Topographia Sueviae: Dinggelspül

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Topographia Germaniae
Dinggelspül (heute: Dinkelsbühl)
<<<Vorheriger
Dillingen
Nächster>>>
Dornbieren
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1643, S. 57–60.
Dinkelsbühl in Wikisource
Dinkelsbühl in der Wikipedia
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du unter Hilfe
Link zur Indexseite


[57]
Dinggelspül / Dinckelsbühel / Dinckelsbûhla, Dinccelsbyehla.

Diß ist ein alte freye Käyserliche Reichs-Statt in Schwaben / an der Wernitz / oder Bernico, so sie mit zwey Aerm / gegen Mittag / vnd Auffgang / berinnet / gelegen. Vnnd wirdt die Landtschafft hierumb von Theils Viragrundium, Virgunum, Viragrund / vnd Virngrund; Von andern Fiechten / oder Feichtengrund / vnnd Firengrund genandt / weiln vor Zeiten ein grosser Dannenwald / bey sieben MeilWegs lang / daherumb gestanden / den man den Firengrund genandt haben solle. Vnd wirdt von jhnen dieses Landleins Breyte von Dinckelspühel biß an den Wald / die Host genandt / vnd die Länge von dem Schloß Baldern / biß an das Schloß Tannenberg / gerechnet. Andere / die von dem Nahmen Virngrund / heutiges Tags gar nichts wissen wollen / nennen diesen Theil deß SchwabenLands / dz Jagst-Ländlein. [58] Es hat aber diese Statt jhren Namen vnd Vrsprung empfangen / von einem Hoff / der Dinggelhoff genandt / vnnd den dreyen Dinckelbüheln / so anjetzo in der Statt ligen / daher sie zu Latein Tricollis, Zeacollis, oder Zeapolis, von dem Dinckel / vnnd den Büheln / auff welchen solche Frucht gewachsen / genandt worden. Wie dann die Statt noch heutiges Tags / neben dem Reichs-Adler / drey Bühel / oder Berglein / auff welchem ein vergüldt DinggelEher stehet / im Wappen führet / die Fruchtbarkeit dieser Gegend / vnd der Statt Vrsprung damit anzuzeigen. Dann der Bawer / so auff dem gemelten Hoff gewohnet / solle die von Würtzburg durchreysende Mönch offt beherbergt / vnd jhnen endlich den Hoff gar geschencket haben / die dahin ein Kloster erbawet / bey welchem folgends die Statt allgemach aufkommen: Daher auf dem Carmeliten Kloster allhie / so / wie gesagt / älter / als die Statt ist / vnd Käyserliche Freyheiten hat / ein steinern Bild eines Bäwerleins gestanden / so erst kurtz vor der Nördlinger Schlacht / durch die Schwedische / so damals die Statt innen hatten / herunter geschossen worden seyn solle. Es seyn noch von solchem Vrsprung Lateinische Verß vorhanden / so also lauten:

Villicus agrestis primus cui pinguia Zeae
Jugera venturae nescius Urbis erat.
Turritos ubi nunc spectas exsurgere muros
Heic illi Cereris dona ferebat ager.
Nam postquam invaluere Homines, & turba Potentum.
Non voluit mores simplicis Agricolae.
Sic periit sua villa, suum rus, flumina, sylvae;
Quaeq, unus tenuit, nunc ea Mille tenent.

Vmb das Jar Christi 928. bey Regierung Käyser Heinrichs deß Ersten / als wegen der Vngarn / vnd Wenden / offtern Ein- vnd Vberfall / man hin vnd wider im Teutschland Stätte gebawet: Ist auch dises Oppidum Villicum, wie es in dem alten Secret Insigel genant wird / mit einfachen Mauren zu vmbgeben angefangen worden / darauß hernach vmbs Jahr Christi 1126. doppelte / neben den Wällen / vnd gefütterten Gräben / vnd zugleich diser Ort mit 24. in einer schönen proportionirten Ordnung darzwischen stehenden Hauptthürn / bevestiget / vnd außgebawet worden. Vnd ist diese Statt / deren Inwohner man etwan Noricos, vnd Protofrancones, weil sie dem Nordgäw / vnd dem Ost-Franckenland nahend gesessen / genandt / vor Zeiten / mit der Statt Hall / der Schwaben Vormawer wider die Francken / gleich wie Rotenburg 5 Meilen von hinnen gelegen / der Francken wider die Schwaben / gewesen. An. 1351. ist diese Statt / vom Käyser / H. Ludwigen / vnd H. Friederichen / Grafen zu Oettingen / Landgrafen im Elsaß / vmb sibentausend zweyhundert Pfund Heller versetzt worden / die sich aber hernach selber wider gelößt hat. An. 1387. ist allhie zwischen dem Rath / vnd der Gemeind / eine Empörung entstanden / darauff man auß den 6. Zünfften 12. Mann in den Rath genommen / dz mit den Zwölffen / deß Raths nun 24. Personen worden / darunter 2. Burgermeister gewesen / so miteinander ein Jar regirt / nämlich / einer deß Raths / vnd ein Zunfftmeister, welches auch bey andern ämptern also / biß auffs Jahr 1552. gehalten worden / da den 2. Janu. Käyser Carolus V. durch dero geordnete Commissarien / H. Heinrich Hasen / Wolffen von Velberg / Amptmann zu Crailsheim / vnd Christoffen von Knöringen / Stattvogt zu Elwangen / die Zünfften abthun / vnd den Rath ändern lassen; welche 3. Rathsherren / vnd 6. Zunfftmeister außgesetzt / vnd nur 15. Personen die Regirung anbefohlen; darneben wurden auch in den grossen Rath 25. Personen verordnet / vnter denen 12. Bawrenrichter / vnd 8. Viertelmeister / noch heutiges Tags seyn. Vnnd muß man der Zeit Burgermeister vnd Rath diser Statt / vor jrem Reichs- oder Statt Ammann / verklagen; der so dann selbsten 4. Geschworne Rathsfreund von Nördlingen / Rotenburg an der Tauber / Schwäbischen Hall / vnd Thonawwerth / auß jeder Statt (Theils wollen auch von Schwäbischen Gmünd) Einen / als Beysitzer / vnnd Rechtsprecher zu sich ziehet / vnnd ist jhr der Statt monatlich einfacher Anschlag zum Römerzug zweyhundert

[T20]

[59] vnd acht Gülden. Wolgedachter kleiner Rath / ist der Römisch-Catholischen Religion zugethan: In den Grossen aber werden auch der Augspurgischen Confessions-Verwandte genommen; wie dann die Bürgerschafft guten Theils Evangelisch ist / 2. Prediger / vnnd jhrer Religion Exercitium in der SpitalKirchen allhie hat; welche jhr Anno 1567. auß Käysers Maximiliani deß Andern / Befelch / wider eröffnet / vnnd eyngeraumbt / als sie zuvor auß der Pfarr- vnd hernach auch auß der besagten deß reichen Statt-SpitalsKirchen vertrieben / vnd deß offentlichen Exercitii jhrer Religion / eylff gantzer Jahr (nur zween Tag weniger) ist entsetzt worden. Vnd nach dem es noch etwas Streits zwischen dem Rath / vnnd der Burgerschafft geben / so hat Herr Georg Ludwig von Seinßheim / damaln Fränckischer Craiß-Obrister / denselben Anno 1570. völlig verglichen.

In dem Schmalkaldischen / wie auch in dem jetzigen Teutschen Krieg / hat diese Statt auch wol etwas erlitten. Weiln sie aber an einem bequemen Ort / vnd in der Nachbarschafft vieler Reichs- vnnd FürstenStätte gelegen / möchte sie sich wider fein nach vnnd nach erholen können wie es dann allda gleichsamb eine Creutzstrassen durch das Teutsch-Land; vor dem Krieg ein zimliches Gewerb / vnd grossen Wochenmarckt an den Mitwochen / vnd so viel Teich vnd Weyher vmb die Statt / als Tag im Jahr seyn / gehabt hat. Vnd gibt besagtes Wasser / die Wernitz / so vnterhalb SchillingsFürst entspringet / vnd zu Schwäbischen Werth in die Thonaw fliesset / allerhandt gute Fisch dar / als Karpffen / Hecht / Braxen / weiß- vnd gantz rote Orphen: (Dergleichen anderswo nicht bald zu finden; die auch in andern Wassern nit leichtlich gut thun:) Item / Schlein / Bersich / Grundeln / vnd Krebs / etc. sampt einer grossen Menge Storchen / die inn- vnnd von ermelten Weyhern / jhre Nahrung haben. Vmb die Statt herumb hat es einen guten fruchtbaren Boden / von leichten vnnd schwären Früchten / nämlich / Weytzen / Korn / Dinggel / Gersten vnd Habern; etc. auch ein feine Viehweyd; daher man zu FriedensZeiten das Dinckelspühler Schmaltz weit verführet. Seyn auch vor diesem viel Creutzkäß vmb diese Statt gemacht worden / vnnd zimlich weit kommen. Man macht auch allhie einen trefflichen Meth / so vor andern den Ruhm hat. Darneben gibt es allda allerhand Handelsleut vnd Handwercker / vnd vnter denselben sonderlich Tuchmacher / Lodenweber / Sichelschmid / vnd Strümpffstricker / so jhre Verläger haben / welche die gestrickte Winterwahren / Loden / Tuch / etc. vnd sonderlich die gute zahnte / oder zainte Sichel / hin vnd wider / vnd fürnemlich ins Schweitzerland / vnd den Odenwald / verschicken. Es ist / neben obgemeldtem Carmeliten Kloster (so vor mehr / dann 200. Jahren / mit sampt den alten Monumenten / vnd der Biblioteck / verbronnen / vnd damals weit anders / als jetzo gewest ist;) Item / dem Capuciner Kloster / An. 1622. an einem sehr lustigen Ort gestifftet / vnd gebawet; vnd besagtem Spital / insonderheit allhie die Pfarr- vnd HauptKirchen zu S. Georgen / zu sehen / so ein fürtrefflich vnnd künstliches Gebäw / auß lauter Quaderstücken auffgeführt; hat 3. Gewölb einer Höhe / jedes 65. Schuh hoch / so auff 24. herrlich grossen / vnd schönen Säulen ruhen. Der Circul zu dem Gewölb / hat 22. Schuh: vnd gehen die Einfang im Mittelwerck / vnd die Abseiten zugleich / eins mit dem andern / in einer Höhe in dasselbige gebogen / vnnd seyn alle Schloßstein getheilet. Anno 1448. ist der erste Stein daran gelegt / vnd der gantze Baw durch die Kunstreiche Meister Niclaß Ellern / vnd seinen Sohn / gleichen Nahmens / glücklich An. 1494. vollendet worden. Was sonsten allhie zu besichtigen / das erhellet auß beygesetztem der Statt Conterfait. Munsterus in Cosm. Crus. in Annal. Suev. Reusnerus de Urbib. Imperii, Dresserus in Urbib. Germaniae, Tras. Lepta de vita & rebus gestis G. Lud. à Seinsheim, Besold. in Thes. pract. verb. Außträg / p. 76. Autor von den Reichsvogteyen p. 137 seq. Acta Publ. Relat. vnd H. Georg Bernhard Abelin / etc. Summarische Beschreibung diser Statt / etc. Ihr Reichs: vnd Craiß Anschlag ist monatlich / einfach 208. Gulden / vnd nach dem erhöchten Anschlag / zu Vnterhaltung deß Cammergerichts / jährlich 183 Gulden / vor Jahren nur 110. Gulden. Vnd ist der Thaler für [60] 69. Kreutzer zu rechnen. In einer geschriebenen Verzeichnuß hab ich gelesen 138. Gulden 21. Kreutzer 3. Heller / wird aber vielleicht verschrieben worden seyn. Die Pfarr- vnnd HauptKirchen hat einen Catholischen Dechand / gleich wie das Carmeliten Closter einen Prior: Ist auch ein Teutscher Hoff allhie. Anno 1645. den 17. 27. Aprilis / Abends zwischen 5. vnd 6. Vhren / hat man vor dem Segeringer Thor / die Sonnen gantz blutroth gesehen / daß auch auß derselben ein vnzahlbare Meng blaw / schwartz / vnd fewrige Kugeln / wie Granaten / gefahren / die sich hin vnnd wider vertheilt / viel vber / vnnd in diese Statt / in der Gegend deß weissen Thurns / gefahren seyn. Hernach den 9. 19. Julij / ist die Statt voller kleiner weissen Vögel geflogen / welche / ohne daß sie Flügel gehabt / vnd etwas grösser gewesen / den Omeissen gleich gesehen. Darauf ist / den 20. 30. diß der Chur-Bäyrisch Obrist Creutz allher kommen. Den 10. 20. Augusti aber / nach der Allerheimischen Schlacht / haben die Frantzosen die Statt beschossen / vnnd den 14. 24. diß / mit schlechtem Accord einbekommen: Die gleichwol den 9. 19. Novembr. dieses Jahrs / die ChurBäyrischen wider mit Accord erobert haben. Anno 46. kam die Statt in Schwedischen Gewalt / vnd muste Herrn Anthoni Dieterichen / Freyherren von Kettler / Herrn zu Heringen / Obristen / als OberCommendanten / mit dritthalb Regimentern Schwedischen Volcks / einnehmen. Anno 47. vmb die Zeit der Belägerung Memmingen / haben sie / die Schwedischen / die Statt selber verlassen; da es dann nicht gar ohne Plünderung zugangen. Sonderlich sollen die Juden gantz geplündert worden seyn / den 9. 19. Octob. wie in dem tomo 6. Theatri Europaei stehet. An. 48. den 11. 21. April / ist Dünckelspühel wider auf Discretion / oder Gnad / vnnd Vngnad / an die Schwedischen vbergangen. An. 49. seyn der beyden Außschreibenden Herren Craißfürsten / Costantz / vnd Würtenberg / subdelegirte Commissarien / hieher kommen / die Execution / Vermög deß General-Friedenschlusses / auch allhie fürzunehmen; daß also nunmehr auch mit dem Rath allda ein andere Bewantnuß / als vor diesem / der Religion halber / hat / von dem Einer berichtet / daß es allhie einen Innern / Grossen / vnd Eussern Rath habe.

Es ligt das Dörfflein oder Weyler NewenStättlein ein Viertel Stundt / vnnd das Dorff Jagstzell / drey Stundt von der Statt.