RE:Collega 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Amtsgenosse im gleichen Amt
Band IV,1 (1900) S. 378380
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2) Collega, conlega, der Amtsgenosse im gleichen Amte, von lex abgeleitet, nach Mommsen in activer Bedeutung der Mitsetzer, Mitmachthaber, nach Vaničeks weniger wahrscheinlicher Auffassung in passiver der Mitbeauftragte. Dem Königtum liegt die Collegialität fern und ebenso denjenigen republicanischen Einrichtungen, welche an das Königtum anknüpfen, der Stellung des Interrex, des Dictators, des Praefectus urbi. Aber die Collegialität ist einer der Grundgedanken der republicanischen Ordnung und ist im System der republicanischen Magistratur durchgeführt; beabsichtigt ist dabei eine Schwächung der Gewalt durch das auf der par potestas der Collegen ruhende Einspruchsrecht, das Intercessionsrecht. Die Collegialität ist nämlich nicht so aufzufassen, als ob gültige Amtshandlungen nur von den Collegen gemeinsam ausgeführt werden könnten, vielmehr ist innerhalb der Zuständigkeit des Amtes überhaupt jeder C. für sich allein zu jeder Amtshandlung befähigt und befugt; diesem Rechte aber steht das Einspruchsrecht des Collegen oder der Collegen gegenüber. Die Collegialität ist zunächst von der Zweizahl ausgegangen, beim Consulate, und der Satz tres faciunt collegium (Dig. L 16, 85) sonach nicht ursprünglich; diese Zweizahl begegnet auch bei den Quaestoren, den plebeischen und den curulischen Aedilen, den Censoren, nicht bei den Volkstribunen, die vielmehr mit der der Zahl der städtischen Tribus entsprechenden Vierzahl beginnen, um zu der dem Decemvirate nachgebildeten Zehnzahl überzugehen. Bei den Consulartribunen begegnet ausser der Vierzahl die Zahl sechs als Maximalzahl, die Zahl drei als Minimalzahl; fasst man den mit den J. 388 = 366 v. Chr. eintretenden civiliurisdictionellen Praetor als Collegen der zwei Consulpraetoren, so ist auch nach 366 v. Chr. das Oberamt dreistellig geblieben, bis zur Begründung der Peregrinenpraetur. Eine zeitweilige Fünfzahl der Volkstribunen ist unhistorisch.

Im Kreise des imperium domi ist in republicanischer Zeit die Collegialität strict durchgeführt mit Ausnahme der Civiliurisdiction, bei der eine collegiale Cooperation den Römern immer unmöglich schien, und bei der 366 v. Chr. die Collegialität überhaupt aufgegeben wird, um der Specialcompetenz zu weichen. An sich kennt die Collegialität keine Competenzenteilung, und eine thatsächliche Teilung der Geschäfte unter den Collegen hat nur den Wert einer privaten Verabredung; die Concurrenz der Collegen wird vielmehr geregelt durch den Turnus, durch das Los oder durch gemeinschaftliches Handeln, durch die Cooperation. Diese ist den ältesten römischen Gemeinwesen offenbar fremd, wurde aber durch die Rücksicht auf die sonst bestehende Möglichkeit collegialer Intercession begünstigt. Vor allem bei Anträgen an Senat oder Volk wird die Cooperation Regel, nur mit Ausschluss der Wahlrogationen. Die Losung tritt ein für ausserordentliche Fälle und besonders für solche Fälle, die sich in der Amtszeit voraussichtlich nur einmal ereignen. Sie kommt in Betracht für die Abhaltung der Wahlen und für die Ernennung des Dictators; ferner für das den Census abschliessende Lustrum, sowie für die Tempelweihung; die Dedication geht immer nur von einem Magistrate aus. In allen diesen Fällen [379] können die Beamten aber auch vom Lose absehen und sich unter einander vergleichen. In älterer Zeit war der Turnus Regel, der in historischer Zeit bei den Oberbeamten mehr und mehr schwindet. Die Frist des Turnus war ursprünglich wohl die achttägige Woche, das Nundinum; bei den Consuln und wohl auch bei den Consulartribunen war es der Monat. Die Fasces fanden sich ursprünglich nur bei dem gerierenden Magistrate, aber dieser Wechsel der Fasces ist früh geschwunden, und jeder Oberbeamte führt seine Fasces die ganze Amtszeit hindurch; Caesar liess 59 v. Chr. als nicht gerierender Consul die Fasces hinter sich gehen. In der augusteischen Zeit gilt für die Consuln wieder monatlicher Wechsel der Fasces. Ausnahmen von der Collegialität begegnen im städtischen Regimente einmal auf sacralem Gebiete, beim Pontifex maximus, sodann beim Interrex, Dictator und Praefectus urbi, sowie den civiliurisdictionellen Praetoren mit ihren Specialcompetenzen, nur dass auch diesen Praetoren gegenüber das Intercessionsrecht wie der Consuln so der Praetoren untereinander gilt. Auch die Thätigkeit der vier Aedilen war local geschieden.

Im Gebiete des imperium militiae fehlt die Intercession, selbst des nicht gerierenden Collegen, da hier jede Intercession die Lahmlegung des Regimentes vor dem Feinde bedeutet hätte; auch gegen die Ernennung eines Dictators giebt es kein Intercessionsrecht des anderen Consuls. Aber Collegialität giebt es auch im nichtstädtischen Regimente. Auch im Oberbefehl waltet der Turnus, und der Oberbefehl kann im Felde von Tag zu Tag wechseln, falls keine Vereinbarung eintritt, wie sie aber auf diesem Gebiete in weitestem Umfange üblich ist. Auf militärischem Gebiete fehlt die Cooperation und wird durch die Competenzentscheidung ersetzt, einmal in dem Commando über die Reiterei und das Fussvolk und sodann durch die Competenzenscheidung nach Operationsgebieten, durch die consularischen provinciae und die nichtstädtischen Specialcompetenzen. Die ausserhalb Roms domicilierten Beamten, die 487 = 267 v. Chr. eingesetzten vier italischen Quaestoren, die Provincialstatthalter und Provincialquaestoren unterliegen thatsächlich der Collegialität nicht. Wohl aber hat man hier formell die Collegialität insofern festgehalten, als nicht unmittelbar die Wahl zu dieser oder jener civiliurisdictionellen Praetur oder einer bestimmten Provincialpraetur berief, man hat vielmehr durch Wahl die jeweilige Gesamtzahl von Praetoren bezw. Quaestoren bestellt und den einzelnen dann durchs Los ihr Gebiet angewiesen. Schon bei der Zweiteilung der consularischen Heere war die Losung der Consuln durchgehender Brauch; die Operationsfelder werden dann durch Vereinbarung oder wieder durchs Los geschieden. In die Regelung der ausserstädtischen Thätigkeit der Consuln greift der Senat ein, gesetzlich normiert hat aber erst ein sempronisches Gesetz von 123 v. Chr. die jährliche Feststellung der senatorischen Provinzen durch den Senat. Eingeschränkt war die Allgemeinheit des consularischen Commandos bereits 227 v. Chr. durch die festen überseeischen Specialcommandos der Provincialstatthalter. Ausserordentlicher Weise gehen freilich immer noch gelegentlich Consuln in die Provinzen, aber wie die [380] überseeische Kriegführung der Consuln überhaupt erfolgt dies nur auf Geheiss des Senates. In die Verteilung der Provinzen einzugreifen versuchen die Volksversammlungen zuerst beim älteren Scipio 205 v. Chr.; sie thun es wirklich 147 v. Chr. bei dem jüngeren Africanus. Oft genug geschieht es, seit mit den Gracchen der Kampf der Volksversammlungen gegen den Senat, d. h. der Legislative gegen die Verwaltung, acut geworden ist; es genügt, an Pompeius und an Caesar zu erinnern. Mommsen R. St.-R. I³ 27–61.