Elegeis (Ἐλεγηΐς), nach dem Etym. M. p. 327, 11 (wo falsch Ἐλεγειΐς geschrieben ist) Tochter des Neleus τοῦ ἡγησαμένου εἰς Καρίαν τῆς Ἰώνων ἀποικίας (s. Neleus; E. Meyer G. d. A. II 239) · ἧς τὸ κύριον ὄνομα Πειρώ (schr. Πηρώ) φασιν εἶναι. Der Name E. ist (was Holzinger zu Lykophr. S. 368 verkennt) ein Spitzname, den sie ἄσωτος οὖσα bekommen hatte; εἴρηται δὲ παρὰ τὸ ἐλεγαίνειν, τὸ ἀκολασταίνειν. διὸ οὐδεὶς αὐτὴν Ἀθηναίων ἠβουλήθη γῆμαι. Ihr Vater hörte einmal (Etym. M. p. 152, 82ff., ebenso das Flor. nach Miller Mélanges p. 106) ἐπικροτούσης τὸ αἰδοῖον καὶ βοώσης (die Verse kehren mit kleinen Abweichungen wieder in den Schol. Lycophr. 1385, vgl. Tzetz. Chil. XIII 100, s. v. Wilamowitz Herakles I1 58 A. Holzinger a. O.): δίζεο δίζεο δὴ ⟨μοι⟩ Ἀθηναῖον μέγαν ἄνδρα ὄστ' ἐπὶ Μίλητον κατάξει πήματα Καρσί (die Varianten können hier nicht besprochen werden). Vgl. auch p. 327, 5 unten S. 2260. Schon Lobeck (Aglaoph. 826) hat an einer wenig beachteten Stelle darauf hingewiesen, daß derartige Dinge sich sowohl in religiöser Übung, besonders des Demeterkultes, wie in der Ekstase patriotischer Verzweiflung (Plut. apophth.
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Lacon. p. 259; de virtute mul. p. 275) nachweisen lassen. Dümmler (Kl. Schr. II 406) versucht, auch bei der ,Tochter des Kolonieführers‘ die patriotische μανία als Motiv wahrscheinlich zu machen, während Usener (Altgr. Versbau 113), dem Sinne der Legende besser entsprechend, an die obszönen τωθασμοί des Demeterdienstes erinnert. Ganz Ähnliches erzählte man, wie schon Lobeck hervorhob, von der Baubo (s. bes. Bd. III S. 150), die man gleichfalls in die attische Lokalsage hineinzog. Diese wunderliche E.-Szene wäre dann eine ätiologische Kultlegende, die man quasi-historisch umgedeutet und ausgebeutet hätte, wie manches Verwandte in der Theseussage und in der Atthidenüberlieferung überhaupt. Auf eine Atthis wird die Notiz in der Tat wohl zunächst zurückgehen; von Neleus und seinen Kindern hatte, mit allerlei anekdotischen Details (der Nelide Hippokles und Mykonos, Akesaios), vor allem Demon gehandelt (Crusius Anal. ad paroemiogr. p. 133. 141. 147). Weiterhin könnte als Quelle eine κτίσις Μιλήτου καὶ Ἰωνίας (Milet wird in den Hexametern der E. erwähnt) mit in Frage kommen, wie sie z. B. Panyasis (Suid.) geschrieben hat und wie sie unter dem Namen des Kadmos in Umlauf war (Roschers Lexikon II 874). Wenn der Auserwählte der E. πήματα Καρσί bringt, wird man an die Καρικὴ Μοῦσα (Plat. leg. VII 800) der Καρῖναι (Hesych. s. v.) erinnern und für diese attischen Bräuche hier abermals ein αἴτιον vermuten dürfen. – Die etymologische Herleitung der Alten Ἐλέγη zu ἀσελγής, ἐλεγαίνω zu ἀσελγαίνω usw., die Usener a. O. wieder zu Ehren zu bringen sucht, hat v. Wilamowitz (Herakles I1 57 A. 18) mit Recht beanstandet. Aber dieselben alten Etymologen ziehen in ihre Betrachtung (Epaphroditos Etym. p. 152, 52 = Archil. frg. 179 [bei v. Wilamowitz, Dümmler usw. 174]) auch das ionische λέγος = ἀκόλαστος (λέγαι δὲ γυναῖκες. Archilochosfrg. 179, bei Herondas VII 76 p. 76 Cr.4 ist die Lesung sehr zweifelhaft), v. Wilamowitz will auf dieses halbverschollene Wort in der Tat ἐλεγαίνειν und die Namen Ἐλέγη Ἐλεγηΐς zurückführen; das ἐ. sei ein ,bedeutungsloser Vorschlag‘. Dies λέγος steht freilich ganz vereinzelt, weder mit λάγ-νος λάγ-αρος noch mit λέγω scheint eine Verbindung möglich. Außerdem drängt sich zwingend die Beobachtung auf, daß sich Ἐλέγη zu ἔλεγος, Ἐλεγηΐς (Ἐλεγειΐς) zu ἐλεγεῖον, ἐλεγεία genau so verhält, wie Ἰάμβη (s. d., Preller Demeter 98) zu ἴαμβος. Im Demeterkult (dem der erste Vertreter auch der literarischen Elegie, Archilochos, nahe steht) war neben den ἴαμβοι auch für ἔλεγοι und ἰεροὶ θρῆνοι Platz (Preller Demeter 261f.). Gegen diese Auffassung scheint die aufs sexuelle Gebiet führende Tendenz der beiden Legenden zu protestieren. Aber altertümlich rohe Bräuche in diesen Kulten, wie bei der Totenfeier (Schlagen des Busens und Schoßes, Zerreißen des Gewandes, sakrale Entblößung, Gelage, s. Dümmler Kl. Schr. II 416. Rohde Psyche I 220ff.) konnten um so eher eine Umdeutung veranlassen, als das Geschlechtsleben des Weibes, bis in die intimsten, dem gebildeten Hellenentum als schmutzig (αἰσχρά) erscheinenden Einzelheiten im Mittelpunkt des Demeterdienstes stand (s. O. Kern o. Bd. IV S. 2740, die ἐφήβαια γυναικεῖα bei den
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Thesmophorien u. a., ebd. 2750. Crusius Unters. zu Herondas 18. 129f.). Mit dieser Modifizierung wird man an der Kombination Useners festhalten dürfen, so unklar bei dem ungenügenden Stand der Überlieferung die Einzelheiten bleiben.