RE:Gurke

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Pflanzenart, ein Gemüse: Name und Herkunft, Anbau und Verwendung
Band VII,2 (1912) S. 19461950
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Gurke, griech. σίκυος, σικύα, σεκούα Hes., σίκυς zuerst bei Alcaeus, lat. cucumis.

Name und Herkunft.

Σίκυς (St. tveku- zu St. teva- strotzen, Prellwitz Etym. Wörterb.2 1905) bedeutet nach Hehn (Kulturpfl.7 312ff.) das Strotzende, Zeugungskräftige, Samenreiche, indem bei der G., wie bei dem lautlich verwandten σῦκον (Feige) der Samenreichtum als besonders augenfällig hervortreten mußte. Ebenso will Hehn in cucumis G. und cucurbita Kürbis den Eindruck strotzenden Wachstums aus der Reduplikation erkennen. Die G., zu der Familie der Cucurbitaceen gehörend, ist von den nahe verwandten Arten Kürbis und Melone in der ältesten Zeit sprachlich nicht immer zu unterscheiden, da die meisten angeführten Kennzeichen, wie Ranken, große Früchte an dünnen, schwanken Stengeln, Vielgestaltigkeit der Früchte, das Verspeisen der Früchte mit Gewürzen, schwere Verdaulichkeit, erfrischender Geschmack sowohl auf die G., wie auch auf den Kürbis, bezw. die Wassermelone, passen. Von den bei Plinius erwähnten Cucurbitaceen dürften mit einiger Bestimmtheit cucurbita als Flaschenkürbis, cucumis als G., pepo als Wassermelone und melopepo als Melone bezeichnet werden (v. Fischer-Benzon Altdeutsche Gartenflora 1894, 94), umso mehr, als Plinius bei melopepo zum erstenmal Süßigkeit und Duft als besonderes Kennzeichen hervorhebt. Die Cucurbitaceen treten bei ihrem strotzenden Bildungstrieb in so mannigfachen Abweichungen auf, daß sich sehr wahrscheinlich Namen für einzelne Arten im Verlaufe der Zeit geändert und auf andere ihnen ähnliche Arten übertragen haben. Während Hehn annimmt, daß alle Cucurbitaceen aus Asien und zwar speziell aus Südasien, die meisten jedenfalls aus Indien, stammen, vertritt Engler (bei Hehn7 318) die Ansicht, daß die Heimat der echten Kürbisse in Amerika zu suchen sei (s. den Art. Kürbis), während die im Altertum erwähnten Kürbisse nur Flaschenkürbisse oder Calebassen (Lagenaria vulgaris Ser.) gewesen sein könnten, eine Behauptung, die bereits v. Fischer-Benzon a. O. 89ff. aufgestellt hatte. Als Heimat der Melone (Cucumis melo L.), zu der Cucumis chate L. als wilde Stammform gehöre, bezeichnet Engler (bei Hehn a. O.) das südliche Asien und das tropische Afrika, als Ursprungsort der Wassermelone (Citrullus vulgaris Schrader) dagegen das südliche Afrika, von wo aus sie nach Ägypten gekommen sei und sich dann nach Südeuropa und Asien verbreitet habe (s. den Art. Melone). Über das Vaterland der G. vermochten Linné und Lamarck noch keine Auskunft zu geben. Willdenows (1805) Ansicht, die G. stamme aus der Tartarei und Indien, fand bei den Botanikern keine Annahme. De Candolle sprach im J. 1850 in Hinblick auf das Vorkommen eines Sanskritnamens sukasa aus, daß die Heimat der G. im nordwestlichen Indien zu suchen sei. Nach A. Engler (bei Hehn7 318) [1947] ist höchstwahrscheinlich die Heimat der G. Ostindien, von wo sie frühzeitig nach dem Westen vorgedrungen sei. Verhältnismäßig spät scheint sie dagegen nach dem östlichen Asien gelangt zu sein. Erst im 2. Jhdt. n. Chr. soll sie in China Eingang gefunden haben (Brettschneider Briefe vom 23. und 26. August 1881). Daß die G. bereits in den ersten Kulturepochen im alten Ägypten bekannt war, beweisen bildliche Darstellungen auf alten ägyptischen Wandgemälden (Woenig Die Pflanzen im alten Ägypten 207). Die angebauten Arten waren Citrullus vulgaris Schrad., Cucumis melo L., Cucumis chate L., Lagenaria vulgaris L. (Woenig 201. A. Braun Z. f. Ethnologie 1877 303f. bei Engler-Hehn 319). Das älteste Schriftzeugnis für Cucurbitaceen findet sich im vierten Buch Mosis XI 5. Die Worte kischuim und abaṭṭiḥim, welche Luther mit Kürbisse und Pfeben übersetzt hat, gibt Kautzsch (Textbibel 1899) mit G. und Melonen wieder. Auch Hehn tritt für diese Übersetzung ein in Anlehnung an Celsius Hierobotanicum I 356. II 247. Mit Beziehung auf das arab. battîch Wassermelone erkennt Engler (bei Hehn7 319) in abaṭṭiḥîm die letztgedachten Früchte, umso mehr, als die Septuaginta die Übersetzung πέπονες, nicht μηλοπέπονες (Zuckermelonen) hat. Was die G. an der biblischen Stelle anbelangt, so ist nach Hehn an die ägyptische Cucumis chate L., eine große längliche Frucht, zu denken. Im prähistorischen Europa hat sich keine einzige Cucurbitaceenart nachweisen lassen (Engler bei Hehn7 319). Weder in den Pfahlbauten Italiens, noch in denjenigen Savoyens und der Schweiz haben sich G.-Kerne gefunden. Der Umstand, daß die baskische Sprache für die G. keinen Namen besaß, zeigt, daß diese Kulturpflanze nicht vor den Ariern nach Europa gekommen ist. In Griechenland und Italien scheint die G. nicht vor dem 5. Jhdt. v. Chr. Eingang gefunden zu haben. Homer und Hesiod kennen sie noch nicht. Ersterer erwähnt zwar an zwei Stellen (Il. II 572 und XXIII 299) die Stadt Sikyon, doch werden beide Stellen als spätere Einschiebsel betrachtet (Hehn7 311). Bei Hesiod heißt diese Stadt noch Μηκώνη Mohnstadt, den Namen Sikyon G.- (oder Kürbis-)Stadt erhielt sie erst später nach Einführung der aus Asien erhaltenen Cucurbitaceen. Das altgriech. σικυός ist in das neugr. συκυά übergegangen. Von neugr. ἀγγούρια (ἄγουρος = ἄωρος unreif), das, wie das persische ankhara, auf eine altarische Wurzel zurückgeht, sind abzuleiten das böhm. okurha, russ. ogurec und poln. ogórek. Ihnen sind wiederum entlehnt nhd. G. (zuerst um 1500), ndl. agurkje, engl. gherkin (kleine G.), dän. agurke. Auch die esthnischen Bezeichnungen uggurits, ukkurits, urits gehen auf ἀγγούριον zurück (De Candolle Der Ursprung der Kulturpfl., deutsch von Goeze 1882 331f. Kluge Deutschetym. Wörterbuch4 123). Aus dem lat. cucumis, vielleicht verwandt mit curvatura wegen der gekrümmten Form der G., sind entstanden franz. concombre, ital. cocomero und cocomerello, span. cohombro, engl. cucumber, oberdeutsch Kukumer und Kümerling. Ital. citriolo, citriuolo von citrulus, also eigentlich kleine Zitrone (Schrader Reallex. 484). Im Mittelalter scheint der Anbau [1948] der G. zurückgegangen zu sein. Nach v. Fischer-Benzon (92) wird sie in der botanischen Schrift Physica der hl. Hildegard (1098–1179) und in dem ,Buche der Natur‘ des Konrad v. Megenberg (1309–1374) nicht erwähnt, während Albertus Magnus im sechsten Buche de speciebus quarundam plantarum seines Werkes über die Pflanzen cucumer nennt. In den Glossarien, in denen sie nur selten aufgeführt wird, ist die lateinische Bezeichnung cucumer, die deutsche ërdaphil, ërthappl, ërtappel. Wie im Altertum sind auch im Mittelalter G. und Kürbis gelegentlich verwechselt worden (Kurbiz-Cucurbita vel cucumer, A. H. Hoffmann [v. Fallersleben] Althochd. Glossen 1826 bei R. Fischer-Benzon 93). Vom 16. Jhdt. ab ist die Kultur der G. wieder verbreitet. Melchior Sebizius in seinem Buche über den Feldbau (1579) hält den Genuß der G. für gesundheitswidrig. Er rät, sie lieber den Maultieren, Mauleseln und gemeinen Eseln, als Menschen zur Nahrung zu geben. Leonhard Fuchs (1542) begreift unter G. auch Kürbis und Melonen, doch unterscheidet er sie von der Coloquinta, der wilden G. Rhagorius (1669) macht bereits einen Unterschied zwischen weißen, grünen und Schlangen-G. Camerarius 1611 bildet letztgenannte G. unter dem Namen Cucumeres longi ab (Rümpler Illustr. Gartenbau-Lexikon 1882).

Der Anbau.

Der zur Saat bestimmte G.-Samen soll nicht alt sein, weil er zu den am wenigsten dauerhaften gehört (Theophr. h. pl. VII 5). Um wohlschmeckende, zarte, weiße Früchte zu erzielen, sollten die Kerne, bevor sie ins Land gelegt wurden, zwei Tage lang in Milch (Pall. Schafmilch) eingeweicht werden (Theophr. h. pl. VIII 3; de caus. pl. III 9. Plin. XIX 5. Pall. IV 9). Zur Erzielung kernfreier Früchte wurde empfohlen, den Samen drei Tage lang vor der Aussaat in sabinisches Öl zu legen (Geop. XII 19), oder ihn mit zerriebenem Flöhkraut (ψνλΛίον, culex, culix Plin. XIX 5) einzumachen (Pall. IV 9). Hat man Überfluß an Wasser, so bedarf nach Columella (XI 3) die G. nur geringer Pflege. Wird der Samen in trockenes Land gelegt, das man nicht leicht bewässern kann, so sind im Monat Februar anderthalb Fuß tiefe und drei Fuß breite Gräben zu ziehen, zwischen denen ein acht Fuß breiter Raum bleiben soll, damit sich die Ranke ausbreiten kann (Pall. IV 9). Diese Gräben sind zu einem Drittel ihrer Tiefe mit Stroh auszufüllen, auf das man so lange Dungerde legt, bis der Graben halb voll ist. Dann sät man an den Quinquatren (19.–23. März) die G.-Kerne darauf und begießt sie, bis sie zu keimen beginnen. Demnächst wirft man in Zwischenräumen weitere Dungerde hinein, bis der Rand des Grabens erreicht ist. Bei solcher Behandlung, meint Columella (XI 3), werden die G.-Pflanzen den Sommer hindurch auch ohne Bewässerung aushalten und Früchte von angenehmerem Geschmack erhalten, als wenn die Pflanzen bewässert wären. In wasserreichen Gegenden soll man frühzeitig säen, doch nicht vor dem 1. März, damit die Verpflanzung nach der Frühlingsgleiche erfolgen kann. Weil die G.-Pflanzen Unkraut dulden, hielt man ihr Behacken und Bejäten nicht für erforderlich. Um frühzeitig G. zu gewinnen, wurden die Pflanzen [1949] in Körben (κόφινοι, cophini) oder irdenen Töpfen (κεράμια, fictilia) gezogen. Die Anzucht geschah in folgender Weise. In die mit Dungerde angefüllten Körbe bezw. Töpfe wurden die G.-Kerne gelegt und mäßig feucht gehalten. An warmen, sonnigen Tagen setzte man die Gefäße vor das Haus, wo sie vor dem Winde geschützt waren. Bei ungünstiger Witterung und besonders bei Frost wurden sie wieder in das Haus getragen. In dieser Weise verfuhr man bis zur Frühlingsgleiche. Dann setzte man die Körbe in die Erde und erhielt demnächst frühzeitig Früchte (Col. XI 3. Geop. XII 19). Um große und schwere G.-Kübel ohne zu viele Beschwerde aus dem Hause in das Freie und wieder zurück in den geschützten Raum zu befördern, hatte man Räder unter ihnen angebracht. So haben die Gemüsegärtner (olitores) des Kaisers Tiberius, auf dessen Tafel an keinem Tage G. fehlen durften, ihre ,hängenden Gärten‘ (hortos pensiles) auf Rädern in die Sonne geschoben und sie im Winter hinter Glaswände (intra specularium munimenta) gestellt (Plin. XIX 5). Noch ein anderes Verfahren, Früh-G. zu erhalten, führt Columella (XI 3) an. Ein gewisser Bolus aus Mendes in Ägypten zog auf sonnigem, gutgedüngtem Acker abwechselnd eine Reihe Pfriemen- oder Gartenkraut (νάρθηξ, ferula) und eine Reihe Brombeerstauden, die in Gärten aufgezogen waren. Nach der Frühlingsnachtgleiche schnitt er von beiden Pflanzen die Stengel wenig unter der Erde ab, erweiterte die Markröhren der stehengebliebenen Stengel mit einer Holzspitze und legte darauf Mist hinein. Die nunmehr eingelegten G.-Kerne empfingen ihr Wachstum von dem Pfriemenkraut bezw. der Brombeerstaude und wurden nicht allein durch ihre eigenen Wurzeln ernährt, sondern auch durch diejenigen ihrer Mutter. Die auf solche Weise in die Stauden hineingelegten Kerne sollten auch bei Kälte G. liefern. Infolge der Berührung der G. durch Frauen sollte das Wachstum der Pflanzen gehemmt werden, Columella warnt daher, Frauen den Zutritt zu den G.-Pflanzungen zu gestatten. Zur Zeit der monatlichen Reinigung sollten die jungen Früchte beim Anblick der betreffenden weiblichen Personen verdorren. Die G. nehmen jede Gestalt an, die man ihnen beim Wachsen gibt. Sie werden lang und zart, wenn man zwei Hand breit unter ihrem Standort ein mit Wasser gefülltes Gefäß aufstellt. Schon nach einer Nacht wird man sehen, wie sich die die Feuchtigkeit liebenden Gewächse nach dem Wasser ausstrecken (Plin. XIX 5. Pall. IV 8. 9. Geop. XII 19). Um langgestreckte Früchte zu erzielen, steckten manche die Blüte mit der Spitze der Ranke in ein Rohr, dessen Knoten vorher sämtlich durchlöchert waren. Werden die jungen Pflänzchen in tönerne Formen von Menschen- oder Tiergesichtern gepflanzt und eingeschlossen, so nehmen die Früchte die betreffenden Gestalten an (Pall. IV 9. Geop. XII 19). Werden die G. durch Wasser angezogen, so meiden sie dagegen ängstlich das Öl, das ihnen zuwider ist (Plin. XIX 5). Bei Donner drehen sie sich um, gleichsam erschrocken (Pall. IV 9. Geop. XII 19). Was die verschiedenen Sorten anbelangt, so waren die italischen sehr klein und grün, die in den Provinzen gezogenen sehr groß, gelb (cerinus) und schwarz. Die größten G. wuchsen in Moesien, [1950] die bedeutendste Zucht war in Afrika. Die Griechen unterschieden drei Arten G.: die lakonische, die σκυταλίας (stocklange G.) und die boiotische. Von diesen gedieh die lakonische am besten, wenn sie fleißig begossen wurde. Die beiden anderen Arten bedurften der Bewässerung nicht (Theophr. h. pl. VII 4).

Verwendung.

Geschält wurde die G. nach Galen mit Senf und Salz frisch gegessen. Apicius (III 6) empfiehlt, sie mit Pfeffer, Polei, Honig oder Rosinenwein, Fischlake und Eppich, auch mit Eppichsamen, Fischbrühe und Öl mit Pfeffer bestreut zu verspeisen. In Fischlake oder Fischlakenwein gelegt, erregt sie kein Magendrücken oder Aufstoßen. Man bewahrt die G. in Salzwasser auf und kocht sie mit Quitten. In Scheiben an Fäden aufgeschnürt, wurden sie im Januar als etwas Besonderes verspeist (Athen. IX 4). Nach Dioskurides (II 162) ist die G. für Leib und Magen bekömmlich, sie kühlt, verdirbt nicht, ist gut für die Blase und ruft durch ihren Geruch aus der Ohnmacht zurück. Ihr Same treibt mäßig den Harn und hilft mit Milch oder Süßwein bei Blasengeschwüren. Ihre Blätter mit Wein aufgelegt heilen Hundsbiß, mit Honig Epinyktiden (ἐπινυκτίδες, Blattern, die nachts hervorzubrechen pflegen). Die Wurzeln der wilden G. heilen Aussatz, der aus ihrem Samen gewonnene Milchsaft wurde zur Herstellung eines Abführungsmittels, des ἐλατήριον, verwandt.

Literatur:

Magerstedt Der Feld; Garten- und Wiesenbau der Römer 1862. Hehn Kulturpfl. und Haustiere7 1902. v. Fischer-Benzon Altdeutsche Gartenflora 1894. De Candolle Der Ursprung der Kulturpflanzen, deutsch von Goeze 1882. Schrader Reallexikon der indogerman. Altertumskunde 1901.

[Orth. ]