Rosen-Monate heiliger Frauen/Lioba

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XLIX.
28. September.
Lioba,
Aebtissin von Bischofsheim.


 An dem heutigen Tage denkt die Kirche an zwei hochberühmte Frauen, an Eustochium und Lioba. Jene ist die Tochter und Nachfolgerin der heiligen Paula, von welcher wir unter dem 26. Januar erzählten. Ihr Leben ist den allgemeinen Grundzügen nach so völlig theils in das Leben der Mutter aufgegangen, theils ein Abglanz und Nachklang von diesem, daß wir nur wenig von ihr zu berichten haben. Dennoch aber kann man bei der Frage, ob Eustochium oder Lioba für uns anziehender und die Kenntnis ihres Lebenslaufes fördernder sei, sehr in die Wahl und in die Frage kommen. Der Brief, welchen wir unter dem Namen der Eustochium an Marcella besitzen, ist so besonders schön, und das Leben gottverlobter Frauen jener Tage tritt uns in demselben in seiner ganzen Eigenthümlichkeit| so kenntlich und faßlich vor die Augen, daß man sich angeregt fühlen kann, in einer Schrift, wie diese ist, von demselben nicht blos einen Auszug, sondern eine Uebersetzung mitzutheilen. Wenn nur damit nicht unsere Grenzen zu weit überschritten würden! So begnügen wir uns eben hier, der frommen Tochter Eustochium nur Erwähnung zu thun, und unter Hinweisung auf den Lebenslauf ihrer Mutter zu bemerken, daß sie dieselbe fünfzehn Jahre überlebte, die von ihr hinterlaßenen klösterlichen Anstalten leitete und dann ihrer Nichte, der jüngeren Paula Fürsorge und Arbeit für fernere Zeiten hinterließ. Eustochium war übrigens unter ihrem Geschlechte auch eine Gelehrte; sie erlernte unter dem Kirchenvater Hieronymus, ihrem Lehrer, das Ebräische so völlig, daß sich ihr die Pforten des alttestamentlichen Grundtextes aufthaten, und sie mit eigenen Augen lesen konnte, was der Geist zu Israel und der gesammten Kirche in der heiligen Sprache des alten Bundes geredet hat.
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 Auch die heilige Lioba war, um gleich bei diesem Umstande anzuknüpfen, eine hochgebildete Jungfrau. Unter den Briefen des heiligen Bonifacius, ihres Verwandten, findet sich einer, den sie noch aus| ihrer englischen Heimath an ihn schrieb. Sie wirbt in demselben um seine Gemeinschaft und drückt ihm schließlich ihre Wünsche in lateinischen Hexametern aus. Dies unterließen wohl die Töchter unserer Tage, und zwar nicht blos deshalb, weil die lateinische Sprache gegenwärtig nicht mehr im Brauche ist, sondern auch, weil zwischen dem leidlichen Gebrauch einer Sprache im täglichen Leben und der Anwendung derselben zu poetischen Erzeugnissen noch ein großer Unterschied ist. Aus dem Briefe, den Lioba geschrieben, sieht man, daß sie die einzige Tochter ihrer Eltern war, und überhaupt das einzige Kind derselben, daher sie so sehnlich wünschte, in ihrem Verwandten Bonifacius einen Bruder zu finden. Sie war aus adelichem angelsächsischen Geschlechte. Ihr Vater hieß Tinne, und ihre Mutter Ebba. Ihre Mutter gebar sie nach langer Unfruchtbarkeit, und widmete dann alsbald das Kind dem HErrn, ihrem Gott. Als Lioba einigermaßen herangewachsen war, brachte man sie in das Kloster Winburn, welchem Tetta oder Tatta, die Schwester des angelsächsischen Königs, eine von Bonifatius hochgeachtete Jungfrau, vorstand. An diese, seine Muhme, wendete sich Bonifacius späterhin und bat, daß ihm Lioba und einige| andere ihrer Klosterfrauen nach Deutschland geschickt würden, um ihm sein volles Netz ziehen zu helfen und Bildungsstätten für das weibliche Geschlecht zu gründen. Tetta willfahrte, obschon nicht sehr leichten Herzens, sonderlich was Lioba betraf, von der sie so sehr hoch hielt. Doch geschah es, und Lioba kam also mit anderen um das Jahr 748 in Deutschland an und wurde Aebtissin zu Bischofsheim an der Tauber. In dieser neuen Stellung entfaltete die Jungfrau große Gaben und wurde ein Mittelpunkt einer großen Anzahl von Jungfrauen, die sich um sie sammelten. Von Bischofsheim aus gründete sie noch mehrere Klöster und versah sie mit Bewohnerinnen aus ihrem Mutterhause. Nach langer reichgesegneter Arbeit zog sie sich zurück, um für ihre Seele zu sorgen, obwohl es ihr schwer geworden sein mag, sich allen den Beziehungen zu entringen, in die sie bei ihrer großen Wirksamkeit zu vielen Menschen gekommen war. Hildegard, die Gemahlin Karls, welcher später mit Recht der Große zubenannt wurde, hätte gern mit ihr in einer dauernden Gemeinschaft gelebt, und zog sie deshalb nach Aachen; allein Lioba wollte nicht von ihrem inneren Leben abgezogen, und in demselben nicht gestört werden, weshalb sie allen| Bitten Hildegards widerstand und in eines ihrer Klöster, Schornsheim bei Mainz, zurückkehrte, woselbst sie 779 nach Christo starb. –

 Wenn man nach den Wohlthätern des Vaterlandes fragt, so werden diejenigen vor allen genannt werden müßen, die unser Volk zu Christo wiesen. Unter diesen aber steht Lioba wie ein leuchtender Stern; sie ist gar wohl werth, daß am heutigen Tage die Töchter des Landes ihrer gedenken, gleichviel ob die Gegend von Bischofsheim und verwandte ihnen nahe und bekannt sind, oder nicht. Es werden an jenem großen Tage viele damals lebende deutsche, insonderheit fränkische Frauen, auftreten und Gott für den Segen preisen, den sie durch Lioba gefunden.




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