Zum Inhalt springen

RE:Alinza 2

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Stadt in Medien, he kai orosa
Band I,2 (1894) S. 1491 (IA)–1493 (IA)
Bildergalerie im Original
Register I,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,2|1491|1493|Alinza 2|[[REAutor]]|RE:Alinza 2}}        

2) Ein anderes A. wird von Ptolemaios VI 2, 11 mit dem Zusatze ἡ καὶ Ὁρόσα (var. Ὄρος, so Nobbe), ebenfalls in Medien, unter 84° Länge und 38° Breite verzeichnet. Der Gedanke, dass dieses A. mit Nr. 1 identisch und die doppelte Erwähnung auf zwei verschiedene denselben Ort nennende Berichte zurückzuführen sei, liegt nahe genug. Aber dagegen spricht doch auf das Entschiedenste die über doppelt so grosse Entfernung, in der das zweite A. von Ekbatana liegen soll. Der einzige bisher gemachte Versuch, A. zu localisieren, ist der von Mannert (Geogr. d. Griechen und Römer V 2, 108f.), der beide A. für ein und denselben Ort hält und ihn ,beim heutigen Talvar‘ sucht. Eine Stadt dieses Namens hatte er auf der Karte d’Anvilles zu l’Euphrate et le Tigre gefunden, nördlich von Kirmânšâh, fast unter 36° nördlicher Breite, am Qara-su (d. i. ,Schwarzwasser‘), einem Nebenflusse des oberen Kärkhä (Choaspes). Aber d’Anvilles Angabe beruht auf einem Irrtum, denn eine Stadt Namens Talvar giebt es überhaupt gar nicht; Talvâr ist vielmehr der Name eines Nebenflusses des Qyzyl-Ûzän (Amardos), der südlich von der Stadt Bîğâr, am Nordostabhange des Tâlvântûgebirges entspringt und die Grenze zwischen den jetzigen Provinzen Gärrûs und Hämädân bildet. Für die Bestimmung der Lage von A. wird man zunächst Ekbatana (Länge 88°, Breite 37° 45′) als Ausgangspunkt zu nehmen haben. Der Längen- und Breitendifferenz beider Orte entspricht eine directe Entfernung von 1577 Stadien, rund gleich 290 Km. Diese führt uns in nordwestlicher Richtung, je nachdem man sich etwas südlicher oder nördlicher wendet, entweder auf jetzt türkisches Gebiet, in die Gegend von Sulaimânîjä, oder in die von Bêrôžä, dem Hauptorte des Distrikts Bânä, oder in die noch nördlichere von Säkiz, beide im persischen Kurdistân. Wir gelangen damit in die Nähe zweier Strassen, welche dort vom Tieflande über die hohen Gebirgsketten an der jetzigen persisch-türkischen Grenze nach Âzärbâîǧân (Media Atropatene) führen (s. G. Hoffmann Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer 262ff.). Von diesen beiden ist es mit bei weitem grösserer Wahrscheinlichkeit die östlichere, an der A. zu suchen sein wird. Sie verband Ktesiphon-Seleukeia (bei den Arabern al-Madâin ,die Städte‘), die Reichshauptstadt am Tigris, mit einem der vornehmsten Heiligtümer des Reiches, dem Feuertempel von Ganzaka (jetzt Takht i Suleimân, s. unter Gazaka), der Hauptstadt von Media Atropatene, zu dem die Perserkönige nach ihrer Thronbesteigung von Ktesiphon zu Fuss gepilgert sein sollen (s. Ibn Khordâdhbeh, 9. Jhdt., liber viarum et regnorum ed. de Goeje Text 120; Übers. 91). Diesen Weg muss auch der Kaiser Heraklios im [1492] J. 628 eingeschlagen haben, als er von der Belagerung von Ktesiphon Abstand nahm und sich nach Ganzaka zurückzog (s. H. Rawlinson Jour. Roy. Geogr. Soc. London X 98f. G. Hoffmann a. a. O. 265). Der Hauptort der südöstlich von Sulaimânîjä gelegenen und früher zu Medien (bei den Arabern al-Ǧibâl ,das Bergland‘) gerechneten Landschaft Šähräzûr (s. Iâqût Geographisches Wörterbuch ed. Wüstenfeld s. τὸ Σιαρσούρων. Chronic. Paschale ed. Bonn I 730. 732; τὸν Σιάζουρον, l. Σιάρζουρον Theoph. Chronogr. I 325 de Boor) war eine Hauptstation jener Strasse, da er gerade auf halbem Wege zwischen Ktesiphon und Ganzaka lag, weshalb er auch den Namen Nîmäzrâî oder Nîmäzrâh, d. h. die Hälfte des Weges, führte (s. z. B. Ibn Khordâdhbeh a. a. O. Text 19; Übers. 15). Rich (Narrative of a residence in Koordistan I 114 Anm.) vermutet die Identität desselben mit dem jetzigen Arbet, während H. Rawlinson (Journ. Roy. Geogr. Soc. London X 98. 101f. u. Selections from the Records of the Bombay Government XLIII 206 Anm.) es in Iâsîn Täppä (Breite 35° 21′ 28″ N., Länge 45° 38′ 31″ O. Greenw. Felix Jones) wiederfindet; G. Hoffmann (a. a. O. 255f.) dahingegen weist auf den Hügel von Bäkrâbâd (vulgo Bäkrâvâ) hin (s. über denselben Felix Jones in Selections from the Records of the Bombay Government XLIII 205f.). Gleichviel an welchen dieser drei Orte man Nîmäzrâh verlegt, stets wird sich, von Hämädan (Ekbatana) aus gerechnet, die für A. gegebene Entfernung von 290 Km. als etwas zu gross herausstellen. Der Überschuss ist aber zu unbedeutend, um der Identificierung von A. mit der alten Hauptstadt von Šähräzûr entgegenzustehen, denn bekanntlich sind bei Ptolemaios die den Längen- und Breitenabständen entsprechenden directen Entfernungen zwischen den einzelnen Positionen meistens zu gross infolge ungenügender Reduction aus an sich schon zu hoch geschätzten Wegemassen. Was aber mit mehr Recht gegen die Gleichsetzung von A. mit Nîmäzrâh geltend gemacht werden kann, ist die Entfernung A.s von Ktesiphon, wie sie aus den von Ptolemaios gegebenen Positionen zu entnehmen ist; und dies muss den Ausschlag geben, da die Strasse, an der A. lag, mit höchster Wahrscheinlichkeit als von Ktesiphon ausgehend erkannt worden ist. Ktesiphon ist (Ptol. VI 1, 3) unter 80° Länge und 35° Breite gelegt; die directe Entfernung zwischen beiden Orten ist danach 2200 Stadien, gleich 407 Km. Zwischen Tâq i Kisrâ ,Bogen des Chosroes‘ (Ktesiphon) und Šähräzûr dagegen beträgt die Entfernung in der Luftlinie nur 270 Km. Da es nun völlig undenkbar erscheint, dass auf einer zweifellos vielbegangenen Strasse eine nur zum Teil in gebirgigem Terrain verlaufende Strecke um die Hälfte zu hoch angenommen sein sollte, so wird A. an einem nördlicheren Punkt der Strasse zu suchen sein. Nach dem bereits oben bemerkten hat man die Wahl zwischen Bêrôžä und Säkiz. Bei dem ersteren Ort würde die Entfernung Ktesiphon-A. um etwa 50 bis 60 Km. zu gross sein, was aber seinen Grund darin haben könnte, dass das von der Strasse überschrittene Gebirgsland, ganz besonders zwischen Šähräzûr und Bêrôžä, der Vorstellung unverhältnismässig ausgedehnt erschien. Bei Säkiz würde aber die [1493] Entfernung der Wirklichkeit so nahe kommen, dass dies Zusammentreffen sich nur durch einen auffallenden Zufall oder durch die Annahme erklären liesse, dass die Strasse sehr genau vermessen gewesen sei. Für die Identification von A. mit Säkiz könnte man anführen, dass A. nördlicher gelegen haben soll als Arbela (Breite 37° 15′ Ptol. VI 1, 5), was nur für Säkiz zutrifft, wenn auch nicht in dem Umfange, nämlich ¾°, wie es nach Ptolemaios der Fall sein müsste. Aber zu viel Gewicht ist darauf nicht zu legen, denn offenbar sind die Lage von Arbela und die Positionen in Medien von Ptolemaios nicht in ein richtiges Verhältnis zu einander gebracht worden, was auf das deutlichste aus der Distanz Arbela-A. erhellt, die beispielsweise bei der Gleichsetzung des am weitesten nach Osten gelegenen Säkiz mit A. noch einen Überschuss von etwa 85 Km. aufweisen würde. Erwägt man alle Momente, und fasst man insbesondere auch die gesamten geographischen Verhältnisse ins Auge, so erscheint es fraglich, ob die Identification von A. mit Säkiz wirklich den Vorzug vor der mit Bêrôžä verdient. Besser wird es sein, beide als gleichwertige Möglichkeiten neben einander hinzustellen. Was schliesslich den Zusatz ἡ καὶ Ὁρόσα oder Ὄρος anbetrifft, so würde er sich, bei Wahl der Lesart Ὄρος, darauf beziehen können, dass A. auch Name eines bei der Stadt befindlichen Berges gewesen sei, was in einem Gebirgslande nichts Auffallendes hat. Ist aber Ὄρος oder Ὁρόσα Eigenname, was wohl das näherliegende ist, so mag darauf aufmerksam gemacht werden, dass der assyrische König Tiglath Pileser I. (um 1100 v. Chr.) in seiner Prismainschrift III 65 (Keilinschriftl. Bibliothek I 26) einen Berg Urusu (U-ru-su) erwähnt, an dessen Fuss Städte lagen. Derselbe wird bei Gelegenheit eines Feldzugs gegen die Kurṭi (Kur-ṭi-í, kann aber auch Kur-ḥi-í gelesen werden, so neuerdings H. Winckler Geschichte Babyloniens u. Assyriens 173f.) genannt, die im Falle richtiger Lesung mit den Κύρτιοι (s. d.) des Polybius (V 52) und Dellius (bei Strab. XI 523), sowie den Kordikʿ des armenischen Historikers Faustos von Byzanz (ed. Veneta 159. 181. 209) identisch und die Vorfahren eines Teiles der heutigen Kurden sein müssen. A. aber liegt unter allen Umständen im Kurdengebiet. Es ist also wohl denkbar, dass das Urusu des Tiglath Pileser I. und Ὄρος oder Ὁρόσα des Ptolemaios ein und derselbe Name ist.