seines Soldes für diesen Tag verlustig wurde, wie Schoemann Alt. I³ 402 meint, lässt sich nicht bestimmen. Die Auszahlung des μισθὸς βουλευτικός erfolgte gegen Abgabe der Praesenzmarke, des σύμβολον, welches der Ratsherr in der Sitzung erhalten hatte, Benndorf Ztschr. f. österr. Gymn. XXVI 1875, 595. Daremberg-Saglio Dict. I 741.

Bevor ich zur Darstellung der Competenz des Rats übergehe, möchte ich einige Worte über die Bezeichnung der Ratsbeschlüsse sagen. Wir finden die Bezeichnung: προβούλευμα Dem. XXIV 11. [Dem.] LIX 4 u. a.; dafür auch ψήφισμα, Dem. XXIV 16. 92 u. ö. Bekker anecd. 289, 26f. τὸ τὴν βουλὴν τῶν πεντακοσίων πρότερον κρίνειν τὸ ψήφισμα, εἰ καλῶς ἔχει, καὶ οὕτως εἰςφέρεσθαι εἰς τὸν δῆμον. καὶ τοῦτο καλεῖται προβούλευμα. τὸ δὲ προβούλευμα κύριον ἦν ἄχρι ἐνιαυτοῦ, μεθ’ ὃ ἄκυρον ἐγίνετο. Harp. προβούλευμα τὸ ὑπὸ τῆς βουλῆς ψηφισθὲν πρὶν εἰς τὸν δῆμον εἰςενεχθῆναι. Es ist demnach ein Vorbeschluss, der noch der Sanction durch das Volk bedarf, ein Antrag an das Volk. Die frühere Ansicht ging nun dahin, dass solche probuleumatische Anträge, wenn sie nicht innerhalb des Amtsjahres der β., von welcher sie ausgingen, vom Volke bestätigt wurden, verjährten; es ist das Verdienst Hartels (a. a. O. 261f.), nachgewiesen zu haben, dass zwei Arten derselben zu unterscheiden sind: solche von der Bule beschlossene Anträge, die bis zum Ende des Amtsjahres der Bule nicht vor das Volk gebracht waren und daher erloschen, und solche, die zwar beim Volke eingebracht, aber nicht sanktioniert waren; die letzteren erloschen nicht mit der Amtsdauer des Rates. Hartel hat auch (60. [1030] 65) das Merkmal probuleumatischer Decrete festgestellt und sie von den eigentlichen Ratspsephismen, d. h. Beschlüssen, welche der Rat innerhalb seiner Competenz fasste, geschieden.

Competenz. Über die Competenz der β. sind wir durch die Angaben der Schriftsteller und durch die Inschriften unterrichtet, doch nicht für die verschiedenen Zeiten in gleicher Weise, daher eine historische Darstellung der Competenz nicht rätlich ist. Wir haben nur dürftige Angaben über den Rat nach der drakontischen und solonischen Verfassung, in beiden war seine Hauptthätigkeit das προβουλεύειν, Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 4. Plut. Sol. 19. Dass er ein ausgedehntes Strafrecht besessen habe, erfahren wir aus Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 1: ἡ δὲ βουλὴ πρότερον μὲν ἦν κυρία καὶ χρήμασι ζημιῶσαι καὶ δῆσαι καὶ ἀποκτεῖναι. Diese Rechte verlor er; vgl. CIA I 57 und die Bestimmungen im Ratseide. Inwieweit der Rat vor Kleisthenes auch an der Verwaltung beteiligt war, lässt sich nicht bestimmen. Als Sitzungslocal jener Zeit wird das Prytaneion angenommen. Mit der Entwicklung der Demokratie wuchs die Bedeutung des Rates, bis sich seine Competenz über alle Zweige der Staatsverwaltung erstreckte und er die höchste Regierungs- und Verwaltungsbehörde wurde. Er ist der massgebende Factor in dem Teile der πολιτεία, welchen Aristot. Pol. VI (IV) 14, 1298 a als das βουλευόμενον bezeichnet; er ist ein Zeichen der Demokratie, Aristot. Pol VI (IV) 15, 1299 b: αὕτη (sc. ἀρχὴ τῶν προβούλων) οὐ δημοκρατική, βουλὴ δὲ δημοτικόν, ebd. ὁ βουλευτῆς δημοτικόν…; ebd. über die Notwendigkeit des προβουλεύειν, VII (VI) 8, 1322 b πρόβουλοι διὰ τὸ προβουλεύειν, ὅπου δὲ πλῆθός ἐστι, βουλὴ μᾶλλον. Daher ist auch VII (VI) 2, 1317 b gesagt: τῶν δ’ ἀρχῶν δημοτικώτατον βουλή, und wird die Competenz der 500 im allgemeinen bestimmt bei Liban. Dem. XXII im Gegensatze zum Areiopagos als ἑτέρα ἡ τὰ πολιτικὰ πράττουσα und Hyp. II zu derselben Rede mit τὸ τὴν τῶν πεντακοσίων τὰ δημόσια πράγματα διοικεῖν; vgl. [Xen.] Ἀθ. πολ. III 2. Diese Machtstellung hat der Rat der 500 im 5. Jhdt. v. Chr. (seit Ephialtes), behielt sie aber nicht, wie wir aus Aristot. Ἀθ. πολ. 45 erfahren, nachdem das Volk selbst immer mehr der Regierung und Verwaltung sich bemächtigte; vgl. Aristot. Pol. VI (IV) 15, 1299 b. 1300: καταλύεται δὲ καὶ τῆς βουλῆς ἡ δύναμις ἐν ταῖς τοιαύταις δημοκρατίαις, ἐν αἷς αὐτὸς συνιὼν ὁ δῆμος χρηματίζει περὶ πάντων. Daher das Bestreben der 400 im J. 411, einen Rat nach oligarchischer Weise einzurichten. Unter den 30 hatte er über Leben und Tod zu richten, Xen. hell. II 3, 24f.

Wir wollen die Competenz nach den Angaben des Aristoteles in der Ἀθ. πολ. betrachten; zunächst möchte ich bezüglich der Gliederung derselben unterscheiden die Thätigkeit als vorberatender Gemeinderat und als Regierungs- und Verwaltungsbehörde; denn dass die β. eine ἀρχή war, ist allgemein anerkannt, Plat. leg. VI 758 B. Aristot. Pol. VII (VI) 2, 1317 b; Ἀθ. πολ. 8. 47, 1. 49, 4. 62, 3. Hypoth. II zu Dem. XXII. Szanto Griech. Bürgerr. 3. Wilamowitz Arist. u. Ath. I 209f.; es sind bei ihm also auch jene Rechte zu beachten, die Aristot. Pol. VI (IV) 15, 1299 a als Erfordernis jeder ἀρχή angiebt.

[1031] Als vorberatender Ausschuss hatte die β. alle Angelegenheiten, die vor die Volksversammlung gebracht werden sollten, vorzuberaten und darüber ein Gutachten, προβούλευμα, auch γνώμη genannt (vgl. Bekk. anecd. 227, 4: γνώμαι· τὰ ψηφίσματα) abzufassen, dieses Gutachten diente dann als Grundlage für die Beratung in der ἐκκλησία, Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 4. Plut. Sol. 19. Es gilt der Grundsatz: μηδὲν ἐᾶν ἀπροβούλευτον εἰς ἐκκλησίαν εἰςφέρεσθαι, wobei aber das Probuleuma nicht immer meritorische Anträge enthalten musste, sondern sich auf die blosse Einbringung des Antrages beschränken konnte, Hartel a. a. O. 63f. Damit hatte der Rat die Initiative für die beratschlagende Gewalt und in gewissem Sinne auch die Legislative in seiner Hand. Er vermittelte den Verkehr sowohl der Beamten als der privaten Bittsteller mit der Volksversammlung, daher Gesuche an ihn gerichtet wurden, Hartel a. a. O. 239f. Die beschliessende Thätigkeit des Rates beschränkte sich aber nicht auf diese probuleumatischen Anträge, sondern er fasste als Corporation im eigenen Geschäftskreise bindende Beschlüsse, die den bestehenden Gesetzen aber nicht widersprechen durften, Dem. XXIII 87 ψήφισμα μηδὲν μήτε βουλῆς μήτε δήμου κυριώτερον εἶναι. [Dem.] XLVII 34. Diese Ratspsephismen (Hartel 60f. 261f. u. ö.) betreffen z. B. die Ernennung eines Heroldes, CIA II 73; Kultangelegenheiten, II 404 u. a.; Belobigung der Prytanen, vgl. Hartel 67; die Belobungsdecrete der Beamten der Prytanen sind in der Regel Ratspsephismen. Dem Rate wurde die Ausführung von Volksbeschlüssen aufgetragen; dabei waren entweder die Bestimmungen, nach denen der Rat vorzugehen hatte, genau angegeben oder es wurde ihm freier Spielraum innerhalb gewisser Grenzen gegeben, vgl. CIA I 32. IV 22 a. II 17. 66 b. 809 b; seltener erhielt er unumschränkte Vollmacht, βουλὴ αὐτοκράτωρ, z. B. im Hermokopidenprocesse, Andok. I 15; vgl. Dem. XIX 154. CIA I 32. Boeckh St.-H. II³ 44f. Der Rat hatte das Recht des ἐπιτάττειν, d. h. den Beamten Aufträge und Weisungen zu erteilen, dann von ihnen Berichte entgegenzunehmen; die Beamten waren verpflichtet, allmonatlich dem Rate Bericht zu erstatten, Aristot. Ἀθ. πολ. 47, 1. 49, 4 (συνδιοικεῖ δὲ καὶ ταὶς ἄλλαις ἀρχαῖς τὰ πλεῖστα). 45, 2 κρίνει δὲ τὰς ἀρχὰς ἡ βουλὴ τὰς πλείστας, μάλιστα ὅσα χρήματα διαχειρίζουσι. Lys. XXX 5, vgl. unten über den Rat als Finanzbehörde. Beispiele bieten Andok. I 45. Dem. XVIII 169. CIA II 61. Antiph. VI 49. Da der Rat das Recht hatte, Aufträge zu geben, stand ihm auch das Recht zu, die Ausführung derselben zu erzwingen, bezw. Vergehungen dagegen zu bestrafen, das Recht der ἐπιβολή: Bekk. anecd. 254, 24f. ἐπιβολὴ καὶ ἐπιβάλλειν· ζημίας ὄνομα, τὸ τὸν ἄρχοντα ἢ τὴν βουλὴν χρήματα ὁρίζειν τινὶ ζημίαν δοκοῦντι ἀδικεῖν; der Rat hatte die ἐπιβολή bis 500 Drachmen, CIA I 57, die προέδροι bis 50 Drachmen, Aischin. I 35.

Da der Rat alle Gegenstände, die vor die Ekklesie kamen, zu begutachten hatte, so finden wir ihn amtlich thätig bei den verschiedensten Angelegenheiten, [Xen.] Ἀθ. πολ. III 2. So sorgte er für die Kriegstüchtigkeit des Staates, er führte die Aufsicht über das Rittercorps, über die Instandhaltung und Ergänzung der Flotte und die [1032] Werfte, im Kriegsfalle war er auch thätig bei der Aussendung eines Geschwaders, Aristot. Ἀθ. πολ. 46, 1: ἐπιμελεῖται δὲ καὶ τῶν πεποιημένων τριήρων καὶ τῶν σκευῶν καὶ τῶν νεωσοίκων καὶ ποιεῖται καινὰς τριήρεις καὶ τετρήρεις, ὁποτέρας ἂν ὁ δῆμος χειροτονήσῃ καὶ σκεύη ταύταις καὶ νεωσοίκους u. s. w., vgl. Hypoth. II zu Dem. XXII, ebenso Liban. ebd. CIA II 808 b. 809 b. 809 d. 811 c. Ritter und Pferde vom Rate beaufsichtigt (δοκιμασία ἱππέων): Xen. Ἱππικ. I 8. III 9–14; Oicon. IX 15. Aristot. Ἀθ. πολ. 49. In späterer Zeit hielt er die Musterung der Epheben, CIA II 467. 468.

Er führte eine beaufsichtigende Thätigkeit: a) Durch Dokimasien, was darauf schliessen lässt, dass der alte Staatsrat die Beamten selbst ernannte; es ist uns bezeugt: 1) die δοκιμασία des neuen Rates vor dem alten; 2) die δοκιμασία der Archonten vor Rat und Gericht, Dem. XX 90. Poll. VIII 85; über die anderen Beamten herrschen verschiedene Meinungen, s. Thalheim Herm. XIII 366–372; Jahrb. f. Philol. CXIX 606. Schäfer ebd. CXVII 821–29. Fränkel Att. Geschw. 29 u. a.; 3) der jungen Bürger bei der Aufnahme unter die Demoten, Aristot. Ἀθ. πολ. 42; 4) der ἀδύνατοι d. h. die Arbeitsunfähigen, ebd. 49, 4, vgl. Harp. s. ἀδύνατοι. Aischin. Ι 103. Lys. XXIV. b) Über die öffentlichen Gebäude, für deren Instandhaltung er sorgte, Aristot. Ἀθ. πολ. 46, 2. CIA Ι 301.

Leitung der auswärtigen Politik. Der Rat vermittelte den Verkehr mit den auswärtigen Staaten, empfing fremde Gesandte, verhandelte mit ihnen, ging Verträge ein, berichtete darüber in der Volksversammlung und führte die Gesandten ein, Aischin. II 56: ταῖς δὲ ξενικαῖς πρεσβείαις ἡ βουλὴ τὰς εἰς τὸν δῆμον προςόδους προβουλεύει. Poll. VIII 96. Hartel 103. CIA IV 27 b. Dem Rate wird die Beschwörung von Verträgen zusammen mit militärischen Beamten aufgetragen: Thuc. V 47. CIA I 52 (416 v. Chr.). 266. IV 27 a u. ö. Zugleich mit den Strategen hatte er die Fürsorge für die εὐεργέται und πρόξενοι, CIA I 59. 64. IV 94. II 40 u. ö.

Rat als oberste Finanzbehörde. Als solche hatte er die Leitung des Finanzwesens und die Oberaufsicht über die gesamte Finanzverwaltung. Er hatte über die Beschaffung der Geldmittel zu beraten, Lys. XXX 20. [Xen.] Ἀθ. πολ. III 2; unter seiner Aufsicht erfolgte die Verpachtung der Zölle und Abgaben durch die Poleten. Die Pachtsumme musste vor dem Rate eingezahlt werden; πορνικὸν τέλος Aischin. I 119; πεντηκοστή) Andok. I 134. Aristot. Ἀθ. πολ. 47, 2f., vgl. CIA IV 27 b. Er sorgte für die Eintreibung der Staatsschulden, wobei die Staatsschuldner, welche nicht zur bestimmten Frist zahlten, ins Gefängnis geworfen wurden, Dem. XXIV 96f. CIA II 803 d. Bekk. anecd. 199, 4f.: ἀπογράφειν· τοῦ μὴ βουλομένου ἐκτίνειν τὸ ὄφλημα ὃ ὀφείλει διπλοῦται τὸ ὄφλημα, καὶ ὁ δήμαρχος σὺν τοῖς βουλευταῖς τοῦτον εἰςπράττει, καὶ ἀπογράφεται αὐτοῦ τὴν οὐσίαν καὶ ἐνεχυριάζει. Dem. XXIV 144. Andok. I 93. Der Rat nahm ferner Anzeigen entgegen gegen diejenigen, welche Staatsgut im Besitze hatten, Dem. XXIV 11. In Gegenwart des Rates übernahmen die ἀποδέκται die Zahlungen nach den Listen, die ihnen der δημόσιος des Rates gab, löschten in denselben die erfolgten Zahlungen, [1033] merkten die im Rückstande gebliebenen Schuldner an und gaben die Listen zurück. Sie teilten noch am selben Tage den einzelnen Beamten die Gelder zu und brachten am folgenden Tage die Verteilungsliste beim Rate zur Genehmigung ein, Aristot. Ἀθ. πολ. 48. 52; s. Ἀποδέκται.

Unter der Controlle des Rates standen die meisten Beamten, die Gelder verwalteten; dafür wurden aus dem Rate selbst die λογισταί (s. d.) und εὔθυνοι, (s. d.) bestellt; vgl. v. Wilamowitz Arist. u. Athen I 234f. So controllierte er auch die ,Schatzmeister der Göttin‘ und der ,anderen Götter‘, die vor dem Rate die heiligen Gelder übergaben und übernahmen, Aristot. Ἀθ. πολ. 47. 48. CIA I 32.

Der Rat leitete auch die Bundesangelegenheiten und hatte die Vorarbeiten für die Feststellung der Tribute, die an den Panathenaien bestimmt wurden, zu treffen; den Tribut selbst nahmen an den grossen Dionysien die Hellenotamiai in Gegenwart des Rates in Empfang, CIA I 37. [Xen.] Ἀθ. πολ. III 2. Thuk. I 96.

Ausserdem finden wir, dass der Rat für staatliche Heiligtümer und für Feste sorgte: CIA I 301. II 114. IV 27 b (bezüglich des Πελαργικόν). Aristot. Ἀθ. πολ. 49, 3. Aus den Ratsmitgliedern wurden die θεωροί bestellt: Deinarch. I 82. Dem. XIX 128. Im Rate wurden auch die freiwilligen Gaben für den Staat entgegengenommen, dann die Listen der προεισφέροντες aufgestellt, Dem. XXI 161. L 8.

Endlich hatte der Rat die laufenden Geschäfte des Tages, welche zu unbedeutend waren für die Volksversammlung, zu erledigen, [Xen.] Ἀθ. πολ. III 2: τὴν δὲ βουλὴν βουλεύεσθαι… περὶ τῶν κατὰ πόλιν ἀεὶ γιγνομένων.

Rat als Gericht. Zunächst konnte der Rat in der Form eines Vorurteiles, einer κατάγνωσις, gegen einen Beamten einen Strafantrag an die Thesmotheten richten, wenn die Busse für Ordnungswidrigkeit und Pflichtversäumnis desselben die dem Rate zustehende Höhe von 500 Drachmen überstieg. Es konnte aber auch jeder Bürger eine schriftliche Anzeige, εἰσαγγελία, beim Rate einreichen und damit eine κατάγνωσις des Rates erwirken. Es wurde dann im Rate zuerst nach Anhörung des Klägers und des Beklagten heimlich über die Schuldfrage abgestimmt; erschien der Angeklagte schuldig, dann entschied der Rat am zweiten Tage durch eine neue Abstimmung, ob der Schuldige nur mit der dem Rate zustehenden Strafe zu belegen oder an ein heliastisches Gericht zu weisen sein, Poll. VIII 51. Isokr. XV 314. [Dem.] XLVII 42f. Isokr. XVI in einer εἰσαγγελία an die β. gehalten. CIA II 811. IV 27 b. Auch ἔνδειξις, ἀπαγωγή und verschiedene Fälle derφάσις konnten beim Rate eingebracht werden, Andok. I 91. Isokr. XVII 42. XVIII 6. Meier und Schömann-Lipsius Att. Pr. 138. Alle Rechte, die angegeben wurden, standen aber nur der ganzen Körperschaft zu, der einzelne Buleut durfte sie nicht für sich allein ausüben; hierdurch unterscheidet sich der Rat von den ein Collegium bildenden Behörden im engeren Sinne, steht in der Mitte zwischen diesen und dem Volke, Aristot. Pol. III 11, 1282 a.

So erscheint uns der Rat seit der Mitte des 5. Jhdts. v. Chr. an der Spitze der Staatsverwaltung; [1034] es ist die nach Phylen geordnete Vertretung der Demen (Aristot. Ἀθ. πολ. 21, 3), für sein Amtsjahr Träger der Regierung in jeder Beziehung, besonders in der Finanzwaltung, eine der beiden Stützen, auf denen das ganze Repräsentativsystem der Athener beruht. Wenn es CIA I 57 heisst, πόλεμος und θάνατος kann nur mit Zustimmung des δῆμος bestimmt werden, so lässt sich schliessen, dass der Rat einst diese Macht gehabt habe, also der ,Herr von Athen‘ gewesen; vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 45, 1. Immerhin war die politische Bedeutung des Rates auch noch im 4. Jhdt. v. Chr. eine hohe, daher die βουλεία ein gesuchtes Amt war.

Die β. unter römischer Herrschaft. Die β. hat auch unter römischer Herrschaft fortbestanden; die Veränderung in der Zahl der Mitglieder wurde bereits angegeben. Wahrscheinlich im J. 48 v. Chr. wurden ihre Befugnisse erweitert unter gleichzeitiger Beschränkung der Rechte der Volksversammlung. Über ihre Befugnisse und die Scheidung ihrer Competenz gegenüber dem Areopag lässt sich nichts Genaueres angeben; vgl. Köhler zu CIA II 481. Wir finden Weihungen von Privaten: κατὰ τὰ δόξαντα τῇ βουλῇ, CIA III 809. 77 a. Nach dem Decrete Hadrians über die Ölausfuhr soll die β. die Processe, welche aus der Übertretung dieser Vorschrift sich ergeben, bis zu einer bestimmten Höhe selbständig entscheiden, CIA III 38. Den Vorsitz führten auch dann noch die πρυτάνεις mit ihrem ἐπιστάτης, der aber die ganze Prytanie hindurch derselbe war. Es erscheinen als Beamte des Rates: γραμματεὺς βουλῆς καὶ δήμου, ein γραμματεὺς κατὰ πρυτανείαν oder περὶ τὸ βῆμα, ein κῆρυξ βουλῆς καὶ δήμου, ein ὑπογραμματεύς, alle Genannten ἀΐσιτοι, und ein ταμίας τῆς βουλῆς, aber nicht ἀΐσιτος. Doch wird der Staat nicht mehr durch Rat und Volk, sondern durch den Areopag, den Rat und das Volk repräsentiert.

Β. ausserhalb Athens. Auch ausserhalb Athens erscheint die β. als eine politische Körperschaft, welche alle wichtigen Angelegenheiten für die Beschlussfassung des Souveräns vorbereitet. Es wäre zu weitläufig, alle Städte aufzuzählen, in welchen das Vorhandensein eines solchen beratenden Ausschusses bezeugt ist durch Inschriften oder Angaben der Schriftsteller; ich verweise deswegen auf Swoboda Griech. Volksbeschlüsse 58f., dann auf die Indices der Inschriftensammlungen. Das Material reicht nicht hin, um eine eingehende Darstellung zu geben; auch ausser Athen hat der Rat je nach der Verfassung der betreffenden Stadt eine verschiedene Stellung. Zu unterscheiden haben wir den oligarchischen Rat, auch bezeichnet als γερουσία, und den demokratischen Rat, β. im engeren Sinn. Die γερουσία finden wir in Sparta; ihr Merkmal ist, dass die Mitglieder lebenslänglich waren, vgl. Aristot. Pol. III 1, 1275 b; dann in Kreta, wo die γέροντες, bezeichnet als β., den Beirat der κόσμοι bilden, lebenslänglich sind und aus den gewesenen κόσμοι gewählt werden, Aristot. Pol. II 10, 1272 a 8 und 35 γέροντας αἱροῦνται ἐκ τῶν κεκοσμηκότων. Es bestand dort eine streng aristokratische Verfassung, die erst im 3. Jhdt. v. Chr. eine Veränderung nach der demokratischen Seite hin erfuhr. In Knidos bestand ein Rat von 60 Mitgliedern auf Lebenszeit, die [1035] Mitglieder hiessen Amnemones, Plut. quaest. Gr. 4; nachdem diese 366 v. Chr. beseitigt waren, trat eine β. mit προστάται ein: Anc. Gr. Inscr. IV 788. 789. 820. Προστάται auch in Iulis auf Keos, CIA II 546 (350 v. Chr.). In Massalia bestand ein Rat von 600 Mitgliedern, τιμοῦχοι genannt; sie waren lebenslänglich, ein Ausschuss von fünfzehn führte die laufenden Geschäfte, Strab. IV 179; die ἑξακόσιοι erwähnt in einem Beschlusse aus Lampsakos, Athen. Mitt. VI (1881) 96. In Chios berichten οἱ πεντεκαίδεκα an die βουλή (5. Jhdt.) Röhl IGA 381. In Epidauros bestand eine Körperschaft von 180, aus denen die ἄρτυνοι gewählt wurden, Plut. quaest. Gr. 1. Auf Rhodos gab es μάστροι in Kameiros, IGIns. I 698. 701; Ialysos 677; Lindos 762, vgl. 828. Hesych. μάστροι· παρὰ Ῥοδίοις βουλευταί; nach Schumacher De rep. Rhod. 40 waren es 30 und zwar aus den (κτοῖναι) gewählt. Später finden wir in Rhodos eine (βουλά), IGIns. I 84. 53 (ἑπτάμηνος). 58. 77. 51. Diese βουλευταί begegnen seit der makedonischen Zeit, waren durch das Los erwählt und erhielten μισθός wie die attischen. Dagegen finden wir einen demokratischen Rat vielfach, in Erythrai 121 durch das Bohnenlos Gewählte: CIA I 9, vgl. Anc. Gr. inscr. III 418; Kyzikos mit 400, später 600 Mitgliedern, s. zu CIG 3663; erwähnt wird die β. neben dem δῆμος in einer Inschrift aus Seleukeia, Denkschrift Akad. Wien XLI (1896) 115. CIG 3655; der geschäftsführende Ausschuss heisst πρυτάνεις wie in Athen. Πρυτάνεις auch auf Samos: Curtius Inschr. v. Samos nr. 9 (306 v. Chr.); Tenos CIG 2329 (2. Jhdt. v. Chr.). 2335 (100 v. Chr.). In Olympia wird eine βωλὰ πεντακατίων erwähnt, Dittenberger Inschr. v. Olympia nr. 7, βωλά selbst schon 580 v. Chr., ebd. nr. 3, ein ψάφισμα derselben ebd. nr. 39. In Tegea wohl 300, Le Bas II 340 e. Zu beachten ist Megara mit seinen Colonien; diese haben eine β., αἰσιμνῆται gleich den πρυτάνεις, der προαισιμνῶν = ἁγεμὼν βουλᾶς; in Megara selbst ein Αἰσύμνιον erwähnt Paus. I 43, 3; s. Latyschew Bull. hell. IX (1885) 265–300. Collitz Dial. Inschr. 3016; Kalchedon, Collitz 3053. 3054 = CIG 3794. In Delos haben wir βουλευταί und πρυτάνεις, wohl zwölf Abteilungen nach den Trityen, v. Schoeffer De Deli ins. rebus 114. Ἐπιμήνιοι als geschäftsführenden Ausschuss der β. gab es in Smyrna, CIG 3137; Lampsakos, CIG 3641 b; Hekatonnesos, Hicks Manual 138; Odessos, Rev. arch. n. s. XXXV 111; vgl. Hauvette bei Daremberg-Saglio Diction. II 694. Einen Rat finden wir auch bei den verschiedenen Bünden mit Ausnahme wohl des achaeischen. Der Name dafür ist συνέδριον, die Mitglieder des Rates heissen σύνεδροι. In der Bedeutung ,Rat‘ = β. ist σύνεδροι in vielen Städten Achaias gesagt: Megalopolis Le Bas II 322; Thuria, Le Bas II 303 a; Andania, ebd. 326 a; Koronea, Ἀθήν. IV 104; Pagai, Ἀθήν. II 481; Dyme CIG 1543; Mantinea (Antigoneia, 198–146 v. Chr.), Bull. hell. XX (1896) 119 σύνεδροι καὶ λοιποὶ πολῖται. Die Beschlüsse derselben werden δόγματα genannt; die Sitzungen waren durch das Gesetz bestimmt, σύννομοι συναγωγαί auch ἐκκλησίαι genannt; im 2.–3. Jhdt. n. Chr. erwähnt eine Inschrift: βουλὴ τὸν γραμματέα τοῦ συνεδρίου, Bull. hell. XX (1896) 156 nr. 2, wo es dann wohl den Prytanen in Athen entspricht.

[1036] Wie in Athen haben diese Ratscollegien ihre Beamten, besonders häufig wird der γραμματεὺς τῆς βουλῆς genannt: Knidos, Collitz 3511 (3. Jhdt.); Ephesos, Le Bas III 136 a; Megara (4. Jhdt.), Collitz 3003f.; Kyzikos, CIG 3661. 3663; Samos, Curtius Inschr. v. Samos nr. 8. 9; Tenos, CIG 2329 (halbjährig). Assos, γραμμ. τῆς βόλλας, Pap. Amer. School. I 8 nr. V. Ein ὑπογραμματεύς Rhodos, IGIns. I 49. 50, κῆρυξ τῆς β. Knidos, Anc. Gr. inscr. IV 788f.

Das προβουλεύειν wird erwähnt: Iasos, Anc. Gr. inscr. III 444; Lampsakos, Athen. Mitt. VI (1881) 96. Der Beschluss bezeichnet als γνώμα τᾶς βόλλας: Kyme, Bull. hell. XII (1888) 360, 4; βουλᾶς γνώμα: Anaphe, Collitz nr. 3430; Nisyros, Collitz 3497. In Knidos, Collitz 3505, wird χειροτονία ἐν βουλᾷ erwähnt. In Dyme wird von Seite des Vaters der Eid im Rat geleistet, Bull. hell. II (1878) 96, 2. Financielle Thätigkeit der β. haben wir in Korkyra, CIG 1845 = Collitz 3206, wo der Rat dafür zu sorgen hat, dass das geschenkte Geld nutzbringend angelegt wird. Richterliche Thätigkeit in Antandros, CIG 3568. β. in Eiden, Mantinea (420 v. Chr.) und Argos, Thuk. V 47. Der Rat hat sein Versammlungslokal, βουλευτήριον, z. B. in Iasos, Anc. Gr. inscr. III 443, auch Prytaneion genannt; vgl. Megara, Paus. I 43, 3. Der Rat hat seine eigene Kasse: Elaia, CIG 3532 (105 n. Chr.): τῆς βουλῆς ἐκ τῶν ἰδίων ἀναθείσης; erhält auch Legate und Multen: Teos, CIG 3094. 3136, er hat demnach Corporationsrecht.

Die β. hat sich in den griechischen demokratischen Städten von Kleinasien ohne Umgestaltung bis in die Zeit der Antonine erhalten: Mennadier Qua condicione Ephesii fuerint 30. Marquardt St.-V. I² 518. In der Römerzeit wurden die Ratsherrn auf Lebenszeit berufen, die Wahl durch das Volk hörte auf. Kurz möchte ich noch die Frage berühren, ob der Rat nicht fehlen konnte. Szanto Gr. Bürgerr. 4 meint, ,es lasse sich das Fehlen des Rates nicht nachweisen; es wäre aber möglich, da einzelne Magistrate die Functionen des προβουλεύειν üben konnten.‘ Nun scheint thatsächlich in zwei Fällen das Fehlen des Rates constatiert zu sein. Swoboda Griech. Volksb. 105 hat aus Le Bas II 243 den Schluss gezogen, dass es im 1. Jhdt. v. Chr. in Gytheion keinen Rat gegeben habe, die Bürger hätten nach Vorschlag der Ephoren entschieden; Gilbert Handb. II 114f., 3 hält für wahrscheinlich, dass im achaeischen Bunde eine eigentliche β. nicht existierte. Doch bei der Lückenhaftigkeit der Überlieferung wird es geraten sein, das Vorhandensein dieser echt griechischen Einrichtung eines vorberatenden Ausschusses, wenn auch nicht überall in derselben Form, anzunehmen.

Litteratur: Caillemer bei Daremberg et Saglio Diction. I 738–744. Schoemann Griech. Altert. I³ 394f. Hermann-Thumser Antiq. I⁶ § 68 (383). § 85 (478f.). Boeckh St.-H.³ I 187f. II 45f. Gilbert Handb. I² 134. 151. 183. 295f. II 316. Busolt Griech. Gesch. II² 430f.; Müllers Handb. IV¹ 164f. E. Meyer Gesch. d. Altert II § 409. 494. v. Wilamowitz-Möllendorff Aristot. u. Athen I 289f. II 191. Hartel Studien über attisches Staatsrecht und Urkundenwesen (S.-Ber. Akad. Wien XC 543ff. XCI 101ff. XCII [1037] 87ff.), Wien 1878. H. Swoboda Die griechischen Volksbeschlüsse, Leipzig 1890. Szanto Das griechische Bürgerrecht, Freiburg 1892. Heydemanann De senatu Atheniensium, Dissert. philol. Argent. IV (1880) 147ff. v. Schoeffer De Deli insulae rebus, Berlin 1889. Schumacher De republica Rhodiorum, Heidelberg 1886. Gäbler Erythrae, Berlin 1892.