RE:Erle

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Erle, eine Baumart
Band VI,1 (1907) S. 470472
Erlen (Gattung) in der Wikipedia
Erlen in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VI,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI,1|470|472|Erle|[[REAutor]]|RE:Erle}}        

Erle, κλήθρα, alnus, Baum aus der Familie der Betulaceae, Reihe der Amentaceae-Fagales (Kätzchenblütler). Das homerische κλήθρη Odyss. V 64 und 239 deuten die Erklärer alle als E. (vgl. Buchholz Die homer. Realien I 2, 242), streiten aber ob Alnus glutinosa Willd. oder Alnus oblongata Willd. gemeint sei. Erstere kommt nach Boissier Flor. orient. IV 1179 (vgl. Sibthorp Flor. gr. Prodr. II 232) im ganzen Gebiete vor, freilich nach Heldreich Nutzpflanzen 15 sehr selten und nur am Spercheios, Alpheios und auf Nordeuboia (Fraas Synops. 254). Nach Chloros Waldverhältnisse Griechenlands 30 findet sich der jetzt Σκλῆθρο genannte Baum in Eurytanien (Wald Prent-Zesi), bei Agrinion, Spercheios, Nordeuboia selten. Immerhin war sie den Alten bekannt, mochte auch, als das Land noch wald- und wasserreicher war, häufiger sein denn heute. Alnus oblongata Willd. wird von diesen nicht erwähnt. Neuere Formen des Namens sind auch noch: Σκιλῖθρο ἢ κλέθρα Sibth., κλῆθρος und κλήθρη Fraas; Κλῆθρι Heldreich; vgl. auch St. Fellner Die homerische Flora 19. Pickering Chronological hist. of pl. 460.

Von den Späteren beschreibt Theophr. hist. plant. III 14, 3 unverkennbar eine E. und erwähnt sie auch sonst noch öfters; eben aus seiner Beschreibung φύλλον δὲ ὅμοιον ἀπίῳ πλήν μεῖζον καὶ ἰνωδεστερον schloß Sprengel in seiner Übersetzung [471] d. Th. II 114 auf Alnus oblongata. Unhaltbar sind Kochs Deutungen auf eine Eiche, Tilia tomentosa Mauch. oder eine Ahornart. In den Schriften der Mediziner kommt dieser Pflanzenname nicht mehr vor, dagegen wieder Geoponica XI 13, 2 und in den Glossaren (vgl. Thes. gloss. em. s. Alnus). Für alnus der Römer stehen drei Arten zur Verfügung, Alnus glutinosa Gaertn., cordifolia Ten., incana W. (Arcangeli Flor. it. 179), von denen aber erstere weitaus überwiegt. Ganz mit Unrecht hat man des Plinius alnus nigra (n. h. XVI 218) für Rhamnus Frangula L. erklärt; denn gerade zum Wasserbau wäre dieser schmächtige Baum mit seinem brüchigen Holze am wenigsten geeignet. Es wird wohl sein, wie bei uns, wo Alnus glutinosa wegen der schwarzbraunen Rinde älterer Stämme und des dunkleren Holzes gleichfalls Schwarz-E. heißt im Gegensatz zu der helle Rinde und weißlicheres Holz besitzenden Alnus incana.

Von der technischen Verwendung sagt Blümner Technologie II 267: ,Die E. hat weiches Holz (Theophr. hist. plant. III 14, 3), das im Trockenen nicht sehr dauerhaft, hingegen in der Feuchtigkeit von unübertrefflicher Festigkeit ist (Vitruv. de archit. II 9, 10. Plin. a. a. O.). Es ward daher bei Bauten nicht oberhalb der Erde, wohl aber zur Fundamentierung verwendet, und wo in sumpfigen Gegenden, wie z. B. in Ravenna, auf Pfahlrosten gebaut werden mußte, nahm man E.-Holz, das nicht nur dauerhaft blieb, sondern auch schwere Lasten zu tragen vermochte (Vitruv. a. a. O. III 3, 2. V 12, 6. Plin. n. h. XVI 210. 219. Pallad. XII 15, 2), weshalb es auch bei Brückenbauten Anwendung fand (Lucan. II 486. IV 422). Dieselbe Eigenschaft machte auch die E. zu einem sehr allgemeinen Material für Schiffe (Verg. Georg. I 136. II 451. Senec. Oed. 553. Lucan. II 427. III 441. 520. Sil. Ital. XII 521. Iuven. III 266. Stat. Theb. III 23. VI 106. Claud. rapt. Pros. praef. I 3); auch bohrte man die E. (wie heute noch) zu Wasserleitungsröhren (Plin. n. h. XVI 224). Die am Stamme der E. sich bildenden Auswüchse wurden zu Fournieren geschnitten, hatten aber nicht hohen Wert (Plin. n. h. XVI 69. 231)‘. Erwähnt wird die Pflanze noch Plin. n. h. XVI 77 (wasserliebend). 90 (dickblätterig). 97 (früh ausschlagend). 108 (ohne Früchte; Irrtum aus Theophr. h. pl. III 3, 6). 173 (Verwendung zu Faschinen). XVII 68 (Fortpflanzung durch Ableger). 90 (Schatten). XXXI 44 (Wasserzeichen). Colum. X 250 (die bryonia umschlingt alnos indomitas wie der Weinstock die Ulmen) u. a. m. Plinius hat auch die einzige mir bekannte medizinische Verwendung n. h. XXIV 74: Folia alni ex ferventi aqua remedio sunt tumoris; vgl. Matthioli Comment. in Diosc. 144, 28 der Venetianer-Ausg. von 1565. Auch mythologisch bedeutete die E. nicht viel. ,Wegen ihres dunkelgrünen Laubes und der unscheinbaren, dunkelbraunen Kätzchen und (reifen) Fruchtzäpfchen erhielt sie eine düstere Bedeutung, weshalb wir sie wohl neben der Schwarzpappel und Cypresse in der Umgebung der Höhle der Kalypso wachsend treffen. Aus demselben Grunde sollten nach einer Version die um ihren Bruder Phaethon trauernden Heliaden in E. verwandelt worden sein (Bötticher Baumcult. 274. Drexler [472] in Roschers Lexik. I 1983).‘ Murr Die Pflanzenwelt in der griech. Mythologie 17.