RE:Caecilius 25

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Statius, ein Kelte vom Stamm der Insubrer aus dem 3. Jh., Dichter der Palliata
Band III,1 (1897) S. 11891192
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25) Caecilius, mit Vornamen Statius (Gell. IV 20, 12f., vgl. anon. de praenom. 4), hervorragender Dichter der Palliata, ein Kelte vom Stamm der Insubrer, vielleicht aus Mailand gebürtig (Hieronym. z. J. Abr. 1838 = 179 v. Chr.). Sclave geworden in einem der zahlreichen Kämpfe zwischen den oberitalischen Kelten und den Römern während des letzten Drittels des 3. Jhdts., muss er von einem C. freigelassen worden sein (Gell. a. a. O.). In Rom war er zuerst contubernalis des Ennius auf dem Aventin (Hieron. a. a. O.; vgl. O. Jahn Ber. sächs. Ges. d. Wiss. 1856, 298). Diesen († 169) überlebte er nur um ein Jahr nach dem ausdrücklichen [1190] Zeugnis des Hieronymus, das Ritschl (Opusc. III 233) nicht den Fabeleien der suetonischen Terenzvita zu liebe, die den Terenz auf Befehl der Aedilen vor C. eine Probevorlesung der Andria (aufgeführt 166) halten lässt, durch Conjectur hätte verderben sollen. Ebenso wenig liegt ein zwingender Grund vor, mit Ritschl in die Angabe der Grabstätte bei Hieronymus (iuxta Ianiculum) eine Beziehung auf das Grab des Ennius (iuxta eum in Ianiculo) hineinzuconjicieren. Wie alt C. bei seinem Tode war, wissen wir nicht, doch macht Ritschl Parerg. 183 Anm. darauf aufmerksam, dass er nie wie doch Livius Andronicus, Naevius, Plautus und andere Dichter jener Zeit unter den longaevi genannt wird. Seine Blüte setzt Hieronymus ins J. 179; es stimmt dazu nicht übel, dass Ambivius Turpio im zweiten Prolog der terenzischen Hecyra, also im J. 160, als senex thun zu wollen erklärt, was er als adulescentior gethan habe; wie er damals dem Publicum nach und nach Geschmack an den Stücken des C., die anfangs durchfielen oder sich kaum hielten, beigebracht habe, so wolle er es jetzt mit Terenz thun (V. 11ff.). Ist Ambivius, als er dies spricht, etwa 60 Jahr, so kann die dichterische Thätigkeit des C. im ersten Jahrzehnt des 2. Jhdts. begonnen, um 180 ihren Höhepunkt erreicht haben.

Wir lernen aus den Versen des Terenz, dass das Publicum dem C. anfänglich nicht günstig war. Die ,Gegner‘ trieben es so arg, dass er fast schon der Dichtkunst entsagen wollte und nur seines Schauspieldirectors Bemühungen ihm die ersten Erfolge brachten. Die Folgezeit vergalt ihm mit um so grösserem Lobe; auf ihr Urteil sind wir, da nicht ganz 300 Verse und Versbruchstücke des C. erhalten sind (Ribbeck Com.² p. 35ff.), im wesentlichen angewiesen. C. rangiert nicht nur bei Quintilian (Inst. X 1, 99) und Velleius (I 17, 1) mit Plautus und Terenz, sondern im Kanon des Volcacius Sedigitus (Gell. XV 24) sogar vor allen andern Palliatendichtern, und ebendahin stellte ihn, wenngleich nicht ohne Bedenken, Cicero (de opt. gen. orat. 2). Varro (Men. 399 B. und bei Charis. p. 241 K.) preist ihn wegen der Führung der Handlung, mit der er die πάθη zu erregen wisse, im Gegensatz zur Charakterschilderung des Terenz und dem Dialog des Plautus; auf dasselbe kommt es hinaus, wenn Horaz ep. II 1, 59 seine gravitas gegenüber der ars des Terenz rühmt. Diesen Vorzug verdankt C. gewiss dem Umstande, dass er sich seine Vorbilder vorzugsweise bei Menander suchte (Leo Plaut. Forsch. 89); von etwa vierzig (oder, nach Ausschluss der lateinischen, einigen dreissig) Titeln seiner Stücke finden sich sechzehn auch bei Menander, elf nur bei diesem; sicher steht Nachahmung des Menander für Hypobolimaeus Chaerestratus, Plocium und Synephebi (Cic. de opt. gen. orat. 18; de fin. I 4). Über den Grad, in dem C. von seinen Vorbildern abhängig war, hat man allerlei vermutet. Weil seine Titel teils nach plautinischer Art lateinisch teils nach terenzischer und turpilianischer griechisch sind, glaubte Ritschl (Parerg. 145) eine ältere Periode, in der C. nach Art des Plautus mit den Originalen freier schaltete, und eine jüngere, in der er sich gleich den jüngeren Palliatendichtern enger an die Griechen anschloss, unterscheiden zu können; ja er dachte gar daran [1191] eine Übergangsperiode zu constatieren, der die griechisch-lateinischen Doppeltitel angehören sollten. Solcher Doppeltitel ist bezeugt für Hypobolimaeus Rastraria, ausserdem die Identität von Hypobolimaeus und Subditivos, Obolostates und Faenerator höchst wahrscheinlich. Aber es ist, um von andern Möglichkeiten abzusehen, sehr wohl denkbar, dass die Doppelbenennungen bei Wiederaufführungen entstanden sind. Dass C. nie contaminiert habe, will Leo a. a. O. daraus schliessen, dass Terenz Andr. 18 den Gegnern der Contamination nur das Muster des Naevius, Plautus und Ennius vorhält; ein Argumentum ex silentio. Und gerade die Abkehr des Terenz von den Griechen in einem andern wesentlichen Punkte mag auf eine Neuerung des C. zurückgehen: die Loslösung des Prologs vom Stücke, um ihn zur Erörterung persönlicher Angelegenheiten und zur Polemik gegen die adversarii zu benützen, wird Terenz dem C. abgesehen haben, dem er auch in Einzelheiten manches verdankt (z. B. Adelph. 985 ∼ Caec. frg. 91; Phorm. 686 ∼ Caec. frg. 215; Andr. 770 ∼ Caec. frg. 225). Über das Verhältnis des C. zu seinen Originalen in Einzelheiten zu urteilen, ermöglicht uns das interessante Kapitel des Gellius II 23, in dem grössere Partien aus der Komoedie Plocium mit dem menandrischen Original verglichen werden. Dass in der Übertragung das simplex, die elegante Einfachheit des attischen Dichters, verloren gegangen ist, muss man Gellius zugestehen. Auch die unappetitliche Zufügung an einer Stelle (frg. 158ff.) ist nicht geschmackvoll, selbst wenn die Anwendung des gleichen Scherzes bei Plautus (Asin. 894ff.) es glaublich erscheinen lassen sollte, dass er auch Attikern nicht fremd gewesen ist. Am wenigsten befriedigt die Wiedergabe der allgemeinen Betrachtungen frg. 169ff.; hier besteht Gellius Urteil über die Leistung des C. trunca quaedam ex Menandro dicentis et consarcinantis verba tragici tumoris zu recht. Aber im übrigen hat Gellius zu Ungunsten des römischen Dichters übertrieben. Die Hauptstelle (frg. 142ff.) übertrifft Menanders Trimeter nicht nur durch die kunstvollen, an Plautus (z. B. Bacch. 640ff.) erinnernden, von Terenz Eintönigkeit vorteilhaft abstechenden Rhythmen (erst, was bisher verkannt ist, anapaestische, dann trochaeische Langverse, darauf Kretiker mit Senaren und kurzen trochaeischen Gliedern untermischt), sondern auch durch die Lebendigkeit der Schilderung: der Pantoffelheld führt seine energische Eheliebste sprechend ein und weckt so im Hörer eine viel lebhaftere Vorstellung als das griechische Original mit seiner Objektivität. Anderswo beweist dagegen das Criterium, dessen sich Leo a. a. O. 101ff. in ausgiebiger Weise für Plautus bedient hat, engen Anschluss an das Original: wenn frg. 259ff. genau zu Euripides frg. 269 N.² stimmen, so ist der attische Komiker das Zwischenglied, wie schon Meineke Frg. Com. IV p. 709 gesehen hat. Und von jener Mischung der griechischen Farben mit den römischen, die Plautus liebt, haben wir bei C. nur ganz geringe Spuren, so die caterva gladiatoria frg. 38, während eiecit me ex hac decuria frg. 15 (vgl. Plaut. Pers. 143) und silicernium frg. 122 nur im Wort latinisiert sind. Vom Gang der Handlung können wir uns nur beim Hypobolimaeus oder Subditivos, der höchst wahrscheinlich [1192] mit Hypobolimaeus Rastraria und Hypobolimaeus Chaerestratus identisch ist, und bei Plocium, für erheblichere Einzelheiten noch etwa bei Hymnis und Synephebi eine Vorstellung machen (vgl. Ribbeck zu den betreffenden Stücken und R. Dicht. I² 127ff.; wertlos Schlüter De Caec. Stat. fabularum fragmentis, Progr. Andernach 1884). Menanders Ὑποβολιμαῖος ἢ Ἄγροικος hat eine gewisse Ähnlichkeit mit seinen (d. h. Terenz) Adelphen besessen, eine grössere Plocium mit der ebenfalls durch Terenz uns bekannten Hecyra Apollodors; näheres über den Inhalt des ersteren Stückes, zum Teil recht hypothetisch, bei Grauert Hist. u. philol. Analekten, Münster 1833, 75ff. (vgl. Ritschl Parerga p. XIVf.). Ribbeck Agroikos 11, über den des letzteren Gellius a. a. O. Das Lob, das die alten Kunstrichter dem Inhalt der Stücke des C. spenden, wird auf die Form nicht ausgedehnt. Cicero stellt den Insubrer als malus auctor latinitatis in Gegensatz zu Terenz (ad Att. VII 3, 10), charakterisiert ihn und Pacuvius als male locutos (Brut. 258) und citiert ihn verhältnismässig nicht häufig (Kubik Dissert. phil. Vindob. I 314ff.). Thatsächlich ist die Sprache des C. weit altertümlicher als die des Terenz (s. die zum Teil nur auf conjecturalen Lesarten beruhenden Zusammenstellungen in Engelbrechts Studia Terentiana, Wien 1883, 78); nur ein Kennzeichen dieses Archaismus ist die grosse Freiheit in der Abstractbildung (pulcritas 55, ineptitudo 61, commemoramentum 166 nur bei C). Auch sonst fehlt es nicht an Eigentümlichkeiten in Wortform und -gebrauch: ἅπαξ λεγόμενα sind deintegrare (nomen virginis) 255, dibalare 249, profluia fides 30, reluere im Sinn von ,wieder einlösen‘ 105, die Nominativbildungen immemoris masc. 31, uter = uterus 94; aus altem adprobe hat C. die Hypostase adprobus 228 geschaffen, die merkwürdige Wendung operis remex 274 hat ihm Cicero de orat. II 40 nachgebraucht. Was schliesslich die Metrik des C. angeht, so zeigt er die bekannten Haupterscheinungen der archaischen Prosodie; an Versarten finden sich, von dem oben besprochenen Canticum und einigen baccheisch-kretischen Bruchstückchen (117. 276; ganz unsicher 108f.) abgesehen, nur die üblichen stichischen Formen der iambischen und trochaeischen Verse. Dass er Clauseln wie Terenz auch im Beginn von lyrischen Stellen anwendete, berichtet Varro bei Rufinus 9 GL VI 556. Vgl. W. S. Teuffel Caecilius Statius, Pacuvius etc., Progr. Tübingen 1858.