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Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen/T1H1 Finger-Setzung

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Einleitung Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen – Erster Theil (1759) von Carl Philipp Emanuel Bach
Erstes Hauptstück. Von der Finger-Setzung
Zweytes Hauptstück. Von den Manieren


[13]
Das erste Hauptstück.
Von der Finger-Setzung.


 §. 1.  Die Setzung der Finger ist bey den allermeisten Instrumenten durch die natürliche Beschaffenheit derselben gewissermassen festgesetzt; bey dem Claviere aber scheint sie am willkührlichsten zu seyn, indem die Lage der Tasten so beschaffen ist, daß sie von jedem Finger niedergedruckt werden können.

 §. 2.  Da nichts destoweniger nur eine Art des Gebrauchs der Finger bey dem Claviere gut ist, und wenige Fälle in Betrachtung der übrigen mehr als eine Applicatur erlauben; da jeder neue Gedancke bey nahe eine neue und eigne Finger-Setzung erfordert, welche oft durch die blosse Verbindung eines Gedancken mit den andern wieder verändert wird; da die Vollkommenheit des Claviers eine unerschöpfliche Menge von Möglichkeiten vorzüglich darbietet; da endlich der ächte Gebrauch der Finger bishero so unbekant gewesen und nach Art der Geheimnisse nur unter wenigen geblieben ist, so hat es nicht fehlen können, daß die allermeisten auf diesem schlupfrichen und verführerischen Wege haben irren müssen.

 §. 3.  Dieser Irrthum ist um so viele beträchtlicher, je weniger man ihn oft hat mercken können, indem auf dem Claviere das meiste auch mit einer falschen Applicatur, obschon mit entsetzlicher Mühe und ungeschickt, herausgebracht werden kan, anstatt daß bey andern Instrumenten die geringste falsche Fingersetzung sich mehrentheils durch die platte Unmöglichkeit, das vorgeschriebene zu spielen, entdecket. Man hat daher alles der Schwierigkeit des Instruments und der dafür gesetzten Stücke so gleich [14] zugeschrieben und geglaubet, es müsse so und könne nicht anders seyn.

 §. 4.  Da man hieraus erkennen kan, daß der rechte Gebrauch der Finger einen unzertrennlichen Zusammenhang mit der gantzen Spiel-Art hat, so verlieret man bey einer unrichtigen Finger-Setzung mehr als man durch alle mögliche Kunst und guten Geschmack ersetzen kan. Die gantze Fertigkeit hängt hiervon ab, und man kan aus der Erfahrung beweisen, daß ein mittelmässiger Kopf mit gut gewöhnten Fingern allezeit den größten Musicum im Spielen übertreffen wird, wenn dieser letztere wegen seiner falschen Applicatur gezwungen ist, wider seine Ueberzeugung sich hören zu lassen.

 §. 5.  Aus dem Grunde, daß jeder neue Gedancke bey nahe seine eigene Finger-Setzung habe, folgt, daß die jetzige Art zu dencken, indem sie sich von der in vorigen Zeiten gar besonders unterscheidet, eine neue Applicatur eingeführt habe.

 §. 6.  Unsere Vorfahren, welche sich überhaupt mehr mit der Harmonie als Melodie abgaben, spielten folglich auch meistentheils vollstimmig. Wir werden aus der Folge ersehen, daß bey dergleichen Gedancken, indem man sie meistentheils nur auf eine Art heraus bringen kan, und sie nicht so gar viel Veränderungen haben, jedem Finger seine Stelle gleichsam angewiesen ist; folglich sind sie nicht so verführerisch wie die melodischen Passagien, weil der Gebrauch der Finger bey diesen letztern viel willkührlicher ist, als bey jenen. Vor diesem war das Clavier nicht so temperirt wie heut zu Tage, folglich brauchte man nicht alle vier und zwanzig Tonarten wie anjetzo und man hatte also auch nicht die Verschiedenheit von Passagien.

 §. 7.  Ueberhaupt sehen wir hieraus, daß man bey jetzigen Zeiten gantz und gar nicht ohne die rechten Finger geschicklich [15] fortkommen kan, da es noch eher vordem angieng. Mein seliger Vater hat mir erzählt, in seiner Jugend grosse Männer gehört zu haben, welche den Daumen nicht eher gebraucht, als wenn es bey grossen Spannungen nöthig war. Da er nun einen Zeitpunckt erlebet hatte, in welchem nach und nach eine gantz besondere Veränderung mit dem musicalischen Geschmack vorging: so wurde er dadurch genöthiget, einen weit vollkommenern Gebrauch der Finger sich auszudencken, besonders den Daumen, welcher ausser andern guten Diensten hauptsächlich in den schweren Tonarten gantz unentbehrlich ist, so zu gebrauchen, wie ihn die Natur gleichsam gebraucht wissen will. Hierdurch ist er auf einmahl von seiner bisherigen Unthätigkeit zu der Stelle des Haupt-Fingers erhoben worden.

 §. 8.  Da diese neue Finger-Setzung so beschaffen ist, daß man damit alles mögliche zur bestimmten Zeit leicht herausbringen kan; so lege ich solche hier zum Grunde.

 §. 9.  Es ist nöthig, bevor ich an die Lehre der Applicatur selbst gehe, vorhero gewisse Dinge zu erinnern, welche man theils vorhero wissen muß, theils von der Wichtigkeit sind, daß ohne sie auch die besten Regeln unkräftig bleiben würden.

 §. 10.  Ein Clavierist muß mitten vor der Tastatur sitzen, damit er mit gleicher Leichtigkeit so wohl die höchsten als tiefsten Töne anschlagen könne.

 §. 11.  Hängt der Vordertheil des Armes etwas weniges nach dem Griffbrete herunter, so ist man in der gehörigen Höhe.

 §. 12.  Man spielet mit gebogenen Fingern und schlaffen Nerven; je mehr insgemein hierinnen gefehlet wird, desto nöthiger ist hierauf acht zu haben. Die Steiffe ist aller Bewegung hinderlich, besonders dem Vermögen, die Hände geschwind auszudehnen und zusammen zu ziehen, welches alle Augenblicke nöthig ist. [16] Alle Spannungen, das Auslassen gewisser Finger, das Einsetzen zweyer Finger nach einander auf einen Ton, selbst das unentbehrliche Ueberschlagen und Untersetzen erfordert diese elastische Kraft. Wer mit ausgestreckten Fingern und steifen Nerven spielt, erfähret ausser der natürlich erfolgenden Ungeschicklichkeit, noch einen Haupt-Schaden, nehmlich er entfernet die übrigen Finger wegen ihrer Länge zu weit von dem Daumen, welcher doch so nahe als möglich beständig bey der Hand seyn muß, und benimmt diesem Haupt-Finger, wie wir in der Folge sehen werden, alle Möglichkeit, seine Dienste zu thun. Dahero kommt es, daß derjenige, welcher den Daumen nur selten braucht, mehrentheils steif spielen wird, dahingegen einer durch dessen rechten Gebrauch dieses nicht einmahl thun kan, wenn er auch wollte. Es wird ihm alles leichte; man kan dieses im Augenblick einem Spieler ansehen; versteht er die wahre Applicatur, so wird er, wenn er anders sich nicht unnöthige Gebehrden angewöhnt hat, die schweresten Sachen so spielen, daß man kaum die Bewegung der Hände siehet, und man wird vornehmlich auch hören, daß es ihm leichte fällt; dahingegen ein anderer die leichtesten Sachen oft mit vielem Schnauben und Grimassen ungeschickt genug spielen wird.

 §. 13.  Wer den Daumen nicht braucht, der läßt ihn herunter hangen, damit er ihm nicht in Wege ist; solcher Gestalt fällt die mäßigste Spannung schon unbequem, folglich müssen die Finger ausgestreckt und steif werden um solche heraus zu bringen. Was kan man auf diese Art wohl besonders ausrichten? Der Gebrauch des Daumens giebt der Hand nicht nur einen Finger mehr, sondern zugleich den Schlüssel zur ganzen möglichen Applicatur. Dieser Haupt-Finger macht sich noch überdem dadurch verdient, weil er die übrigen Finger in ihrer Geschmeidigkeit [17] erhält, indem sie sich allezeit biegen müssen, wenn der Daumen sich bald bey diesem bald jenem Finger eindringt. Was man ohne ihn mit steiffen und gestreckten Nerven bespringen muste, das spielt man durch seine Hülfe anjetzo rund, deutlich, mit gantz natürlichen Spannungen, folglich leichte.

 §. 14.  Es verstehet sich von selbst, daß bey Sprüngen und weiten Spannungen diese Schlappigkeit der Nerven und das Gebogene der Finger nicht beybehalten werden kan; selbst das Schnellen erfordert bisweilen auf einen Augenblick eine Steiffe. Weil dieses aber die seltnesten Vorfälle sind, und welche die Natur von selbst lehret, so bleibt es in übrigen bey der im zwölften §. gemeldeten Vorschrift. Man gewöhne besonders die noch nicht ausgewachsenen Hände der Kinder, daß sie, anstatt des Hin- und Her-Springens mit der gantzen Hand, wobey wohl noch oft dazu die Finger auf einen Klumpen zusammen gezogen sind, die Hände im nöthigen Falle so viel möglich ausdehnen. Hierdurch werden sie die Tasten leichter und gewisser treffen lernen, und die Hände nicht leichte aus ihrer ordentlichen und über der Tastatur horizontal-schwebenden Lage bringen, welche bey Sprüngen gerne bald auf diese bald auf jene Seite sich zu verdrehen pflegen.

 §. 15.  Man stosse sich nicht daran, wenn manchmahl ein besonderer Gedancke den Lehrmeister nöthiget, solchen selbst zu probieren, um dessen beste Finger-Setzung mit aller Gewißheit seinen Schülern zu weisen. Es können zuweilen zweifelhafte Fälle vorkommen, die man auch beym ersten Anblick mit den rechten Fingern spielen wird, ohngeachtet es Bedencklichkeiten setzen würde, solche Finger einem andern vorzusagen. Beym Unterweisen hat man selten mehr als ein Instrument, damit der Lehrmeister zugleich mitspielen könne. Wir sehen hieraus erstlich, daß ohngeachtet [18] der unendlichen Verschiedenheit der Applicaturen, dennoch wenige gute Haupt-Regeln hinlänglich sind, alle vorkommende Aufgaben aufzulösen; zweytens, daß durch eine fleißige Uebung der Gebrauch der Finger endlich so mechanisch wird und werden muß, daß man, ohne sich weiter darum zu bekümmern, in den Stand gesetzet wird, mit aller Freyheit an den Ausdruck wichtigerer Sachen zu dencken.

 §. 16.  Man muß bey dem Spielen beständig auf die Folge sehen, indem diese oft Ursache ist, daß wir andere als die gewöhnlichen Finger nehmen müssen.

 §. 17.  Die entgegene Lage der Finger an beyden Händen verbindet mich die Exempel über besondere Vorfälle, in zweyerley Bewegung anzuführen, um solche beyden Händen aus der Ursache, warum es hingesetzet worden ist, brauchbar zu machen. Dem ohngeacht habe ich die Exempel von einiger Erheblichkeit für beyde Hände beziffert, damit man zugleich solche mit beyden Händen üben könne. Man kan nicht zu viel Gelegenheit geben, diese schon oben in der Einleitung angepriesene Art von Uebung im Einklange anzuwenden. Jeder vorgezeichnete Schlüssel deutet an, für welche Hand die Ziffern gehören; stehen über, und unter den Noten zugleich Ziffern, so gehen allezeit, es sey was vor ein Schlüssel vorstehe, die obersten die rechte, und die untersten die lincke Hand an.

 §. 18.  Nach diesen in der Natur gegründeten Vorschriften werde ich nunmehro zu der Lehre der Applicatur selbst schreiten. Ich werde sie auch auf die Natur gründen, weil diese Finger-Ordnung blos die beste ist, welche nicht mit unnöthigem Zwang und Spannungen vergesellschaftet ist.

 §. 19.  Die Gestalt unserer Hände und des Griffbrets bildet uns gleichsam den Gebrauch der Finger ab. Jene giebt uns [19] zu erkennen, daß besonders drey Finger an jeder Hand um ein ansehnliches länger sind, als der kleine Finger und der Daumen. Nach dieser finden wir, daß einige Tasten tiefer liegen und vor den andern vorstehen.

 §. 20.  Ich werde nach der gewöhnlichen Art die Daumen mit der Ziffer 1, die kleinen mit 5, die Mittel-Finger mit 3, die Finger nächst dem Daumen mit 2 und die neben dem kleinen Finger mit 4 bezeichnen.

 §. 21.  Die erhabenen und hinten stehenden Tasten werde ich in der Folge durch ihren mehr gewöhnlichen als richtigen Nahmen der Halbentöne von den übrigen unterscheiden.

 §. 22.  Aus der im 19. §. gedachten Abbildung folgt natürlicher Weise, daß diese halben Töne eigentlich für die 3 längsten Finger gehören. Hieraus entstehet die erste Hauptregel, daß der kleine Finger selten und die Daumen anders nicht als im Nothfalle solche berühren.

 §. 23.  Die Verschiedenheit der Gedancken, vermöge welcher sie bald ein- bald mehrstimmig, bald gehend bald springend sind, verbindet mich von aller Art Exempel zu geben.

 §. 24.  Die einstimmigen gehenden Gedancken werden nach ihrer Ton-Art beurtheilt, folglich muß ich bey der Abbildung derselben von allen vier und zwantzig Ton-Arten so wohl im Herauf- als Heruntergehen den Anfang machen. Hierauf werde ich die mehrstimmigen Gedancken durchgehen; diesen werden Exempel mit Spannungen und Sprüngen folgen, weil man sie leicht nach den mehrstimmigen Gedancken abmessen oder gar auf harmonische Zusammenklänge zurückführen kan; endlich werde ich von den Bindungen, von einigen Freyheiten wider die Regeln, einigen schweren Exempeln und Hülfs-Mitteln handeln; zuletzt werden die Probe-Stücke das noch übrige nachholen, durch deren Anhängung ich [20] in verbundenen Gedancken von allerley Art mehr Nutzen zu stiften, und mehr Lust zu dem schweren Studio der Applicatur zu erregen geglaubt habe, als wenn ich durch Ueberhäuffung vieler, aus ihrem Zusammenhang gerissenen Exempel unerträglich und zu weitläuftig worden wäre.

 §. 25.  Die Abwechselung der Finger ist der hauptsächlichste Vorwurf der Applicatur. Wir können mit unsern fünf Fingern nur fünf Töne nach einander anschlagen; folglich mercke man vornehmlich zwey Mittel, wodurch wir bequem so viel Finger gleichsam kriegen als wir brauchen. Diese zwey Mittel bestehen in dem Untersetzen und Ueberschlagen.

 §. 26.  Da die Natur keinen von allen Fingern so geschickt gemacht hat, sich unter die übrigen andern so zu biegen, als den Daumen, so beschäftiget sich dessen Biegsamkeit sammt seiner vortheilhaften Kürtze gantz allein mit dem Untersetzen an den Oertern und zu der Zeit, wenn die Finger nicht hinreichen wollen.

 §. 27.  Das Ueberschlagen geschiehet von den andern Fingern und wird dadurch erleichtert, indem ein grösserer Finger über einen kleinern oder den Daumen geschlagen wird, wenn es gleichfals an Fingern fehlen will. Dieses Ueberschlagen muß durch die Uebung auf eine geschickte Art ohne Verschränckung geschehen.

 §. 28.  Das Untersetzen des Daumens nach dem kleinen Finger, das Ueberschagen des zweytens Fingers über den dritten, des dritten über den zweyten, des vierten über den kleinen, ingleichen des kleinen Fingers über den Daumen ist verwerflich.

 §. 29.  Den rechten Gebrauch dieser zwey Hülfs-Mittel werden wir aus der Ordnung der Ton-Leitern aufs deutlichste ersehen. Dieses ist der Haupt-Nutzen[WS 1] dieser Vorschrift. Bey gehenden Passagien durch die Ton-Leitern, welche sich nicht eben so anfangen und endigen, wie sie hier abgebildet sind, verstehet [21] es sich von selbsten, daß man wegen der Folge die Finger so eintheilt, daß man just damit auskömmt, ohne allezeit verbunden zu seyn, denselben Finger eben auf die Taste zu setzen und keinen andern.

 §. 30.  Bey Tab. I. Fig. I. ist uns die Scala C dur im Aufsteigen vorgemahlt. Wir sehen hierbey drey Arten von Finger-Setzung für jede Hand. Keine davon ist verwerflich, ohngeachtet die mit dem Ueberschlagen des dritten Fingers über den vierten in der rechten Hand und in der lincken des zweyten Fingers über den Daumen, und die, allwo der Daumen in F wieder eingesetzet wird, vielleicht gewöhnlicher seyn mögen als die dritte Art. In wie fern jede gut zu brauchen ist, sehen wir aus den Exempeln bey Fig. II.

 §. 31.  Fig. III. zeigt uns C dur im Absteigen. Es finden sich hier abermals drey Arten von Applicatur, welche alle drey gut seyn können in gewissen Absichten, wie wir aus den unter Fig. IV. angeführten Exempeln sehen, ob schon ausser diesen Fällen, wobey sie so und nicht anders seyn müssen, eine mehr üblich seyn kan wie die andere.

 §. 32.  Wir lernen hierbey aus den unter Fig. II. und IV. befindlichen Exempeln, daß ausser der Nothwendigkeit beständig auf die Folge zu sehen, der kleine Finger allezeit gleichsam zum Hinterhalt in gehenden Passagien bleibt und hierbey nicht eher gebraucht wird, als entweder im Anfange, oder wenn derselben Umfang just mit ihm zu Ende gehet; dieses verstehet sich gleichfalls bey den Scalen, wo er manchmahl drüber steht. Ausser diesem Falle nimmt man dafür den Daumen. Um wegen dieses kleinen Fingers keine Verwirrung anzurichten, habe ich die Scalen bis über die Octave verlängert, damit man die Folge desto deutlicher sehen könne.

[22]  §. 33.  A moll im Aufsteigen finden wir bey Fig. V. mit zweyerley Finger-Setzung; doch ist die, so gleich über und unter den Noten stehet, die beste; die andere kan allenfalls bey den unter Fig. VI. angeführten Exempeln gute Dienste thun; indessen da man noch mehrere Arten ausfindig machen könnte, wenn man die Exempel darnach einrichten wollte, und solche also dadurch dem ohngeachtet nicht so natürlich wird, wie die nächst den Noten, so habe ich sie mehr zur Warnung, als zur Nachahmung angeführt, weil ich weiß daß sie hier und da Mode ist. Das unnatürliche bestehet darinnen, daß der Daumen in das D eingesetzt wird, ohngeachtet das E mit zwey halben Tönen darauf folgt; denn der Daumen mag sich gerne nahe an den halben Tönen aufhalten, wenigstens ist diese Haupt-Regel hierbey zu mercken, daß der Daumen der rechten Hand im Aufsteigen nach einem oder mehrern halben Tönen, im Absteigen aber vor einem oder mehrern halben Tönen, und der lincke Daumen im Absteigen nach, und im Aufsteigen vor den halben Tönen, eingesetzt wird. Wer diese Haupt-Regel in den Fingern hat, dem wird es allezeit fremde fallen, bey Gängen, wo halbe Töne vorkommen, den Daumen etwas entfernt von selbigen einzusetzen.

 §. 34.  A moll im Absteigen sehen wir bey Fig. VII. mit dreyerley Finger-Ordnung. Da hier, wie bey C dur, auch kein halber Ton vorkommt, so sind sie alle drey gut, und zu gebrauchen. Die, wo der Daumen in das D eingesetzt wird, ist ungewöhnlicher als die andern.

 §. 35.  G dur im Aufsteigen zeigt sich bey Fig. VIII. dreyfach. Die mit (*) bezeichnete Applicatur ist die ungewöhnlichste. Die mittelste im Dißkante und unterste im Basse giebt zu einer neuen Regel Gelegenheit, welche so heißt: Das Ueberschlagen, welches mit dem zweyten Finger über den Daumen, und mit [23] dem dritten Finger über den vierten geschiehet, hat seinen eigentlichen Nutzen bey Passagien ohne halben Töne; allda geschiehet es auch, wenn es nöthig ist, oft hinter einander. Dann und wann geschiehet es auch bey einem eintzigen vorkommenden halben Ton; man setzet in der Folge den Daumen oder vierten Finger gleich an dem halben Tone ein, und der zweyte oder dritte Finger, welche dieses wegen ihrer vorzüglichen Länge bequem thun können, steigen auf diesen halben Ton; hierauf nimmt gantz natürlich der Daumen nach der §. 32. angeführten Regel seinen ihm zugekommenden Platz ein. Das bey Fig. IX. angeführte Exempel (a) könnte eine Ausnahme wider unsere Regel abgeben, doch wird solches gewöhnlicher mit Untersetzung des Daumens (b) gespielt. Folglich ist das Ueberschlagen mit dem zweyten Finger über den Daumen auch in dergleichen Fällen brauchbarer als das mit dem dritten Finger über den vierten. Dieses Ueberschlagen bey einem vorkommenden halben Tone hat mich genöthiget, diese Scala durch zwey Octaven wegen der Folge durchzuführen.

 §. 36.  G dur im Absteigen erscheint bey Fig. X. ebenfalls mit dreyerley Ordnungen der Finger. Die, wo der Daumen ins C steigt, ist ohne Zweifel die ungewöhnlichste; die von den Noten entfernste, die gefährlichste; alle 3 aber brauchbar.

 §. 37.  E moll[WS 2] im Aufsteigen hat nur diese eintzige gute Applicatur, Fig. XI. Wer anstatt den Daumen in die Quinte h, solchen in die Quarte a setzen wolte, müßte solches bey Exempeln thun, wo die Folge dieses erfordert, sonsten ist diese Finger-Setzung nicht anzurathen. Man hüte sich bey diesem durch eine gantze Octave aufsteigenden E moll, daß man den Daumen nicht ins g, nach der in gedachten 33. §. gegebenen Regel einsetzt, weil man sonst nicht mit den Fingern auskäme. Diese sonst so gewisse Regel leidet wie wir in der Folge sehen werden, nur [24] ein Paar Ausnahmen, welche gegen den Nutzen, den diese Regel übrigens in der gantzen Lehre der Applicatur schaft, nichts bedeuten wollen.

 §. 38.  E moll[WS 3] im Absteigen sehen wir bey Fig. XII. mit zweyerley Finger-Setzung, wovon die, nächst über und unter den Noten, die beste ist.

 §. 39.  F dur im Aufsteigen hat im Dißkante nur eine gute Applicatur, laut Fig. XIII. hergegen sind im Basse drey, welche in gewisser Art alle brauchbar und deswegen werth sind, daß man sie übet.

 §. 40.  F dur im Absteigen zeigt sich bey Fig. XIV. im Dißkante mit zweyen, und im Basse mit dreyen Applicaturen. Die nächst über und unter den Noten sind die gewöhnlichsten; in den andern ist nichts unregelmäßiges, sie können bey gewissen Fällen nöthig seyn, folglich kan man sie darbey mit mercken.

 §. 41.  D moll im Aufsteigen bey Fig. XV. hat für jede Hand dreyerley Finger-Setzung, welche alle gut und zu üben sind, ohngeacht daß die von den Noten entfernteste etwas ungewöhnlicher als die andern ist.

 §. 42.  D moll im Absteigen finden wir bey Fig. XVI. mit zweyerley Arten von Setzung der Finger für jede Hand. Die beyden, welche am weitesten von den Noten entfernt stehen, sind wegen des vorkommenden halben Tones nicht die besten, welcher hier gerne den Daumen in das a verlangt.

 §. 43.  B dur hat nur diese eintzige bey Fig. XVII. angemerckte Applicatur so wohl im Auf- als Absteigen.

 §. 44.  G moll im Aufsteigen hat bey Fig. XVIII. in der rechten Hand zweyerley, und in der lincken Hand dreyerley Arten von Finger-Setzung. Die nächste über den Noten und entfernteste unter [25] den Noten sind der im 33. §. angeführten Regel gemäß; die andern können dem ohngeacht in gewissen Fällen auch gute Dienste thun.

 §. 45.  G moll im Absteigen ist nach Fig. XIX. nur einfach. Man wird von selbst begreiffen, wenn eine Passagie nicht just sich so anfinge, was man im Anfange vor einen Finger einsetzen müste.

 §. 46.  D dur im Aufsteigen bey Fig. XX. hat in der rechten Hand nur eine, in der lincken aber drey Arten von Applicaturen; die nächste unter den Noten ist nach der Regel wegen Einsetzung des Daumens und in allerley Arten von Passagien, welche nicht eben sich so anfangen und endigen, wie hier vorgeschrieben ist, zu brauchen; im übrigen sind die andern beyden, bey diesem Falle besonders auch gut und zu üben. Die mittelste im Basse beweißt den im 35. §. angeführten Vorzug dieses Ueberschlagens.

 §. 47.  D dur im Absteigen zeigt in Fig. XXI. für die rechte Hand dreyerley und für die lincke zweyerley Finger-Setzung, wovon jede in ihrer Art brauchbar ist.

 §. 48.  H moll im Aufsteigen findet sich bey Fig. XXII. für beyde Hände einfach. Wenn die Passagie nicht just sich anfängt wie hier stehet, so setzet man in der lincken Hand an statt des vierten Fingers den Daumen ein. Dieses mercken wir überhaupt bey allen Scalen, daß, nach verändertem Anfange, der Finger eingesetzet werden muß, welcher in der Folge über der Octave stehet. Bey der rechten Hand findet sich eine unvermeidliche Ausnahme wider die im 33. §. angeführte Regel. Wer solche Regel gut in den Fingern hat, muß wohl acht haben, damit er nicht den Daumen statt des e, in das d setze. Dieser Punct macht diese Scale etwas verführerisch.

 §. 49.  H moll im Absteigen treffen wir bey Fig. XXIII. einfach an. Man könte auch mit dem kleinen Finger in der [26] rechten Hand anfangen und den Daumen ins e, und hierauf den dritten Finger ins d setzen, daß hernach der Daumen wieder in die Octave käme; Allein diese Applicatur, ob sie schon zu gebrauchen, und nicht unrecht ist, ist nur eine Octave durch gut, weiter herunter dürfte leicht eine Verwirrung entstehen.

 §. 50.  A dur im Aufsteigen finden wir unter Fig. XXIV. mit einer Applicatur für die rechte und zweyen für die lincke Hand. Die nächste unter den Noten ist nach der oft angeführten Regel, und bey allerley Fällen brauchbarer als die so darunter stehet, ohngeacht sie auch zuweilen nöthig seyn kan.

 §. 51.  A dur im Absteigen zeigt Fig. XXV. einfach. Es versteht sich von selbst, wie wir schon gehört haben, daß, wenn der Anfang nicht eben so ist, wie hier, in der rechten Hand statt des kleinen Fingers der Daumen eingesetzt werden muß, und wenn eine Passagie aus dieser Tonart mit dem Grund-Tone sich anfängt, anstatt 2, 3, 4, für die lincke Hand, 1, 2, 3, stehen muß.

 §. 52.  Fis moll im Aufsteigen sehen wir bey Fig. XXVI. einfach. Weiter ist hierbey nichts zu mercken, als der Nutzen von der im 33. §. angeführten Regel, welcher die nunmehro noch vorkommende Scalen, jemehr Versetzungs-Zeichen sie haben, und jemehr halben Töne darbey vorkommen, desto einfacher und desto weniger gefährlich, folglich zur Uebung gantz leichte machen wird.

 §. 53.  Fis moll im Absteigen hat nach Fig. XXVII. mit A dur[WS 4] einerley Finger-Setzung, die eintzige im Aufsteigen für die lincke Hand, welche, wie wir §. 50. gesehen haben, nur dann und wann zu gebrauchen ist, ausgenommen. Wir werden aus der Folge ersehen, daß nunmehro alle noch vorkommende weiche Ton-Arten im Absteigen einerley Applicatur mit den harten Ton-Arten annehmen, welche einerley Versetzungs-Zeichen mit jenen [27] gemein haben, oder, wegen Angräntzung der Ton-Arten mit den Kreutzen an die mit Been noch deutlicher zu sagen, deren Grund-Ton die kleine Terzie von der weichen Ton-Art ist.

 §. 54.  E dur hat bey Fig. XXVIII. für beyde Hände so wohl im Aufsteigen als auch im Absteigen einerley einfache Finger-Ordnung. Cis moll im Absteigen hat dieselbe. Da jedem aus dem vorigen die Leitern von den absteigenden weichen Ton-Arten bekannt seyn können, so werde ich die Abbildung derselben, in so fern sie keine besondere Applicatur haben, als etwas überflüßiges weglassen.

 §. 55.  Cis moll im Aufsteigen nach Fig. XXIX. hat eine eintzige mögliche gute Finger-Setzung.

 §. 56.  H dur im Auf- und Absteigen hat nebst dem absteigenden Gis moll, nach Fig. XXX. einerley Finger. Dieses letztere im Aufsteigen unterscheidet sich bloß durch die Grösse der Intervallen, aber nicht durch die Ordnung der Finger von den erstern, wie wir aus Fig. XXXI. sehen.

 §. 57.  Fis dur auf- und absteigend hat nebst Es moll im Absteigen eine gemeinschaftliche unter Fig. XXXII. abgebildete Applicatur. Die bey dem aufsteigenden Es moll, laut Fig. XXXIII. ist eben dieselbe, ohngeacht so wohl die Grösse der Intervallen als auch die Schreib-Art von jenen unterschieden ist. Wir bemercken bey der lincken Hand eine nöthige Ausnahme von unserer im 33. §. angeführten Regel, vermöge welcher statt des c der Daumen ins d hätte gesetzt werden sollen.

 §. 58.  Des oder Cis dur mit seiner Finger-Ordnung in beyderley Bewegung zeigt uns Fig. XXXIV. B moll hat bey dem Absteigen dieselbe Applicatur. Bey dem Aufsteigen gedachten B molls[WS 5] finden wir so wohl die Abbildung der Scala als der [28] Finger-Setzung unter Fig. XXXV. Die lincke Hand hat zweyerley gute Applicatur.

 §. 59.  As dur hat nach Fig. XXXVI. so wohl hinauf als herunter mit dem Absteigenden F moll[WS 6] einerley Setzung der Finger. Dieses letzteren Applicatur beym Aufsteigen ist unter Fig. XXXVII. besonders abgebildet. Die lincke Hand hat hier abermals zweyerley gute Finger-Ordnungen, von denen die nächst den Noten die brauchbarste ist, ob schon die unterste das im 35. und 46. §. angeführte aufs neue beweiset.

 §. 60.  Es dur sehen wir bey Fig. XXXVIII; diese Ordnung der Finger gilt im Auf- und Absteigen. Das absteigende C moll hat dieselbe Applicatur. Diese Ton-Art, wenn sie in die Höhe gehet, hat unter Fig. XXXIX. für jede Hand zwey Arten von Finger-Ordnungen, wovon die den Noten entlegensten nur in dem Bezirck einer Octave in einer Folge gut seyn. Wir mercken hierbey an, daß jemehr die Versetzungs-Zeichen und halben Töne sich bey den Tonarten verlieren, welches hauptsächlich in den aufsteigenden weichen Scalen vor die andern geschiehet, desto mannigfaltiger die Applicaturen werden.

 §. 61.  Wir sehen aus der Vorschrift dieser Scalen, daß der Daumen niemals auf einen halben Ton gesetzt wird, und daß er bald nach dem zweyten Finger alleine, bald nach dem zweyten und dritten, bald nach dem zweyten, dritten und vierten Finger, niemals aber nach dem kleinen eingesetzt wird. Weil jede Scala sieben Stuffen hat, und die Wiederholung jeder Scale, um bey einer Ordnung zu bleiben, ihrem Anfange ähnlich seyn muß, so mercke man, daß der Daumen gemeiniglich einmahl nach den zweyten darauf folgenden Fingern und das andre mahl nach allen dreyen eingesetzt wird; beym Aufsteigen mit der rechten Hand und beym Absteigen mit der lincken heißt dieses untersetzen. Uebt man sich so lange, [29] bis der Daumen auf eine mechanische Art sich von selbst auf diese Weise am gehörigen Ort ein und untersetzt; so hat man das meiste in der Finger-Setzung gewonnen.

 §. 62.  Wir sehen ferner, daß das Ueberschlagen bald mit dem zweyten Finger, bald mit dem zweyten und dritten, bald mit dem zweyten, dritten und vierten über den Daumen und mit dem dritten Finger über den vierten geschiehet. Wir werden in der Folge eine kleine Ausnahme finden, vermöge welcher mit gewissen Umständen erlaubet ist, einmahl den vierten Finger über den kleinen zu schlagen; desgleichen werden wir bey Gelegenheit der Manieren einen Fall bemercken, worinnen der dritte Finger nach dem zweyten, wohl zu mercken, eingesetzt worden. Man muß dieses Einsetzen nicht mit dem Ueberschlagen verwechseln. Ueberschlagen heißt: wenn ein Finger über den andern gleichsam wegklettert, indem der andere noch über der Taste schwebet, welche er niedergedruckt hat; bey dem Einsetzen hingegegen ist der andere Finger schon weg, und die Hand gerückt.

 §. 63.  Endlich sehen wir bey dieser Abbildung der Ton-Leitern, daß die, ohne, oder mit den wenigsten Versetzungs-Zeichen die meiste Veränderungen von Applicaturen erlauben, indem allda das Untersetzen sowohl als das Ueberschlagen angehet; und daß die übrigen nur einerley Abwechselung der Finger gestatten. Folglich sind die so genannten leichten Ton-Arten (weil ihre Applicatur so verschieden ist, und man beyde Hülfs-Mittel zur rechten Zeit gebrauchen lernen muß, ohne sie zu verwirren; weil es nöthig ist die einmahl erwählte Ordnung in der Folge beyzubehalten, und man also wohl zu merken hat, wo der Daumen eingesetzt worden,) viel verführerischer und schwerer als die so genannten schweren Ton-Arten, indem sie nur eine Art von Finger-Setzung haben, allwo der Daumen durch die Uebung in [30] seinen ordentlichen Platz sich von selbst eindringen lernt. Diese letztern behalten den Nahmen der schweren nur aus der Ursache bey, weil entweder gar nicht, oder selten aus selbigen gespielt und gesetzt wird. Hierdurch bleibt ihre Schreib-Art so wohl als die Lage ihrer Tasten allezeit fremde. Durch die wahre Lehre und Anwendung der Finger-Ordnung werden uns also diese schwere Ton-Arten eben so leichte, als groß die Schwierigkeit war, auf eine falsche Art, besonders ohne Daumen oder den rechten Gebrauch desselben in solchen fort zu kommen. Einer der grösten Vorzüge des Claviers, vermöge dessen man mit besonderer Leichtigkeit aus allen vier- und zwantzig Ton-Arten spielen kan, ist also durch die Unwissenheit der rechten Applicatur verborgen geblieben.

 §. 64.  Das Untersetzen und Ueberschlagen als die Haupt-Hülfs-Mittel in der Abwechselung der Finger müssen so gebraucht werden, daß alle Töne dadurch gut zusammen gehänget werden können. Deßwegen ist in den Ton-Arten mit keinen oder wenigen Versetzungs-Zeichen bey gewissen Fällen das Ueberschlagen des dritten Fingers über den vierten und des zweyten über den Daumen besser und nützlicher, um alles mögliche Absetzen zu vermeiden, als der übrige Gebrauch des Ueberschlagens und das Untersetzen des Daumens, weil selbiger bey vorkommenden halben Tönen mehr Platz und folglich auch mehr Bequemlichkeit hat, unter die andern Finger durchzukriechen, als bey einer Folge von lauter unten liegenden Tasten. Bey den Ton-Arten ohne Versetzungs-Zeichen geschiehet dieses Ueberschlagen ohne Gefahr des Stolperns hinter einander; bey den andern aber muß man wegen der halben Töne mehr Behutsamkeit brauchen.

 § 65.  Nach diesen Scalen und nach dem in selbigen befindlichen Gebrauch der beyden Hülfsmittel werden alle einstimmige [31] gehende Gedancken beurtheilt. Von einigen hierbey besonderen Fällen und Freyheiten wird zuletzt gehandelt werden.

 §. 66.  Wir schreiten nunmehro zu mehrstimmigen Exempeln. Hierbey werden die Sprünge mit vorkommen, indem man sie, weil selbige so viel möglich ohne Zwang nach der ordentlichen Länge der Finger eingerichtet seyn müssen, darnach abzumessen hat. Findet jemand wegen seiner langen Finger für bequem, gewisse harmonische Anschläge, Brechungen oder Spannungen mit andern Fingern zu nehmen, als hier vorgeschrieben ist, so stehet es ihm frey, nur muß es keine eingebildete Bequemlichkeit seyn. Indem ich bey Verfertigung der Probe-Stücke auf allerhand Fälle gesehen habe, so habe ich die Sprünge und Spannungen mit Fleiß in das Adagio aus dem B gelegt, um solche zu erleichtern; wer Lust hat, solche für sich geschwinde zu üben, dem steht es frey.

 §. 67.  Zwey Klänge zusammen, welche um eine Secunde von einander unterschieden sind, werden mit zwey an einander liegenden Fingern gegriffen. Aus den vorhergehenden und folgenden Noten kan man leicht sehen, welche es seyn müssen. Bey Fig. XXXX. finden sich Exempel von allerley Art. Wir sehen, daß hier abermahls der Daumen von den halben Tönen verschont bleibt. Bey den Noten ohne Ziffern bezieht man sich auf das vorhergegangene. Der einmahl vorgezeichnete Schlüssel gilt so lange, bis er durch einen andern aufgehoben wird.

 §. 68.  Gebrochene Secunden werden mit abgewechselten Fingern so gespielt wie bey Fig. XLI. zu sehen ist; Dieses Abwechseln ist der über solche Art Noten gewöhnlicher Maassen angedeuteten Schleifung zuträglicher als das Fortsetzen eines Fingers, weil durch dieses letztere die Noten mehr gestossen werden, als es seyn soll. Wir sehen hier, und werden es in der Folge noch [32] öfter erfahren, daß gemeiniglich der Daumen und der zweyte Finger an der lincken Hand am meisten an den Oertern gebraucht wird, allwo man in der rechten Hand den zweyten und dritten Finger einsetzt.

 §. 69.  Bey Anschlagung der Tertien mercke man, daß sie mit denjenigen Fingern gegriffen werden, welche wir bey denen unter Fig. XLII. bezeichneten vielen Exempeln finden; man siehet hier ebenfalls auf das vorhergehende und folgende; der Daumen bleibt von den halben Tönen weg, desgleichen der kleine Finger; beyde können blos die Erlaubniß bekommen, auf solche halbe Töne gesetzt zu werden, wenn ein vorhergegangener oder nachfolgender Sprung dieses nothwendig macht. Ich habe deswegen vielerley Exempel hierbey angeführt, weil oft viele Tertien hinter einander vorzukommen pflegen, um die hierzu nöthige Abwechselung der Finger deutlich zu zeigen. Der kleine Finger kan auch auf dem halben Tone seyn, wenn der andere zugleich mit anschlagende Finger auch auf selbigem ist. Aus dieser Ursache ist die Applicatur der rechten Hand in dem bey (a) Tab. II. angeführten Exempel nicht so gut als die bey (b) und die für die lincke Hand bey (c). Dieser kleine Finger wird ebenfalls so wenig fortgesetzt, als durch einen andern abgelößt (d), sondern er kömmt nur immer einmahl und zwar in den äussersten Tönen (e) vor, es sey denn, wenn eine oder mehrere Noten zwischen die Tertien kommen, wie bey (f) zu sehen ist. Ferner mercke man aus dem dritten und folgenden Exempeln bey Fig. XLII. daß einerley Töne mit denselben Fingern genommen werden. Bey vielen hinter einander vorkommenden Tertien auf die Art wie die beyden Exempel (g) ausweisen, setzt man bey geschwinder Zeitmaasse lieber mit den Fingern fort, indem alsdenn das Abwechseln schwerer fällt. Uebrigens sehen wir, daß allerley Setzung von Fingern [33] bey diesen Tertien vorkommen, obschon einige öfter als andere; blos sind unnatürlich und folglich verwerflich.

 §. 70.  Gebrochene Terzien einzeln oder auch in einer Folge bey langsamer Zeitmaaß werden so gespielt, wie wir sie zusammen anzuschlagen, im vorigen §. gelehrt haben. Viele hintereinander in geschwindem Tempo vorkommende Tertien-Sprünge werden, so lange keine halben Töne sich einmischen, ohne Abwechselung der Finger entweder mit oder gegriffen, Tab. II. Fig. XLIII. (a); so bald aber halbe Töne darbey vorkommen, so wechselt man mit den Fingern ab und hält den Daumen von den halben Tönen zurück (b). In Haltungen und Sprüngen wird auch die Setzung und gefunden. (c). Der Daumen kriegt hierbey die Erlaubniß, auf die halben Töne gesetzt zu werden, welche ihm die Nothwendigkeit bey solchen Spannungen giebt.

 §. 71.  Die Quarten werden gegriffen, wie wir bey Fig. XLIV sehen. Bey dem Discant-Schlüssel werden die untersten Noten mit der lincken und bey dem Baß-Schlüssel die obersten mit der rechten Hand genommen. Die gebrochenen in langsamer Zeitmaaß haben eben diese Setzung. Bey vielen hintereinander vorkommenden geschwinden Quarten-Sprüngen ohne halbe Töne wird ohne Abwechselung oder eingesetzt (a). Bey vorkommenden halben Tönen kan man auch dann und wann, aber nur einmahl ohne Folge nehmen (b). Diese Sprünge werden auch mit , , , und gespielt, sobald die nachfolgenden Noten solches erfordern, wie wir bey (c) und folgenden Exempeln sehen.

 §. 72.  Die Quinten und Sexten werden auf dreyerley Art gegriffen, wie unter Fig. XLV zu sehen ist. Aus Fig. XLVI sehen wir die Finger-Setzung von Sexten in einer Folge. Mit diesen gebrochenen Sexten wird es ebenfalls so gehalten, wie wir bey den Tertien und Quarten gesehen haben. Bey diesen Spannungen [34] kan der kleine Finger öfter als einmahl hintereinander vorkommen, und wird also auch gebrauchet, ohne daß eben die Weite der Passagie mit ihm zu Ende gehet.

 §. 73.  Die Septimen und Octaven werden mit gegriffen. Wer lange Finger hat und kan die Septimen, wobey ein halber Ton ist, mit oder ohne Zwang nehmen, dem steht es frey. Ausser dem aber ist es gar wohl erlaubt, daß hier der Daumen so wohl als der kleine Finger ohne Bedencken auf die halben Töne gesetzt wird.

 §. 74.  Weil diese Octaven-Sprünge, besonders in der lincken Hand, allwo sie am öftersten vorzukommen pflegen, das Fortsetzen mit dem Daumen oder dem kleinen Finger nothwendig machen, so thun diejenigen, welche durch die Verdoppelung der Octaven im General-Basse noch nicht hinlänglich hierinnen geübt sind, wohl, wenn sie den ersten besten Baß ergreifen, und solchen einmahl mit dem blossen Daumen und das andere mahl mit dem kleinen Finger alleine durchspielen; dadurch kriegen sie ohnvermerckt eine Fertigkeit nicht allein in diesem nöthigen Fortsetzen, sondern auch das Grifbret auswendig zu finden.

 §. 75.  Die bey Fig. XLVII. befindlichen Exempel zeigen, daß man zuweilen theils wegen der vorhergehenden, theils folgenden Noten an statt des Daumens den zweyten Finger, und an statt des kleinen den vierten Finger in Octaven Sprüngen braucht. Der Daumen, wenn er auf einem halben Tone ist, kan nicht so übergeschlagen werden, wie wir bey Fig. XLVIII. sehen.

 §. 76.  Wir nehmen nunmehro die Anschläge dreyer Klänge zusammen vor; bey Fig. XLIX. finden wir die Finger-Setzung von dergleichen Anschlägen in dem Bezirck einer Quarte. Bey den Exempeln (a) und (b) erfordert die Folge eine eigene Applicatur.

[35]  §. 77.  Fig. L. zeigt uns die Finger zu dreyfachen Zusammen-Klängen in dem Umfange einer Quinte. Bey Gelegenheit des Exempels (a) mercke man, daß ausser diesem F moll noch C, Cis, Fis, G, Gis, B und H mit der kleinen Tertie, dergleichen Setzung der Finger vertragen. Ausser dem bey (b) angemerckten Exempel können auch Cis, Dis, E, Gis, A, B und H in der harten Ton-Art so gegriffen werden. Besonders hat bey diesen Moll und Dur Ton-Arten, wenn deren Tertie auf einen halben Ton fällt, der dritte Finger wegen seiner Länge mehr Bequemlichkeit, hierauf gesetzt zu werden als der vierte.

 §. 78.  Drey Stimmen zusammen in dem Bezircke einer Sexte werden so genommen, wie wir bey Fig. LI. sehen. Fig. LII. lehrt uns dasselbe bey einem Umfange von einer Septime und Fig. LIII. von einer Octave. Bey diesen weiten Spannungen von Septimen und Octaven, wie wir §. 73 gesehen haben, ist allen Fingern erlaubt, auf die halben Töne zu kommen, indem dieses allezeit besser ist, als ein überflüßiger Zwang.

 §. 79.  Um zu zeigen, mit was für Fingern vier Töne zugleich angeschlagen werden, finden wir bey Fig. LIV. die Exempel hiervon; (a) besonders zeigt uns diesen vierstimmigen Anschlag in einer Weite von einer Quinte; (b) von einer Sexte; nach dem Exempel mit dem Baß-Schlüssel können auch die im 77. §. angeführten dur Ton-Arten gegriffen werden; (c) von einer Septime und (d) von einer Octave. Die beyden nach (c) mit (*)(*) bezeichneten Exempel zeigen uns die Finger bey Personen welche solche besonders lang haben; und die mit (1) (2) (3) (4) bezeichneten Exempel beziehen sich auf die im 77. §. unter (a) und (b) vorgestellten Accorde, folglich werden auch alle die allda angeführte harmonische Dreyklänge mit vier Stimmen nach dieser Art gegriffen.

[36]  §. 80.  Wenn bey diesen harmonischen Zusammen-Klängen eine von den äussersten Stimmen auf einen halben Ton fällt, so nimmt man eine Applicatur, wobey nach Erfordern der Daumen oder kleine Finger gemißt werden kan. Doch da man, zumahl was den kleinen Finger betrift, nicht allezeit alle Bequemlichkeit beybehalten kan, weswegen auch dieser Finger mehr Erlaubniß hat auf die halben Töne gesetzt zu werden, wie der Daumen: so muß man sich nach dem vorhergehenden so wohl als nach der Folge richten, und, da alle Finger nicht gleich sind, überhaupt bey allen Spannungen auf das ungezwungene und natürliche, so viel möglich, bedacht seyn, folglich eine kleine Unbequemlichkeit einer grössern vorziehen, indem man oft den kleinen Finger, oder den Daumen lieber auf einen halben Ton setzt, als, ohne selbige Finger übertriebene Spannungen vornimmt, welche nicht allezeit glücken. Wenn viele vollstimmige Anschläge hinter einander vorkommen, so thut man wohl, wenn es seyn kan, daß man sich solche durch die Abwechselung der Finger erleichtert.

 §. 81.  Wenn bey solchen mehrstimmigen Griffen die beyden äussersten Stimmen auf halben Tönen gegriffen werden müssen, so ist gar kein Bedencken wegen dieser zwey kürtzesten Finger mehr übrig, indem, wenn sie beyde auf die hinten stehenden Tasten gesetzt werden, die gantze Hand dadurch hinter gerückt wird, und folglich die Ursache wegfällt, warum der Daumen und der kleine Finger nicht gar bequem auf diesen halben Tönen gebraucht werden.

 §. 82.  Da man alle Brechungen und springende Gedancken, so viel als es seyn kan, auf diese mehrstimmige Anschläge zurück führet, so folgt hieraus, daß sie auch nach unserer vorgeschriebenen Finger-Setzung gespielt und zugleich nach den darbey angemerckten Umständen beurtheilet werden müssen. Die aus dem [37] bey Fig. LV. angezeigten Exempel heraus gezogenen Gedancken werden meinen Lesern meine Meinung noch deutlicher machen.

 §. 83.  Der gute Vortrag, sowol als das vorhergegangene, erfordern bisweilen eine kleine Aenderung der Finger bey diesen Brechungen. Besonders findet man zuweilen bey gewissen von oben herunter gebrochenen Accorden den dritten Finger bequemer als den vierten, ohngeachtet dieser letztere natürlicher bey denselben Accorden, wann sie auf einmahl angeschlagen werden, eingesetzt wird (1). Wegen des guten Vortrags kan man oft von einem schwächern Finger den Grad der Deutlichkeit nicht erwarten, welchen man von einem stärckern gar leicht erhält, weil die Deutlichkeit überhaupt durch einen gleichen Druck vornehmlich mit hervorgebracht wird. Aus dieser Ursache haben linckhändige keinen geringen Vortheil auf unserm Instrumente. Bey dem (2) Exempel hat man die Tertie wegen des vorhergegangenen f, mit dem dritten Finger genommen.

 §. 84.  Da wir aus allem bisher angeführten ersehen haben, daß vor allen andern Fingern besonders der rechte Gebrauch des Daumens so wohl in den gehenden als springenden, so wohl in den einstimmigen als mehrstimmigen Gedancken von besonderer Erheblichkeit sey; so ist der Schade um so viel grösser, den einige, und zwar in unsern jetzigen Tagen, auswärts heraus gekommenen Anweisungen zum Clavier-Spielen ausser andern falschen Sätzen besonders wegen dieses Puncts anrichten. Einer läßt den Gebrauch des Daumens gar weg; ein anderer geht desto unfreundlicher mit seinen Schülern um, er fordert nicht allein von ihnen, daß sie alle Finger ohne Unterschied und ohne die gehörige Ordnung auf allen Tasten herum klettern lassen, sie sollen so gar dieses auf einer Taste allein thun können. Der erste zieht Schüler, welche nicht anders als durch Stolpern, Absätze [38] und Verschrenckung der Finger fortkommen: des andern Scholaren werden ohne Noth und Nutzen strapazirt, besonders muß bey ihnen alle Augenblick die Hand verstellt und verzogen werden, indem sie so gar in den Ton-Arten mit den meisten Versetzungs-Zeichen ohne die geringste Noth den Daumen auf die halben Töne schleppen; durch dieses Verdrehen kommen die andern Finger aus ihrer natürlichen Stellung, sie können anders nicht als durch Zwang gebraucht werden, folglich fällt alle Gelassenheit, alle Schlappigkeit der Nerven weg, und die Finger werden steif.

 §. 85.  Je verführischer die Finger-Setzung bey den einstimmigen und gehenden Gedancken vor den mehrstimmigen und springenden ist, wie wir aus den Scalen gesehen haben; desto weniger gefährlich ist sie bey denen Bindungen. Indem die gebundenen Noten aufs strengste nach der Vorschrift gehalten werden müssen, so pflegt daher selten mehr als eine Art, solche heraus zu bringen, möglich zu seyn. Man muß also hierbey mehr Freyheiten erlauben, als sonsten. Das Fortsetzen eines Fingers ohne Abwechselung, das Steigen des Daumens auf einen halben Ton und andere Hülfs-Mittel, wovon wir hernach handeln werden, kan man ohne Bedencken brauchen. Da man also nicht leicht bey diesen Bedingungen irren kan, so mögen die wenigen Exempel bey Fig LVI. hinlänglich seyn.

 §. 86.  Ich mache den Anfang bey Anführung einiger besonderer Exempel, unter Fig. LVII. bey (a) das Ueberschlagen des zweyten, bey (b) des dritten und bey (c) des vierdten Fingers über den Daumen in Sprüngen zu zeigen. Bey Fig. LVIII. sehen wir das Einsetzen des Daumens in springenden Passagien; man mercke hier, daß allezeit nach dem Daumen der vierte Finger, und nach dem zweyten der kleine eingesetzet wird.

[39]  §. 87.  Eine der nöthigsten Freyheiten in der Applicatur ist das Auslassen gewisser Finger wegen der Folge. Die unter Fig. LIX. befindlichen Exempel zeigen dieses deutlich, unter welchen das mit (*) auf Tab. III. bezeichnete beweiset, daß dieses Auslassen natürlicher sey, als die bey (*)(*) befindlichen Spannungen. In den Bässen kömmt diese Nothwendigkeit besonders oft vor. Die natürliche Biegsamkeit des Daumens macht das bey (1) befindliche Exempel, allwo drey Finger ausgelassen werden, bequemer, als das bey (2), wo nur zwey Finger wegbleiben.

 §. 88.  Wenn in den Probe-Stücken zwey Ziffern neben einander über eine Note vorkommen, so wird der eingesetzte Finger, welchen die erste Ziffer anweiset, nicht eher aufgehoben, als bis der andere da ist, weil diese mit zwey Ziffern bezeichnete Note nur einmahl angeschlagen werden darf, es sey denn, daß eine darüber befindliche Manier, diese Note mehr als einmahl zum Gehör bringet. Die Folge so wohl Tab. III. Fig. LX. (a) als die Ausübung einiger Manieren machen dieses Einsetzen zweyer Finger hinter einander oft nöthig; dann und wann ist auch eine Aushaltung daran Schuld (b). Die Biegsamkeit des Daumens ist zu diesem Ablösen vorzüglich geschickt. Da dieses Hülfs-Mittel so gar leicht nicht ist, geschickt zu gebrauchen, so hat es von Rechts wegen nur bey einer wenigstens etwas langen Note und im Falle der Noth statt. Diese Vorsicht mercke man bey allen ausserordentlichen Hülfs-Mitteln, welche theils von Natur theils wegen ihrer Seltenheit schwer sind und auch bleiben. Man erlaube solche seinen Schülern nicht eher, als bis entweder gar keine andere Möglichkeit mehr da ist, oder man müste eine noch grössere Unbequemlichkeit sich gefallen lassen. Aus dieser Ursache braucht Couperin, so gründlich derselbe sonsten ist, zu oft und ohne Noth dieses Ablösen eines schon eingesetzten Fingers. Ohne [40] Zweifel war der rechte Gebrauch des Daumens damals noch nicht völlig bekannt; man siehet dieses aus einigen von ihm bezifferten Exempeln, allwo er besonders bey Bindungen so verfährt, anstatt den Daumen zu gebrauchen oder mit einem Finger fort zu gehen, welches beydes leichter ist als dieses Hülfs-Mittel. Da der Daumen von unsern Vorfahren nur selten, gebraucht wurde, so war er ihnen oft im Wege; folglich hatten sie manchmal zu viel Finger. Als man nachhero solchen fleißiger zu gebrauchen anfing, so mengte sich die alte Art noch oft unter die neue und man hatte gleichsam noch nicht das Hertz, den Daumen allezeit da, wo er hingehöret, einzusetzen. Jetzo empfinden wir dann und wann, ohngeachtet des bessern Gebrauchs der Finger bey unserer Art von Musick, daß wir deren zu wenig haben.

 §. 89.  Dahero muß man zuweilen erlauben mit einem Finger, auch bey gehenden Noten, fortzugehen. Am öftersten und leichtesten geschiehet dieses, wenn man wegen der Folge von einem halben Tone in die nächste Taste mit dem Finger herunter gleitet. Man drückt hierdurch sehr bequem eine Schleifung aus, Fig. LXI. Da dieses Herabgleiten sehr leichte fällt, so kan es auch ausser dieser Ursache und in geschwinderer Zeit-Masse gebraucht werden als das Fortsetzen und Ablösen. Uebrigens mercke man besonders hierbey an, daß das Fortsetzen in gewissen Fällen eben so geschickt ist, gestossene Noten heraus zu bringen als geschleifte. Von der ersten Art finden wir bald zu Anfange des Probe-Stücks aus dem Fis moll,[WS 7] und von der andern Art bey Fig. LVI. Tab. II. Exempel. Uebrigens haben wir aus dem vorigen §. gehört, daß dieses Fortsetzen natürlicher sey, zumahl bey Bindungen, wenn man die Wahl hat, als das Ablösen.

 §. 90.  Wenn ein Ton öfter als einmal hinter einander in mäßiger Geschwindigkeit vorkommt, so wird mit den Fingern [41] nicht abgewechselt, wohl aber bey dergleichen geschwinden Noten. Man gebraucht hierzu nur zwey Finger auf einmal. Der kleine ist hierzu der ungeschickteste, weil ihm wegen seiner Schwäche das Schnellen, welches hierzu erfordert wird, schwer fällt. Dieses Schnellen entsteht dadurch, indem jeder Finger so hurtig als möglich von der Taste abgleiten muß, damit jedes Einsetzen deutlich gehört werden könne. Auf dem Clavicorde bringt man am leichtesten diese Art von Passagien heraus.

 §. 91.  Bey etwas langsamen mehr als einmal hinter einander vorkommenden einerley Tönen kan man diesen besondern Vortheil sich zu Nutzen machen, daß man das letzte mahl denjenigen Finger einsetzt, den die Folge haben muß. Ein Exempel hiervon findet man bey Fig. LXII. Dieser Umstand ereignet sich besonders bey der lincken Hand oft.

 §. 92.  Wenn in denen Ton-Arten mit vielen halben Tönen Passagien vorkommen, welche nicht von der Weite seyn, daß nach untersetztem Daumen, der gewöhnliche Finger, wegen der sonst ordentlich darauf folgenden Töne, muß gesetzt werden, so nimmt man nach dem Daumen den Finger, welcher vor dem Daumen da war. Die Ursache hiervon ist diese, weil man hierdurch die Hand in einer Lage behält, anstatt daß es unbequem fallen würde, wegen eines geschwinde vorbey gehenden Tones die gantze Hand zu rücken. Diese Regel gilt nur so lange, als blos ein Ton nach Einsetzung des Daumens darauf folgt; folgen aber zwey, so braucht man die Finger in ihrer gehörigen Ordnung. Von beyderley Art finden wir Exempel unter Fig. LXIII. Einige brauchen diese Art von Applicatur bey Passagien, wo noch zwey Töne nach dem Daumen folgen, welche gantz oben über die beyden letzten Exempel stehet; sie ist nicht eben unrecht, ich glaube [42] aber, daß man das verbunden ist zu thun, was man in wenigen Veränderungen ohne Unbequemlichkeit verrichten kan.

 §. 93.  In den Probe-Stücken finden sich ein paar Stellen, wo wider die gegebene Regel, in einer einzeln Stimme der kleine Finger gebraucht wird an einem Orte, wo die Weite der Passagie nicht mit ihm zu Ende gehet. Die Abbildung beyder Passagien findet sich bey Fig. LXIV. Der erstere Fall ist durch die mäßige Zeit-Maaß der Noten zu entschuldigen. Man darf dieses Ueberschlagen nicht anders gebrauchen, als wenn der vierte längere Finger über den auf eine der untersten Tasten liegenden kleinen, auf einen halben Ton ziemlich bequem durch eine kleine Wendung der Hand klettern kan, und dieses muß nur einmal und nicht öfter hinter einander geschehen. Der andere Fall ist ein Zeichen der nöthigen Zusammenziehung der Hand und wird durch die Haltung erleichtert; ausserdem aber ist diese Art von Applicatur falsch. Da die Zeit-Maaß des gantzen Stückes sehr geschwind ist, so möchte die Einsetzung zweyer Finger auf das f fast schwerer gewesen seyn, als dieses Zusammenziehen. Die Hand wird bey diesem Falle gleichfalls etwas weniges nach der rechten Seite gewendet. Das Einsetzen in eben demselben Stücke auf einer kürtzern Note vor einer Manier, hat nicht vermieden werden können, oder man hätte einen ungewissen Sprung wagen müssen. Wir werden dieses aus der Erklärung dieser Manier deutlicher begreifen.

 §. 94.  In Stücken von drey und mehrern Stimmen, wo jede Stimme ihren ausdrücklichen Gesang behält, ereignen sich dann und wann Fälle, wo beyde Hände abwechseln müssen, wenn die Gattung der Noten genau beobachtet werden soll, obgleich nach dem Noten-Plane der Gang nur einer Hand allein zu gehören scheinet. Fig. LXV.

[43]  §. 95.  Endlich habe ich um beyden Händen Gelegenheit zu geben, sich gleich zu üben, bey Fig. LXVI. zwey Exempel aus den verführerischsten Ton-Arten mit einem Versetzungs-Zeichen beygefügt, in welchen bey dem ersten durch lauter gehende Noten, und bey dem zweyten durch eingemischte Sprünge das Untersetzen so wohl als das Ueberschlagen nebst dem Gebrauche des kleinen Fingers deutlich zu ersehen ist.

 §. 96.  In gewissen Fällen, wo man leicht ungewiß hätte seyn oder gar irren können, welche Noten mit dieser oder jener Hand müssen gespielt werden, habe ich die für die rechte den Strich in die Höhe und die für die lincke den Strich herunter kehren lassen. Wenn wegen Mangel des Raums einige Noten in den Mittelstimmen nicht besonders geschwäntzt worden sind, so muß man ihre Geltung und Aushaltung nach der Eintheilung anderer mit ihnen zugleich anschlagenden Mittel- oder Grund-Stimmen-Noten beurtheilen. Da ich in der Schreib-Art der Probe-Stücke hauptsächlich darauf gesehen habe, daß denen Anfängern so viel möglich eine Erleichterung verschaffet und alle Gelegenheit benommen werde, die Hände wegen der ihnen zukommenden Noten zu verwirren: so wird es niemand Wunder nehmen, wenn manchmal die Geltung jeder Note und der Gang jeder Stimme nicht ausdrücklich so, wie man wohl sonsten zu thun pfleget, angedeutet worden. Ein Kenner wird dem ohngeacht gar leicht den Gesang jeder Stimme und die Geltung jeder Note aus einander finden können; In den Probe-Stücken aus dem D dur und aus dem As ereignet sich die Ursache zu diesem §. einige mahl.

 §. 97.  Man findet unter gedachten Probe-Stücken eines, wo die Hände überschlagen werden müssen. Ich habe auch diese natürliche Hexerey nicht vorbey gehen wollen, welche seit kurtzem erst wieder anfängt etwas weniger gebraucht zu werden. Durch [44] die Vorzeichnung des Schlüssels habe ich hierbey jeder Hand das ihrige angewiesen; ausserdem pflegt man auch durch hinzugefügte Wörter dieses zu thun. Man findet oft dergleichen Stücke, wo der Urheber davon ohne Noth dieses Ueberschlagen der Hände haben will. Man ist alsdenn hieran nicht gebunden, sondern ziehet den natürlichen Gebrauch der Hände dieser Gauckeley vor. Dem ohngeacht ist diese Art zu spielen gar nicht zu verwerfen, in so ferne sie unser Instrument noch vollkommner macht, und hierdurch gute neue Gedancken heraus gebracht werden können. Nur müssen sie so beschaffen seyn, daß sie ohne Ueberschlagen entweder gar nicht, oder sehr unbequem gespielt werden können, indem der Gesang jeder Stimme bald durch heßliche Absätze verstümmelt, bald gar zerrissen wird. Ausserdem ist es vergeblicher Wind, welcher blos Unverständige blenden kan; denn ein Kenner weiß gar wohl, daß dieses Ueberschlagen allein betrachtet ausser einer kleinen Ungewohnheit, welche bald überwunden ist, gar nichts schweres in sich hat, ob wir schon aus der Erfahrung wissen, daß sehr gute und auch schwere Sachen auf diese Art gesetzt worden sind.

 §. 98.  Was wegen der Finger-Setzung bey den Manieren zu mercken ist, wird in dem besondern Haupt-Stück von den Manieren abgehandelt werden, weil deren Erklärung vorhero hierzu erfordert wird. Zuweilen sind bey einigen durch kleine Nötgen angedeuteten Manieren die Ziffern weggelassen worden, weil man sie aus der folgenden bezifferten Haupt-Note beurtheilen kan.

 §. 99.  Im übrigen verweise ich meine Leser auf die zuletzt angehängte Probe-Stücke, allwo von allen in der Applicatur vorkommenden Fällen zusammen hangende Exempel anzutreffen sind.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nutzeu
  2. Vorlage: E mol
  3. Vorlage: E mol
  4. Vorlage: a dur
  5. Vorlage: b molls
  6. Vorlage: f moll
  7. Vorlage: fis moll
Einleitung Nach oben Zweytes Hauptstück. Von den Manieren
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