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RE:Gylippos 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Oberbefehl im sizilischen Krieg 415 v. Chr. Sohn des Kleandridas, Spartiate
Band VII,2 (1912) S. 19671969
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Gylippos. 1) Sohn des Kleandridas, Spartiate. Daß er nicht Vollbürger, sondern nur ein Bastard (μόθαξ) gewesen sei, wie Aelian. var. hist. XII 43 erzählt, ist nicht glaublich. Im Winter 415/4 v. Chr., als die Syrakusier gegen Athen in Sparta um Hilfe baten, ward er ihnen von den Spartanern als Befehlshaber bestimmt, Thuc. VI 93, 2. Durch diese Aufgabe wird ihm eine leitende Stellung im sizilischen Kriege zu teil, dessen Geschichte, wie sie Thukydides erzählt, die seinige umschließt. Was Diodor XIII und Plutarch im Nikias berichten, stammt aus Thukydides und hat kaum selbständigen Wert.

Von seinen früheren Schicksalen ist nichts bekannt; er wird sich bereits als tüchtigen Kriegsmann gezeigt haben; jedenfalls hat er sich auf Sizilien als umsichtigen, entschlossenen Führer vollauf bewährt. Im Frühsommer 414 v. Chr. setzte er sich mit wenigen Schiffen und Mannschaften in Bewegung (über ein günstiges Vorzeichen auf der Fahrt berichtet Seneca nat. quaest. I 1, 14), erhielt aber schon bei Leukas über die Lage des belagerten Syrakus so ungünstige Nachrichten, daß er auf einen Entsatz der Stadt nicht mehr hoffte. Gleichwohl gingen er und der Korinthier Pythen, um wenigstens Italien zu retten, mit vier Schiffen möglichst schnell hinüber. In Tarent machte G. Station und versuchte vergeblich Thurii, wo er von seinem Vater her Verbindungen hatte, zu gewinnen. Auf der weiteren Fahrt ward er durch einen Sturm wieder nach Tarent zurückgeworfen und konnte erst nach einigem Aufenthalt die Reise fortsetzen, Thuc. VI 94. 104. In Lokri erfuhr er, daß Syrakus noch nicht ganz eingeschlossen, und daß es noch möglich sei, Entsatz zu bringen. So machte er sich sofort auf nach Himera, das den Athenern feind war, um von hier aus Syrakus zu erreichen. Er gelangte über Rhegion und Messana glücklich nach Himera; denn Nikias hatte seine Anwesenheit in Italien anfangs kaum beachtet, und die attischen Wachtschiffe waren noch nicht in der Meerenge angelangt. In Himera fand er Aufnahme und Unterstützung, ebenso schickten Selinus, Gela und einige Sikeler Hilfstruppen. Seine Ankunft, der damit bezeugte Beistand Spartas belebte den Mut der Sikelioten. Er sammelte im ganzen etwa 3000 Mann und kam über Ietai glücklich bei Epipolai in Syrakus an, gerade zur rechten Zeit; denn schon dachten die Syrakusaner an Frieden, Thuc. VII 1f. Seine Anwesenheit ward entscheidend für den Ausgang des Krieges. G. übernahm den Oberbefehl, brachte dazu eine ansehnliche Verstärkung mit und gab der syrakusischen Kriegführung die Einheit, Zuversicht und Tatkraft, die ihr bis dahin gefehlt hatte (vgl. Plut. Nik. 19, der sich mit Recht gegen die Behauptung des Timaios wendet, daß die Syrakusaner anfangs über G. gespottet hätten. Eine wertlose Anekdote über die Art, wie er sich Gehorsam verschafft, bei Polyaen. strat. I 42, 1). Zunächst machte er den Athenern die vollständige Einschließung, die Vollendung der Ummauerung unmöglich. [1968] Er baute die Gegenmauern weiter und trat dem Feinde kräftig entgegen. Im ersten Treffen ward er besiegt, aber im nächsten wurden die Athener geschlagen, ihre Überlegenheit im Felde gebrochen, und damit wandte sich ihr Glück, Thuc. VII 3. 5. G. machte sich nun auf, um die Sikelioten zum weiteren Beistand aufzufordern, und mit Erfolg. Im Frühjahr 413 v. Chr. kam er mit Verstärkungen zurück und veranlaßte die Syrakusier, nunmehr auch den Seekrieg in die Hand zu nehmen. Während der ersten Seeschlacht gelang es ihm, das von Nikias befestigte Plemmyrion zu nehmen, ein schwerer Verlust für die Athener, Thuc. VII 21ff. Vgl. Polyaen. I 42. Die Folge war ein neuer Zuzug der Sikelioten; je mehr die Athener in Nachteil gerieten, desto mehr Feinde fanden sich gegen sie zusammen. Es gelang den Syrakusiern, ehe die Hilfsflotte unter Demosthenes eintraf, die attische Seemacht zu besiegen; G. hatte das Unternehmen zu Lande durch einen Angriff auf die Stellung der Athener unterstützt (Thuc. VII 37); die Führung zur See nahm er nicht in Anspruch, sondern überließ sie den Syrakusanern und Korinthern. Es folgte die Ankunft des Demosthenes und der athenische Angriff auf Epipolai, der vollkommen fehlschlug, Thuc. VII 43f. Dieser unverhoffte Glücksfall erweckte in G. die Hoffnung, die athenischen Streitkräfte ganz zu besiegen. Er bereiste auf neue die sizilischen Städte und kehrte mit ansehnlichen Verstärkungen zurück; auch eine peloponnesische, inzwischen eingetroffene Schar brachte er mit und beschloß, die Athener zu Land und zu Wasser anzugreifen, Thuc. VII 46. 50. Die Athener gedachten nunmehr abzuziehen, als die verhängnisvolle Mondfinsternis (27. August 413 v. Chr.) sich ereignete, die sie veranlaßte, noch 27 Tage zu bleiben, und damit ihr Verderben herbeiführte. Während die syrakusanische Flotte den Athenern ihre zweite siegreiche Schlacht lieferte, unternahm G. einen Angriff aufs feindliche Lager, jedoch ohne den gewünschten Erfolg (Thuc. VII 53). Dann half er bei den Vorbereitungen zur letzten großen Seeschlacht (Thuc. VII 65, 3) und leitete schließlich den Kampf gegen die abziehenden Athener, um ihre völlige Vernichtung herbeizuführen, Thuc. VII 74, 2ff. Als sie nach dem ersten Tage sich unerwartet gen Süden wandten und zu entkommen schienen, wurde G. beschuldigt, daß er sie absichtlich habe entschlüpfen lassen (Thuc. VII 81); man ging aber schleunigst an die Verfolgung, bis das Ende erfolgte. Zuerst kapitulierten Demosthenes und seine Leute, dann Nikias. Nikias versuchte vergebens, freien Abgang zu erlangen, und ergab sich dann persönlich dem G., da er zu ihm das meiste Vertrauen hatte. Daß beide athenischen Feldherren umgebracht wurden, ist gegen den Willen des G. geschehen, Thuc. VII 85f. G. blieb den Rest des Jahres in Syrakus und kehrte erst im nächsten Frühling in die Heimat zurück. Den athenischen Schiffen, die ihn bei Leukas angriffen, entkam er glücklich, Thuc. VIII 13.

Seine weiteren Schicksale sind unbekannt. Er verschwindet und taucht erst nach dem Ende des Krieges wieder auf. Er ward überführt, einen Teil des Geldes, das er im Auftrage Lysanders nach Sparta brachte, auf die Seite gebracht zu [1969] haben. Nach dem gewöhnlichen Bericht ging er in die Verbannung, nach Poseidonios nahm er sich das Leben. Diodor. XIII 106, 8. Plut. Lys. 16f.; Nic. 19. 28; Pericl. 22; de lib. educ. 14 p. 10 B. Poseidonios bei Athen. VI 234 A. So ist er ein bekanntes Beispiel spartanischer Geldgier geworden. Es scheint fast, daß seine Redlichkeit schon auf Sizilien angezweifelt ward, Thuc. VII 81, 1. 86, 4.

Literatur: Holm Geschichte Siciliens II 38ff. Freeman-Lupus Geschichte Siciliens III 179ff.

[Niese. ]