Rosen-Monate heiliger Frauen/Potamiäna

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XXX.
28. Juni.
Potamiäna.


 Ueber das Leiden der heiligen Potamiäna haben wir aus dem frühen Alterthum eine doppelte Erzählung, und zwar die eine von dem Kirchengeschichtschreiber Eusebius, die andere von Palladius. Beide weichen von einander nur unbedeutend ab und stimmen so sehr zusammen, daß ihr Zusammenklang die Wahrheit der Geschichte nur desto mehr bestätigt. – Potamiäna ist eine Jungfrau von Alexandrien, deren Sieges- und Triumphzug aus der Zeit in die ewige Heimath, wie wir das öfters finden, kein einsamer ist. Ihre Mutter Marcella leidet gleichzeitig mit ihr den Tod der Blutzeuginnen Jesu, und dicht hinter ihr, durch ihre Erscheinung gezogen, kommt zu der gleichen Glorie der Kriegsmann Basilides, welcher sie zum Tode geführt hatte. Ueberhaupt erzählt die alte Zeit von den Tagen der schweren Verfolgung, in welche der| Heimgang der seligen Potamiäna fällt, viel von Erscheinungen und Gesichten heimgegangener Märtyrer, und so finden wir denn auch Potamiäna noch nach ihrem Abschied aus diesem Leben durch Erscheinungen thätig, welche man von ihr in der Zeit gehabt. Leuchtend geht sie aus dem Leben, Licht läßt sie zurück auf ihrer Spur, und Licht wirkt sie hinter sich her in denen, die ihr nachfolgen.
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 Potamiäna war eine Sclavin, aber von ihrer Mutter Marcella sorgfältig erzogen und ausgebildet für Christum; die Saat der Mutter gedieh und reifte später unter dem vollendenden Unterrichte des großen Kirchenlehrers Origenes. Die Seele Potamiäna’s glänzte von einer höheren Schönheit und verlieh der auffallenden leiblichen Wohlgestalt der blühenden Jungfrau desto mehr Anmuth und Reiz. Der Herr, dem sie gehörte, begehrte von ihr Schändliches, wie er denn ein der sinnlichen Leidenschaft zügellos dienender Mann war. Potamiäna aber war nicht zu betrügen, noch zu gewinnen. Deshalb übergab sie ihr Herr als Christin dem Statthalter Aquila, noch nicht in der Absicht, sie zum Lohn ihrer Sprödigkeit ums Leben zu bringen, sondern im Gegentheil mit dem ausdrücklichen| Erbieten an Aquila, ihm Geldes genug geben zu wollen, wenn er es durch Vorstellungen oder Strenge dahin brächte, daß sich die Sclavin dem Willen ihres Besitzers fügte. Doch setzte er allerdings gleich anfangs hinzu, wenn sie von ihrem harten Sinn nicht ließe, so sollte Aquila mit ihr nach der Strenge der Gesetze verfahren. Aquila war jedoch Potamiäna gegenüber nicht glücklicher, als ihr Herr. Ihr Christus und ihre jungfräuliche Ehre blieben ungetrennt zusammen; sie wußte, daß sie in ihrem Falle von beiden keines ohne das andere besitzen konnte, und begehrte daher keine Schonung ihres Lebens um den Preiß, das Edelste hinzugeben, was eine Jüngerin Jesu unter den irdischen Gütern besitzt. Da gieng es ihr denn, wie andern, sie wurde gemartert und gefoltert.
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 Der Schmerz des Leibes machte die Standhaftigkeit ihrer Seele nicht träger. Da alles nicht zum Ziele führte, so schritt der Richter zu einem Mittel, welches grausamer als die vorigen war. Man füllte einen großen Kessel mit Pech und brachte dieses durch ein heftiges Feuer zum Sieden. Als nun der Kessel brodelnd und dampfend vor den Augen der Jungfrau stand, wandte sich der Richter zu Potamiäna und sagte: „Geh und| sei deinem Herrn zu Willen, oder ich laße dich in den Kessel werfen, damit du Verstand bekommst.“ Die Jungfrau antwortete: „Das sei ferne, daß ein Richter so ungerecht wäre, mir zu befehlen, daß ich dem Laster und den bösen Lüsten eines Menschen diene.“ Auf diese Rede hieß Aquila die Jungfrau ausziehen und in den Kessel werfen. Sie aber rief alsbald: „Beim Haupt des Kaisers, den du fürchtest, hast du wirklich beschloßen, mich auf diese Weise hinzurichten, so laß mich nur nicht ausziehen, sondern laß mich allmählich und nach und nach in das siedende Pech versenken, damit du siehst, was für eine Geduld mir Christus, den du nicht kennst, geschenkt hat.“ So geschah ihr’s denn auch, wie sie wollte, und sie gab ihren Geist auf, als ihr das Pech bis an den Hals gekommen war, was jedoch so langsam gieng, daß nach der einen Darstellung drei Stunden darüber vergiengen, nach der andern aber eine.
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 Es ist schon erwähnt, daß der Soldat, der sie zum Tode führte, Basilides hieß. Dieser wehrte ihr auf ihrem Todeswege alle Ungebühr des Pöbels ab und behandelte sie mit wohlwollender Aufmerksamkeit, wofür ihm die Märtyrin verhieß, sie würde nach ihrem| Leiden ihren Erlöser bitten, daß er die Schonung und Mildigkeit des Basilides in Gnaden ansehen und ihm dafür das Heil gewähren möchte. Es währte auch nicht lange, da forderten die Waffengenoßen bei einer Gelegenheit den Basilides zu einem Eide bei den Göttern auf. Dieser aber versicherte sie, daß er bei den Göttern nicht mehr schwören könne, denn er sei ein Christ. Zuerst glaubten die Gefährten, Basilides scherze; als sich aber der volle Ernst seiner Aeußerung herausstellte, führte man ihn vor den Statthalter, der ihn in den Kerker werfen ließ, wo er zuerst getauft wurde und hernach den Schwertstreich zum Tode empfieng. Als Ursache seiner Standhaftigkeit und Freudigkeit zum Tode gab er eine Erscheinung Potamiäna’s in der Nacht drei Tage nach ihrem Tode an: „sie habe ihm da eine Krone aufs Haupt gesetzt und ihm gesagt, Christus habe sich sein erbarmt und werde ihn in kurzem mit ihr in der ewigen Freude vereinigen.“ Nach der Erzählung des Eusebius wandten sich damals in Alexandrien auch viele andere unvermuthet dem Glauben zu, weil ihnen Potamiäna erschienen wäre und sie zur Annahme des göttlichen Wortes ermuntert hätte.
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|  Es ist in dem Leidensgang der Märtyrer jener Zeiten viel Uebereinstimmendes und Aehnliches, man könnte sagen, Monotones, und die vorhandenen Verschiedenheiten machen daher auf den durch lange Zeiten von den Märtyrern geschiedenen Leser zuweilen nicht den Eindruck, den sie nach Gottes Willen ohne Zweifel machen sollten. Und doch ist es auch wieder wahr, daß eine scharfe Betonung aller einzelnen Umstände dem erbauungsuchenden Leser große Dienste leisten und dazu helfen kann, die Gemüther immer mehr mit Liebe und Lust zu dem HErrn zu entzünden, der eine solche Menge von Knechten und Mägden hat, an deren Leiden und Siegen man merken kann, wie viel mächtiger der Geist ist als der Leib, und wie es gar wohl möglich ist, daß eine Seele Herrin werde über das gesammte leibliche Leben, und nicht nach dem Fühlen, sondern nach dem Zuge einer wunderbaren Liebe ihren Weg durchs Leben nehme bis in den Tod.




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