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RE:Concilium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Versammlung
Band IV,1 (1900) S. 801830
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Concilium bedeutet allgemein jede Versammlung irgend welcher Art; so häufig bei Schriftstellern und auf Inschriften. Von den Historikern wird es gern gebraucht zur Bezeichnung ausländischer Gemeinde- oder Delegiertenversammlungen: c. populi bei Liv. XXIV 37, 11 im ersteren Sinne; für die andere Bedeutung vgl. man die häufig vorkommende Phrase conubia commerciaque et concilia adimere, z. B. Liv. VIII 14, 10, oder die Erwähnungen der concilia Gallorum = Versammlungen oder Tagessatzungen der gallischen Völkerschaften eines bestimmten Landstrichs bei Caesar (über stehende Verbände dieser Art wie das c. Etruscorum s. weiter unten). Daher conciliabulum = locus, ubi in concilium convenitur (Fest. p. 38 M.). Übertragen kommt das Wort auch vor für Versammlungen von Curien, CIL VIII 14683. Sidon. Apollin. epist. V 20, 1, auch ebd. I 6, 4 (nach Carette Les assemblées 253. 362f.), oder von Körperschaften: Cic. de domo 74 conventicula et quasi concilia (von den Zusammenkünften der Bezirksvereine der pagani und montani). Vgl. dazu J. Schmidt Rh. Mus. XLV 605f. und Artikel Conventus.

Technisch aber wird C. angewendet zur Bezeichnung derjenigen Versammlungen der Bürger im römischen Staatswesen, die nicht comitia waren. Das Wort hat also, wie Mommsen am besten dargelegt hat (Röm. Forsch. I 170, 8; St.-R. III 149, 3), genau genommen negativen Wert. Denn es bezeichnet 1) auf die Gesamtbürgerschaft angewendet jede nicht nach den Abteilungen gegliederte und nicht beschliessende Versammlung der Samtgemeinde (= contio) (Liv. I 8, 1. 26, 5. II 7, 7. V 43, 8; vgl. V 47, 7, auch die III 71, 3 c. genannte Versammlung steht nach Mommsen der contio näher als den Comitien), weshalb die ganz vereinzelt vorkommende Verwendung für Tribut- (Liv. I 36, 6) oder gar für Centuriatcomitien (ebd. VI 20, 11) eigentlich incorrect ist, sich aber dadurch erklären lässt, dass c. im Gegensatz zu dem eng umgrenzten Begriff der comitia der allgemeinere Ausdruck ist, der jenen in sich schliesst, Fest. ep. p. 50 M. s. cum populo agere. Wenn daher im iulischen Municipalgesetz Z. 132, wo die Rede ist von den Wahlen der Municipalmagistrate, comitiis conciliove steht, so ist unter c. auch hier jede nicht comitia benannte, nach Localstatut gleich den Comitien wahlberechtigte Versammlung verstanden. 2) Bezeichnet das Wort jede Versammlung eines Teils der Bürgerschaft, Laelius Felix bei Gellius XV 27, 4: is qui non [802] universum populum, sed partem aliquam adesse iubet, non comitia sed concilium edicere debet, und zwar speciell die Versammlung, und zwar auch die beschliessende, der Plebs. Bürger- und Plebsversammlungen werden neben einander genannt, Cic. de leg. II 31. Lex Bantina CIL I 197 Z. 5. Cic. post red. in sen. 11. Tertull. apol. 38; sehr instructiv ist Liv. XXXIX 15, 11: cum aut ... comitiorum causa exercitus eductus esset aut plebi concilium tribuni edixissent aut aliquis ex magistratibus ad contionem vocasset. Der Beschluss des c. plebis heisst scitum oder plebiscitum (von der plebs wird immer sciscere gebraucht), während der in den comitia vereinigte populus Quiritium ein iussum oder eine lex zu Tage fördert, Cic. pro Flacc. 15; pro Balb. 42. Griechisch wird c. in diesen Bedeutungen durch σύλλογος wiedergegeben, comitia dagegen durch ἐκκλησία. So steht σύλλογος = contio, Cass. Dio XXXVI 27. XXXVII 51. XXXIX 19, = concilium plebis XXXVI 22. XXXIX 7. 34. 35. 36. In der Kaiserzeit ist der strengere Gebrauch von comitia verloren gegangen, und es wird dieses Wort auch für früher technisch nur c. zu nennende Versammlungen gebraucht (einmal schon bei Cicero, aber in den Briefen ad Att. I 1, 1), nach Berns (35f.) allerdings nur dann, wenn es sich um Wahlversammlungen handelt; anders Mommsen St.-R. III 150, 1. Vgl. die Artikel Comitium und Plebs. Berns De comitiorum tributorum et conciliorum plebis discrimine, Wetzlar 1875. Mommsen Röm. Forsch. I 170. 177ff.; St.-R. III 149ff.

Zweitens bedeutet c. technisch die Versammlung der zu einem Bund, vor allem religiöser Natur, daher gewöhnlich um ein gemeinsames Heiligtum vereinigten Völkerschaften, Nationen oder Städte. So spricht Livius 1) von concilia der italischen Völkerschaften vor der römischen Unterjochung, von dem Bund der Latiner, der sich im Hain der Ferentina zu gemeinsamen Opfern versammelte. Liv. I 50–52. VI 10, 7. 33, 6. VII 25, 5. VIII 3, 2; vgl. Dionys. IV 47f. V 50. 61; der Volsker, Liv. IV 25, 17. VI 10, 7; der Herniker, die sich im Circus von Anagnia versammeln, Liv. IX 42, 11, der Aequer, Liv. III 2, 3. IV 25, 7. 49, 5; der Samniten, Liv. VII 31, 11, oder einzelner Stämme von Samnium, VIII 39, 10. X 12, 2; der Etrusker – im ganzen zwölf Bundesstädte, Liv. V 33, 9, unter einem Bundespriester, Liv. V 1, 5 – bei dem Tempel der Voltumna bei Volsinii, IV 23, 5. 25, 7. 61, 2. V 17, 6. VI 2, 2. Die letztere Bundesgemeinschaft bestand noch als die einzige dieser vorrömischen Verbände – allerdings nunmehr zusammengesetzt aus fünfzehn Gemeinden – die ganze Kaiserzeit hindurch (nicht nur in der späteren, wie man nach Marquardt St.-V. I² 516, 1 zu glauben geneigt sein könnte) in einer eigentümlichen Organisation: an der Spitze ein oder mehrere praetores Etruriae XV populorum, alle von ritterlicher oder senatorischer Herkunft (CIL XI 2699. 2115. 2114. 1941. XIV 172; Hadrian als praetor Etruriae erwähnt Hist. Aug. Hadr. 19), daneben ein oder mehrere aediles Etruriae (CIL XI 2116, vielleicht auch 2110. 3257 = 3615), ein sacerdos III lucorum (ebd. 1941), die Mitglieder offenbar = iurati ad sacra Etruriae (CIL XI 1848); vgl. Mommsen Berichte der Sächs. Gesellsch. d. Wiss. [803] 1850, 65. 209ff. Henzen Ann. d. Inst. 1863, 284ff. Bull. d. Inst. 1883, 206f. 2) Livius giebt zur Bezeichnung der Landtage der alten Völkerbünde im hellenischen Osten den griechischen Ausdruck κοινόν wenn nicht durch commune concilium (s. Art. Commune), so einfach durch c. wieder, z. B. c. Achaicum oder Achaeorum, Liv. XXXVI 31, 2. 9. 10, c. Aetolorum, ebd. XXVI 26ff., c. Boeotorum XLII 44, 6. 47, 3, Macedonum XLV 19, 6 u. s. w.

In der Kaiserzeit ist dann C. die technische Bezeichnung für die nach dem Muster der griechischen κοινά im Osten, die die Römer mit mehr oder weniger Modificationen bestehen liessen (s. Art. Κοινόν), in den Ländern des Westens gegründeten Provinciallandtage. Diese provincialen concilia der Kaiserzeit – es werden in der Hauptsache hier nur diejenigen des Occidents behandelt und zur Ergänzung ist der Art. Κοινόν heranzuziehen – haben in der nachdiocletianischen Zeit einen etwas anderen Charakter angenommen; daher sind zu scheiden A. die concilia dieser Art der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte und B. diejenigen des 4. und 5. Jhdts. n. Chr.

A. Die Concilia des 1. bis 3. Jhdts. n. Chr.

I. Der provinciale Kaisercult und die Concilia. Im Gegensatz zu den berührten Verhältnissen des Ostens geht bezüglich des Westens die allgemeine Meinung dahin, dass hier die Provinciallandtage im wesentlichen Neuschöpfungen der Römer sind. Zwar hat man für die Tres Galliae die Anknüpfung des römischen C. an eine gallische Versammlung am 1. August zur Feier eines Festes für den Keltengott Lug wahrscheinlich zu machen versucht (d’Arbois de Jubainville Le cycle mythologique irlandais 5. 138. 304f.; Nouv. Revue hist. du droit 1881, 195. Guiraud Assemblées prov. 45), doch fehlt es noch an einer genügenden Begründung dieser Hypothese (dagegen Jullian Rev. hist. XLI 1889, 402, während Beurlier Culte imp. 104, 1 und Carette Assemblées 15ff. wieder für die alte Ansicht eintreten). Wie dem auch in Gallien sei, in den anderen Ländern des Westens ausserhalb des Gebiets des Hellenismus haben wir gar keine Indicien für ähnliche grössere landschaftliche Verbände religiöser Art aus der vorrömischen Zeit. Die Neuschaffung dieser C. durch die Römer ist nach der allgemeinen Ansicht erfolgt im Anschluss an die Ausbreitung des Kaisercultes. Die Einrichtung eines provincialen Kaiseraltars oder Kaisertempels, des damit verbundenen Provincialpriestertums und Begründung eines C. gehen nach dieser Ansicht Hand in Hand. Aus der Existenz einer provincialen Kaisercultstätte oder eines Provincialpriesters schliesst man auf das Vorhandensein eines C. und umgekehrt. Gegen den letzteren Schluss hat Krascheninnikoff in einer sehr beachtenswerten Arbeit ,Über die Einführung des provincialen Kaisercults im römischen Westen‘ (Philol. LIII [N.F. VII] 1894, 147–189) Einspruch erhoben (169, 107). Er hat hier, ausgehend von dem unstreitig richtigen Satz, dass ,das Alter des Kaisercultus der einzelnen westlichen Provinzen und dasjenige der daselbst von den Römern eingepflanzten Cultur in umgekehrtem Verhältnis stehen‘, dass also dieser Cult zunächst wesentlich Romanisierungszwecken diente, nachzuweisen versucht, dass in Baetica, Gallia [804] Narbonensis und Africa erst Vespasian (in Africa zwischen 71 und 73 n. Chr.) der Begründer sei, ein Nachweis, der für Africa infolge des hier vorliegenden Beweismaterials evident ist, für die beiden anderen Senatsprovinzen aber etwas modificiert werden muss (darüber unten S. 809ff.). Krascheninnikoff hat aus seinem Resultat nun nicht die weitere Consequenz gezogen (wie bezüglich Africas es Joh. Schmidt zu CIL VIII Suppl. 12039 gethan hat), dass auch die concilia, der seiner Ansicht nach erst unter Vespasian mit dem Kaisercult versehenen Provinzen zu derselben Zeit errichtet worden seien, vielmehr hat er für die drei genannten, frühzeitig sehr stark romanisierten Provinzen vor Vespasian wohl concilia, aber noch keinen Kaisercult statuiert (a. a. O. 178f.). Als Beweise für diese gänzlich neue Anschauung führt er an Tac. ann. IV 37 (aus dem J. 25), wo es heisst: per idem tempus Hispania ulterior missis ad senatum legatis oravit, ut u. s. w., woraus man auf das Bestehen eines c. provinciae Baeticae schliessen könne; weiter spricht er (179, 143) die Vermutung aus, dass man bei den Worten Suetons Tib. 31 tanta consulum auctoritate ut legati ex Africa adierint eos querentes u. s. w. an eine africanische Provincialgesandtschaft denken könne. In ähnlicher Weise hält er (175, 132) sogar schon für die Tarraconensis wegen der Worte Tac. ann. I 78 petentibus Hispanis das Bestehen eines C. oder einer Art von C. vor dem J. 15 n. Chr., dem Jahr der Errichtung des Kaisertempels für die Provinz, für möglich. Aber er selbst hat die unzulängliche Beweiskraft dieser Stellen dargethan durch den Nachweis (179, 144), dass man die ähnlichen Worte accusantibus Mauris (Tac. ann. XIV 28 aus dem J. 60) keineswegs zum Beweis der Existenz eines mauretanischen Provinciallandtags so ohne weiteres verwenden dürfe, was aus einem Vergleich von Plin. ep. II 11, 2 mit III 9, 4 aufs deutlichste sich ergiebt. Am meisten Wert hat noch die Stelle über Baetica, weil hier die Provinz als solche als Petentin auftritt. Aber auf diese eine Stelle hin, die in ihrer Vereinzelung noch nicht einmal volle Beweiskraft hat, die Existenz römischer Provinciallandtage, die unabhängig sind vom Kaisercult, anzunehmen, scheint zu gewagt. Es könnte wie für den provincialen Kaisercult ein erweiterter municipaler Cult, nämlich der der coloniae immunes Baeticae, offenbar ,als eine Art Surrogat‘ gedient hat (a. a. O. 183), so auch an Stelle der mit dem Kaisercult verbundenen periodischen concilia ein Zusammenwirken der Gemeinden der betreffenden Provinz nur im gegebenen Fall vorgesehen gewesen sein, wie z. B. die Gemeinden von Dalmatien (CIL III 1741: civitates superioris provinciae Hillyrici) im J. 14 n. Chr., d. h. vielleicht vor Einführung des Kaisercultes, für die ganze Provinz einem gewesenen Statthalter eine Ehreninschrift setzen (doch vgl. auch CIL III 2808, Inschrift der civitates Liburniae vor dem J. 31 n. Chr., d. h. zu einer Zeit, da möglicherweise der Kaisercult in Liburnien schon eingeführt war, vgl. u. S. 811). Die Auslassung des Paetus Thrasea bei Tac. ann. XV 20f. über die nova provincialium superbia infolge ihres Beschwerderechts gegenüber den kaiserlichen Beamten giebt ja [805] auch zu der Vermutung Anlass, dass ein Verfahren zur Beschwerdeführung wie zur Belobigung der Statthalter seitens des Augustus, noch erweitert vielleicht durch den um die Provincialverwaltung hochverdienten Tiberius, den Provincialen allgemein zugestanden war; aber trotzdem kann die Form, in der dasselbe ausgeübt wurde, verschieden gewesen sein: in den neuen, noch wenig romanisierten Provinzen durch die mit dem Kaisercult frühzeitig entstandenen festgeordneten periodischen concilia, in den alten, den senatorischen Provinzen dagegen durch Cooperieren der Gemeinden nur in den bestimmten Fällen, ohne dass dadurch eine dauernde Verbindung hervorgerufen wurde. Fest steht so viel, dass bis jetzt die Bezeichnung c. nur für die mit dem Kaisercult aufgekommenen Versammlungen, die in erster Linie religiöser Natur waren, bekannt ist. Von diesen ist allein auch im Folgenden die Rede.

II. Zusammenstellung der Provinzen, deren Concilia direct bezeugt sind (bezw. aus dem Vorkommen von Provincialpriestern oder anderen Andeutungen erschlossen werden können).

  1. Sicilia gehört noch zu hellenistischen Gebieten mit einem schon vorrömischen Landtag (κοινόν). Dieser begegnet in der republicanischen Zeit als commune Siciliae (Cic. in Verr. act. II 2, 114. 145. 154, vgl. 103. 146), welches dem Verres zu Ehren Festspiele (Verria) gab und Statuen errichtete. Trotz Mangels an Zeugnissen ist das Fortbestehen desselben in der Kaiserzeit anzunehmen, weil es nach Constantin wieder erscheint (s. u. S. 821).
  2. Sardinien, CIL X 7599 flamen divor. Aug. ex consensu provin(ciae). 7917 (3. Jhdt.) sac[er]dos prov. Sard... ex consensu prov(inciae) Sar[di(niae)]. 7518 ist gesetzt einem adlecto inter sa[c]erdotales prov. Sard.
  3. Hispania Tarraconnensis; Sitz des c. Tarraco, der Augustustempel für die Provinz daselbst erbaut im J. 15 n. Chr. (Tac. ann. I 78; über den Tempel vgl. Hist. Aug. Hadr. 12; Sept. Sev. 3 und Hübner Herm. I 111), c. provinciae Hispaniae citerioris, abgekürzt concilium P. H. C. auf den Inschriften: CIL II 4127. 4230. 4246. 4255. 4055, vgl. auch 4233. 4210. 4192. 4248. 4208; Ehreninschriften unterschrieben P. H. C. haben wir in Masse. Über die Provincialpriester (mit vollem Titel: flamen Romae divorum et Augustorum P. H. C., daneben auch flaminicae) vgl. Hübner Herm. I 111ff.; CIL II p. 540f. E. Ciccotti I sacerdozi municipali e provinciali della Spagna, Riv. filol. XIX 1890, 46ff. (auch für die beiden folgenden Provinzen). Innerhalb der Provinz hatten hier auch die conventus (s. d.) ihre eigenen Kaisercultstätten, Kaiserpriester (zusammengestellt bei Ciccotti a. a. O. 44ff.) und demgemass auch eigene concilia; das c. conventus Cluniensis erwählt sich im J. 222 einen patronus (CIL VI 1454). Inschriften dedicierend treten auf der conventus Tarraconensis (CIL II 3840. 4138), der conventus Carthaginiensis (3412 unter Antoninus Pius, 3413 für die Mutter des Severus Alexander, 3416. 3418), der conventus Bracaraugustanus in der eigenen Hauptstadt sowohl (2426) wie in der der Provinz (4123); [806] alle diese, sowie auch der conventus Asturum (II 4223. 6094, vgl. 4072) mit eigenen Kaiserpriestern.
  4. Hispania Baetica; Sitz in Corduba. C. prov. Baeticae: CIL II 2344 (aus traianischer Zeit). Dig. XLVII 14, 1 (Rescript des Hadrian an das C). C. universae provinciae Baeticae CIL II 2221 (aus dem J. 216 n. Chr.), vgl. auch 1475. Provincialpriester, deren voller Titel hier flamen divorum Augustorum provinciae lautet, kommen mehrfach vor, der flamen Augustalis in Baetica primus auf der Inschrift CIL II 3271; darüber Krascheninnikoff a. a. O. 180ff.
  5. Lusitania; Sitz in Emerita. Das C. ist nicht direct bezeugt, ergiebt sich aber aus dem Vorhandensein von Provincialpriestern und -Priesterinnen, sowie aus dem Umstand, dass die provincia Lusitania im J. 77 dem Titus ein Denkmal in Emerita setzt (CIL II Suppl. 5264).
  6. Gallia Narbonensis; Sitz in Narbo. Das c. provinciae Narbonensis wird erwähnt in dem narbonensischen Gesetz, CIL XII 6038 II Z. 14 (nach Krascheninnikoff a. a. O. 159 auch schon ebd. Z. 10), weiter IV Z. 22–24, welches Mommsen und Hirschfeld dem Augustus, Krascheninnikoff dagegen mit grösserer Wahrscheinlichkeit dem Vespasian zuschreibt (vgl. die neue Redaction von Cap. 2 des Gesetzes Z. 10–13 bei demselben a. a. O. 159ff.). CIL XII 392 heisst es von einem Provincialpriester, dass er uni]versa provin[cia consentiente] gewählt worden sei (el]etus est). Auf einer athenischen Inschrift (CIA III 623. 624) haben wir in Q. Trebellius Rufus aus Tolosa den ἀρχιερεὺς πρῶτος ἐπαρχείας τῆς ἐκ Ναρβῶνος, der nach Dittenbergers Zeitbestimmung der Inschrift noch in den letzten Regierungsjahren Traians oder zu Anfang der Regierung Hadrians lebte; vgl. Krascheninnikoff a. a. O. 152ff., der gegen die ältere Ansicht, die die Inschrift in die Zeit des Tiberius verlegte, polemisiert (vgl. dazu auch Guiraud Assemblées 83, 2 über das Amt eines ἱερεὺς Δρούσου ὑπάτου, welches Trebellius Rufus u. a. später bekleidete, woraus Marquardt irrtümlich Schlüsse zur Datierung der Inschrift unter Tiberius gezogen hat). Der flamen] primus [Aug. templi] novi Narbo[ne] (CIL XII 4393) ist, wenn die Inschrift richtig ergänzt ist, vielleicht der erste Provincialpriester bei dem nach dem grossen Brand unter Antoninus Pius neuerbauten Augustustempel. Die Provincialpriester und -Priesterinnen sind zusammengestellt CIL XII Index p. 935.
  7. Alpes Maritimae; Sitz in Cemenelum (Cimiez), Mommsen CIL V p. 902. Das C. ist gesichert durch die Dedicationen der Provinz CIL V 7979 (aus dem J. 198). 7980 (für Caracalla) und durch die Existenz von flamines provinciae Alpium Maritimarum ebd. 7907 (aus dem J. 181). 7917 (zugleich patronus prov.). XII 81.
  8. Alpes Cottiae; Sitz in Segusio (Susa), gesichert durch den flamen Aug. prov. Cottianae, CIL V 7259 (aus Susa).
  9. Tres Galliae; Sitz bei Lugudunum ad confluentes Araris et Rhodani im pagus Condate, [807] gegründet von Drusus am 1. August 742 = 12 v. Chr. (darüber s. u.). Der seitdem sich hier versammelnde Landtag für die drei gallischen Provinzen Aquitania, Lugudunensis und Belgica führt den Titel c. (trium) Galliarum (CIL XII 3162 III 14ff. [Inschrift von Thorigny]; vgl. das Fragment ebd. 1722; einmal auch conventus arensis [CIL XIII 1671, vgl. ebd. 939 sacerdos arensis], sehr oft auf Ehreninschriften einfach Tres provinciae Galliae, vgl. CIL XIII 1671ff.) und wurde ursprünglich von 60 (Strab. IV 192), später von 64 civitates (Tac. ann. III 44, Serv. Aen. I 285) beschickt, deren Namen auf dem Altar aufgeschrieben waren (Strab. a. a. O.). Die Provincialpriester, deren voller Titel hier lautet: sacerdos Romae et Augusti ad aram ad confluentes Araris et Rhodani, sind zusammengestellt von O. Hirschfeld CIL XIII p. 228f. Die Ansicht von Mommsen (R. G. V³ 88, 2), dass die Novempopulana von Traian ab ihren eigenen Landtag hatte, wird mit Recht von O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1896, 441 verworfen; kaum richtig ist aber seine eigene Hypothese, dass die iberischen Stämme Aquitaniens überhaupt an dem Lyoner Cult nicht beteiligt gewesen seien, E. Kornemann Zur Stadtentstehung in den ehemals kelt. und germ. Gebieten S. 58.
  10. ? Germania; Sitz im oppidum Ubiorum, später = colonia Claudia Ara Agrippinensis. Bekannt ist nur, dass der Cherusker Segimundus, der Sohn des Segestes, sacerdos apud aram Ubiorum war (Tac. ann. I 57), dass also nach dem Plan des Augustus Köln die Stellung in Germanien einnehmen sollte, die Lyon in Gallien hatte. Was nach der varianischen Niederlage aus dem Projecte geworden ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich ist die ara für den municipalen Cult der Ubier, später von Köln erhalten geblieben, während die vier linksrheinischen Germanenstämme dem gallischen Landtag zugewiesen wurden (s. unter Tres Galliae).
  11. Britannia; Sitz in Camulodunum. Ein templum divi Claudii hierselbst erwähnt bei Tac. ann. XIV 31. Sen. Apocol. 8. Die Inschriften CIL XIV 2508 (für den Consul vom J. 212 patrono) und CIL XI 383 sind gesetzt von der provincia Britannia; vgl. E. Hübner CIL VII p. 33.
    • Über [Raetien und Noricum] wissen wir nichts. Der pontifex sacr(orum) Raet(icorum) der Inschrift CIL V 3927 aus dem pagus Arusnatium bei Verona hat gar nichts mit dem Kaisercult von Raetien zu thun. Der sacerdos Urbis Romae aeternae CIL III 5443 aus Noricum ist wahrscheinlich kein Provincialpriester.
  12. Dalmatia. Für die gesamte Provinz haben wir bis jetzt nur die Inschrift CIL III 1741, gesetzt von den civitates superioris provinciae Hillyrici, die eigentlich nichts beweist, wie oben S. 804 ausgeführt ist. Dagegen bestand hier wie in der Tarraconensis offenbar in den einzelnen conventus ein besonderer Kaisercult und wohl auch Landtag. CIL III 2810 begegnet ein sacerdos ad aram Augusti Lib[urn(iae)], vgl. ebd. 2808. Der Sitz dieses Kreiscultes und Kreislandtags war Scardona, die Hauptstadt des conventus. [808]
  13. Pannonia superior; Sitz in Savaria (Stein am Anger), wo eine ara Augusti sich befand, bei der auch andere Gemeinden der Provinz Statuen errichteten (CIL III 4170. 4192. 4193). Ein sacerdos provinciae ebd. 4108, vgl. 4178, ein sacerdotalis 4183; ein collegium genii provinciae Pannoniae superioris in Savaria wird erwähnt ebd. 4168; vgl. Mommsen CIL III p. 525.
  14. Pannonia inferior; Sitz auf dem Territorium von Aquincum bei dem heutigen Stuhlweissenburg (CIL III p. 432), wo ebenfalls eine ara Augusti war. Ein sacerdos provinciae, CIL III 3485, vgl. 3626, mit vollerem Titel sacerdos arae Augusti nostri provinciae Pannoniae inferioris, ebd. Suppl. 10496.
    • Für [Moesia superior] fehlt bis jetzt jeder Beleg.
  15. Moesia inferior; Sitz vielleicht in Troesmis. Ein sacerdos provinciae CIL III 6170 = 773 aus der genannten Stadt (für Elagabal). Innerhalb der Provinz bildeten fünf, später sechs griechische Städte am schwarzen Meer unter dem Vorsitz von Tomi einen besonderen, aus hellenistischer Zeit stammenden Landtag (κοινὸν τῶν Ἑλλήνων oder κοινὸν τῆς πενταπόλεως) mit einem ἄρχων oder Ποντάρχης an der Spitze (Perrot Mémoires d’arch. p. 193. 199. CIG 2056 c; vgl. Art. Κοινόν).
  16. Dacia; Sitz in Sarmizegetusa (CIL III p. 229, falsch Ephem. epigr. IV p. 65). CIL III Suppl. 7902 gesetzt von der provincia im J. 161 für einen verdienten Statthalter. Als c. provinciarum Daciarum trium erscheint der Landtag CIL III 1454 (für Gordian III. aus dem J. 241 n. Chr.), sacerdotes arae Aug. CIL III 1209. 1433. 1509. 1513, auch unter dem Titel coronatus Daciarum trium, ebd. 1433, ein sacerdotalis Daciae ebd. Suppl. 7688.
    Von den africanischen Provinzen hat
  17. die combinierte Provinz Creta-Cyrenaica nicht einen, sondern zwei Landtage. Das κοινὸν τῶν Κρητῶν (CIG 2583. 2595–2597) heisst lateinisch CIL X 1430–1432 commune Cretensium; von demselben handelt Tac. ann. XV 20–22; im übrigen Art. Κοινόν. Auf das C. von Cyrenaica bezieht sich Tac. ann. XIV 18.
  18. Africa proconsularis; Sitz in Karthago. Das c. provinciae Africae wird erwähnt CIL VIII Suppl. 17899 (aus Timghâd; eine zweite Ansicht über diese Inschrift s. unter nr. 19), ebd. Suppl. 11017, Inschr. der Gigth[e]nses ex d(ecreto) p(rovinciae) A(fricae), ebd. 14364 von der civitas Uccula decreto Afrorum. Eine Zusammenstellung der Provincialpriester (sacerdotes provinciae, auch sacerdotales provinciae kommen vor) giebt O. Hirschfeld Ann. d. Inst. 1866, 69–77 und Pallu de Lessert Nouvelles observations 24ff.
  19. Africa nova oder Numidia. Ob vor Septimius Severus, d. h. bevor Numidien definitiv als selbständige Provinz von der Proconsularis getrennt wurde, ein eigener Kaisercult und auch ein eigener Landtag daselbst anzunehmen ist, wird verschieden beantwortet. Die vier coloniae Cirtenses (s. o. S. 557f.) hatten einen Kaisercult mit einem flamen divi Iuli an der Spitze (CIL VIII 7986); aber dieser war wohl zunächst [809] ein municipaler Cult ohne ein C., scheint sich aber mit der Zeit, je mehr die Stellung von Numidien sich verselbständigte (dafür sehr wichtig CIL VIII Suppl. 14882 unter Vespasian), zu einem provincialen entwickelt zu haben; wenigstens heisst derselbe Caecilius Gallus, dem die erwähnte Inschrift (7986) als flamen divi Iuli gesetzt ist, auf der Grabschrift seiner Tochter (ebd. 7987, nach Mommsen Herm. I 60 auch noch aus dem 1. Jhdt.) bereits flamen provinciae; so Mommsen a. a. O. Hirschfeld Ann. d. Inst. 1866, 76; S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 841, 38 u. 850, 76. Krascheninnikoff a. a. O. 174, 128; anders Pallu de Lessert Nouvelles observations 28f., der provincia in der zweiten Inschrift für eine incorrecte Bezeichnung der cirtensischen Samtgemeinde hält, was sehr wohl möglich ist. Ist die erstere Ansicht die richtige, so würde trotz des besonderen Kaisercultes von Numidien, der in der Hauptsache doch wohl auf das cirtensische Gebiet beschränkt blieb, das Bestehen nur eines Landtags für ganz Africa durch die oben herangezogene Inschrift von Timghâd mit c. pr[ovinciae] Africae (CIL VIII Suppl. 17899), die in das Ende des 2. Jhdts. gehört (vgl. 17900), erwiesen, wenn nicht statt pr[ovinciae] hier gerade so gut auch pr[ovinc(iae) nov(ae)] Africae ergänzt werden könnte: wodurch die Inschrift auch zum Beweis des Gegenteils dienen kann. Sicher hat ein eigener Landtag von Numidien seit Septimius Severus bestanden, auf dessen Beschluss in dem Rescript von Vazaivi, etwa aus der Mitte des 3. Jhdts., CIL VIII Suppl. 17639 (Z. 3 decreti concili), Bezug genommen zu sein scheint. Zudem heisst CIL VIII Suppl. 11546 ein gewesener Priester der Proconsularis nicht blos sacerdotalis prov. Africae, sondern ausdrücklich prov. Africae v(eteris). Endlich begegnen wir auch in der nachdiocletianischen Zeit zwei Landtagen in dem betrachteten Gebiet.
  20. Mauretania Caesariensis; Sitz Caesarea. Ehreninschriften der Provinz: CIL VIII 9037 (für Iulia Domna). 8930 (aus dem J. 213–217). VI 1060 (für Gordian III. in Rom gesetzt). VIII 9040 (für Aurelian); vgl. auch die Acten über das Martyrium d. S. Fabius in Caesarea aus dem Iuli 304 (de Smedt Analecta Bollandiana IX 1890, 123ff.). Die Provincialpriester sind zusammengestellt bei Pallu de Lessert Nouvelles observations 35.
  21. Mauretania Tingitana; Sitz in Tingi? Eine Ehreninschrift der Provinz für ihren Patron, den Consul Iulius Asper vom J. 212, CIL XIV 2509; vgl. 2516 für den Vater des Genannten, der Patron der spanischen und der zwei mauretanischen Provinzen war. Vielleicht gehört hierher auch CIL VIII 908.

III. Über die Entstehungszeit der Concilia.

Es fragt sich nun: wie folgen diese Landtage chronologisch in ihrer Entstehung auf einander? Der älteste ist augenscheinlich derjenige der Tres Galliae, die damals noch eine Gallia bildeten, da von Drusus am 1. August 742 = 12 v. Chr. unter Assistenz der gallischen Grossen die ara Romae et Augusti bei Lyon gestiftet wurde (Cass. Dio [810] LIV 32. Liv. epit. 139. Suet. Claud. 2, der allerdings – offenbar irrtümlich – 744 = 10 v. Chr. als Gründungsjahr annimmt). Die ara Ubiorum für die beabsichtigte Provinz Germania ist die zweite Gründung des Augustus, auf alle Fälle vor dem J. 9 n. Chr., sicher bald nach der Eroberung des rechten Rheinufers errichtet (Krascheninnikoff a. a. O. 172). Ganz sicher datierbar sind dann nur noch der Beginn des Provincialcultes und damit auch der Landtage in drei Fällen: in Hispania Tarraconensis im J. 15 n. Chr. (Tac. ann. I 78), in Britannia unmittelbar nach der Besitzergreifung unter Claudius (Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 841), in Africa proconsularis unter Vespasian etwa zwischen den J. 71/73 n. Chr. (CIL VIII 12039 und dazu Joh. Schmidt. Krascheninnikoff a. a. O. 173ff.; etwas abweichend O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 841, 38). Die übrigen zum Teil annähernd zu bestimmen, giebt es ein Indicium. Es ist schon lange bemerkt worden, dass die Provincialpriester teils sacerdotes teils flamines heissen, ohne dass man den Grund für diese Verschiedenheit scharf formuliert hätte. Es ergiebt sich nun, dass bei den beiden Cultgründungen des Augustus selbst sacerdotes als Provincialpriester fungierten, und zwar in den Tres Galliae mit vollem Titel sacerdos Romae et Augusti ad aram ad u. s. w. (Hirschfeld CIL XIII p. 228f.) – wozu herangezogen werden muss Suet. Aug. 52, wonach Augustus immer nur zu Ehren der Roma und des Augustus Altäre oder Tempel errichtete –, bei der ersten nachaugustischen Gründung dagegen ein flamen, bei der vespasianischen wieder ein sacerdos oder besser ein sacerdos provinciae. Wir stellen daher den Satz auf: aus der Existenz von sacerdotes Romae et Augusti ergeben sich augustische Cult- und Landtagsgründungen, aus dem Vorhandensein von flamines solche aus der Zeit zwischen 15 und 69 n. Chr., aus der Erwähnung von sacerdotes (provinciae) kann auf vespasianische und nachvespasianische Gründungen geschlossen werden (darüber genauer unten). Dieser Satz ergiebt folgende Consequenzen: In der Tarraconensis sind die Culte und daher wohl auch die Landtage der Convente und zwar derjenigen der Dioecese und Quasiprovinz Asturia et Callaecia (darüber Marquardt St.-V. I² 254) älter als der Provincialcult und -Landtag, und zwar gegründet unter Augustus in einer Zeit, da das nordwestliche Barbarengebiet noch in zwei, nicht in drei Districte zerfiel; wir kennen fünf sacerdotes Rom(ae) et Aug(usti) (so ist überall zu ergänzen und nicht Aug(ustorum), wie CIL II Suppl. Index p. 1132 geschieht) des conventus Asturum (aus Asturica CIL II 5124. 2637. 2638, aus Tarraco 4223. 6094) und drei des conventus Bracaraugustanus (aus Bracara CIL II 2426. 2416, aus Tarraco 4215), aber keinen sacerdos dieser Art des conventus Lucensis; zudem ist einer der sacerdotes, deren Inschriften aus Asturica stammen (2638), sacerdos Romae et Aug. ad Lucum Augusti, und an dem letzteren Platze bestand nach 2573 ein collegium divi Augusti. Es haben daher ursprünglich und vielleicht in sacraler Beziehung immer der conventus Asturum und Lucensis einen Bezirk gebildet, offenbar weil sie bei der Gründung des Kaiseraltars in Lucus Augusti ein zusammengehöriges Ganzes bildeten = [811] Asturia, wie der conventus Bracaraugustanus wohl das alte Callaecia (CIL II 2422), wenigstens zum grossen Teil, darstellt. Wahrscheinlich ist, dass auch noch der conventus Cluniensis einen vor dem provincialen eingerichteten Kaisercult hatte wegen CIL II Suppl. 6093 (aus Tarraco), wo ein Mann aus Intercatia in diesem Convente bezeichnet wird als sacerdos Romae et Augusti ap...; die Ergänzung des dann folgenden ist schwierig. Sicher falsch ist die Ergänzung A[u]gust(an)ar(um) im Corpus; vielleicht stand etwas da wie ap[ud Au]gustan(am) ar(am). Daneben begegnet aber ein flamen Romae et Divi Augusti aus Clunia (II 2782), ein städtischer Priester, der, wie Divus zeigt, nachaugustisch ist. Es scheint also auch hier in diesem halbstädtisch organisierten conventus der Conventscult (mit sacerdos) dem städtischen (mit flamen) vorausgegangen zu sein, während in allen anderen Conventen der Tarraconensis wie auch der viel stärker romanisierten Baetica es umgekehrt war (sacerdotes stellenweise als Priester des städtischen Cultes, zusammengestellt CIL II Suppl. p. 1133, dagegen ein flamen conventus Carthaginiensis II 3412. 3418). Ähnlich wie in der Tarraconensis steht es in Dalmatien, wo in Liburnien wegen des sacerdos ad aram Augusti Lib[urn(iae)] (CIL III 2810) unter der Annahme einer Abkürzung für ad aram Romae et Augusti an einen augustischen Cult zu denken ist, während vielleicht der Provincialcult von Dalmatien erst nach Augustus eingeführt ist. Für Pannonien und Moesien ist das Material noch zu gering, um eine Entscheidung zu wagen. Betrachten wir die Gebiete, für die wir sicher augustischen Ursprung der Culte und auch wohl der Landtage annehmen dürfen, Gallien, abgesehen von der Narbonensis, Germanien, den Nordwesten der Tarraconensis, d. h. Asturien und Callaecien, vielleicht auch Liburnien und andere Gebiete von Illyricum, so ergiebt sich, dass Augustus diese Institution allein in den nicht städtisch, sondern nur volksgemeindlich organisierten Provinzen und Landschaften eingerichtet hat, während er offenbar in den übrigen Gebieten den Stadtgemeinden die Organisation des Kaisercultus überliess. Damit wird der oben (S. 803) angeführte allgemeine Satz von Krascheninnikoff vollkommen bestätigt. Provinzen mit flamines im Provincialcult und daher nach obiger Ausführung zwischen 15 und 69 n. Chr. in dieser Beziehung eingerichtet sind ausser der Tarraconensis Lusitanien, Baetica, Sardinien (CIL X 7599 flamen divorum Augustorum, später erst in Angleichung an die allgemeine Titulatur der Provincialpriester = sacerdos provinciae, ebd. 7917, vgl. 7918), Gallia Narbonensis, Alpes Maritimae, Alpes Cottiae (Numidien, darüber o. S. 808f.), Mauretania Caesariensis, und das stimmt vorzüglich mit Krascheninnikoffs Resultaten, wenn man folgende Reihenfolge mit Berücksichtigung seiner Argumente annimmt: Lusitanien bald nach der Tarraconensis (wegen II 473 Divo Augusto von einem flamen divi Augusti prov. Lusitaniae), vielleicht auch noch Sardinien unter Tiberius, die Alpenprovinzen und Mauretanien (bezw. beide Mauretanien) unter Claudius und zuletzt erst Baetica und Gallia Narbonensis etwa unter Nero. Die lex Narbonensis kann trotzdem erst unter [812] Vespasian entstanden sein, wie Krascheninnikoff nachzuweisen sucht. Die erste vespasianische Gründung ist dann, wie erwähnt, Africa. Der Schluss auf weitere vespasianische oder nachvespasianische Gründungen aus der Erwähnung eines sacerdos provinciae ist deshalb nicht ganz sicher, weil, wie das Beispiel von Sardinien zeigt, auch ursprünglich mit einem flamen ausgestattete Provinzen später ihren Priester der allgemeinen Gepflogenheit gemäss sacerdos provinciae genannt haben. Wäre das nicht der Fall, so müsste man für die beiden Pannonien und Moesia inferior auch erst Vespasian oder einen seiner Nachfolger als Begründer des Provincialcultes in Anspruch nehmen. Für Dakien ist es naturgemäss Traian.

IV. Umfang, Sitz und Zusammensetzung der Concilia.

Aus der obigen Zusammenstellung des Materials ergiebt sich weiter, dass in den lateinischen Ländern des Römerreichs im allgemeinen eine Provinz einen Landtag hatte. Landtage, die grössere Gebiete als nur eine Provinz umfassten, waren die der Tres Galliae und seit Marc Aurel (Marquardt St.-V. I² 309) der Tres Daciae, zwei Ausnahmefälle, die ihre Erklärung leicht darin finden, dass beide Gebiete bei der Cultgründung nur je einen Verwaltungssprengel bildeten (Marquardt a. a. O. 267. 308). Landtage, die kleinere Bezirke als eine Provinz umfassten, begegnen zunächst in Moesia inferior und in Creta-Cyrenaica, d. h. in der Gestalt alter griechischer κοινά (von Tomi und Creta), auf dem Grenzgebiet zwischen den lateinischen und griechischen Ländern des Reichs, in welch letzteren dies die Regel bildete (vgl. Art. Κοινόν), dann weiter in Dalmatien (Liburnien) und in der Tarraconensis in Gestalt der hier vorkommenden Conventsculte und -Landtage. Es sind das Gebiete, in denen die Romanisierung besonders schwierigen Aufgaben gegenüberstand, weshalb hier, wie im vorigen Capitel ausgeführt wurde, der Kaisercult zuerst in den kleineren und desselben am meisten bedürftigen Bezirken eingeführt wurde. Numidien (vor Septimius Severus) gehört vielleicht auch hierher (s. o. S. 808f.); hier lag der Grund in der frühzeitigen quasiprovincialen Stellung des Gebietes.

Der Sitz der Versammlung war meist die Hauptstadt der Provinz; eine Ausnahme bildet Pannonia superior mit Savaria als sacralem Vorort. Stellenweise war die Cultstätte und der Versammlungsplatz des C. nicht in, sondern bei der betreffenden Hauptstadt, so in den Tres Galliae (S. 806f. nr. 9) und in Pannonia inferior (S. 808 nr. 14).

Zusammengesetzt waren die concilia aus Repraesentanten (legati, so CIL XIII 3162 III 22ff.) der einzelnen Gemeinden der betreffenden Provinz oder des Bezirks. Dass alle Stadtgemeinden, bezw. in den nichtstädtisch organisierten Gebieten alle Volkschaften (civitates, gentes) ohne Rücksicht auf ihre Qualität als Bürger-, latinische oder Peregrinengemeinden Sitz und Stimme in dem C. hatten, ergiebt sich aus dem, was wir in dieser Beziehung durch Strabon über die Tres Galliae wissen (s. o. S. 806f. nr. 9). Nach dem Umfang der Gemeinden war wohl – wenigstens in den Tres Galliae – die Zahl ihrer legati bemessen (CIL XIII 1667; vgl: auch ebd. 3162 III 22ff. cum inter ce[ter(os)] legatum eum creasset und [813] über diese Stelle Guiraud 64. Carette 119f. O. Hirschfeld CIL XIII p. 228; eine Analogie bilden die Verhältnisse des lykischen κοινόν, Strab. XIV 664). Entnommen waren, wie es scheint, diese Gemeindevertreter beim Provinciallandtag den Decurionen (Guiraud 65. Carette 118f. O. Hirschfeld a. a. O.). Ausser diesen Abgeordneten der Provincialgemeinden hatten in jedem C. ständigen Sitz und Stimme die gewesenen Provincialpriester = sacerdotales oder flaminales (Lex Narb. CIL XII 6038 Z. 14f., die Ansichten der Neueren über das hier auch erwähnte ius signandi der Genannten sind zusammengestellt bei Carette 110–115).

V. Über Vorstandschaft und Zweck der Concilia.

Der Vorsteher des Provincialkaisercultes und der Leiter des damit verbundenen C. war der Priester an dem Provincialaltar oder -Tempel. Nirgends ist es ein Priestercollegium, sondern immer ein Einzelpriester (sacerdos oder flamen; die Worte in dem SC Italicense CIL II Suppl. 6278 sacerdotes fidelissimarum Galliarum concursare, gaudere, inter se loqui sind entsprechend dem ganzen Ton, in dem das Document gehalten ist, eine rhetorische Übertreibung oder schliessen die gewesenen und designierten Priester mit ein), oft mit einer Priesterin (flaminica), meist seiner Gemahlin (z. B. CIL II 396. 397), zur Seite, nicht für den Cult einzelner divae Augustae, sondern zur Unterstützung für den Gesamtcult (Carette 100. O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 850f.). Gewählt wurden diese priesterlichen Vorsteher der C. nach einem bestimmten Turnus von den Curien der Gemeinden, die an der Reihe waren, worauf sie durch Zustimmung des C. die formale Bestätigung erhielten (so Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 853f., vgl. CIL II 2344. XII 392. XIII 1698 und 1700, flamines designati: CIL II 2220. 5124, vgl. 4196; in der Tarraconensis sind Provincialpriester aus 36 Gemeinden – die von Tarraco selbst nicht mit eingerechnet – bekannt, Hübner CIL II p. 540f., in den Tres Galliae aus 16 Volkschaften, Hirschfeld CIL XIII p. 228), und zwar aus den Leuten, die in ihrer Heimatgemeinde alle Ämter bekleidet hatten (CIL II 4223; Suppl. 5523. V 7259. III 1209. 3936. 4108; Suppl. 10496. XII 4393. XIII 1702 u. s. w.), oft aus einer und derselben Familie, offenbar der führenden in der betreffenden Gemeinde (CIL II 4231 und 4232. XIII 939. 1704. 1711. 1712). Nach dieser Vorcarrière war das Amt kaum vor vollendetem 30. Lebensjahr zu erreichen (eine Ausnahme, wozu aber besonderes Einverständnis des C. erforderlich war, CIL XIII 1699 und 1700) und bildete den Abschluss und Höhepunkt der municipalprovincialen Carrière (die sacerdotes von Gallien im SC Italicense, CIL II Suppl. 6278, werden principales viri genannt, vgl. Censorin. de die natali XV 4 und 6; nicht selten Leute von Ritterrang: CIL II 4238. III 1513. 3936. XII 3212. 3213; vgl. auch II 4225. III 129. XII 3183. 3184. 3275 add.). Nach einjähriger Amtsdauer (Lex Narbonensis CIL XII 6038 Z. 20, die Angabe des Priesterjahres CIL VIII Suppl. 12039 und 14611, vgl. CIL II 2195. 2221. 2344. 3711, der Gegensatz zu dem lebenslänglichen Municipalflaminat [fl. pp.] zeigt sich ebd. [814] 32. 4211; Ausnahmen nur bei Frauen: flaminica perpetua prov. Hispaniae citerioris CIL II 4190. 4462, sacerdos perpetua Romae et Augusti conventuus Bracaraugustani ebd. 2416, vielleicht Ehrentitel) wurden die abgehenden Provincialpriester und -Priesterinnen geehrt vom C. durch die Errichtung von Statuen für sie und auch für Angehörige vor dem Kaisertempel (Vorschriften darüber in der Lex Narb. CIL XII 6038 Z. 11ff., eine Masse von Inschriften derart haben wir aus Tarraco und Lugudunum) und in der Heimat (CIL XIII 1042–45, Saintes. 3162, Inschrift von Thorigny. VIII Suppl. 17899, Thamugadi. VIII 4611, Simitthus, hier von der eigenen Gemeinde), weiter durch dauernden Sitz in der Curie der Heimatstadt und im C. (Lex Narb. Z. 14f.), sowie durch den Titel eines sacerdotalis oder flaminalis (Album von Thamugadi. CIL VIII 2403). Die Gesamtheit dieser gewesenen Priester bildete dann die höchste Schicht der provincialen Aristokratie, woraus entsprechend der allgemeinen Entwicklung zum Kastenwesen im spätrömischen Staate allmählich ein besonderer, anfangs nur factisch, später rechtlich geschlossener ordo wurde, in den man zur besonderen Ehrung aufgenommen werden konnte (CIL X 7518 ein adlectus inter sacerdotales prov. Sardiniae). Im übrigen vgl. die Art. Flamen und Sacerdos.

Aus den Befugnissen dieser priesterlichen Vorsteher der Concilia ergeben sich am deutlichsten Zweck und Aufgaben der Provinciallandtage selbst, soweit sie religiöser Natur waren. Die Provincialpriester hatten neben dem Vorsitz im C. im Namen der Provinz die Leitung der Ceremonien des Kaisercultes und die Abhaltung der damit verbundenen Festspiele (O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 856ff. Carette 67ff.). Aus der Leitung des Landtags durch einen Priester ergiebt sich der religiöse Grundcharakter der ganzen Institution. Das Provincialfest, bestehend aus einer Procession mit dem Provincialpriester an der Spitze, dem Gebet am Kaiseraltar für die Roma und den Augustus bezw. die divi Augusti, dem feierlichen Opfer für dieselben und dem daran anschliessenden Festmahl und den Spielen, welches stattfand am Gründungstag des betreffenden Altars – in Lugudunum am 1. August (s. o.), in Caesarea in Mauretanien in der zweiten Hälfte des Juli, Pallu de Lessert Nouvelles observat. 13 –, war auch die Zeit für die jährlich stattfindende Versammlung des C., dessen Mitglieder zunächst dem Provincialpriester bei diesen feierlichen Handlungen als Vertreter der einzelnen Provincialgemeinden assistierten. Die mit dem Fest verbundenen Spiele (über dieselben vgl. Suet. Gaius 20. Iuvenal. I 43), an denen die Deputierten auf reservierten Plätzen teilnahmen (CIL XIII 1667), entrückten andererseits durch ihren halbprofanen Charakter das C. schon der rein religiösen Sphäre. In letzterer Beziehung wirkte auch der Umstand, dass die Versammlung für die Instandhaltung der der Provinz gehörigen Heiligtümer mit allen Nebengebäuden und für die Vorbereitung des jährlichen Provincialfestes eine starke Verwaltungsthätigkeit, besonders in financieller Hinsicht, entfalten musste. Endlich kam dazu, dass diesen Versammlungen wie jedem Privatmann und jeder Curie ein Petitionsrecht an den Kaiser zustand, und im Anschluss [815] daran vielleicht ist ihnen das wichtige Recht verliehen worden, nicht nur die Thätigkeit der Statthalter durch Errichtung von Ehrenstatuen oder durch Ehrendecrete anzuerkennen, sondern auch über dieselben Beschwerde zu führen, ja sogar Anklagen gegen dieselben beim Senate zu erheben – zum grossen Verdruss der stadtrömischen Aristokratie (vgl. die Rede des Paetus Thrasea, Tac. ann. XV 20–21). So schuf die römische Regierung in dem Kaisercult und den Concilia, ausgehend von den Provinzen der Peripherie, den eigentlich kaiserlichen, nicht nur religiöse Mittelpunkte für die Provinzen, die in den barbarischen Ländern eminent den Zwecken der Romanisierung dienten, sondern auch, was die Concilia betrifft, zugleich Organe für die Wünsche, Bedürfnisse und Klagen der Provincialen sowie zur Controlle der kaiserlichen Beamten, gab also diesen Versammlungen unter dem religiösen Deckmantel auch eminent politische Aufgaben.

Betreffs weiterer Zwecke, denen die Concilia gedient haben sollen, ist die Ansicht Mommsens (R. G. V³ 85) von der Mitwirkung bei der Repartition der Steuern der Provinz, wenigstens in den Tres Galliae, nicht genügend durch Beweise gestützt (Carette 157ff. O. Hirschfeld CIL XIII p. 229 und zu nr. 1694; über die von Mommsen auch herangezogene Inschrift CIL II 4248 urteilt richtiger Hübner CIL II p. 540f.). Dagegen hat Hirschfeld (CIL XIII p. 230) die interessante Beobachtung gemacht, dass dieses C. Galliarum auf dem Gebiete des Handels und Verkehrs einen Einfluss geübt hat. Eine ganze Anzahl Schiffergilden, die nicht auf das Territorium von Lugudunum oder der Segusiavi ihre Thätigkeit beschränken, daher hier nur consistieren (s. Art. Consistere), haben Beamte dieses C. als patroni (CIL XIII 1688. 1709. 1695), so dass die Vermutung naheliegt, dass ihre Rechte und Privilegien für ein grösseres Gebiet in Gallien, wenn auch nicht vom C. ihnen gegeben wurden, so doch von seiner Zustimmung oder Bestätigung abhängig waren (vgl. auch Hirschfelds Bemerkung ebd. Anm. 3 über den libertus Galliarum Abascantus, der lange Zeit in Ostia gelebt hat: CIL XIV 324–328, auch 71 und 281 II 15).

VI. Das Verhältnis der Concilia zum Kaiser und den kaiserlichen Beamten im einzelnen.

Um Wünsche oder Klagen an den Kaiser zu bringen, wurde entweder eine legatio vom C. nach Rom gesandt oder aber brieflich mit dem Kaiser in Verbindung getreten, letzteres durch Vermittlung des Statthalters. Aus den zum Teil erhaltenen Antworten der Kaiser erhellt, um was für Dinge es sich hierbei handelt. Eine epistula Titi ad Achaeos (Plin. ep. ad Traian. 65) beschäftigt sich mit den Alimentarstiftungen, ein Rescript des Hadrian an das C. von Baetica (Dig. XLVIII 14, 1) handelt über die Strafe, welcher die Viehräuber verfallen sollen. Um was für einen von demselben Kaiser erfüllten Wunsch der Tres Galliae es sich in der Inschrift CIL XIII 1685 handelt, ist nicht mehr festzustellen (vgl. den Versuch einer Ergänzung daselbst). Ebenso kann der Inhalt des Rescripts an das C. von Numidien, CIL VIII Suppl. 17639, wonach Bedrückungen der Provincialen durch Beamte (und Soldaten?) in [816] Zukunft schärfer geahndet werden sollen, nicht im einzelnen sicher bestimmt werden (vgl. den Commentar zu der Inschrift). Der Brief des Valerian ad Gallos (Hist. Aug. Postum. 8), der die Ernennung des Postumus als transrhenani limitis dux et Galliae praeses anzeigt, ist wahrscheinlich nicht an das C. gerichtet (Carette 198). Die Kaiser und ihre Angehörige waren naturgemäss auch Gegenstand der Schmeichelei und Anerkennung durch Glückwunschadressen (Quintil. VIII 5, 15), Ehreninschriften und -Statuen, sowohl am Sitz des C. (CIL V 7980 für Caracalla in Cemenelum. III 6170 für Elagabal in Troesmis. ebd. 1454 für Gordian III. in Sarmizegetusa. VIII 9037 für Iulia Domna in Caesarea) als auch in Rom (CIL VI 1060 für Gordian III. von der Mauretania Caesariensis).

Ebenso muss die Ehrung der kaiserlichen Beamten durch die Provinzen schon früh im Übermass vorgekommen sein. Schon Augustus verbot im J. 11 n. Chr. den Provinzen, einem Statthalter während der Zeit des Amtes oder innerhalb 60 Tagen nach dem Abgang eine Ehrenbezeugung zu teil werden zu lassen (Cass. Dio LVI 25). Ein Gesetz des Nero, welches überhaupt untersagte, dass irgend eine an den Senat gerichtete Dankesbezeugung für Statthalter bei einem Provinciallandtag (concilium sociorum) beantragt werde (Tac. ann. XV 22), muss sehr bald wieder in Vergessenheit geraten sein. Wir besitzen eine ganze Anzahl Ehreninschriften dieser Art von Provinzen für Statthalter z. B. CIL XIII 1679. III 1412; vgl. ebd. 1741. X 1430–32. 3853, und für sonstige Provincialbeamte CIL VI 3835 (für einen Quaestor pro praet. von der Provinz Asia). XIII 1680 (für einen Finanz-Procurator von den Tres Galliae).

Aber auch vom Recht, gegen Statthalter zu klagen, scheint nicht wenig Gebrauch gemacht worden zu sein. Die uns durch Tacitus und die Briefe des jüngeren Plinius bekannten Processe dieser Art sind von Guiraud 173f. zusammengestellt. Das Verfahren in der Versammlung bis zum Beschluss, ob eine Anklage zu erheben sei oder nicht, berichtet die Inschrift von Thorigny CIL XIII 3162 III 14ff. (darüber unten S. 818f.). Im Falle die Anklage gebilligt wurde, gingen ein oder mehrere legati mit dem Beschluss des C. nach Rom ab (Plin. epist. VII 6, 1). Wurde die Klage hier angenommen, so wurde sie bis auf Hadrian meist vor dem Senat, nachher vor dem Kaiser bezw. dessen Stellvertreter, dem Praefectus praetorio, anhängig gemacht, wobei die Deputierten des C. das Recht hatten, persönlich in den Verhandlungen das Wort zu ergreifen (Plin. epist. V 20). Auf ein zu Gunsten der Provinz Africa glücklich beendetes Verfahren bezieht sich wohl die Inschrift CIL VIII Suppl. 11017: Geni]o s[e]natus ob [repar]atam iustitiam servata defensaqu[e] p(rovincia) A(frica) Gigth[e]nses publice ex d(ecreto) p(rovinciae) A(fricae).

VII. Die Finanzen der Concilia.

Ausgaben erwuchsen den Concilia: 1) für den Cultus, 2) für die Ausführung ihrer Beschlüsse und der Verwaltung. Was den Cultus betrifft, so verursachten Kosten die Errichtung und Unterhaltung der für den Cult notwendigen Gebäude, vor allem des Kaiseraltars und -Tempels [817] (Strab. IV 192: τό τε ἱερὸν τὸ ἀναδειχθὲν ὑπὸ πάντων κοινῇ τῶν Γαλατῶν Καίσαρι τῷ Σεβαστῷ πρὸ ταύτης ἵδρυται τῆς πόλεως; es kam aber vor, dass die Kaiser diese Kosten den Provinzen manchmal abnahmen, Hist. Aug. Hadr. 12. CIL III 3342; vgl. XIII 1685), der um den Tempel sich gruppierenden Nebengebäude, z. B. in Gestalt von Wohnungen für das Tempelunterpersonal, weiter für die Provincialspiele eines Amphitheaters der Provinz, wie es z. B. in Lyon nachgewiesen ist (O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 840), endlich der Statuen der consecrierten Kaiser (von Hadrian gab es in Tarraco sogar mehrere und zwar vergoldete, CIL II 4230; aus dem Ende der Lex Narbonensis scheint hervorzugehen, dass der flamen einen bestimmten Fond in Händen hatte, über dessen Verwendung u. a. für Statuen und Bilder des Kaisers er Rechenschaft ablegen musste). Weiter wurde das C. mit Ausgaben in Cultsachen belastet durch die Opfer und vor allem die Spiele beim Provincialfest. Doch waren die Kosten der letzteren hauptsächlich den Priestern aufgebürdet (CIL II Suppl. 5523 edito ob honorem flaminatus munere gladiatorio et duabus lusionib(us)), die dadurch nur zu oft financiell ruiniert wurden (vgl. die Klagen derselben im SC Italicense CIL II Suppl. 6278). Die Ausführung von Beschlüssen der Versammlung brachte Kosten vor allem in zweierlei Richtung 1) für die Gesandtschaften an den Kaiser – aber auch hier kam es vor, dass reiche Leute der Provinz die Reise auf eigene Kosten machten, CIL II 4201, vgl. Archaeol. Ztg. 1878, 177; 2) für die Ehreninschriften und -Statuen, sowie für die Processe gegen die Statthalter. Die Kosten der Statuen für die abtretenden Provincialpriester trugen in der Narbonensis diese selbst (Lex Narb. Z. 10ff.), anderswo wurden sie von den Angehörigen freiwillig übernommen (CIL II 2221. 4233. 4241. 4246). Diesen Ausgaben standen Einnahmen gegenüber 1) aus dem Eigentum an Grund und Boden um den Tempel (CIL II 4269 loco a provincia impetrato) und an Sclaven (CIL XIV 328. II 6101); 2) aus jährlichen Beiträgen der Gemeinden (stips annua: Dio Chrysost. II p. 45 Dind. Cic. ep. ad Quint. fr. I 1, 26. Strab. IV 192. O. Hirschfeld CIL XIII p. 229f.) in eine gemeinsame Casse = arca, für welche wir allerdings bis jetzt nur Zeugnisse aus den Tres Galliae haben (CIL XIII 1686. 1688. 1707. 1709, weder CIL VI 8575 = Wilmanns 1404 noch CIL III 4049 gehört hierher).

Das Münzrecht scheinen die Concilia des Westens niemals besessen zu haben (Guiraud 147ff. Carette 168f.), während es sich im Orient bei einzelnen κοινά nachweisen lässt.

VIII. Die Verwaltungsbeamten der Concilia.

Die priesterlichen Vorsteher der C. umgeben im Westen nicht so viel Beamte wie diejenigen der alten griechischen κοινά im Osten. Ein grösseres Beamtenpersonal kennen wir nur beim C. der Tres Galliae. Für die Finanzverwaltung begegnet ein iudex arcae Galliarum (CIL XIII 1686. 1707. 1708), wie es scheint, der juristische Beirat bei der Cassenverwaltung des Landtags, der über die die arca betreffenden Streitigkeiten und Processe zu entscheiden hatte; daneben ein allectus (nicht allector, vgl. O. Hirschfeld [818] CIL XIII p. 230) arcae Galliarum (ebd. 1688. 1709), den Hirschfeld für einen Gehilfen oder Assessor des iudex arcae hält; offenbar ist es der Cassierer des C. Ein dritter Beamter hier, der inquisitor Galliarum (ebd. 1690. 1695. 1697. 1703), ist am schwierigsten in seinen Functionen zu bestimmen; vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten bei Carette 170ff. und O. Hirschfeld CIL XIII p. 230. Am ehesten sind noch annehmbar die Vermutungen, dass er entweder bestellt gewesen sei, um die Stellung und das Vermögen der Leute zu inquirieren, die für das Amt des Provincialpriesters in Aussicht genommen waren, oder um die Processe zu instruieren, bevor sie an den iudex arcae gelangten. Auch diese Beamte stammen – offenbar nach einem Turnus – aus den verschiedensten Gemeinden und haben in der Heimatgemeinde die Municipalämter bekleidet (s. die oben angef. Inschr.), einer der allecti ist sogar von Ritterrang (XIII 1688). Auch ihnen werden nach Vollendung ihrer (einjährigen?) Dienstzeit zur Anerkennung vom C. Statuen errichtet (1688: ob allecturam fideliter administratam).

Ausserhalb Galliens scheint die Cassenverwaltung und das damit verbundene Archiv der Provinz mit dem Amt des Provincialpriesters cumuliert gewesen zu sein (in der Tarraconensis wird wenigstens durch einstimmigen Beschluss des C. ein Provincialpriester durch Errichtung einer Statue unter den flaminales geehrt ob curam tabulari censualis fideliter administratam, CIL II 4248; die auf den Inschriften der verschiedensten Provinzen vorkommenden tabularii, gewöhnlich Freigelassene, müssen sich nicht immer auf die Archivverwaltung der Concilia beziehen, sondern gehören wohl meist zu der kaiserlichen Provincialfinanzverwaltung; tabularius Galliarum: CIL VIII 1725, tab. Alpium Cottiarum CIL V 7253, in Lusitanien II 485. 486 u. s. w., in Dakien III 1467), ebenso die Verwaltung des Tempelgebäudes (in der Tarraconensis ebenfalls ein Provincialpriester, der zugleich Curator templi war, CIL II 4202). Die unterste Schicht der Angestellten bilden die Sclaven und Freigelassenen im Provincialdienst; Sclaven der Provinzen: CIL II 6101 (der Tarraconensis). XIV 328 aus dem J. 177 (der Tres Galliae; später, ebd. 324ff., war derselbe Galliarum libertus). II 2230 ein libertus der Provinz Baetica.

Endlich sei hieran noch angeschlossen, dass auch die C. wie alle Körperschaften im römischen Reich sich patroni wählten, einmal aus der Reihe der gewesenen Statthalter und sonstigen kaiserlichen Provincialbeamten und Militärs (CIL X 1430–32. XI 383. XIV 2508. 2509; vgl 2516. VIII 9047), die in Rom nötigenfalls ihren Einfluss zu Gunsten der Provinzen anwendeten (Plin. epist. VII 33), und zweitens aus den gewesenen Provincialpriestern und anderen verdienten Männern der Provinz (CIL V 7917. 9699 u. s. w.).

IX. Die Geschäftsordnung der Concilia.

Jedes Mitglied scheint in der Versammlung das Recht der Initiative gehabt zu haben (Tac. ann. XV 22. CIL XIII 3162 III 14ff.). Die Streitfrage, ob die Delegierten durch ein imperatives Mandat der Gemeinden gebunden waren, wird von Guiraud (110f.) in bejahendem Sinn gelöst, mit Rücksicht auf die Worte in der Inschrift von Thorigny über Sollemnis XIII 3162 III Z. 22ff. quod [819] patria eius cum inter ce[ter(os)] legatum eum creasset, nihil de ac[cusa]tione mandassent, immo contra laud[asse]nt, während Carette (129ff.) gerade unter Bezugnahme auf dieselbe Stelle mit dem Einwand Einspruch erhebt, dass dann Sollemnis die übrigen Deputierten, die wir uns ebenfalls im Besitz eines solchen Mandats denken müssten, nicht hätte umstimmen können. Es hatten nämlich in dem C. Galliarum nach dieser Inschrift mehrere Mitglieder die Initiative zu einer Anklage gegen den Statthalter der Lugdunensis, Paulinus, ergriffen. Sollemnis, dem zu Ehren die Inschrift gesetzt ist, tritt dagegen auf und erklärt, geschweige denn, dass er mit einer Klage gegen diesen Mann betraut sei, habe er seine Verwaltung vielmehr zu loben. Infolge seiner energischen Opposition wird die Anklage fallen gelassen. Es kann sich, wie man sieht, doch hier nur um eine ganz allgemeine Instruction des Sollemnis durch seine Heimatgemeinde handeln. In der Lex Narbonensis (CIL XII 6038 Z. 10ff., vgl. auch die Fassung von Krascheninnikoff a. a. O. 161) ist ein Fall vorgesehen, in dem nur der vorsitzende flamen provinciae die Initiative ergreifen kann, nämlich dann, wenn sein Vorgänger autorisiert werden soll, sich eine Statue im Bezirk des Provincialtempels zu errichten.

Die Discussion war offenbar frei, wie die Inschrift von Thorigny (a. a. O.) zeigt. In diesem Falle endete sie mit allgemeiner Ablehnung des Antrags. Die Abstimmung in dem eben aus der Lex Narbonensis angezogenen Falle geschah nach Vereidigung der Mitglieder (iurati) und geheim ([per tabell]as, eine Ergänzung, die jetzt allgemein angenommen ist, auch von O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 859, 123) analog der Abstimmung im κοινὸν Θεσσαλῶν μεθ’ ὅρκου κρύφᾳ (Le Bas III 1189). Das war aber wohl eine Ausnahme, im allgemeinen war wohl offene Abstimmung üblich und es genügte einfache Majorität. Einstimmige Beschlüsse werden in den Inschriften ausdrücklich vermerkt z. B. durch die Formel universi censuerunt (CIL II 4248, vgl. XII 392 uni]versa provin[cia consentiente]). Nach Guiraud (108f.) hat auch die häufig vorkommende Formel ex consensu provinciae (CIL II 2221. 2344. 4246. X 7518. 7599. 7917) wegen der in der Inschrift von Thorigny gebrauchten Wendung quasi ex consensu provinciae denselben Sinn. Während O. Hirschfeld (S.-Ber. Akad., Berl. 1888, 853, 90) sich zustimmend äussert, hält Carette (150) diese Formel für gleichbedeutend mit ex decreto concilii oder provinciae (CIL II 4255. VIII 11017. 14364). Beschlüsse (decreta) der Versammlungen haben wir im Wortlaut von den Concilia des Westens nicht (anders bei den κοινά, s. Guiraud 111 m. A. 5). Ob überhaupt bezw. wie weit dieselben der Genehmigung des Statthalters oder Kaisers unterworfen waren, ist unbekannt. Nach der Lex Narbonensis Z. 13 hat so, wie Mommsen und Hirschfeld ergänzen, der Kaiser in dem hier angeführten Fall ein Einspruchsrecht (Carette 151f.; eine andere Ergänzung und Auffassung der Stelle bei Krascheninnikoff a. a. O. 160f.).

X. Die rechtliche Stellung der Landtage.

Guiraud (113ff.) reiht die Concilia in die [820] Classe der collegia licite coeuntia religiöser Natur (s. o. S. 386ff. 408ff.) ein; Carette (50f.) sucht sie als rein staatliche Körperschaften, wie etwa die Curien der Städte, zu erweisen. Die richtige Auffassung liegt in der Mitte und zwar näher bei Guirauds Ansicht, abgesehen von den Gründungen des Augustus. Unter ihm scheint der Staat bei der Einrichtung bestimmend eingegriffen zu haben (so Drusus in den Tres Galliae, Cass. Dio LIV 32), aber nachher kamen doch die meisten Culte und Landtage der Provinzen auf Initiative der Unterthanen, gerade wie die Collegien, zu stande (vgl. Tac. ann. I 78 petentibus Hispanis permissum, datumque in omnes provincias exemplum). Carette stützt seine Ansicht vor allem auf die lex des narbonensischen C. (CIL XII 6038); doch das genügt nicht, da auch jedes Colleg seine lex, d. h. seine Statuten, hatte. Auch ist die Lex Narbonensis weder eine Ergänzung des Stadtrechts von Narbo (Bruns Pontes I⁶ p. 140f.) noch der lex provinciae Narbonensis (Krascheninnikoff a. a. O. 148). Eher wäre geltend zu machen gewesen, dass ein C. wohl rechtlich seinen Sitz in einer bestimmten Stadtgemeinde (z. B. in Narbo) hatte, aber doch nicht nur auf diese, sondern über die ganze Provinz sich erstreckte, etwas, was bei Collegien sehr selten vorkommt; dieselben sind gewöhnlich nur auf das Territorium der betreffenden Gemeinde, in der sie concessioniert sind, beschränkt (über Ausnahmen in Lyon und deren Zusammenhang mit dem c. trium Galliarum ist o. S. 815 gehandelt). Neben der Ausdehnung über eine ganze Provinz anstatt über ein Gemeindeterritorium ist es dann weiter der Umstand, der die concilia von den collegia scheidet, dass die ersteren früher und intensiver in den Dienst der Staatsverwaltung gestellt wurden, als die letzteren (über diese Entwicklung der privaten Vereine s. oben S. 442ff.), d. h. dass sie, wohl von vornherein, neben ihre religiösen Function eine Art von Repräsentation der Provinz darstellten, die nicht nur in politischer, sondern auch – wenigstens was das C. der Tres Galliae betrifft – später in wirtschaftlicher Beziehung für das betreffende Gebiet eine über die private Sphäre weit hinausgehende Bedeutung hatte, so dass sie schliesslich in der nachdiocletianischen Zeit, wie sich zeigen wird, das, was Carette auch schon für die bessere Kaiserzeit annimmt, wurden, nämlich rein staatliche Körperschaften.


B. Die Concilia der nachdiocletianischen Kaiserzeit.

Neben der eben schon angedeuteten allgemeinen Entwicklung des Römerreichs zur Einstellung aller privaten Körperschaften in den Dienst des Staates haben vor allem zwei Momente eine starke Umwandlung dieses Institutes hervorgebracht: 1) die diocletianisch-constantinische Reichsform und 2) die Erhebung des Christentums zu einer mit dem Heidentum gleichberechtigten, später zur einzigberechtigten Religion. Das erste Moment hat infolge der Erhöhung der Zahl der Provinzen und der Provincialisierung Italiens vor allem die Quantität, das zweite infolge des Absterbens des Kaisercultus die Qualität der Concilia ganz wesentlich verändert. [821]

I. Die uns bezeugten Concilia dieser Zeit (mit Einschluss der orientalischen).

a) Westen.

  1. Baetica, CIL II 1972 consensu totius provinciae … ordo civitatis Malacitane.
  2. Lusitania, Cod. Theod. I 1, 1 und Cod. Iust. I 23, 4, Constantinus ad Lusitanos aus dem J. 322.
  3. Gallaecia, Chronik des Hydatius, Mommsen Chron. min. II 33.
  4. Novempopulana, CIL XIII 412 (Ende des 3. Jhdts.); ebd. 128 I 9. II 1 (christliche Inschrift, nach den Buchstaben ungefähr des 5. Jhdts.).
  5. Narbonensis, Ammian. Marc. VIII 1, 4.
    • [Lugdunensis], Sid. Apollin. ep. I 6, 4; Carette (367) bezieht die Bezeichnung c. auf eine städtische Curie.
  6. Liguria, Ennod. vit. Epiph. 53. 57.
  7. Venetia et Histria, CIL VI 1751 (aus dem J. 378) Petronio Probo … Veneti adque Histri peculiares eius patrono praestantissimo.
  8. Tuscia et Umbria, CIL VI 1702 (nach 366), gesetzt von den Tusci et Umbri, Wilmanns 2843 = Henzen 5580. Wilmanns 2102 ein coronatus Tusciae et Umbriae. Die gemeinschaftliche Hauptstadt war das etruskische Volsinii, offenbar in Anlehnung an den uralten Landtag der Etrusker hier (s. o. S. 802). An der Spitze standen zwei Provincialpriester, offenbar bedingt durch den Charakter als Doppelprovinz (Wilmanns 2843). Diese Inschrift lehrt uns nun weiter, dass in sacraler Beziehung im J. 326 eine Teilung in Tuscia und Umbria stattfand, indem wegen der beschwerlichen Reise nach Volsinii für die Umbrer Hispellum, nunmehr = Urbs Flavia Constans, der Sitz eines besonderen umbrischen Kaisercultes der gens Flavia mit einem eigenen Tempel, besonderen Spielen und einem besonderen Landtag für Umbrien wurde, Mommsen Ber. d. Sächs. Ges. der Wiss. 1850, 210. Der coronatus Tusciae et Umbriae der unstreitig jüngeren Inschrift Wilmanns 2102, der nachher auch pontifex gentis Flaviae war, bekleidete wahrscheinlich dieses Amt noch vor der Trennung der beiden Provinzhälften in sacerdotaler Beziehung und wurde wohl als pontifex gentis Flaviae der erste Priester des umbrischen Cultes und Landtags (Mommsen a. a. O. 220, 2).
  9. Picenum et Flaminia, CIL VI 1706.
  10. Campania, Symmach. epist. IV 46 Campanorum provincialium commune. Ein sacerdos der Provinz CIL X 3792 (vom 22. Nov. 387); darüber Mommsen Ber. Sächs. Ges. d. Wiss. 1850, 65.
  11. Apulia et Calabria, CIL IX 33, gesetzt von den Apuli et Calabri für den Vater des Kaisers Theodosius.
  12. Sicilia, Symmach. epist. I 11 Siciliae commune.
    Africanische Provinzen: Cod. Theod. XII 12, l (335) in Africanis provinciis universis conciliis u. s. w.
  13. Tripolitana, Ammian. Marc. XXVIII 6, 7. CIL VIII Suppl. 11025 = 27 (aus den J. 383–388 n. Chr.).
  14. Byzacena, Cod. Theod. II 19, 3 und IV 10, 1 ad concilium Byzacenorum (332). V 13, 16. [822] X 10, 9 ad provinciales Byzacenos (364). XI 19, 3 (364) provincialibus Byzacenis. XII 1, 59. 60. XVI 2, 17 ad Byzacenos (364).
  15. Africa proconsularis, Cod. Iust. II 12, 21 (aus dem J. 315). Cod. Theod. XI 30, 15 (329). XII 5, 2 (337), alle drei ad concilium provinciae Africae; ebd. X 10, 10 (365). XIII 6, 6 (372): ad provinciales Afros. VIII 4, 2 (315). XI 7, 4 (327). IX 34, 5 (338): ad Afros. VII 4, 26 (401). VIII 5, 63 (401). XI 1, 29 (401): provincialibus provinciae proconsularis. XI 28, 5 (410). IX 40, 21 (413): honoratis et provincialibus Africae. XII 1, 186 (429) erwähnt eine legatio proconsularis provinciae. Von Inschriften gehört hierher CIL VI 1736 für den Proconsul Iulius Festus Hymettius, gesetzt von der provincia Africa um 368. Endlich vgl. Claudian. laus Stil. II 191. Eine Zusammenstellung der Priester dieser Zeit bei Pallu de Lessert Nouvelles observations 43ff.
  16. Numidia, CIL VIII 7012. 7013, Ehrung des Ceionius Italicus (noch im Dienst) durch die Provinz im J. 353. Nov. Valent. III. 18 Anf. (445) Numidarum et Maurorum Sitifensium nuper acta legatio u. s. w. Die Provincialpriester bei Pallu de Lessert a. a. O. 47ff.
  17. Mauretania Sitifensis, Cod. Theod. VII 1, 6 (365). XII 1, 64 (365): Mauris Sitifensibus. Nov. Valent. III. a. a. O. (445).
    b) Osten.
  18. Moesia, Cod. Theod. XII 1, 96 (383) Concessum curialibus provinciae Mysiae.
  19. Thracia, Iulian. ep. 47.
  20. Alle Provinzen der Dioecese Macedonia, Cod. Theod. XI 1, 33 (424).
  21. Epirus, Ammian. Marc. XXX 5, 8.
  22. Achaia, Cod. Theod. XI 7, 18 (409) legatorum Achaeorum admonitione.
  23. Creta, CIG 2595–2597.
  24. Cyrenaica, Synes. de insomniis 9; de regno 2; hymn. III.
  25. Bithynia, Cod. Theod. VIII 4, 3. X 7, 1. X 20, 1. XII 1, 5 (alle aus dem J. 317): ad Bithynos. Ein Provincialpriester von hier Haenel Corp. leg. 220.
  26. Asia, ein Provincialpriester bei Iulian. ep. 63.
  27. Lydia, FHG IV 21, 15. Ein Provincialpriester Eunapius vita Max. p. 478, 14ff. Didot.
  28. Galatia, ein Provincialpriester Iulian ep. 49.
  29. Phoenice, CIL III 167 (im J. 344) decretis provinciae Phoenices sententia divina firmatis gesetzt vom ordo Berytiorum.

Damit ist unsere Kenntnis, aber noch nicht die Liste der concilia provinciae dieser Zeit zu Ende. Aus Cod. Theod. XII 12, 11–13 ergiebt sich aufs deutlichste, dass ein Landtag (provinciale concilium a. a. O. 13) für jede Provinz, obligatorisch war. Diese allgemeine Anordnung regelmässiger Provinciallandtage in allen Provinzen des Reiches scheint Mommsen (Ber. d. Sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1850, 208) durch ein Gesetz Constantins erfolgt zu sein, das im Cod. Theod. XII 12, 4 (364) erwähnt wird und wahrscheinlich die ausführliche Verordnung vom J. 331 ad universos provinciales war, von der besonders die Fragmente Cod. Theod. I 16, 6. 7 hierher gehören. Doch enthielten wohl, was auch Mommsen für möglich hält, noch ältere Verordnungen [823] Constantins oder Diocletians schon ähnliche Bestimmungen in dieser Richtung. Die Edicte Constantins an die einzelnen Provinzen bezw. deren Landtage beginnen in der uns vorliegenden Sammlung schon mit dem J. 315 (Cod. Theod. VIII 4, 2. Cod. Iust. II 12, 21). Wir müssen also die betreffende Anordnung auf alle Fälle vor diesem Jahr suchen. Der Wunsch der Gesetzgeber war dabei offenbar der, durch ein gesteigertes Provincialleben das allmählich ersterbende Municipalleben zu ersetzen. Die durch Diocletian verkleinerten Provinzen sollten gewissermassen an Stelle der Städte treten. Mit Recht sagt Mommsen (a. a. O. 207f.): ,Während in der früheren Kaiserzeit im römischen Reiche und namentlich in Italien der Municipalverband die Provincialverfassung überwogen hatte, und, wenngleich Zusammenkünfte und gemeinschaftliche Feste der Provincialen stattfanden, das eigentliche Communalleben auf die städtischen Gemeinden angewiesen war, wurde in der diocletianisch-constantinischen Epoche das Verhältnis umgekehrt‘. Daraus erkennt man deutlich die gesteigerte Bedeutung der Provinciallandtage dieser spätrömischen Kaiserzeit.

Aber neben diesen Versammlungen der einzelnen Provinzen hat man auch concilia für grössere Gebiete, die Dioecesen, geschaffen. Wir kennen deren bis jetzt nur zwei:

  1. für die Dioecese Hispaniae CIL VI 1729 (vom J. 364);
  2. die Dioecese Viennensis mit einer Versammlung in Arles: Edict des Honorius vom J. 418 Dom Bouquet I 766. Haenel Corp. leg. 238. Carette 450ff. (hier die vollständige Bibliographie für das Gesetz).

Aber auch diese Art von Versammlungen hat offenbar in allen Dioecesen bestanden, wie die ad provinciales gerichtete Verordnung Cod. Theod. XII 12, 9 (aus dem J. 382), die sich im allgemeinen sowohl mit den Dioecesen- wie den Provinciallandtagen befasst, deutlich zeigt. Doch ist man wegen der wenigen Zeugnisse, die diese Institution hinterlassen hat, auf den Gedanken gekommen, dass die Dioecesenversammlungen zunächst nicht in bestimmten Intervallen wiederkehrten, sondern dass man hier sich nur versammelte, wenn es das Interesse erforderte. Wenn diese Annahme für das 4. Jhdt. vielleicht auch möglich ist, für das 5. wissen wir ganz bestimmt, wenigstens was das C. von Arelate betrifft, durch das Edict des Honorius, dass auch hier die Periodicität der Zusammenkünfte durchgeführt war, und zwar nicht erst 418 durch das Edict selbst, sondern durch ein früheres kurz nach dem J. 400 erlassenes, auf welches in dem Document von 418 zurückverwiesen wird. Nach Beseitigung der in Gallien dann bald darauf durch die Barbarenüberschwemmungen eingetretenen Krisis hat Honorius durch das Edict von 418 die Neubelebung des arelatensischen Landtags wieder versucht. Die Versammlungen der Dioecesen schlossen offenbar nicht (wie Guiraud 288f. glaubt) diejenigen der Provinzen aus, sondern beide gingen neben einander her, die einen mehr für die localen, die anderen für die Interessen der grösseren Bezirke (Carette250ff.).

II. Die durch das Absterben des Kaisercultes veränderte Stellung des Sacerdos provinciae [824] und die dadurch bedingte Saecularisation der Concilia.

Constantius und Constantin I. sind die letzten römischen Kaiser, die nach ihrem Tode consecriert wurden (Mommsen a. a. O. 219f.); der Cult dieser gens Flavia ist der letzte Zweig des römischen Kaisercultes; ihm zu Ehren wurde, wie gezeigt, der Kaisertempel in Hispellum im J. 326 erbaut (s. o.) und in der Mitte des 4. Jhdts. noch in Africa ein sacerdotium gentis Flaviae neu geschaffen (Aur. Vict. de Caes. XL 28), wodurch auch auf die Ehrung des Proconsuls von Africa, Hymettius, durch die Provinz, quod studium sacerdotii provinciae restituerit, Licht fällt. Die Inschrift CIL VI 1690 zeigt uns noch den Consul vom J. 390 als pontifex Flavialis. Aber schon Constantin schloss bei der Genehmigung des Tempels von Hippellum, wie es in der Inschrift Wilmanns 2843 heisst, cuiusquam contagiosae superstitionis fraudes aus, d. h. die Darbringung von Opfern sollte verboten sein (Cod. Theod. XII 10, 1. 2. Euseb. vit. Const. IV 23), und der Tempel sollte nur für die jährlichen Festspiele den Mittelpunkt bilden (Mommsen a. a. O. 212f.). Damit verloren die Provincialpriester ihre eigentlich religiöse Function. Für die christlichen Kaiser wurden sie eine weltliche Administrativbehörde zur Verwaltung der noch vorhandenen Tempel und Tempelgüter und zur Abhaltung der Provincialspiele (Inschrift von Hispellum, Wilmanns 2843 Z. 14f. 23ff.), während die heidnischen Kaiser einen letzten Versuch machten, um auch im Heidentum mit ihrer Hülfe eine priesterliche Hierarchie nach dem Muster der christlichen durch Unterordnung der Municipalpriester herzustellen (zuerst so Maximinus Daia, Euseb. hist. eccl. VIII 14. IX 4. Lact. de mort. persec. 36, über die Bestrebungen des Iulian ep. 49. 63). Doch mit dem endgültigen Siege des Christentums unter Iulians Nachfolger haben auch diese Bestrebungen ihr Ende erreicht. In Africa wurden nur advocati zur Bekleidung dieses Amtes zugelassen (Cod. Theod. XII 1, 46 aus dem J. 358); ein Zwang zur Übernahme des Amtes aber wurde seitens der Regierung fallen gelassen (Cod. Theod. XII 1, 103 [383]. 109 [385]. 166 [400]). Aber wegen der damit verbundenen Privilegien (Guiraud 251, 2) und vor allem wegen der Möglichkeit, auf diese Weise aus dem verhassten Curialenstand herauszukommen, fand es immer wieder Bewerber. Die sacerdotales bildeten zudem einen bevorzugten ordo der Provinz, der ebenfalls mit bestimmten Rechten ausgestattet war (vgl. Album von Thamugadi CIL VIII 2403). Mit den Provincialpriestern wurden auch die Provincialversammlungen allmählich ihres sacralen Charakters entkleidet. Die Provincialfeste wurden so umgestaltet, dass auch Christen daran teilnehmen konnten, wie das z. B. Mommsen in sehr instructiver Weise an dem Feriale von Capua vom 22. November 387 (CIL X 3792) in den Ber. Sächs. Ges. der Wiss. 1850, 64ff. gezeigt hat, d. h. es blieben in der Hauptsache, wie erwähnt, nur die Spiele (s. die oben citierten Stellen aus der Inschrift von Hispellum, dazu Guiraud 245f. Carette 259ff.), welche aber ebenfalls im christlichen Sinne reformiert wurden (Cod. Theod. XV 7, 3 [376]. XVI 10, 17 [399]). Was die Concilia [825] aber auf dem religiösen Gebiet an Befugnissen verloren, gewannen sie auf dem politischen.

III. Die Zusammensetzung und Organisation der spätrömischen Provinciallandtage.

Als Mitglieder werden uns in erster Linie die honorati genannt (Cod. Theod. XII 12, 13 [392]: quos emeritos honor a plebe secernit. XI 28, 5 [410] an die honorati et possessores per Africam, womit offenbar die Antwort auf eine Anfrage des africanischen Landtags gegeben wird), d. i. die hohe Reichsaristokratie, innerhalb deren aber die vornehmsten, die praefectorii, eine Ausnahmestellung einnahmen: sie waren wohl Mitglieder der Landtage, brauchten aber zu den Versammlungen nicht zu erscheinen, sondern hatten das Recht, zu Hause consultiert zu werden (Cod. Theod. XII 12, 12 [392]). Die zweite Classe von Teilnehmern sind die curiales, die Municipalaristokratie, an einer der eben angeführten Stellen (Cod. Theod. XI 28, 5) auch possessores genannt. Die honorati, die nicht so zahlreich in der Provinz waren, nahmen, wenn sie wollten, in der Regel alle an den Sitzungen teil (Cod. Theod. XII 12, 13) und zwar an einem ihrer Würde entsprechenden bevorzugten Platz, konnten sich aber auch vertreten lassen (Cod. Theod. a. O.). Unter den curiales mussten nur diejenigen der höchsten Classe, die principales oder primates, persönlich erscheinen (Cod. Theod. XII 12, 12), sie allein offenbar waren von Rechtswegen als Vertreter ihrer Curien Mitglieder der Concilia, alle übrigen Curialen konnten kommen, waren aber wohl nicht verpflichtet (so wenigstens die Ansicht von Guiraud 262ff. und Carette 360ff.). Noch andere Mitglieder hat man erschliessen wollen aus Sidonius Apoll, ep. I 6, 4 (vgl. dagegen Carette 362f.). Diese Concilia waren also durch und durch aristokratisch zusammengesetzt, sie umfassten nach dem Ausdruck eines Schriftstellers der Zeit (Ennodius vit. Epiph. 53) den Adel der betreffenden Gegend (collectio Ligurum nobilitatis).

Der Versammlungsort war auch jetzt noch am häufigsten die Hauptstadt der Provinz, aber auch andere bedeutendere, volkreiche Städte konnten gewählt werden (Cod. Theod. XII 12, 12 u. 13); das Sitzungslocal musste so gelegen und so geräumig sein, dass es der Masse des Volkes zugänglich war (ebd. 13). Wer den Vorsitz führte, wird nicht berichtet; dass es der Provincialstatthalter war, ist eine unhaltbare Vermutung (Carette 374), eher war es wie früher der sacerdos provinciae. Seitens der Regierung war bestimmt, dass volle Freiheit der Discussion herrschen solle über jeden Gegenstand, der auf die Tagesordnung gebracht wurde (Cod. Theod. XII 12, 1 [355]). Man unterschied ordentliche Sitzungen = concilium solemne, c. ordinarium oder allgemein c. provinciale (Cod. Theod. XII 12. 13 und Gothofredus Paratitlon ad tit. XII Cod. Theod. 12), gelegentlich auch = tractatus (Cod. Theod. XII 12, 4. 7. 9). Diese ordentlichen Versammlungen fanden in der Tripolitana jährlich auf einen bestimmten Tag statt (Ammian. Marc. XXVIII 6, 7 adlapso legitimo die concilii quod apud eos est annuum), und wahrscheinlich war es in anderen Provinzen des Westens ähnlich, da dies wohl die Versammlungen [826] waren zur Zeit der jährlichen Provincialfestspiele. Daneben gab es concilia extraordinaria (Cod. Theod. XII 12, 12 u. 13. VI 7, 1; hier extraordinarii conventus). Guiraud (269f.) meint, dass die einen Provinzen c. ordinaria, die anderen c. extraordinaria hatten, während Carette (377ff.) richtig darlegt, dass das eine die ordentlichen und regelmässigen, das andere die eingelegten Sitzungen derselben Landtage waren. Die Entscheidungen der Versammlungen heissen wie früher decreta (Cod. Theod. XII 12, 3. 9. 10), doch kommen auch die Ausdrücke desideria (CIL VI 1706), postulata (postulationes) oder gegebenen Falls auch querelae und sogar edicta vor (Mommsen Ber. Sächs. Ges. d. Wiss. 1850, 209), der letzte Ausdruck offenbar dadurch bedingt, dass bei zustimmender Antwort des Kaisers diese Beschlüsse Gesetzeskraft erhalten konnten. Sie wurden geschrieben den legati – gewöhnlich drei, aber auch weniger, welche von der Versammlung gewählt wurden (Ammian. XXVIII 6, 7 u. 16) aus den eigenen Mitgliedern und zwar den bedeutendsten Persönlichkeiten der Provinz (Cod. Theod. XII 1, 186. VI 22, 1. XII 1, 25. Nov. Valent. III. 18 Anf. Symmach. ep. I 7. CIL VIII 11 025 = 27. Ammian. XXX 8, manchmal aus den advocati, Symmach. ep. I 17. oder im 5. Jhdt. auch aus den Bischöfen, Ennod. vit. Epiph. 60. 82. Hydat., Mommsen Chron. min. II 33; vgl. Artikel Legatio) – zur Überbringung an den Kaiser übergeben (Ammian. XXVIII 6, 9; Gesandte ohne geschriebene Beschlüsse wurden sofort wieder zurückgeschickt, Cod. Theod. XII 12, 11), zuvor aber in den Akten der Statthalter registriert (Cod. Theod. XII 12, 3), welchen nach dem Gesetz von 364 (ebd. 4. 12, vgl. auch 9) streng verboten war, etwas daran zu ändern. Alle Beschlüsse der Versammlung, selbst einfache Ehrendecrete, hingen somit von der Bestätigung des Kaisers ab (CIL III 167, [s. o. S. 822 nr. 29], VI 1729 missis legatis iussione sacra Hispaniae dicaverunt, ebd. 1736 prov. Africa decretis ad divinos principes nostros missis ... statuam … postulandam esse credidit. VIII 7013 iussione venerabili DD. Auggque NN... statuam … posuit).

IV. Zusammensetzung und Organisation der Dioecesenversammlungen.

Genauer bekannt ist von dieser Art nur das C. von Arelate durch das erwähnte Edict des Honorius von 418. Darnach nahmen drei Classen von Mitgliedern an diesen Versammlungen teil: 1) iudices, die Statthalter der Provinzen der betreffenden Dioecese; 2) honorati, wie schon erwähnt die Reichsaristokratie, meist senatorischen Ranges; 3) die curiales oder possessores. Die iudices, deren es sieben gab in der Dioecese, mussten kommen unter Strafe von fünf Pfund Gold, nur diejenigen der Novempopulana und von Aquitania II konnten sich – offenbar wegen der zu weiten Entfernung – durch Legati vertreten lassen. Die honorati und curiales wurden im Falle des Nichterscheinens mit drei Pfund Gold bestraft. Die Neueren haben eingewendet, dass, wenn alle Curialen der Dioecese bei ca. 60 Städten in derselben an den C. hätten teilnehmen müssen, es sich um ca. 3000 Deputierte dieser Art gehandelt haben müsste; man nimmt daher [827] an, dass auch in diesen Versammlungen nur Vertreter der einzelnen Curien gesessen haben.

Das C., das in Arelate (Arles) seinen Sitz hatte, versammelte sich alljährlich zwischen dem 13. August und dem 13. September, und zwar bestimmte den genaueren Termin innerhalb dieses Zeitraums wahrscheinlich der Praefectus praetorio. Die Verhandlungen geschahen in Gegenwart des letzteren (Carette 324f.), weniger richtig nach Guiraud (260f.) unter dessen Vorsitz. Concilia extraordinaria sind für die Dioecese in dem Edict nicht vorgesehen, wohl aber nach einer Verordnung vom J. 382 (Cod. Theod. XII 12, 9), und zwar damals vielleicht, wie schon angedeutet, als die einzigen in den Dioecesen, so dass die Neuerung des Honorius darin bestanden hätte, dass er periodisch wiederkehrende, feststehende Versammlungen, wie sie in den Provinzen schon seit alters bestanden, auch in den Dioecesen eingeführt hätte.

V. Befugnisse der spätrömischen Concilia (sowohl der in den Provinzen wie in den Dioecesen).

Einstmals in der Hauptsache religiöse Institutionen für den Kaisercult und nur accidentiell auch in der Reichsverwaltung in Thätigkeit, wurden die Concilia in der diocletianischen Zeit staatliche Verwaltungskörperschaften, während ihnen von der einstigen Hauptbethätigung in sacraler Hinsicht nur noch die Assistenz bei den Provincialspielen blieb (und zwar war dies wohl in erster Linie nur eine Beteiligung in finanzieller Hinsicht; im übrigen wissen wir nicht viel hierüber; Carette 391). Damit kamen sie ein für allemal aus der privaten in die staatliche Sphäre und zwar nicht nur de facto, sondern auch de iure. Die Gesetzgebung bemächtigte sich ihrer mehr und mehr, Reichsbeamte wurden bei ihnen zugelassen, ein immer innigerer Connex mit der Centralreichsverwaltung entstand.

Gesandte an den Kaiser zu senden, um Dank oder Klagen der Provincialen an sein Ohr zu bringen und Petitionen ihm zu überreichen, sowie die Ausübung der Controlle über die Statthalter wurden jetzt die vornehmlichsten Seiten ihrer Bethätigung.

Das Petitionsrecht der Concilia war in dieser Zeit vielleicht noch unbeschränkter als früher, wie die Verordnung Cod. Theod. XII 12, 1 (aus dem J. 355) zur Genüge zeigt. Die Entscheidung der Kaiser erfolgte meist in Form der von Constantin aufgebrachten leges edictales (Mommsen Ber. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 1850, 208f.) oder in Form von Rescripten an die Concilia, deren Mitglieder oder an die Bewohner bezw. Beamten der betreffenden Provinz (ein Beispiel von vielen ist die Inschrift von Hispellum, Wilmanns 2843). Aus diesen ersehen wir, auf welch mannigfache Gebiete sich die Gesuche und Beschwerden der Concilia dieser Zeit bezogen, auf fiscalische Fragen, solche des Privatrechts, der Provincialverwaltung, der Justiz. Eine Zusammenstellung der hierhergehörigen Verordnungen des Codex Theodosianus und der übrigen Rechtsquellen giebt Guiraud 279ff. und 283f.

Das Recht der Controlle über die Statthalter äusserte sich auch jetzt sowohl in Lobesbethätigungen wie in Anklagen. Nach beiden Richtungen [828] war den Provincialen dieses Recht durch kaiserliche Verordnungen aufs intensivste garantiert, indem den Praefecti praetorio und den Statthaltern aufs strengste verboten war, in dieser Beziehung ihren Untergebenen irgend ein Hindernis in den Weg zu legen (Cod. Theod. I 16, 6. Cod. Iust. I 40, 3 [aus dem J. 331]). Ehrungen von Statthaltern wegen guter Amtsführung enthalten die Inschriften CIL VI 1702 ob singularia eius erga provinciales beneficia et ob moderationem pro documento etiam posteris relinquendam. 1706 ob egregia facta et rarum veteris sanctitatis exemplar u. s. w. 1736 ob insignia eius in rempublicam merita et ob depulsam ab eadem provincia famis et inopiae vastitatem consiliis et provisionibus, [qu]od neque aequitati in cognoscendo neque iustitiae defuerit, quod studium sacerdotii provinciae restituerit, ut nunc a conpetitoribus adpetatur, quod antea formidini fuerit. VIII 7012 ob merita erga se (d. i. die colonia Constantina) et provinciam continentiae, patientiae, fortitudinis, liberalitatis et amoris inommes praecipui; weiter 7013. II 1972. CIG 2595–97. CIL III 167; vgl. Claudian. de laud. Stilich. II 183ff.

Von Anklagen der concilia provinciae kennen wir diejenige gegen Numerius Negidius im J. 359 von seiten der Narbonensis (Ammian. Marc. XVIII 1, 4) und die gegen Romanus seitens der Tripolitana (ebd. XXVIII 6).

Aber trotz aller Anstrengungen der Kaiser, die Competenzen dieser Versammlungen zu steigern und ihre Thätigkeit immer und immer wieder zu beleben und anzueifern (Cod. Theod. XII 12, 1. 7. 8. 9. 14. 16), um bei der grossen Ausdehnung des Reiches einigermassen die Amtsführung der Beamten übersehen zu können und die Schäden, die ein schlimmes Beamtentum im Staate anzurichten vermag, hintanzuhalten (Cod. Theod. I 16, 6. Cod. Iust. I 40. 3), blieben diese Bemühungen gegenüber der übermächtigen Bureaukratie sehr oft erfolglos. Den Einfluss, den die Versammlungen übten, wird man sich daher nicht allzu gross vorstellen dürfen. Ihre Abhängigkeit von den Beamten trotz aller Gegenmassregeln illustriert am besten die Erzählung bei Ammian. XXX 5, 8 von den Delegierten des epirotischen C., welche auf eindringliches Fragen des Kaisers zugestehen, dass die Ehrung eines Statthalters mehr der Not gehorchend als dem eigenen Trieb, d. h. auf Commando des zu Ehrenden ihrerseits erfolgt sei, und die Darstellung desselben Historikers (ebd. XXVIII 6) von der verunglückten Action des tripolitanischen Landtags gegen den Comes Africae Romanus. Hatte man auch die heimische Bureaukratie schliesslich hinter sich, so galt es dann für die legati der Concilia das Beamtenheer, das die kaiserliche Person am Hofe umgab, zu durchdringen, um die Beschwerde beim Kaiser selbst vorzubringen. Die Gesandtschaft des Synesius für die Cyrenaica im J. 377 dauerte nicht weniger als drei Jahre (hymn. III 430–502; de insomn. 9). Zur Unterstützung nahmen auch jetzt noch, wie in der besseren Kaiserzeit, die Concilia sich Patrone aus den älteren hohen Verwaltungsbeamten des Reiches, CIL VI 1702. VIII 7012. VI 1751. Aber trotz alledem hat Guiraud wohl recht, wenn er meint (295), dass im Grunde genommen diese Versammlungen keine wahren Befugnisse [829] hatten, sondern zwar über alles sprechen, aber selbständig gar nichts entscheiden konnten.

Nicht besser stand es wohl mit den Concilia der Dioecesen. Bei ihnen hören wir auch nur von dem Recht, Gesandtschaften zu senden (Cod. Theod. XII 12, 9 [382]), sowie von Dankesbezeugungen (CIL VI 1729) und Anklagen gegenüber Beamten (der Process gegen den Praefectus praet. Arvandus im J. 468, von dem Sidonius ep. I 7 als von der provincia Gallia angestrengt berichtet, ging der Meinung der Neueren nach von der Dioecese Viennensis aus, Guiraud 236, 3. 283. Carette 334). Wenn Gibbon (Decline and fall of the Roman Empire XXXI 529) diesen Versammlungen eine Mitwirkung bei der Besteuerung der Provinzen hat zusprechen wollen, so ist diese Hypothese ebenso unhaltbar, wie die ähnliche Mommsens für die vordiocletianische Zeit (s. o. S. 815).

VI. Das Ende der Concilia.

Die Versammlungen beiderlei Art haben, im Centrum des Reiches wenigstens, mindestens bis zum Ende des weströmischen Reiches bestanden. Bei der Veröffentlichung des Codex Theodosianus im J. 438 waren sie noch in vollkommener Thätigkeit; das beweist deutlich die grosse Zahl von Gesetzen, die auf sie bezüglich darin aufgenommen wurden. Der Process gegen Arvandus fällt ins J. 468, die christliche metrische Inschrift mit der Erwähnung des C. der Novempopulana (CIL XIII 128) stammt aus der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. Das C. von Ligurien erwähnt Ennodius (vit. Epiph. 53. 57) noch im J. 471. Auf alle Fälle vor Iustinian ist die Institution schon sehr ausser Brauch gekommen. Denn im Gegensatz zu den vielen hierher gehörigen Gesetzen im Codex Theodosianus begegnet im Codex Iustinianus nur noch eines über Concilia, eine Verordnung Theodosius d. Gr. vom J. 392 (Cod. Iustin. X 65, 5 = Cod. Theod. XII 12, 12) und diese bedenklich verkürzt und zu Gunsten der Bureaukratie modificiert. Was von den Neueren von Anspielungen auf Concilia im Westen nach dem Sturz des weströmischen Reiches noch angeführt wird, lässt auch andere Deutungen zu. Am ehesten ist vielleicht noch einmal ein Hinweis auf das ligurische C. bei Ennod. vita Epiph. 130 p. 100, 28 Vogel in den Worten Liguria vestra nobiscum profusa supplicat enthalten, und vielleicht beziehen sich Ausdrücke wie conventus nobilium bei Cassiod. var. VI 21 (vgl. VII 37 in conventibus publicis) auf die Concilia. Viel über das 5. Jhdt., dürfen wir annehmen, haben sich aber weder im Osten noch im Westen diese Landtage erhalten.

Die Kirchenversammlungen des Christentums haben dann den Namen geerbt; aber vielleicht nicht nur das. In der Zusammensetzung erinnern die ältesten christlichen concilia an die Provinciallandtage und ebenso an die Privilegien, die den Teilnehmern zustanden. Die Abgrenzung der kirchlichen Verwaltungsgebiete knüpfte zudem an die weltlichen an (Carette 423–428). O. Hirschfeld schliesst seine schöne Studie über die Geschichte des römischen Kaisercultes mit den Worten (S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 862): ,Es ist ein bedeutsames Zeugnis für die Continuität aller menschlichen Entwicklung, selbst wo sie sich anscheinend in schroffem Gegensatz zu der Vergangenheit [830] vollzieht, dass die christliche Kirche für ihre Concilien und Priester die äusseren Formen, Namen und Abzeichen nicht zum geringsten Teil dem provincialen Kaisercult entlehnt hat, der drei Jahrhunderte hindurch das heidnische Wahrzeichen der römischen Reichseinheit im Osten und Westen gebildet hatte‘.

Litteratur: C. Menn Über die römischen Provinciallandtage, Progr. Neuss 1852 (ohne Wert). J. Marquardt De Romanarum provinciarum conciliis et sacerdotibus, Ephem. epigr. I (1872) p. 200ff.: St.-V. I² 503–516. Über die Provincialpriester und Concilia der spätrömischen Kaiserzeit: Th. Mommsen Bericht. d. Sächs. Gesellsch. d. Wissenschaften 1850, 65ff. und 199ff. Zusammenfassend: P. Guiraud Les assemblées provinciales dans l’empire rom., Paris 1887; Un document nouveau sur l’hist. des ass. prov. dans l’empire rom., Séances et Travaux de l’Acad. des sciences morales et polit. CXXX 262. Für einzelne Landschaften, aber unter Berücksichtigung des ganzen Materials: Cl. Pallu de Lessert Les assemblées provinciales et le culte prov. dans l’Afrique Romaine, Bulletin trimestriel des antiquités afr. II (1884) 5–67 und 321–344; Nouvelles observations sur les assemblées prov. et le culte prov. dans l’Afr. Rom., Paris 1891. E. Carette Les assemblées provinciales de la Gaule Romaine, Paris 1895 (hier S. 441ff. und S. 502 noch eingehendere Angaben über die Litteratur). Vgl. auch D. Vaglieri in Ruggieros Dizion. epigr. II 566–571 (dürftig).