Vor- und Rathschläge zu Sommercuren

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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Vor- und Rathschläge zu Sommercuren
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 344–346
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Vor- und Rathschläge zu Sommercuren.

Wer’s irgendwie möglich machen kann, mag er kank oder gesund sein, der sollte es auch stets thun, nämlich in schöner Jahreszeit sein Haus und Geschäft auf einige Zeit verlassen, um in Gottes schöner freier Natur seinen Körper recht ordentlich abzumausern und zu restauriren. Denn nichts fördert die Reinigung unseres Körpers von unbrauchbaren, durch ihre widernatürliche Anhäufung im Blute sogar gefahrbringenden Stoffen (Organenschlacken) mehr, als eine zweckmäßige Bewegung bei passender Kost und erquickender Ruhe (des Geistes, Gemüthes und Körpers) in reiner (zumal sonniger Wald-) Luft.

[345] Durch die Entfernung jener Gewebsschlacken aus unsern Organen und dem Blute, die sich in Folge der Lebensthätigkeiten durch Abnutzen der thätigen Organe fortwährend bilden, kann sich sodann das gereinigte Blut bei Aufnahme passender Nahrungsstoffe und hinreichender Lebensluft recht ordentlich mit dem Neubau (der Verjüngung) unserer Körpergebilde beschäftigen, vorausgesetzt natürlich, daß wir seinen Lauf durch alle Theile unseres Körpers nicht nur nicht erschweren, sondern soviel als möglich fördern.

Die auf Badereisen in flottern Gang gebrachten Mauserungs- und Verjüngungs-Processe innerhalb unseres Körpers, die sind es nun auch, welche in den allermeisten Fällen bei den sogen. Badecuren das eigentliche Heil bringen, nicht aber die Mineralstoffe des gebrauchten Trink- oder Badewassers. Ja, fast stets werden Badecuren erfolglos oder sogar schlecht ablaufen, sobald dabei Etwas gethan wird, was jenen Processen hindernd in den Weg tritt. Und weil das sehr oft der Fall ist, darum eben nützen die meisten Badecuren so wenig. Die Behauptung ist gewiß nicht zu kühn, daß, wenn diejenigen, welchen eine Badecur nichts genützt oder sogar geschadet hat, gerade so den Erfolg dieser Cur ausposaunten, wie diejenigen, welche angeblich Vortheil davon gehabt haben, daß dann sicherlich in Bälde die Mineralquellen, – nicht aber die Bade- und rationellen Heilorte, wo man sich’s nicht nur wohl sein lassen, sondern auf naturgemäße Weise auch gesunden kann, in Verruf kämen.

Wie komisch ist es nicht, wenn ein von seinem Arzte in’s Bad geschickter Kränklicher aus weiter Ferne auf seiner Reisetour, gewissermaßen um die Probe auf seinen heimischen Arzt zu machen, in allen größern Städten, die er passirt, die verschiedenen Heilpäpste consultirt und von diesen das für ihn zweckmäßigste Bad zu wissen wünscht! In der Regel empfiehlt dann fast jeder dieser Heilheroen ein anderes Lieblingsbad, und zwar mit einer Wichtigkeit, als ob wenigstens das Leben des Patienten davon abhinge, so daß diesem schließlich, wenn er aus der Ungewißheit über seine Badezukunft herauskommen will, nichts weiter übrig bleibt, als nach dem Gebrauche mehrerer Trink,- und Badewässer zu guter Letzt außer Fichtennadel- und Seebädern noch eine Traubencur durchzumachen.

So ziemlich in jedem Badeorte kann nun aber der Gesunde wie Kranke seinen Zweck, nämlich die Kräftigung oder Wiederherstellung seiner Gesundheit, erreichen, nur muß er dort auch consequent alles das thun oder lassen, was sein Zustand verlangt oder vermieden wissen will. Und da nun vor allen Dingen eine behagliche Gemüthsruhe das wichtigste Erforderniß bei Curen außer dem Hause ist, so lasse der Bade- und Gesundheitsreisende alle Arten von Grillen und Sorgen, von Wehen und Suchten hübsch zu Hause und suche sich zur Mauserung und Verjüngung seines Ichs entweder ein behagliches, seinen Wünschen entsprechendes gemächliches Plätzchen in gesunder schöner Gegend, aber freilich mit den nöthigen Bequemlichkeiten aus, oder wandere sich die versetzten unnützen Abreibsel seiner Organe tüchtig weg. – Die Wahl eines Bades für Erholungsbadende läßt sich am besten nach den Bedürfnissen und Sympathien des Badereisenden treffen, z. B. nach der Vorliebe desselben für eine bestimmte (ebene, bergige, waldige) Gegend, ferner für eine gewisse Kost, sowie für eine besondere Gesellschaft und Unterhaltung. – Wir würden nun den bade- und reiselustigen Lesern mit Rücksicht auf ihren Gesundheits- und Krankheitszustand etwa folgende Vor- und Rathschläge ertheilen.

Für das übrigens gesunde, nur durch seinen Beruf etwas abgespannte Mehrheitsgeschöpf giebt es nichts Besseres als eine Wandercur; denn mit College Richter (welcher in Nr. 4 des Jahrgangs 1862 der Gartenlaube treffliche praktische Regeln zu dieser Cur gegeben hat) behaupten wir: „so ein paar Wochen Freiheit, welche man, in Land und Flur herumstreifend, am besten in den Bergen umherkletternd, zubringt, das ist eine Medicin, köstlicher und heilsamer als irgend eine aus der Apotheke.“ Aber auch diese Wandercur des Gesundheits-Reisenden will mit der nöthigen Vorsicht gebraucht werden, wenn sie wirklich Nutzen schaffen soll. Denn man kann leider auch das Gegentheil davontragen, sich durch eine solche Reiseart krank, ja zeitlebens untüchtig machen. Darum beachte man die Richter’schen Rathschläge.

Die sonst gesunden, aber durch anstrengende, besonders geistige Arbeit geschwächten Geschäftsleute, Diplomaten und Gelehrte, deren Köpfe so voll Zahlen, Speculationen und Definitionen, voll Anträgen und Adressen, voll Plänen zu Erfindungen und Entdeckungen stecken, daß ihnen das Gehirn brummt und alle Nerven zittern, deren Schlaf und Appetit unordentlich zu werden anfängt, denen im Hause nichts mehr recht gemacht wird und die an der Grenze der sogenannten Nervosität stehen, die werden am besten durch eine Ausruhecur mit Ausflügen in einem gemüthlichen, ihnen zusagenden Aufenthaltsorte – ob mit oder ohne Frau ist sehr zu überlegen, jedenfalls aber ohne Courszettel, Kreuzzeitung und Kammerberichte – erfrischt und gekräftigt. Wer von diesen Geschäftsmatten es dahin bringen kann, daß er sich bei dieser Cur zeitweilig alles ernstlichen Denkens zu enthalten im Stande ist, der wird seinen Apparat für die geistige Arbeit (das Hirn-Nervensystem) ziemlich schnell wieder auf die Beine bringen. Bei dieser Ausruhecur ist der Aufenthalt in freier, reiner (besonders sonniger Wald-) Luft und eine nicht zu anstrengende Bewegung (nur Excursionen in die Nachbarschaft), während welcher die Lebens- und Gesundheitspumpe (der Athmungsapparat; s. Gartenl. 1859. Nr. 20) gehörig spielen muß, nicht zu entbehren. Dagegen sind alle erregenden Einflüsse, zu denen nicht blos körperliche (wie Kälte, Spirituosa, starker Kaffee, Thee und Tabak, Sinnesanstrengungen), sondern auch geistige und gemüthliche (wie Leidenschaften aller Art, Spiel, größere Gesellschaften etc.) gehören, fern zu halten. Die äußere Anwendung des kalten Wassers (als Bad, Uebergießung, Abreibung) muß, weil Kälte eines der stärksten Reizmittel für die Nerven ist (s. Gartenl. 1856. Nr. 40), streng untersagt werden, ein warmes Bad von Zeit zu Zeit ist aber zu empfehlen.

Nervenschwachen, Blutarmen und Kraftlosen, die sich durch große Magerkeit und Schwäche, widernatürliche Blässe der Haut und Schleimhaut (der Lippen, des Zahnfleisches, der Zunge, der Innenfläche des Augenlides) und leicht erregbares Nervensystem (mit allerhand unangenehmen Empfindungen und vorübergehenden Zuckungen allerwärts) charakterisiren, kann nur eine kräftigende Ruhecur in behaglicher Abgeschiedenheit helfen. Diese besteht aber in der Anwendung der allergrößten Ruhe (in körperlicher, geistiger, gemüthlicher und geschlechtlicher Hinsicht), des unausgesetzten Athmens einer reinen (sonnigen Wald-) Luft, einer guten Milch (nicht Molken, denen gerade das kräftigende Nahrhafte fehlt) und der Wärme. (Ausführlicheres s. Gartenl. 1862. Nr. 39.) Das kalte Wasser in seiner äußern Anwendung (Bäder, Waschungen etc.) ist für diese Patienten geradezu Gift. Möchten sie doch das, was wir schon früher sagten, recht beachten: „Die hauptsächlichsten Verstöße, welche kraftlose, blutarme und nervenschwache Personen bei der Heilung ihrer Leiden machen und welche auch die Schuld davon tragen, daß derartige Kranke trotz aller Curen doch nur äußerst selten ihre volle Lebenskraft wieder erlangen, sind folgende: die Patienten setzen auf die eisenhaltigen Trink- und Badewässer mehr Vertrauen, als auf eine zweckmäßige Nahrung (Milch); sie halten kalte Bäder (Seebäder) für Stärkungsmittel; sie meinen sich durch vieles Spazierengehen kräftigen zu können; sie streben, um die Gedanken von ihren Beschwerden abzuziehen, nach aufregenden Zerstreuungen und Vergnügungen. Und so kommt es denn, daß das, was bei einer solchen Cur die Milch und die Luft gut machen, das kalte Wasser, übermäßiges Spaziergehen und ermattende Gesellschaften (nicht selten auch die gesundheitswidrige Kleidung der Patientinnen) wieder verderben. Kurz, nur äußerst selten werden bei den Kräftigungscuren diejenigen diätetischen Gesetze beobachtet, welche stets, aber nur wenn sie alle zusammen gehalten werden, zur Heilung führen.“

Der bleiche, magere Hustekranke, der von den Aerzten in der Regel nach Salzbrunn, Ems oder Soden etc. dirigirt wird, kann seiner Brust überall, wo er sich in einer gegen Nord- und Ostwind geschützten, sonnigen und waldigen Gegend der kräftigenden Athmungscur mit rechter Gemüthsruhe (besonders ohne Heimweh) und ohne Verstöße gegen die hierbei streng zu beobachtenden diätetischen Gesetze unterwirft, aufhelfen. Eine Athmungscur muß diese Cur insofern sein, als sie einestheils auf die einzuathmende Luft, welche bei Tag und bei Nacht eine reine und warme sein muß, den größten Werth zu legen, und anderenteils den Act des Athmens mit in ihr Bereich zu ziehen hat. Das Einathmen geschehe nämlich behutsam (nicht eilig und gewaltsam) und werde durch Uebung allmählich immer tiefer; die eingeathmete reine, warme Luft werde so lange, als es ohne Anstrengung und Beschwerden möglich ist, in den Lungen zurückbehalten und dann ganz langsam (vielleicht durch ein feines Röhrchen oder durch die Nase bei geschlossenem Munde, wieder ausgeatmet. Alles, was das Athmen sehr beschleunigt und Herzklopfen veranlaßt, schadet. Die Kräftigung bei [346] dieser Cur wird natürlich am besten durch gute und zwar fette Milch (nicht Molken) besorgt; die übrige Nahrung sei gehörig fett- und salzhaltig. (Ausführlicheres s. Gartenl. 1859. Nr. 47.)

Wer am Magen leidet, der kann als seinen Curort nur den betrachten, wo er die passende Magendiät führen und warmes Wasser ohne großen Salzgehalt genießen kann, denn jede Arznei, sowie jedes kalte und mineralreiche Wasser ist dem kranken Magen äußerst nachtheilig. Diese Magendiät wurde in der Gartenlaube 1860 Nr. 7 ausführlich besprochen und besteht aus dem Vermeiden kalter, reizender und harter Genußmittel.

Dem fettleibigen, mit Unterleibsunbehaglichkeiten aller Art oder mit hartnäckiger Verstopfung Behafteten, sowie dem hypochondrischen Hämorrhoidarius empfehlen wir die Warmwasser-Wandercur mit obligater Tiefathmung. Wie diese Cur und ihre Hülfsmittel zu hand- und fußhaben sind, lasse man sich aus der Gartenlaube 1863, Nr. 14; 1862, Nr. 4; 1859, Nr. 20 und 1860, Nr. 21 erklären. – Wer mit dem Stuhle viel Blut verliert, beruhige sich nicht mit dem Worte „hämorrhoidalisch“, sondern unterwerfe seinen Mastdarm einer ganz genauen Untersuchung, die aber vom Arzte sofort nach einer Entleerung des kranken Mastdarmes anzustellen ist.

Bei Frauenkrankheiten, wenn sie mehr örtlicher als allgemeiner Natur (mit Blutarmuth, Nervosität) sind, können Badecuren nur wenig helfen, denn hier muß die Behandlung auch eine vorzugsweise örtliche sein. Wo in einem Badeorte das passende örtliche Mittel (mit einem geübten Heilkünstler) angetroffen wird, da ist dieses allerdings dem zu Hause vorzuziehen.

Daß die sogenannten scrophulösen Kinder in Soolbäder u. dergl. geschafft werden müssen, das finden Aerzte wie Eltern ganz unvermeidlich; daß aber eine gute Luft und eine zweckmäßige Nahrung, vorzugsweise die Milchdiät, weit wichtiger noch als die warmen Bäder (meinetwegen denn mit Soole oder Mutterlaugensalz) sind, das wird nicht genug beachtet.

Ueber Sommercuren bei spezielleren Leiden später.

Bock.