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RE:Horatius 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Horatii d. Königszeit
Band VIII,2 (1913) S. 23222327
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2) Horatii der Königszeit. Die berühmte Erzählung von dem Zweikampf der Drillinge lautet etwa folgendermaßen: Unter König Tullus Hostilius schlossen die Römer und die Albaner einen Vertrag, daß die Entscheidung, welches der beiden Völker über das andere herrschen sollte, einem Zweikampf zwischen drei erlesenen Kämpferpaaren anheimgegeben werde; sie fanden die Kämpfer in den zufällig auf beiden Seiten dienenden Drillingsbrüdern, in den römischen Horatiern und den albanischen Curiatiern. Nachdem im Zweikampf von den drei Römern zwei gefallen, die drei Albaner aber sämtlich verwundet waren, bediente sich der noch unversehrte dritte H. einer List, um die Gegner zu trennen; er ergriff die Flucht, und als die Verfolger, die ihm wegen ihrer Wunden nur in ungleichem Abstande nachsetzen konnten, weit auseinander waren, wandte er sich um, besiegte sie einzeln der Reihe nach und gewann so seiner Vaterstadt den Sieg und die Herrschaft. Bei seiner Heimkehr begegnete ihm seine Schwester, die mit einem der erschlagenen Curiatier verlobt war, erkannte in der Siegesbeute das Gewand ihres Bräutigams und brach in lautes Wehklagen aus; voll Zorn darüber, daß sie um einen Feind des Vaterlandes trauerte und weder an den Verlust der Brüder noch an seinen und des eigenen Volkes Sieg dachte, stieß H. die Schwester nieder. Der eigene Vater billigte die blutige Tat, aber dennoch mußte der Mörder vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt werden; der König gewährte ihm indes die Berufung an das Volk, und von diesem wurde H. freigesprochen, hauptsächlich aus Mitleid mit dem so vieler Kinder auf einmal beraubten Vater; nur eine feierliche Sühne des Mörders mußte erfolgen im Namen der Gemeinde, die seine Schuld selbst übernommen hatte.

Nec ferme res antiqua alia est nobilior, beginnt Livius (I 24, 1) seine Wiedergabe der Erzählung (vgl. ebd. 4: nec ullius vetustior foederis memoria est), und, wie schon o. Bd. IV S. 1830 bemerkt wurde, ist die Überlieferung so fest und einheitlich, daß sie zur Zeit der ältesten literarischen Aufzeichnung in Rom bereits vollständig fertig gewesen sein muß. Der erste, der sie hier nachweislich mit größerer Ausführlichkeit dargestellt hat, war Ennius im zweiten Buch der Annalen; aber weder die Worte des Properz (III 3, 7), daß er Curios fratres et Horatia pila besungen habe, noch die einzelnen Verse, die auf den Zweikampf und auf den Prozeß des H. bezogen werden können (127–135 Vahlen²), ergeben etwas für die Entwicklung der Tradition (vgl. dazu Vahlen² Praef. p. LIXf. CLXVIf., auch Rothstein zu d. St des Prop.; weder die Verteidigung von cecini noch die Betonung der Namensform Curios ist von Belang); der Gesamteindruck ist, daß bereits Ennius alles Wesentliche ebenso bot wie Livius, der ihn jedenfalls gekannt und vielleicht sogar benutzt hat. Die Vulgärtradition, wie sie von der vorsullauischen Annalistik geboten und Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. in der Schule gelernt wurde, gibt Cic. de inv. II 781 etwa im J. 668 = 86; ein paar wörtliche Übereinstimmungen zwischen [2323] dieser Stelle und Livius (Cic. 78: sponsi... nomen appellantem ... cum gemitu et lamentatione – Liv. I 26, 2: flebiliter nomine sponsum . . . appellat; Cic. 79: hostium mortem lugebat – Liv. 4: quaecunque Romana lugebit hostem) können zufällig sein und beweisen andernfalls nur den engen Anschluß des Livius an die älteren Autoren, die selbst miteinander übereinstimmten. Cicero hat später Mil. 7 ebenfalls die Vulgärtradition im Auge, bietet aber hier den Vornamen des Helden M.; denselben Vornamen gibt dem H. Dionys, doch nicht in ,der Haupterzählung, sondern erst in der offenbar frei hinzuerfundenen Angabe, daß H. der römische Führer gewesen sei, der später im Fidenatenkriege von König Tullus abgeschickt wurde, um das zur Zerstörung bestimmte Alba zu besetzen (Μάρκος Ὁράτιος dreimal III 27, 1. 30, 4. 31, 1; vgl. zu solcher wiederholter Verwertung der wenigen gegebenen Eigennamen z. B. M. Horatius Pulvillus Nr. 5). Dagegen nennt Livius (I 26, 7 und 9) bei dem Prozeß den Vater und den Sohn H. je einmal mit dem Praenomen P., und Zonar. VII 6 bezeichnet die Drillinge als Πουπλιοράτιοι und Κουριάται. Dieselbe Unsicherheit hinsichtlich des Vornamens findet sich bei Horatius Cocles Nr. 9; es ist ziemlich deutlich, daß der Held in den ursprünglichen Berichten ebenso wie in den meisten erhaltenen überhaupt kein Praenomen hatte, und welche der spätrepublikanischen Annalisten ihm dann dieses oder jenes beilegten, ist gleichgültig. Die ausführlichsten Darstellungen der ganzen Sage liegen bei Livius und Dionysios vor; es fehlen darin sowohl Angaben über die Quellen (außer Liv. I 24, 1; vgl. dazu Bd. IV a. O.) wie größere Verschiedenheiten und Abweichungen; die Vergleichung im einzelnen ist nur für den Unterschied im ganzen Wesen der beiden Historiker ergiebig. Z. B. nimmt Dionys die (auch bei Zonar. a. O. wiederkehrende [vgl. Bd. IV a. O.]) Angabe, daß schon die Mütter der Drillingsbrüder Zwillingsschwestern gewesen seien, zum Anlaß, um weitschweifige Rührszenen vor dem Zweikampf einzuschieben (III 13, 4–17, 6. 18, 3); sodann wird er in der Darstellung des Zweikampfes offenbar von dem Bestreben geleitet, den Hergang möglichst glaublich und natürlich zu machen, und wird dadurch seicht und flach (III 19, 1–20, 4, verglichen mit Liv. I 25, 5–12); da, wo bei Livius die Erzählung die ersten und darum typischen, Beispiele bestimmter römischer Institutionen und Rechtsformen gibt, wird sie bei Dionys flüchtig, verschwommen und ungenau (vgl. den Abschluß des Vertrages Liv. I 24, 3–9 mit Dionys. III 18, 2 oder den Prozeß des H. bei Liv. I 26, 5–8 mit Dionys. III 22, 6) und schwillt bei diesem zu unerträglicher Breite an, wo die Ausmalung der Einzelheiten füglich der Phantasie des Lesers überlassen werden konnte. Man erweist aber dem Rhetor zu viel Ehre und verkennt seine ganze Auffassung von der Geschichtschreibung, wenn man eine Praetexta als seine Quelle annehmen zu sollen meint; sowohl die einleitende Bemerkung über den tragischen Stoff p 18. 1 πάθη θεατρικαῖς ἐοικότα περιπετείαις vgl. den Schluß 22, 10; doch auch Augustin. civ. dei III 14: dii... talium certaminum tamquam theatrici spectatores) wie die Ausmalung gewisser Züge nach dem [2324] Muster von Tragödien (am auffallendsten III 22, 3: Botenbericht; bakchische Raserei; die Amme) kann auf die eigene Rechnung des Dionys gesetzt werden. Noch weniger als diese besonders von A. Schoene (Das historische Nationaldrama der Römer [Festrede Kiel 1893] 18ff. vgl. Ribbeck Röm. Dichtung² 1191) vertretene Ansicht ist die neuerdings von W. Soltau Wochenschr. f. klass. Philol. XXV [1908] 1269ff. = Anfänge der röm. Geschichtschreibung [Leipz. 1909] 105ff. vgl. 87) verfochtene haltbar, daß eine derartige dramatische Bearbeitung – nach Aeschyleischem Muster durch Ennius – an der Entstehung der ganzen Tradition den wesentlichsten Anteil gehabt habe. Sie ist bereits von W. F. Otto (Rh. Mus. LXIV 468) abgelehnt worden, und ich möchte hier meinen schon früher (o. Bd. VII S. 327, 37ff. 334, 56ff.; vgl. Cacus der Rinderdieb [Univ.-Progr. Basel 1911] 4) eingenommenen Standpunkt noch einmal dahin präzisieren, daß der Stoff der Sage vom Zweikampf und vom Schwestermord des H. nicht erst durch eine Tragödie eines Kunstdichters dem römischen Volke ,hingezaubert‘ (so Soltau Wochenschr. 1271 = Anfänge 108) sein kann, sondern bei ihm im Zeitalter der Punischen Kriege bereits erstarrt und allgemein als ein Stück der vaterländischen Geschichte anerkannt war. Was nach Livius (vgl. noch VIII 33, 8) und Dionysios (vgl. noch V 23, 3) an späteren Darstellungen und Erwähnungen der Sage erhalten ist, lehrt nichts für ihre Entwicklung, weil es nicht auf älteren Quellen beruht; vgl. Val. Max. VI 3, 6. VIII 1 abs. 1. Flor. I 1, 3, 3–6. Ampel. 20, 1. Auct. de vir. ill. 4, 5–10. Fest. 297. Augustin. civ. dei III 14. Schol. Bob. Mil. p. 277 Or. = 63f. Hildebr. [Plut.] parall. min. 16. Zonar. VII 6, auch Manil. I 778f. (vgl. velut acies Liv. I 25, 3). Appian. reg. 7 aus Suid. s. βλάσφημος (vgl. Liv. I 27, 1. Dionys. III 22, 1. Auct. de vir. ill. 4, 10). Serv. Aen. VIII 642.

Die antiken Autoren nennen eine Reihe von Denkmälern, die zu ihrer Zeit noch vorhanden waren, als Beweise für die Tatsächlichkeit ihrer Erzählung (s. o. S. 2319). Es gehören dazu erstens die Grabmäler der im Zweikampf gefallenen Männer, vgl. Liv. I 25, 14: sepulcra exstant, quo quisque loco cecidit, duo Romana uno loco propius Albam, tria Albana Romam versus, sed distantia locis, ut et pugnatum est (vgl. 26, 11. Dionys. III 22, 1: ταφὰς . . . τῶν ἀποθανόντων ἐν οἷς ἔπεσον χωρίοις); wenn Martial. ΙΙΙ 47, 3: Horatiorum qua viret sacer campus auf diese Örtlichkeit geht, so lag sie nicht weit vor der Porta Capena (vgl. auch CIL I² p. 55 Zu nr. I. Jordan-Hülsen Topogr. I 3, 218, 46). Zweitens gehört dazu das Grab der Horatia, vgl. Liv. I 26, 14: Horatiae sepulcrum, quo loco corruerat icta (also ante portam Capenam nach 2) constructum est saxo quadrato; Dionys. III 21, 8: οἱ παριόντες αὐτὴν ἐρριμένην ἐν ᾧ διεχρήσθη χωρίῳ λίθους ἐπιφοροῦντες καὶ γῆν ἐκήδευσαν κτλ. In beiden Fillen liegt die Vermutung nahe, daß namenlose, durch ihre Lage und ihre Gestalt auffallende Grabmäler mit den Helden der Sage in Verbindung gebracht worden, als diese schon vollständig ausgebildet war; noch in neueren Zeiten hat ja ein eigentümliches Grabmonument bei Albano den Namen der Curiatier und der Horatier im Volksmunde geführt An [2325] dem dritten Denkmal haftete der Name Pila Horatia anscheinend länger und fester, vgl. Liv. I 26, 10: spolia Curiatiorum fixa eo loco, qui nunc pila Horatia appellatur; 11: intra pomerium, ... inter illa pila et spolia hostium; Prop. III 3, 7 [s. o.]: cecinit... Horatia pila; Dionys. III 22, 9: ἡ γωνιαία στυλὶς ἡ τῆς ἑτέρας παστάδος ἄρχουσα ἐν ἀγορᾷ, ἐφ’ ἧς ἔκειτο τὰ σκῦλα τῶν Ἀλβανῶν τριδύμων. τὰ μὲν οὖν ὅπλα ἠφάνισται διὰ μῆκος χρόνου, τὴν δ’ ἐπίκλησιν ἡ στυλὶς ἔτι φυλάττει τὴν αὐτὴν Ὁρατία καλουμένη πίλα; Schol. Bob. Mil. p. 277 Or. = 63 Hildebr.: spolia Curiatiorum trina fixit loco celebri cui pilae Horatiae (oratio Hs.) nomen est. Demnach war in der Augustischen Zeit nicht mehr zu entscheiden, ob pila die Wurfspieße oder einen Pfeiler bedeutete, weil an der Stelle, an der der Name haftete, nichts mehr zu sehen war; als die Stelle selbst wurde dem Dionys entweder die Südostecke der Basilica Aemilia oder die Nordostecke der Basilica Iulia bezeichnet, und seitdem an den Langseiten des Forums die ersten derartigen Hallen errichtet worden waren, konnte in Ermanglung eines anderen hier sichtbaren Objekts ein solcher Pfeiler einer Halle als Pila Horatia in Anspruch genommen werden. Diese Umgestaltung des Forums erfolgte bei Lebzeiten des Ennius, und dieser hatte (nach Properz) pila noch nicht als Pfeiler verstanden. Die Auffassung der pila als Wurfspieße dürfte demnach die ältere sein; freilich wäre sie für ein Tropaion etwas merkwürdig – weshalb Livius das Bedürfnis empfindet, sie auch an der zweiten Stelle zu erläutern, – ist aber trotzdem denkbar. Da die Gens Horatia schon im 5. Jhdt. v. Chr. ausgestorben ist, kann sich in dem Namen die Erinnerung an ein sehr altes, lange vor dem Beginn der römischen Kunstliteratur verschwundenes Denkmal eines H. erhalten haben, dessen eigentliche Bedeutung den Späteren ebenso unbekannt war, wie etwa die der in griechischen Heiligtümern aufbewahrten ὀβελοί. Viertens gehörten zu den Monumenten, die das Andenken an den Schwestermord des Siegers über die Curiatier und an seine Entsühnung bis ins späte Altertum wach erhielten, die folgenden: nördlich vom Colosseum war eine enge Gasse von einem immer wieder erneuerten Balken überspannt, zu dessen beiden Seiten Altäre des Ianus Curiatius und der Iuno Sororia standen; der Balken hieß Tigillum Sororium, und hier wurden alljährlich am 1. Oktober Sühnopfer dargebracht, die ursprünglich der Gens Horatia obgelegen hatten. Über das Tigillum und den Gentilkult berichtet Liv. I 26, 12f., über alle drei Denkmäler, ihre Lage und die alljährliche Feier Dionys. III 22, 7–9, über die ganze Denkmälergruppe Fest. 297 (vgl. ep. 307) und Schol. Bob. Mil. p. 277 Or. = 64 Hildebr. und über das Tigillum Auct. de vir. ill. 4, 9; dazu kommen für die Lage die Regionsbeschreibung (Jordan Topogr. II 546, vgl. Jordan-Hülsen I 3, 322f.) und für das Opfer der Kalender (Fasti Arv. und Paul. CIL I 214. 242 vgl. 330). Es liegt also vor ein staatlicher Kult, zu dem die Gens Horatia verpflichtet war; dabei ein Sühnopfer und eine Reinigungszeremonie, bestehend in dem Durchgehen unter einem Jochbalken; die Bezeichnung dieses Balkens und der weiblichen Gottheit als sororius, und der Beiname Curiatius für [2326] die männliche Gottheit; – diese Monumente und Elemente einzeln und in ihrer Verbindung zu deuten, hat sich die religionsgeschichtliche Forschung wiederholt und eifrig bemüht (vgl. Wissowa Religion und Kultus der Römer² 104; außer den von ihm und den o. Bd. IV S. 1830f. genannten neueren Forschern s. z. B. auch v. Domaszewski Abb. zur röm. Religion [Leipzig 1909] 223. Boehm o. Nr. 1), und es ist hier nicht die Aufgabe, ihre Ergebnisse zu wiederholen und zu prüfen. Aber wenn auch alle gegebenen Tatsachen von Haus aus nichts mit der Erzählung von H. zu tun haben, so ist doch keineswegs deren ganze Entstehung aus ihnen zu erklären. Auch die neueste religionsgeschichtliche Untersuchung (W. F. Otto Rh. Mus. LXIV 468, vgl. Wien. Stud. XXXIV 321) kann nur sagen: ,Es gibt wenige Fälle, in denen die bekannten Kulttatsachen eine Legende oder deren Anknüpfung so leicht erklären wie hier‘; den Prozeß, durch den die ,Legende‘ aus diesen Wurzeln erwachsen sein müßte, kann sie nicht wieder gewinnen. Es wäre allerdings sehr einfach, wenn Soltaus Ansicht (s. o.) das Richtige getroffen hätte, und noch viel einfacher, wenn eine mit der römischen Erzählung auf das genaueste übereinstimmende griechische (bei [Plut.] par. min. 16, daraus Stob. ecl. XXXIX 32) nach Rom übertragen worden wäre; aber dieser Lesungsversuch C. Pascals (Rendiconti della Accad. dei Lincei 1896, 139ff., wohl unverändert in seinem mir unzugänglichen Buche Fatti e leggende di Roma antica, Florenz 1903) hat selbst bei Pais (Storia di Roma I 1, 302, vgl. auch De Sanctis Storia dei Romani I 28) keinen Beifall gefunden; das Verhältnis beider Erzählungen ist vielmehr das umgekehrte, die angeblich arkadische Tradition eine Fälschung nach dem Muster der römischen (vgl. schon Schwegler R. G. I 122f.). Die Sage von H. konnte sich an jene Monumentengruppe anlehnen und in Anknüpfung daran weiter entwickeln, aber sie konnte nicht lediglich daraus hervorgehen. Es zeugt von der klaren Unbefangenheit Schweglers, daß er, der im allgemeinen den Einfluß der aitiologischen Mythen in der römischen Tradition zuerst ins rechte Licht gesetzt hat, in der Besprechung dieses besonderen Beispiels die ganz verschiedenartigen anderen Teile der Sage allein berücksichtigt hat, die doch ebenfalls zu ihrem Kern und Wesen gehören, den Zweikampf und den Prozeß des H. Die Entscheidung eines Krieges zwischen zwei Völkern durch eine Art von Gottesurteil hat so viele Parallelen, daß sie sogar geschichtlich sein könnte (vgl. Schwegler I 586f.); die Kämpfergruppen symbolisieren nach der von Niebuhr (R. G. I 365 A. 871) aufgestellten und von Schwegler und von Mommsen (R. G. I 98) angenommenen Ansicht die verwandten Völker, von denen mindestens das römische als aus drei Stämmen entstanden gedacht wurde. Die durch Dionys. III 22, 10 bezeugte Existenz eines römischen Gesetzes, wodurch den Eltern von Drillingen eine staatliche Unterstützung gewährt wurde, mag ebenfalls zu der Entstehung der Sage beigetragen haben; dieses Gesetz ist gewiß durch einen bestimmten Fall der Geburt von männlichen Drillingen in alter Zeit veranlaßt worden, denn aus historischer Zeit kannte die unvollkommene römische [2327] Statistik keinen solchen (vgl. Plin. n. h. VII 33), obgleich sie häufiger sind, als gewöhnlich angenommen wird; vielleicht war der Fall in der Gens Horatia vorgekommen. Der Zweikampf der Drillinge hat seinen unverrückbar festen Platz der Tradition; zwar erscheint die Entscheidung zwischen Rom und Alba, die er herbeiführt, nicht als endgültig, sondern wird durch den Verrat des Mettius Fufetius wieder aufgehoben und erst durch dessen Tod und durch Albas Zerstörung besiegelt; indes nirgends findet sich eine Spur davon, daß etwa zwei verschiedene Erzählungen von der Entscheidung zwischen den beiden Völkern – durch das gewaltsame Ende der erlesenen Vorkämpfer der Albaner und durch das ihres Oberhauptes (vgl. über das Alter dieser Tradition z. B. o. Bd. VII S. 198) – anfangs nebeneinander hergegangen wären; das Ganze reicht also hoch hinauf. Der Prozeß des H. galt als Musterbeispiel für eine ganze Reihe von Fragen und Formen des römischen Rechtes, als ein typischer Fall der häuslichen Gerichtsbarkeit, des Duoviralprozesses, der Provokation und somit der Volkssouveränität; die Schuldfrage war auch in den Rhetorenschulen zu allen Zeiten ein beliebtes Thema für Controversien (vgl. Cic de inv. II 78f. Quintil. inst. or. III 6, 76. IV 2, 7. VII 4, 8. Martian. Capella V 455 p. 149, 16 Eyssenh. u. a.), und ohne Zweifel hat die römische Rechtswissenschaft seit ihren ersten Anfängen an diesem Teile der Horatiererzählung gearbeitet, sodaß die moderne Forschung wiederum daraus die Rechtsverhältnisse der historischen Zeit vielfach erschließen kann (vgl. Schwegler I 594ff. Mommsen Staatsr. und Strafr. an vielen Stellen). Aber welche bestimmten Tatsachen den ältesten juristischen Erörterungen zugrunde gelegen haben, ist nicht sicher zu ermitteln. Man könnte annehmen, daß einerseits der Erzählung vom Zweikampf, anderseits der vom Prozeß des H. gewisse Begebenheiten den Stoff boten, die miteinander nichts zu tun hatten, und daß dann die Verbindung zwischen ihnen hergestellt wurde durch die aitiologischen Mythen; aber wenn man so gerade diese Erzählung besonders leicht in ihre Elemente aufzulösen meint, so muß man wiederum gerade hier zugeben, wie enge Grenzen unserer Erkenntnis gezogen sind, weil der Werdegang des Ganzen, das aus so verschiedenartigen Bestandteilen erwachsen und dennoch einheitlich ist, vor dem Beginn schriftlicher Überlieferung zum Abschluß gekommen und daher unseren Blicken völlig entzogen ist.

Eine bildliche Darstellung der Drillinge H. vermutet Furtwängler in einer auf Gemmen wiederholt zu findenden Gruppe von drei gerüsteten und schreitenden Kriegern, von denen der mittelste die beiden anderen umschlingt (Die antiken Gemmen III 235, vgl. II 114f. zu Taf. XXIII 39. XXV 12).