76) L. Calpurnius Piso. a) Name. Er hiess ursprünglich Cn. Piso, musste aber nach der Verurteilung seines Vaters (s. u.) im J. 20 n. Chr.
[1384] sein Praenomen in Lucius umändern (Tac. ann. III 16. 17). So heisst er nachher L. Calpurnius Piso (CIL II 2633. V 4919. VI 251); L. Calpur... (CIL I² p. 71 Fasti Arval.); L. Calpurnius (tab. cer. Pompeiana 2. Tac. ann. IV 62); L. Piso (CIL V 4920. Plin. epist. III 7, 12. Dio LIX 20, 7), sonst Piso.
b) Leben. Er war der ältere Sohn des Cn. Piso (Nr. 70) und der Munatia Plancina (Tac. ann. III 16. Dio LIX 20, 7). Während sein Vater als Statthalter Syriens im Orient weilte (18–19 n. Chr.), befand er sich in Rom, war demnach an den Schicksalen des Vaters unbeteiligt. Dies hob derselbe auch in dem Schreiben hervor, das er vor seinem Selbstmord an Tiberius richtete (Tac. ann. III 16). Doch musste Piso jetzt seinen Vornamen wechseln (Tac. ann. III 17). Consul Ordinarius im J. 27 n. Chr. mit M. Licinius Crassus Frugi (die Belegstellen s. o.). Praefectus urbi im J. 36 und 37 (Joseph. ant. Iud. XVIII 169. 235; Josephus nennt ihn nur Πείσων, doch kann kein anderer als L. Piso gemeint sein). In dieser Stellung empfing er von Caligula die Nachricht vom Tode des Tiberius und vom Regierungsantritt des neuen Herrschers (Joseph. ant. Iud. XVIII 235). Im J. 39 war Piso Proconsul von Africa. Nach Dios Bericht (LIX 20, 7) entzog ihm der Kaiser aus Furcht vor seinem hochstrebenden Sinn den Befehl über das in Africa garnisonierende Heer, der einem selbständigen Legaten anvertraut wurde. Denselben Vorgang bezieht jedoch Tacitus (hist. IV 48) auf den Proconsulat des M. Iunius Silanus. Dies dürfte auch das richtige, und der Widerspruch so zu erklären sein, dass Piso der Nachfolger des Silanus und der erste Proconsul ohne militärisches Commando war (Marquardt Röm. Staatsverw. I² 467f.). Er war der Vater des L. Piso cos. 57 (Nr. 79) und erreichte ein so hohes Alter, dass er schliesslich alle überlebte, die sich während seines Consulatsjahres im Senate befunden hatten, Plin. epist. III 7, 12. Dass in dieser Pliniusstelle unser L. Piso gemeint ist, hat Klebs Prosopogr. I 284 nr. 238 überzeugend dargelegt. Zu seinen Ausführungen wäre noch hinzuzufügen, dass die Bezeichnung des Suetonius Paulinus, Consuls 41 oder 42 n. Chr., als vetustissimus consularium im J. 69 (Tac. hist. II 37) durchaus nicht beweist, dass L. Piso damals nicht mehr lebte. Denn auch C. Cassius Longinus, Consul im J. 30, also früher als Paulinus, war, wie wir bestimmt wissen, damals noch am Leben; er befand sich allerdings als Verbannter in Sardinien (Pompon. Dig. I 2, 52). Man muss demnach annehmen, dass Tacitus an jener Stelle nur die für die Kaiserwahl in Betracht kommenden Consulare im Auge hat. Zu diesen konnte man Piso wegen seines hohen Alters gewiss nicht rechnen. Piso wird übrigens auch den C. Cassius, der unter Vespasian starb (Pomponius a. a. O.), überlebt haben, da sich dieser im J. 27 im Senate in Rom befunden haben dürfte und sonst Plinius den Cassius und nicht den Piso als Beleg für die Kurzlebigkeit der meisten und die Langlebigkeit weniger Menschen angeführt hätte.