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Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die Seele in der Helle

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Das Spiel von den zehn Jungfrauen Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Die verfluchte Jungfer
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[205]
108.
Die Seele in der Helle.

Friedrich der freudige war siebenundsechzig Jahre alt geworden, als er das zeitliche segnete, und im St. Katharinenkloster begraben wurde. Er hinterließ nur einen Sohn, auch Friedrich geheißen, den die Geschichte später den ernsthaften nannte, und jene Tochter Elisabeth, die der Vater in der Nacht von der Wartburg gen Schloß Tenneberg brachte, und die sich hernachmals mit dem Enkel Sophia’s von Brabant, dem Urenkel der heiligen Elisabeth, Heinrich II. von Hessen vermählte. Noch stand der alte Glaube unerschüttert, und die Lehre vom Fegefeuer, von [206] Orten sündenabbüßender Qualen, die aus grauen Zeiten her in dieser Gegend ganz besonders als vorhanden geglaubt wurden, hatte noch volle Geltung. Jedem der aus den Fenstern des Wartburgpalastes nordostwärts blickte, stand des Hörseelenberges oft majestätisch grauenvoll erscheinende Sarggestalt vor Augen, und die Kunden vom büßenden Todtenheere unter Frau Holle’s Führung, von der in Flammen sich läuternden Seele des Gemahles der Königin Reinschwig, von der aus Gluthen emportauchenden Seele des eisernen Landgrafen waren noch keineswegs vergessen. Daher regte sich im Gemüthe des Sohnes Friedrichs des freudigen derselbe Wunsch, den Ludwig der Milde empfunden und nachgegeben hatte, es verlangte ihn zu erfahren, wie es um seines Vaters Seele stehe. Da berief der Landgraf einen Meister der schwarzen Kunst, und dieser offenbarte ihm, daß seines Vaters Seele im Fegefeuer Pein leide in dem Grunde hinter der Wartburg unter dem hintersten Thurme. Sonach verlegte die alte Sage den Fegefeuerort unmittelbar in die Nähe der Wartburg, und just seitab von der hintern Seite derselben zieht sich der grüne Grund, welcher noch heute das Hellthal heißt, hinab bis an die sogenannten Thränenteiche. Bei vielen bedeutenden Burgen aber findet sich die schaurigste Stelle hinter dem schroffsten Mauerabhang „die Hölle“ geheißen, so unter andern beim Kynast. Im Mittelalter schrieb man niemals Hölle, sondern stets Helle, hergeleitet vom Begriffe eines flammenden Feuers, und ebenso war der Begriff vom letztern und dem der Hölle identisch, daher hatte der Teufel allerlei damit zusammenhängende Namen, als Hellebock, Helljäger, Hellemohr, Hellrabe, Helledrache, Hellrüde (Höllenhund), Hellewolf, Hellewirth, Hellewurm u. a. [207] Und so reicht in die Geschichtssagen von der Wartburg immer wieder der Dämonenmythus herein, der in eigenthümlicher Weise sich innerhalb dieses bergigen Gebietes seßhaft gemacht hatte, und noch in mehr als einer Sage wiederkehrt.