RE:Aristeas 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
---|---|---|---|
| |||
Wundermann, erscheint als Liebling Apollons | |||
Band II,1 (1895) S. 876–878 | |||
Aristeas in der Wikipedia | |||
GND: 119156105 | |||
Aristeas in Wikidata | |||
Bildergalerie im Original | |||
Register II,1 | Alle Register | ||
|
Aristeas (Ἀριστέας). 1) Ein Wundermann, wie Abaris und Epimenides, in Prokonnesos und Metapont localisiert. In dem Epos Ἀριμάσπεια scheint A. selbst als Verfasser genannt und als Liebling Apollons und weitgereister Mann eingeführt worden zu sein. Da in diesem Epos der Einbruch der Kimmerier in Asien erklärt wurde, und Herodot es kennt, dürfte es in Asien im 6. Jhdt. entstanden sein, in welche Zeit der eigentümlich phantastisch-religiöse Charakter neben Abaris, Zalmoxis, Hermotimos sehr wohl passt; [877] vgl. über diese Bewegung v. Wilamowitz Homer. Unters. 207ff. Dazu stimmt seine Fixierung auf Kroisos (Suidas).
Die ausführlichste Nachricht über die Ἀριμάσπεια und über die fabelhafte Persönlichkeit des A. giebt Herodot. IV 13–15, zugleich der älteste Zeuge ausser Pindar, der nach Origenes contra Celsum III p. 126 Spencer (= Pind. frg. 271 Bgk.⁴), wie es scheint, Wunderbares erzählt hat. Herodot nennt den A. Sohn des Καυστρόβιος, Bürger des von Milet besiedelten Prokonnesos, und teilt aus des A. Epos Ἀριμάσπεια folgendes mit: A. sei, von Apoll begeistert, in das Land der Issedonen gewandert; nördlich von ihnen wohnten die Arimaspen (s. d.), von diesen nördlich die Gold hütenden Greifen, über diesen bis zum Nordmeer die Hyperboreer; die Arimaspen hätten ihre Nachbarn, die Issedonen bedrängt, diese die Skythen, die Skythen die Kimmerier am Südmeer, die so zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen worden seien. Diese Mitteilungen aus dem Epos des A. werden bestätigt und erweitert durch die bei Tzetzes Chil. VII 686ff. erhaltenen metrischen Fragmente und die Notizen bei Plinius n. h. VII 10 und Pausanias I 24, 6: die Arimaspen hätten nur ein Auge mitten auf der Stirn und lägen des Goldes wegen in dauerndem Kriege mit den Greifen. Es werden daher wohl diese Fragmente und Notizen auf das von Herodot citierte Epos zurückgehen, obwohl Dionys von Halikarnass iud. de Thucyd. 23 p. 864 R. die erhaltenen Schriften des A. wie des Milesiers Kadmos u. drgl. für unglaubwürdig erklärt. Das in der Schrift περὶ ὕψους X 4 angeführte Fragment der Ἀριμάσπεια spricht von fabelhaften Meerbewohnern.
Als zweite Quelle über A. giebt Herodot (IV 14) die Localsage von Prokonnesos und Kyzikos an: A. stamme aus vornehmem Geschlecht; einst sei er bei einem Walker in Prokonnesos eingetreten und tot umgefallen; zu derselben Zeit aber habe er mit einem Reisenden zwischen Kyzikos und Artake gesprochen; sein Leichnam sei verschwunden gewesen; nach sechs Jahren sei er wieder in der Heimat erschienen und habe die Ἀριμάσπεια gedichtet. Drittens fügt Herodot (15) die A.-Sage von Metapont bei: A. sei dort erschienen, habe zum Bau eines Apollonaltars und zur Errichtung einer Statue des A. aufgefordert; denn allein zu ihnen in Italien werde der Gott kommen, und zwar von ihm, dem A. selbst, in Rabengestalt begleitet – dann sei A. verschwunden. Auf Geheiss des delphischen Orakels hätten die Metapontier also gethan; und Herodot bemerkt, dass zu seiner Zeit in der That eine A.-Statue neben dem Altar Apolls auf dem Markte von Metapont von Lorbeeren umgeben gestanden habe. Nach Theopomp (FHG I 308) bei Athen. XIII 605 c war es ein eherner Lorbeerbaum. Auch eine relative Zeitangabe macht Herodot IV 15: des A. Erscheinen in Metapont falle 240 (andere Lesart 340) Jahre nach seiner zweiten Erscheinung in Prokonnesos, wie er, Herodot, durch Nachforschungen in beiden Städten festgestellt habe. Da Herodot aber weder die eine noch die andere Epiphanie bestimmt, ist es unmöglich, seine Ansätze zu ergründen.
Die von Herodot berichteten wunderbaren Züge an A. erscheinen bei den Späteren nur weiter ausgebildet. [878] Theopomp a. a. O. liess ihn von den Hyperboreern nach Metapont gelangen. Nach dem Mendesier Bolos, Zeitgenossen des Kallimachos, bei Apollon. mirabil. 2 (s. Diels S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 393f.), der nach dem Vorgange Theopomps den A. wie Epimenides und Abaris als Vorläufer des Pythagoras dargestellt hat, ist A. zu gleicher Stunde in Prokonnesos gestorben und in Sicilien als Lehrer aufgetreten (nach Plutarch Romul. 28 auf dem Wege nach Kroton gesehen worden), und da dergleichen sich öfter mit A. ereignet habe, sei er von den Siciliern als Heros in einem eigenen Heiligtum verehrt worden. Aus derselben Quelle scheint die Notiz des Plinius n. h. VII 174 (vgl. Apollon. mirab. c. 2. 3) zu stammen, man habe in Prokonnesos des A. Seele in Rabengestalt aus seinem Munde fliegen sehen. Neben Abaris wird A. häufig in der späteren Litteratur genannt ohne weitere Ausgestaltung; vgl. [Dio Chrysost. d. i.] Favor. Corinthiacus § 46. Iamblich. de vit. Pythag. 28 § 138. Clemens Alexandr. strom. I p. 144 Sylburg. Tatian. orat. ad Graec. 41 p. 275 A. Strabon nennt den A. (XIII 589) einen Zauberer und (XIV 639) Lehrer des Homer, der vielleicht seine einäugigen Kyklopen den einäugigen Arimaspen des A. nachgebildet habe (I 21). Bei Suidas wird dem A. auch eine Theogonie beigelegt.
Litteratur: Welcker Ep. Cykl.² I 209. 236. Rohde Griech. Roman 174f. Dieterich Nekyia 130f. Tournier De Aristea, Paris 1863 (schlecht).