Ueber eine neue Art von regelmäßiger Zusammensetzung am Dolomit

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Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 9, Seite 153–158
Wilhelm von Haidinger
Ueber eine neue Art von regelmäßiger Zusammensetzung am Dolomit
Dolomit (Mineral)
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XVI. Ueber eine neue Art von regelmäßiger Zusammensetzung am Dolomit; von Demselben.

Die interessanten Suiten der Mineraliensammlung der K. K. Hofkammer im Münz- und Bergwesen wurden kürzlich durch ein Stück des Zillerthaler Spargelsteins vermehrt, welches der K. K. Hofrath und Director J. Stadler von Hall eingesandt hatte.

Zugleich mit dem Spargelstein in den bekannten rundlichen Massen sind eben so gestaltete, aber vollkommen theilbare große Individuen eines blaß nelkenbraunen, ziemlich durchsichtigen Dolomits in dem grünen Talk eingewachsen, so wie auch theilbare Parthien eines weißen Cölestins.

Ein abgebrochenes Stück Dolomit, plattenförmig, etwa eine halbe Linie dick, zwischen zwei Theilungsflächen eingeschlossen, zeigte, gegen das Licht gehalten, eine Aufeinanderfolge paralleler bandartiger Streifen in der Richtung der geneigten oder kleinen Diagonale des Rhomboëders R = 106° 15′, von den allerschönsten grünen, rothen, blauen Farben. Sie rühren von einer besonderen Art regelmäßiger Zusammensetzung her.

An dem isländischen Doppelspathe hatte man längst in den durchsichtigsten Stücken manchmal Blättchen bemerkt, welche so dünn sind, daß sie die Farben der dünnen Blättchen oder Farbenringe reflectiren. Vorzüglich bei den optischen Untersuchungen waren sie aufgefallen. Aber ihre Durchschnitte mit den Theilungsflächen am Kalkspathe sind, wie A, B, C, D, Taf. II Fig. 27, theils den Kanten, theils den längeren oder horizontalen Diagonalen der Rhomben parallel; denn die Blättchen selbst sind nichts anderes als Resultate der [154] Zwillingskrystallisation, indem man sich ihre Lage vollkommen erklären kann, wenn angenommen wird, daß das zwischen zwei Flächen enthaltene Stück gegen die angränzenden Theile des Rhomboëders eine um 180° verschiedene Lage habe in Beziehung auf eine Axe, welche senkrecht auf diesen Blättchen steht. Auch kann man den Winkel an den zwei Linien zwischen B und C, oben 143° 44′ ausspringend, unten = 180° + 36° 16′ einspringend beobachten. Am deutlichsten erscheint die Lage eines solchen Blättchens FGBC dargestellt in dem Hauptschnitte, Taf. II Fig. 28.

Ganz verschieden ist die Lage der Zwillingsblättchen am Dolomit. Die Beobachtung ist in Fig. 29 Taf. II möglichst nach den natürlichen Größenverhältnissen gegeben. Das Rhomboëder der Theilbarkeit von 106° 15′ ist zwischen R und der Gegenfläche ganz dünn. In Fig. 30 Taf. II ist das Rhomboëder zur vollständigen Symmetrie ergänzt, so daß die Durchschnitte mit der ihnen eigenthümlichen Lage erscheinen. Sie sind bei zwei benachbarten Flächen, AB und BC, parallel den geneigten Diagonalen. Die verbindende Linie AC ist der unteren horizontalen Diagonale in Fig. 30 parallel, in Fig. 29 übereinstimmend mit DC, während AD der Diagonale BC parallel wird.

Aus der Betrachtung der Figur ist augenscheinlich, daß die Zusammensetzungsfläche parallel seyn muß einer Fläche des nächst schärferen Rhomboëders der Hauptreihe oder 2 R′. Eine dickere Lage ist in Fig. 31 Taf. II gezeichnet. Nach dem allgemeinen Gesetze der Zwillingsbildung ist der Winkel ADE = CDE, ferner HED = FED, und gleichartiges berührt sich in den Zusammensetzungsflächen, daher die dünnen Blättchen schmale Flächen zwischen parallelen Kanten zeigen. Von den Flächen R, R′, R″ ausgehend, trifft man auf einspringende Winkel, von den Abschnitten gegen die Ecke N zu auf ausspringende. Die Winkel bei BA und BC [155] sind gleich der doppelten Neigung von R gegen 2 R′ und ihrem Supplement zu 360°, also = 2 (129° 48′) = 180 + 79° 36′ und 100° 24′, die Winkel bei AC, Fig. 30 Taf. II, bestehen aus Theilen der Hauptschnittswinkel von R und 2 R′, nämlich BHM, Fig. 31 Taf. II, = 43° 52′ für R und AHM = 62° 30′ für 2 R′, zusammen = 106° 22′ und 180° + 73° 38′.

Die zwei regelmäßig zusammengesetzten Individuen schließen am Kalkspath mit ihren Axen den doppelten Winkel GIH, Fig. 28 Taf. II, = 45° 23′, also 90° 46′ und 89° 14′ ein.

Am Dolomit ist dieser Winkel doppelt so groß als HAM, Fig. 31 Taf. II, = 27° 29′, also der Neigungswinkel der Axen = 54° 58′ und 125° 2′.

Beim Kalkspathe bemerkt man durch die Fläche R, durch das Blättchen ABCD, und die der R gegenüberliegende, bei recht klaren Stücken nebst den zwei Hauptbildern, z. B. einer schwarzen Linie, die der horizontalen Diagonale des Rhomboëders parallel ist, noch andere schwache Bilder. Das Phänomen wird deutlicher und glänzender, wenn man durch ein vor das Auge gehaltenes Stück Doppelspath ein Kerzenlicht so betrachtet, daß die Länge der Flamme dieser Diagonale parallel ist. Die zwei Hauptbilder, in zwei senkrecht auf einander stehenden Richtungen polarisirt, wie man leicht durch eine Turmalinplatte untersuchen kann, mit welcher man das in’s Auge gelangende Licht auffängt, bleiben immer gleichweit von einander entfernt, so daß sie bei einiger Entfernung des Lichtes vom Beobachter, der das Kalkspathrhomboëder noch immer an das Auge hält, sich beinahe decken. Das Bilderpaar ist auf jeder Seite, senkrecht gegen die Kanten, welche der Durchschnitt der Flächen R mit den Zwillingsblättchen ½ R′ hervorbringt, von einem Bilde begleitet. Die Seitenbilder sind schwächer als die Hauptbilder, aber wie diese, also entgegengesetzt polarisirt; sie entfernen sich von einander bei [156] größerer Entfernung der Lichtflamme, und sind auf der inneren Seite mit den rothen und gelben, auf der äußeren mit den grünen und blauen Rändern eingefaßt. Sieht man in der Richtung ziemlich senkrecht auf ½ R′, so stehen die Bilder am nächsten und sind ungefärbt; die lebhaftesten Farben erscheinen, und die Bilder entfernen sich zugleich am meisten, wenn man in der Richtung senkrecht auf die Axe des Rhomboëders hinsieht. Die Farben der Säume gehen durch die umgekehrten Nüancen wieder in die zuerst beobachteten.

Die Erscheinung der Bilder beruht darauf, daß ein Strahl ursprünglich in zwei entgegengesetzt polarisirte gebrochen, bei dem Zwillingsblättchen wieder zum Theil depolarisirt wird, wodurch in dem zweiten Prisma aus einer Fläche von ½ R′ und der entgegengesetzten Fläche von R bestehend, eine zweite doppelte Brechnung, und also überhaupt Sonderung des einen Strahles in vier Bilder möglich ist.

Betrachtet man eine Kerzenflamme durch Kalkspathrhomboëder, die Zwillingsblättchen in zwei oder in allen drei Richtungen enthalten, so vervielfacht sich die Erscheinung, und das Hauptbild, selbst aus zweien zusammengesetzt, ist von einem ganzen Systeme in ein Sechseck gestellter Lichter umgeben. Dieß ist bei manchen halbdurchsichtigen Kalkspathen der Fall, unter anderem bei dem von Mariatrost bei Grätz. Die Bilder sind dann freilich nicht mehr genau zu unterscheiden, sondern bilden helle Gegenden oder Flecken, welche die angegebene Lage besitzen.

Bei dem Dolomitbruchstück, welches in Fig. 29 Taf. II gezeichnet ist, und nebst dem dort gezeichneten Zwillingsblättchen ABCD eine ganze Reihe paralleler Blättchen zeigt, ist die Lichterscheinung besonders auffallend. So wie im gewöhnlichen Lichte schon die Streifen mit grünen, rothen, blauen Farben erscheinen, so auch die Bilder der Kerzenflamme, und zwar eine ganze Reihe [157] derselben, wenn man die Streifen vertical nimmt, alle in horizontaler Folge, und zwar das hellste ungefärbt in der Mitte, und dann zu beiden Seiten parallel und senkrecht auf den Hauptschnitt polarisirt von den glänzendsten prismatischen Farben. Sie bilden vorzüglich ein mittleres System von einer Haupt- und zwei begleitenden ähnlichen Zusammenordnungen, die stärker gefärbt sind, und sich von der Mitte entfernen, wenn man sie in horizontaler Richtung um eine Verticallinie zu drehen beginnt. Ueberhaupt entfernen sie sich mehr von einander, je mehr man senkrecht auf die Axe des Rhomboëders hinsieht, und nähern sich, wenn die Hauptaxe sich der Richtung des Sehens nähert.

Im Ganzen hängt auch diese Erscheinung von dem zweimaligen Proceß der doppelten Strahlenbrechung durch die Zwillingsblättchen verursacht, ab. Die Deutung jedes einzelnen Bildes, nach Farbe und Stellung, erfordert jedoch zu viel Zeichnung und Calcul, als daß ich daran denken könnte, dieß hier zugleich mit der ersten Nachricht über ein Phänomen zu geben, welches an und für sich durch die Leichtigkeit der Beobachtung und die glänzende Schönheit der Farbentöne das Auge fesselt.

Die Zwillingsblättchen am Kalkspath bemerkt man bekanntlich nicht bloß an den vollkommen durchsichtigen Krystallen oder halbdurchsichtigen Verietäten; auch an den nur durchscheinenden sind sie sehr häufig in großer Deutlichkeit vorhanden. Die Theile der Masse trennen sich auch wohl gerne in den Zusammensetzungsflächen. In den allermeisten Fällen sind die Flächen parallel dem Rhomboëder ½ R′ = 134° 57′, welche man beim Zerschlagen gewisser Kalkspathvarietäten erhält, nicht Theilungs-, sondern Zusammensetzungsflächen. Eine einzelne von diesen Flächen nimmt an dem Grundrhomboëder eine Axenkante mit parallelen Seiten hinweg, wie ABCD, Fig. 27 Taf. II.

Ein Stück von dem mit Spargelstein vorkommenden [158] Dolomit vom Greiner, der ein analoges Verhältniß in Bezug auf die oben beschriebene Zusammensetzung nach 2 R′ zeigt, aquirirte ich kürzlich von Hrn. Prüfer für das K. K. montanistische Museum. Auf den Theilungsflächen erscheint Streifung nach den geneigten und nach den horizontalen Diagonalen, und eine der Ecken ist durch eine rauhe, aber vollkommen ebene Fläche hinweggenommen, welche, wie ABC in Fig. 30 Taf. II, die Lage einer Fläche von 2 R′ zeigt.

[Taf. II]