RE:Harmatelia

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Stadt im Flachland des unteren Indus
Band VII,2 (1912) S. 23712373
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Harmatelia, Stadt im Flachland des unteren Indus, Diod. Sic. XVII 103 und Curt. IX 8, 17ff., der aber den Namen der Stadt nicht nennt. Die Feststellung ihrer Lage stößt auf große Schwierigkeiten, weil die hier sich abspielenden Ereignisse des Alexanderzuges bei Arrian überhaupt übergangen, von Diodor und Curtius nachweislich falsch eingeordnet sind. Von ihren Angaben sind folgende wichtig: 1. H. gehörte zum Land des Rādja Sambos, wie Curtius ausdrücklich hervorhebt [2372] und Diodor wenigstens andeutet, wenn er die Belagerung der Stadt an die Ereignisse im Reiche des Sambos anschließt und sie außerdem die ,letzte Stadt der Brachmanen‘ bezeichnet, die er fälschlich als ,ἔθνος‘ und zwar gerade das Volk des Sambos auffaßt. 2. H. ist die letzte, d. h. südlichste Stadt dieses Königs (Curt.: in regno imo), sehr nahe bei Patala (Curt. hinc in proximam gentem Pataliam, perventum est); vgl. auch Strab. C 701. 3. H. stand unmittelbar am Indus (so ausdrücklich Curtius; dasselbe folgt aber auch aus Diodor, wenn er sofort den κατάπλους Alexanders εἰς τὸν Ὠκεανόν anschließt). Freilich mag man einwenden, daß diese Ansetzung nur eine Kombination sei, verursacht durch die irrige Verknüpfung der hierher gehörigen Ereignisse mit der Stromfahrt nach Patala. Aber gerade bestimmte Angaben in den Schriften der Expeditionsteilnehmer über die Lage H.s am Indus und die Nachbarschaft Patalas scheinen in kritischen Geistern die Vorstellung hervorgerufen zu haben, wenigstens die Einnahme H.s oder überhaupt alle Unternehmungen im Land der Praesti und des Sambos müßten nach der definitiven Abfahrt der Flotte Alexanders von der viel weiter im Norden gelegenen Hauptstadt des Musikanos nach Patala stattgefunden haben. So erklärt sich jedenfalls die falsche Anordnung der Ereignisse am besten.

Das Land des Musikanos kann nur in den sehr fruchtbaren Strichen beim heutigen Bhakar, die Hauptstait desselben in der Ruinenstätte des seit dem 10. Jhdt. verfallenen Al Ror, etwas südöstlich von Bhakar, gesucht werden. Zwischen Bhakar und Haiderabad (= Patala) dehnt sich die große westliche Ausbiegung des heutigen Induslaufes, die das ältere Hauptbett des Strome, Purāna genannt (s. u. Indus), fast geradlinig abschneidet; mag jenes damals überhaupt noch nicht bestanden haben, auf diesem ist jedenfalls die Flotte Alexanders abwärts gefahren. Von Al-Rōr unternimmt Alexander seinen Streifzug gegen Portikanos (Oxikanos) und die Praesti, die keinesfalls, wie Lassen wollte, am alten Indus südlich von den Māshika zu suchen sind. Sonst würde sich Alexander natürlich der Flotte bedient haben und in Übereinstimmung mit seinem Hauptplan, die Mündung des Stromes und den Ozean zu erreichen, von der Hauptstadt des Musikanos, wo alles auf das beste geordnet schien und ihn nichts mehr hielt, sofort flußabwärts gefahren sein. Da die Landexpedition von den Praesti sofort ins Land der ,Berginder‘ und des Sambos ausgedehnt wurde und dieses sicher zwischen dem neueren Strombett und dem gadrosischen Randgebirge gelegen war, wird das Fürstentum des Portikanos gleichfalls am westlichen Rand der Indusniederung, nach Westen von Bhakar und nach Norden von Schwān (= Sindomana, Residenz des Sambos) angesetzt werden müssen. Von Sindomana kehrte Alexander an den Purāna-Indus zurück und sicherte H., ,die äußerste Brahmanenstadt‘, von der er sich dann wieder nach Norden flußaufwärts wandte, um den unterdessen gleichfalls abgefallenen Musikanos zu züchtigen und die in seiner Hauptstadt stationierte Flotte wiederzuerreichen. Auf dem κατάπλους nach Patala wurde dann H. ein zweites Mal berührt. [2373]

Man sieht, die Bestimmung der Lage H.s hängt wesentlich von der Ansetzung Patalas ab, die freilich strittig ist. Wir werden es in Haiderābād finden (s. u. Patala). Dann kann H. mit Cunningham kaum anderswo gesucht werden als in der berühmten mittelalterlichen Stadt Brāhmanābād, 80 km nordöstlich von jenem. Die teilweise sehr gut erhaltenen Ruinen liegen an einem alten Indusarm und breiten sich weit in der Wüste aus, die sie umgibt, seitdem sich der Strom von hier völlig zurückgezogen und die kostbaren Irrigationswässer mit sich fortgetragen hat. Die Katastrophe fällt ins 10. oder spätestens 11. Jhdt. und wird von der Tradition, nicht ohne Zustimmung der geologischen Wissenschaft, auf starke Erdbeben zurückgeführt. Wenn sich die mittelalterliche Stadt durch ihren Namen als eifrige Verehrerin der brahmanischen Religion bekennt, so war auch im Altertum der Einfluß der Priester hier besonders stark. Als sich Hauptstadt und Land des Sambos schon völlig unterworfen hatten, flammte in H. noch einmal der von den Brahmanen zu religiösem Fanatismus gesteigerte nationale Widerstand gegen die Makedonen hell auf. Die Stadt heißt ὀχυρά (offenbar durch ihre Lage am alten Indusstrom) καὶ μεγάλη: die Einwohner vertrauten auf ihre Tapferkeit, ihre vergifteten Waffen und die δυσχωρίαι, die wohl in den zahlreichen, vom Indus sich abzweigenden Bewässerungskanälen bestanden. Einige Diodorhss. lesen Harmata satt H., eine alte Lesart, die schon Steph. Byz. kennt und zitiert (s. Harma). Ein ähnlich zusammengesetzter Ortsname fand sich an der Malabarküste, Armagara. Lassen (I. A. II 188, 2) erklärt das Sanskritwort Armatala als ,Palastboden‘.