RE:Εἰρεσιώνη
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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ein mit Wollfäden umwundener Ölbaumzweig mit Erstlingsfrüchten | |||
Band V,2 (1905) S. 2135–2136 | |||
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Εἰρεσιώνη, ein mit Wollfäden umwundener Ölbaumzweig, der mit Erstlingsfrüchten verschiedener Art umhangen war. Dieser Zweig wurde in Athen im Monat Pyanopsion von einem Knaben, dessen Eltern noch lebten, von Haus zu Haus getragen. Dazu wurde ein Lied gesungen, das Plutarch Thes. 22 mitteilt:
- Εἰρεσιώνη σῦκα φέρειν καὶ πίονας ἄρτους
- καὶ μέλι ἐν κοτύλῃ καὶ ἔλαιον ἀναψήσασθαι
- καὶ κύλικ' εὔζωρον, ὡς ἂν μεθύουσα καθεύδῃ.
Vgl. dazu Pausanias bei Eustath. zu Il. XXII 496 p. 1283, 7 (= Suidas s. εἰρεσιώνη), der ein Apollonfest als Zeit des Herumtragens angibt: nach Krates bei Eustath. a. a. O. wurde statt des Ölbaumzweigs bei einer Mißernte auch Lorbeer genommen; auch andere Gewährsmänner berichten nach Eustath. a. a. O. von der Ersetzung des Ölbaums durch Lorbeer. Der Lorbeerzweig, der mit einem στέμμα λευκὸν καὶ φοινικοῦν behangen war, galt so vornehmlich als Bittzweig für Apollon, vor dessen Heiligtum er niedergelegt wurde. Nach dem Schol. Aristoph. equ. 729 galt die E. an den Pyanopsien und Thargelien auch dem [2136] Helios und den Horen (vgl. Schol. Aristoph. Plut. 1054). Die Legende brachte den Ursprung der E. mit der Errettung des Theseus aus dem Labyrinth zusammen; vgl. außer Plutarch a. a. O. u. a. auch Etym. M. 303, 22. Ein in Samos beim Herumtragen der E. gesungenes Lied wurde dem Homer zugeschrieben, [Herod.] vita Hom. 33 und Suid. s. Ὅμηρος. Die dem Apollon vorzugsweise gewidmete E. war als solche oft noch besonders dadurch charakterisiert, daß man Opferkuchen an sie hing, die die Gestalt von Bogen, Pfeilen und Lyren hatten, Menekles bei Suid. s. διακόνιον: Ἀθηναῖοι τῷ Ἀπόλλωνι τὴν καλουμένην εἰρεσιώνην ὄταν ποιῶσι, πλάττοντες λύραν τε καὶ κοτύλην καὶ κλῆμα καὶ ἄλλ' ἄττα κυκλοτερῆ πέμματα, ταῦτα καλοῦσι διακόνιον. Vgl. Steph. Byz. s. Πάταρα. Lobeck Aglaopham. II 1069.
Was die Bedeutung der E. angeht, so ist es wohl richtig, wenn sie K. Boetticher Baumkultus der Hellenen 393 für einen Bittzweig und Erntekranz zugleich hält. Der feierlich unter dem Singen eines Liedes herumgetragene Baumzweig, von dem die Erstlinge der verschiedensten Früchte herabhängen, spricht den Göttern den Dank für die gute Ernte aus und bittet sie zugleich, Seuchen, Hungersnot und andere Pein von den Menschen fernzuhalten. Es hängen an der E. demnach auch wohl immer die Früchte, an denen das betreffende Land besonders reich ist; daß alle Früchte in ihr vertreten sind, ist ein sonderbares Verlangen, über das sich schon Hipparch bei Strab. I 16 lustig gemacht hat. Usener Götternamen 284 zählt die E. zu seinen Augenblicksgöttern. Vgl. K. F. Hermann-Stark Gottesdienstl. Altertümer der Griechen2 1858, 383, 9. P. Stengel Kultusaltertümer2 1898, 91. 201. 213; dazu F. Hauser Philolog. N. F. VIII 1895, 385ff.