RE:Ambara

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
stark befestigte Stadt des Sassanidenreiches, am linken Ufer des Euphrat
Band I,2 (1894) S. 1790 (IA)–1795 (IA)
Bildergalerie im Original
Register I,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|I,2|1790|1795|Ambara|[[REAutor]]|RE:Ambara}}        

Ambara, bedeutende und stark befestigte Stadt des Sâsânidenreiches (227–651), auf dem linken, östlichen Ufer des Euphrat, die auch noch während eines grossen Teiles des muhammedanischen Mittelalters geblüht hat, jetzt aber völlig verödet ist. Ihre Lage wird durch die Ruinenstätten von Täll ʿAqar (so Chesney Expedition for the survey of the rivers Euphrates and Tigris, Karte VII; Text II 438 Tell ʿAkhar) d. i. ,Burghügel‘ und Ambâr (so Bewsher Journ. Roy. Geogr. Soc. London XXXVII 174; Chesney a. a. O. Karte VII Medinâh ‚Stadt‘ oder Omm Barrâ, worin schon Ritter Erdkunde v. Asien X 148 den Namen Ambâr wiedererkannt hat; s. auch G. Hoffmann Auszüge aus syrisch. Akten persisch. Märtyrer 83, 754; Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde Berlin XVIII 443) bezeichnet, die in dem von dem Euphrat und dem heutigen Saqlâvîja-Kanal (Nahr al-Saqlâvîja) gebildeten Winkel, südlich von diesem letzteren, etwa 4 Km. nordnordwestlich von Qalʿat Fallûğa (33° 21′ 9″ nördlicher Breite, 43° 48′ 22–5″ östlicher Länge Greenw., Chesney) liegen. Ihre Entfernung von dem Ost gen Süd von ihnen gelegenen Baghdâd beträgt 52 Km. Die Länge des Weges zwischen beiden Städten wird von den arabischen Geographen auf 12 Parasangen (Farsakh) angegeben (s. z. B. Ibn Khordâdhbeh, 9. Jhdt., Liber viarum et regnorum ed. de Goeje Text 72, Übers. [1791] 53. Kodâma [Qudâma], 10. Jhdt., ebd. Text 216, Übers. 165. Sprenger Post- und Reiserouten des Orients 91). Zwischen A. und Ktesiphon (Ṭâq i Kisrâ) beträgt die directe Entfernung 87 Km.; die Länge des Weges von Madâin ,die Städte‘ (Ktesiphon) nach Baghdâd ist nach den arabischen Geographen 7 Parasangen (s. Kodâma a. a. O. Text 193, Übers. 152. Sprenger a. a. O. 63), so dass der ganze Weg von Ktesiphon nach A. 19 Parasangen betrug. Der Name A. ist eigentlich blos ein Appellativum und bedeutet ‚Magazin‘, neupersisch ambâr (geschrieben anbâr), ältere Form hambâr, als Lehnwort im armenischen hambar erhalten (s. de Lagarde Gesammelte Abhandlungen 12; Armenische Studien 82); ihn führte die Stadt, weil dort Arsenale und Proviantmagazine waren (s. auch die Erklärungen des Namens bei Iâqût Geographisches Wörterbuch ed. Wüstenfeld I 368). Ihre officielle Benennung dagegen war Pêrôž-Šâbhûr (arab. Fairûz-Sâbûr; s. Ibn Khordâdhbeh a. a. O. Text 7, Übers. 5. Kodâma a. a. O. Text 235, Übers. 179, wo jedoch infolge einer Flüchtigkeit die beiden Namen nicht einander gleichgesetzt sind. Ibn al-Fakîh, um 900 n. Chr., ed. de Goeje 199. Tabarî, 9. Jhdt., Annales, Leydener Ausg. I 839e und Nöldeke Geschichte der Perser u. Araber z. Zeit der Sasaniden, aus d. arab. Chronik d. Tabari übers. 57, 5. Ḥamza Isfahânî, 10. Jhdt., ed. Gottwaldt Text 49, Übers. 35. Iâqût a. a. O. I 367. III 227. 929), d. h. Siegreich Šâbhûr. So wurde sie nach dem Sâsâniden Sapor (Šâhpuhrê oder Šâbhûrê II., 310–379), dem Gegner des Kaisers Iulian, genannt (s. Libanius Ἐπιτάφιος ἐπ’ Ἰουλιανῷ I 598 Reiske: πόλις Ἀσσυρίων μεγάλη, τοῦ μὲν τότε βασιλεύοντος ἐπώνυμος), der sie erbaut haben soll (s. Tabarî a. a. O. Nöldeke a. a. O. Iâqût a. a. O. I 368. III 929. Ḥamza Isfahânî a. a. O. hingegen schreibt ihre Erbauung Sapor I. 242–272 zu), wahrscheinlich aber nur neu anlegte und befestigte. Unter diesem letzteren Namen ist sie zuerst den Römern durch den Feldzug Iulians gegen die Perser bekannt geworden. Ammianus Marcellinus (XXIV 2, 9. 5, 3) giebt ihn durch Pirisabora (s. d.), Zosimos (III 17, 3) durch Βηρσαβῶρα (s. d.) wieder. In der Sâsânidenzeit, sowie in den ersten Jahrhunderten des Khalifats, wo die Araber die von ihnen vorgefundene Provincialeinteilung unverändert beibehielten, war A. oder Pêrôž-Šâbhûr der Hauptort eines nach ihm benannten Distriktes (Ṭassûǧ) von ʿIrâq (umfasste Babylonien, das südliche Mesopotamien und einen Teil Assyriens) und gehörte zum Kreise (Kûra, astân, istân) al-ʿÂlî (al-ʿÂl; s. Ibn Khordâdhbeh a. a. O. Text 7, Übers. 5. Kodâma a. a. O. 235, Übers. 179. Ibn al-Fakîh a. a. O. 199. Iâqût a. a. O. I 241. III 592). Eine volkstümlichere Bezeichnung der Gegend um A. ist das von dem persischen Bearbeiter des Geschichtswerkes des Ṭabarî (s. i Chronique de Tabari, trad. sur la version persane d’Abou-ʿAli Moʿhammed Belʿami par Zotenberg II 5) gebrauchte Ambâristân. Und wahrscheinlich ist eine analoge Benennung erhalten in dem Namen der bei Ptolemaios (V 18, 4) erwähnten Landschaft Ἀγκωβαρῖτις (s. d.), die sich weithin längs des Euphrat (ἐπὶ πολὺ παρὰ τὸν Ἐυφράτην) erstreckte. Er wird aus Ἀμβωρακῖτις entstellt [1792] sein und die durch das Suffix k erweiterte Form ambârak enthalten, die durch den Würdenamen Ambârakpatê ,Magazinverwalter‘ (Nöldeke a. a. O. 444) als thatsächlich vorhanden erwiesen wird. Bereits d’Anville (Géographie ancienne abrégéc in Oeuvres II 477; l'Euphrate et le Tigre 71) und Saint-Martin (zu Lebeau Histoire du Bas-Empire III 85, 1) haben Ἀγκωβαρῖτις mit Ambâr in Verbindung gebracht. Ist diese Vermutung richtig, so muss Ankobaritis die zu A. gehörige Landschaft bezeichnet haben. Dann hat es aber schon zur Zeit des Ptolemaios, also schon während der Arsacidenzeit, in jener Gegend einen Ort namens A. gegeben, der als ‚Magazin‘ diente. Während der Sâsânidenzeit gehörte das Territorium von Ambâr zum Gebiete der unter persischer Oberhoheit stehenden arabischen Könige von Ḥîra (syr. Ḥêrtâ ‚Heerlager‘; Glaukos bei Steph. Byz. s. Ἔρθα, s. d.) aus dem Stamme Lakhm und war zum grossen Teile von Arabern bewohnt. Die nestorianischen Syrer hatten in A. oder Pêrôž-Šâbhûr (syr. Pêrôz-Šâbhôr) einen Bischofssitz (s. Assemanni Bibliotheca Orientalis II 459. III 2 DCCXVIII. Guidi ZDMG XLIII 413). Isidoros von Charax, der um Christi Geburt das Partherreich bereiste, und den sein Weg längs des Euphrat führte, erwähnt A. nicht, sondern in der Gegend von A. (Geogr. gr. min. I 249) die Stadt Βεσήχανα (s. d.), die mit der auf dem westlichen Flussufer verzeichneten Station Sohene der Tabula Peutingeriana (Segm. XI 4; Scene beim Geogr. Rav. 53, 14 P.) identisch sein wird; auf sie folgt unmittelbar Seleucia, während Isidoros dazwischen noch Νεάπολις einschiebt. G. Hoffmann (Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdk. Berlin XVIII 444), der Βεσήχανα mit Recht auf dem rechten Euphratufer ansetzt, hat darin das noch von Ibn al-Kalbî (um 800 n. Chr.) genannte Dorf Sêḥana bei Ambâr erkannt. Es wäre sehr wohl denkbar, dass A. erst nach der Zeit des Isidoros entstanden sei, dass die Arsaciden dort erst im Laufe des 1. Jhdts. n. Chr. ein Proviantmagazin und Waffendepot errichtet hätten. Die erste sichere und ausführliche Nachricht über A. findet sich in den Berichten über den Feldzug Iulians gegen die Perser bei Libanios (Ἐπιτάφιος ἐπ’ Ἰουλιανῷ I 598), Ammianus Marcellinus (XXIV 2, 9–22) und Zosimos (III 17, 3–18, 6), in denen die Stadt, wie dies zur Zeit ihres Begründers oder doch Neubegründers selbstverständlich ist, nur unter der seinen Namen enthaltenden Bezeichnung Pêrôž-Šâbhûr (s. oben) erscheint. Sie war damals nach Ktesiphon die bedeutendste Stadt Babyloniens (Amm. XXIV 2, 9 civitas Pirisabora ampla et populosa. Zosim. III 18, 6 πόλις μεγάλη καὶ τῶν ἐν Ἀσσυρίᾳ μετὰ Κτησιφῶντα μεγίστη) und stark befestigt. Eine doppelte Mauer umgab sie (Liban. a. a. O. τεῖχος δὲ εἴσω τοῦ τείχους ἔχουσα δεύτερον. Amm. XXIV 2, 12 relictis civitatis duplicibus muris. Zosim. III 17, 3 δύο μὲν γὰρ κυκλοτερέσι περιείληπτο τείχεσιν), und in ihrer Mitte erhob sich auf einer schwer zugänglichen Anhöhe (vielleicht, wie schon Ritter Erdk. v. As. X 148 vermutet hat, der jetzige Täll ʿAqar ‚Burghügel‘) die Burg (Amm. arx, asperi montis interrupta planitie superposita, cuius medietas in sublime consurgens etc. Zosim. a. O. ἀκρόπολις δ’ ἦν ἐν μέσῳ – – [1793] οὐδὲ αὐτὴ ῥᾳδίαν ἔχουσα τὴν ἀνάβασιν; Ausführlicheres über die Befestigung der Stadt s. unter Pirisabora). Im April 363 – damals hatte in Ḥîra Aus bin Qallâm der lakhmitischen Dynastie die Herrschaft entrissen (Nöldeke a. a. O. 78. v. Gutschmid ZDMG XXXIV 745 = Kleine Schriften III 168) – wurde sie nach zweitägiger Belagerung durch Übergabe von Iulian eingenommen, und die Römer fanden in ihr ungeheure Vorräte an Waffen und Proviant (Amm. XXIV 2, 22 in hac arce armorum alimentorumque copia reperta est maxima. Zosim. III 18, 5 σῖτόν τε ἄπλετον εὗρον καὶ ὅπλα παντοῖα καὶ μηχανήματα καὶ ἐπίπλων πλῆθος οὐ μέτριον καὶ τῆς ἄλλης ἀποσχευῆς). Offenbar befanden sich in A. die Arsenale und Proviantmagazine für die Grenzfestungen am Euphrat, und deswegen wurde auch die Stadt κατ’ ἐξοχήν ,das Magazin‘ genannt. Dazu eignete sie sich ausgezeichnet durch ihre Lage in der fruchtbarsten Provinz des Reiches; ausserdem war sie von der römischen Grenze bei Circesium (Ammian. Cercusium) weit genug entfernt, um einem feindlichen Angriff nicht unmittelbar ausgesetzt zu sein, und der Hauptstadt so nahe, dass von dort aus eine wirksame Controlle über die in ihr aufgehäuften Vorräte geübt werden konnte. Zugleich diente sie mit zum Schutze Ktesiphons gegen einen Angriff vom Euphrat her. Die hervorragende Bedeutung, die A. als Depot aller für den Krieg erforderlichen Dinge besass, war die Veranlassung, dass der Gebrauch des officiellen Namens fast ganz durch den des Appellativums verdrängt wurde, das aber durchaus noch als solches empfunden wurde, wie der ihm bei den Arabern stets vorgesetzte Artikel (al-Ambâr ,das Magazin‘) beweist. Die byzantinischen Historiker kennen die Stadt nur unter der Bezeichnung A. So wird in dem uns erhaltenen Fragment des Geschichtswerkes des Johannes von Epiphaneia, Ende des 6. Jhdts. (FHG IV 275. L. Dindorf Hist. gr. min. I 379), berichtet, dass, als Chosroes I. (Khusravê Anôširvân 531–579), im J. 573, selbst von der Reichshauptstadt Ktesiphon (Johannes setzt dafür Βαβυλών) gegen die Römer ins Feld zog, er den Tigris überschritten habe und dann durch die Wüste (Τίγριν ποταμὸν διαβὰς τήν τε πορείαν διὰ τῆς ἐρήμου γῆς ποιούμενος) bis in die Nähe der persischen Festung A. marschiert sei (πλησίον Ἀμβαρὼν Περσικοῦ γέγονεν φρουρίου, die fünf Tagemärsche von der römischen Grenzfestung Kirkesion (s. d., arab. Qarqîsijâ, jetzt Abû Serâi, verkürzt Besêra) entfernt war (ἀφειστήκει δὲ τοῦτο πόλεως Κιρκησίου ὁδὸν ἡμερῶν πέντε). Nach den Itinerarien der arabischen Geographen (s. z. B. Ibn Khordâdhbeh a. a. O. Text 72f., Übers. 53. Kodâma a. a. O. Text 216f., Übers. 165f. Sprenger a. a. O. 91f.) betrug die Entfernung zwischen Ambâr und der gegenüber Kirkesion, auf dem rechten Euphratufer liegenden Station al-Fâš (jetzt wohl die Trümmerstätte Zubârî), auf dem kürzesten Wege 73 Parasangen (Kodâma a. a. O.), wonach fast 15 Parasangen auf den Tagemarsch kommen würden. Die Angabe des Johannes von Epiphaneia wird daher von der Zeit zu verstehen sein, die die Reitpost, und also auch Reiterei, gebrauchte, um den Weg zwischen A. und Kirkesion zurückzulegen. Bei Theophylaktos [1794] Simokattes (1. Hälfte des 7. Jhdts.), der für die von Johannes von Epiphaneia behandelte Zeit das Werk desselben vollständig in das seine aufgenommen hat, steht die entsprechende Stelle III 10, 6. Anstatt Ἀμβάρων, das dort, mit einer leichten Abweichung von der Vorlage, als χωρίον τι Περσικόν bezeichnet wird, hat die massgebende Hs., der Vaticanus, das von de Boor in den Text gesetzte Ἀββάρων, was unbedenklich in Ἀμβάρων zu ändern ist. An einer anderen, ebenfalls auf Johannes von Epiphaneia zurückzuführenden Stelle des Theophylaktos (IV 10, 4), in dem Bericht über die Flucht des Chosroes II. (Khusravê Abharvêž oder Parvêz 590–628) im J. 590, nach der ihm von Bahrâm Čôbîn (Βαράμ) beigebrachten Niederlage, wird ganz ähnlich wie von Chosroes I. erzählt, dass der König Ktesiphon verlassen habe und über den Tigris gesetzt sei und dann durch die Wüste bis zum Euphrat und längs desselben bis zu den Festungen A. und Anatha (bei Isidoros v. Charax I, Geogr. gr. min. I 249 Ἀναθώ, s. d., bei den Arabern ʿÂnât oder ʿÂnat, jetzt ʿÂna, in 34° 27′ 27″ nördlicher Breite, 41° 58′ 51″ östlicher Länge Greenw., Chesney) gegangen sei (τὸν Εὐφράτην ποταμὸν παραμείψας τῷ Ἀμβορέων [de Boor Ἀββαρέων, Vat. Ἀαβορέων, sed α in lit.] καὶ Ἀνάθων πλησιάζει φρουρίοις). Von dort wandte er sich dann weiter stromaufwärts nach Kirkesion (Theophylaktos Κιρκήνσιον). Die Übereinstimmung in den Namen und in der Lage zeigt, dass es sich an beiden Stellen des Theophylaktos nur um ein und denselben Ort handeln kann (so Nöldeke a. a. O. 57, 5. de Boor Index z. sein. Ausg.). Dagegen hat Saint-Martin, der den Namen A. bei Johannes von Epiphaneia und in der ersten Stelle des Theophylaktos ganz richtig auf Ambâr-Pêrôž-Šâbhûr bezogen hatte (zu Lebeau Histoire du Bas-Empire X 103, 4), für die zweite Stelle des Theophylaktos, irregeführt durch die Lesart der Hss. und die dort gebrauchte etwas abweichende Form des Namens, eine höchst seltsame Erklärung aufgestellt (a. a. O. X 305, 1), indem er die von φρουρίοις abhängigen Genetive pluralis nicht, wie gewöhnlich, als Ortsnamen fasst, sondern als Bezeichnung von Stämmen, und zwar von Araberstämmen, die am Khâbûr, dem bekannten Nebenflusse des Euphrat – bei Theophylaktos Ἀβόρας oder Ἀββόρας, wovon Ἀββορέων abzuleiten sei – und in der Stadt Anatha wohnen sollen, wobei er völlig ausser Acht lässt, dass dann die vermeintlichen Khâbûraeer, die doch höher stromaufwärts als Anatha wohnen mussten, nicht wohl an erster Stelle hätten genannt werden dürfen, und dass Chosroes von ihnen nicht mehr in die Nähe von Kirkesion (ἐπὶ τὸ Κιρκήνσιον ἐχόμενα πόλεως) hätte zu gehen brauchen, da er sich ja bereits am Khâbûr befunden hätte. Die von Saint-Martin so missgedeutete Form Ἀμβόρεα verdankt ihre Entstehung nicht blos einer zufälligen Laune oder einem Missverständnisse des Theophylaktos oder seines Gewährsmannes, sondern ist höchst wahrscheinlich eine genauere Wiedergabe der von Johannes von Epiphaneia von Persern, ja vielleicht an Ort und Stelle selbst gehörten mittelîrânischen Form ambârê oder ambôrê. Das auslautende ê entspricht der alten Genetivendung ahya, denn dieser Casus, der im [1795] jüngeren Mittelîrânischen von der ganzen Nominalflexion allein übriggeblieben ist, ist dort infolge dessen der Normalcasus. Der dunkle Vokal der zweiten Silbe, der sich hier, wie in Amborakitis (s. u. Ankobaritis), findet, ist im Îrânischen in Bildungen wie die hier vorliegende das ursprüngliche und noch jetzt in Dialekten nachweisbar. Nach den von Johannes von Epiphaneia und Theophylaktos geschilderten Ereignissen erscheint der Name A. nicht wieder in der byzantinischen Litteratur. Bereits unter dem Khalifate Abû Bakrs (632–34) eroberte Khâlid bin al-Valîd A. und Ḥîra. Und mit dem weiteren Vordringen der Muslime verschob sich der Kriegsschauplatz zwischen Morgenland und Abendland immer mehr nach Westen, und es fehlte damit die Veranlassung, A.s wieder zu erwähnen. Nachdem A. auf kurze Zeit, unter dem ersten ʿabbâsidischen Khalifen Abu-l-ʿAbbâs al-Saffâḥ (750–754), Residenz gewesen war, verlor es während des Mittelalters immer mehr an Bedeutung, um schliesslich das Los aller grossen Städte des Altertums am Unterlaufe des Euphrat und Tigris zu teilen. Fast alle, die bisher über A. gehandelt haben, haben sich darauf beschränkt, die Nachrichten zu erörtern, die in den Berichten über den Feldzug Iulians hinsichtlich Pêrôž-Šâbhûrs enthalten sind. Die kritische Übersicht über die Identificationen und topographischen Combinationen, zu denen diese den Anlass geboten haben, wird daher unter Pirisabora ihren Platz finden. In Bezug auf A. bei den Byzantinern ist ausser auf die bereits erwähnten Anmerkungen Saint-Martins zu Lebeaus Histoire du Bas-Empire nur noch auf eine kurze Anmerkung Th. Nöldekes in der Geschichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden (57, 5) zu verweisen, wo eine Anzahl Belegstellen gegeben sind; von diesen ist jedoch Barhebraeus Chronicon ecclesiasticum ed. Abbeloos und Lamy III 123 zu streichen, die sich nicht auf Pêrôž-Šâbhûr-Ambâr bezieht, wie dies auch die Herausgeber zu der Stelle irrtümlicher Weise annehmen, sondern auf Pêrôž-Šâbhûr oder Faišâbûr am linken Ufer des Tigris, nordwestlich von Môṣul (s. über dasselbe G. Hoffmann Auszüge aus syrisch. Akten pers. Märtyrer 213f.). Zum Schluss darf nicht unerwähnt bleiben, dass die spätere jüdische Tradition Nẹhardẹʿâ (Arrian bei Steph. Byz. s. v. und Ptolemaios Ναάρδα, Josephos Νέερδα oder Νέαρδα), das kurz nach Christi Geburt der Sitz eines kleinen jüdischen Raubstaates, später der einer berühmten jüdischen Schule war, und das unterhalb A. am Euphrat lag, in irrtümlicher Weise mit diesem identificiert hat (s. u. Naarda). Dieselbe Ansicht hat auch Ritter (Erdk. v. Asien X 147), von falschen Voraussetzungen ausgehend, ausgesprochen und sie auch, infolge einer Verwechslung, Mannert zugeschrieben.