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Zu Joseph Haydn’s hundertundfünfzigster Geburtsfeier

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Textdaten
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Autor: Ludwig Nohl
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Titel: Zu Joseph Haydn’s hundertundfünfzigster Geburtsfeier
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 192–194, 196
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Zu Joseph Haydn’s hundertundfünfzigster Geburtsfeier.

Von Ludwig Nohl.

Eine der wunderbarsten Eigenschaften, welche die Musik zeigt, ist die zwingende Wirkung, die sie auf unsere Stimmung ausübt. Ob im gewohnten Sinne „musikalisch“ oder nicht, wem in der vollen Deutlichkeit der Darstellung ein stimmungsvolles Meisterstück vorgeführt wird, der fühlt sich davon erfaßt und gestimmt, er mag wollen oder nicht. Die Philosophie lehrt uns schon seit der Griechen Zeiten, daß die Musik vom Wesen der Dinge rede, während die bildenden Künste ihren Schein reproduciren, und Schopenhauer, so wenig musikalisch er an sich ist, sagt doch sehr zutreffend speciell von der Melodie, sie erzähle uns die geheimste Geschichte unseres Inneren, sie male jede Regung, jedes Streben, jede Bewegung desselben, kurz alles das, was die Vernunft unter dem weiten Begriff „Gefühl“ auffasse.

Ein Meister, der diese individuelle Stimmung, nicht etwa in die Musik überhaupt eingeführt, wohl aber zuerst völlig auch für die instrumentale Kunst zum Princip erhoben und der sie zu Anlaß und Richtschnur seines Schaffens gemacht hat, feiert am 1. April seinen hundertundfünfzigjährigen Geburtstag – Joseph Haydn.

Es lohnt sich wohl, zu solcher Zeit einmal näher in Geist und Sinn eines Mannes einzugehen, der uns Nachlebenden noch heute in musikalischem Humor und inniger Empfindung ein kaum erreichter Meister ist und dadurch eine Kunst heraufbeschwor, die kein Volk und keine Zeit zuvor gekannt hat - die deutsche Instrumentalmusik.

Geboren in der Nacht vom 31. März auf den 1. April des Jahres 1732 zu Rohrau an der Leitha in kleinen, mehr bäuerlichen als städtischen Verhältnissen, theilte er von Jugend an die einfache Ruhe dieser Stände, die das Sichausleben in einer Empfindung und Stimmung vorzugsweise begünstigt. Und nun gar die Gleichmäßigkeit des Daseins in jener Donau-Gegend an der ungarischen Grenze und im vorigen Jahrhundert! Wenn des Tages Arbeit vorüber war, saßen die Mitglieder der Familie mit einander auf der Ofenbank und sangen „simple kurze Stücke“, das heißt volksmäßige Weisen, die der Vater auf seiner Wanderschaft gehört hatte und jetzt zugleich auf der Harfe begleitete. Der kleine Sepperl übte hier nicht blos das Ohr, sondern vielleicht viel tiefer noch Herz und Gemüth, und geradezu eine andere Art Gottesdienst muß es diesen religiös frommen Leuten gewesen sein, was sie da in unbewußter Aufdeckung ihres Heiligsten, des inneren Gefühles, mit einander trieben. Denn noch als Sechsziger, als Haydn, ein weltberühmter Mann, die einfache Stube wieder betreten sollte, konnte er nicht anders, als, ehe er die Schwelle überschritt, niederzuknieen und sie zu küssen. Wie tief muß also sein Gemüth bei diesen jugendlichen Musikübungen betheiligt gewesen sein, daß er sie geradezu als heilig zu haltende Quelle all seines künstlerischen Vermögens und Leistens empfand und betrachtete! Die Welt hatte ihn allerdings auch seitdem durch mancherlei Noth und Qual hindurchgetrieben, aber immer hatte er sein inneres Heim wiedergefunden.

Seine schöne Stimme brachte den Knaben, welcher zuvor eine Zeit lang in dem Städtchen Hainburg bei Verwandten gelebt hatte, mit acht Jahren in die Capelle der Stephanskirche in Wien. Hier war Schmalhans Küchenmeister. Dies trieb ihn aber dazu, bei mancherlei Haus- und Festmusik mitzuwirken und so sich praktisch tüchtig zu machen. Doch weihte ihn die Kirchenmusik auch in die tieferen Wirkungen der Harmonie ein, und die einfachen Klänge der weltlichen Kunst erschienen hier zu dem Erhabenen des Himmelsdomes erweitert, den er in der Natur so oft still anbetend bewundert hatte: wir wissen es aus seiner „Schöpfung“.

Aber auch der fröhliche Lebenssinn und Jugendübermuth des Knaben blieb in dieser beengten Existenz der gleiche wie früher, und selbst als er, weil seine Stimme sich brach, aus der Capelle entlassen und der baaren Noth des Lebens preisgegeben wurde, verließ ihn die Zuversicht nicht. Ein armer Chorist nahm ihn zu sich auf das Dachstübchen, und die Mitwirkung bei den Musikbanden zu Spiel und Tanz verschaffte ihm wenigstens das tägliche Brod. Die Nächte aber wurden dem Studium gewidmet, und bald konnte er als Gesangsbegleiter bei einem berühmten Maëstro eintreten, der ihn zugleich in den „echten Fundamenten der Satzkunst“ unterwies, wofür er ihm dann auch – die Kleider ausklopfen durfte.

Dieser Maëstro, Nicolo Porpora, gehörte als Singmeister und Componist jener italienischen Opernschule an, die damals in ganz Europa die musikalische Kunst beherrschte. Haydn konnte hier lernen, dem Anmuthenden der Natur, das seiner dem Volke entlehnten Weise eigen war, die Grazie der Kunst und vor allem die schöne Durchsichtigkeit der Harmonie zu verleihen. Und dies war für einen Deutschen etwas. Denn nachdem Sebastian Bach die Kunst der contrapunktischen Polyphonie auf die höchste Stufe erhoben hatte, war der deutschen Musik, seitdem sie nur Kleinmeister hervorbrachte, etwas handwerkerlich Steifes geblieben, während die Halbbrüder der Alten, die Italiener, wie in der bildenden Kunst, so auch in der Musik die schöne Melodielinie gefunden hatten.

Noch etwas aber fehlte, um unseren Haydn zu dem zu machen, als was die Welt ihn immer feiern wird, und dies gab

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Joseph Haydn.
Nach einem Wachs-Medaillon von Irwach auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.


ihm ein Deutscher, Philipp Emanuel Bach. Wie das Instrumentenspiel an der Hand der Oper zuerst in Italien eine allgemeinere Bedeutung gewann, so waren auch dort in Nachbildung von Lied und Tanz zuerst selbstständige Instrumentalstückchen (Symphonien) entstanden, und ihnen reihte sich dann bald in der feinen Gesellschaft dieses hochcultivirten Landes die Musica da camera, die Kammermusik an. Aber die dem Deutschen eigenthümliche Anlage zur tieferen Erfassung des Lebens befähigte nun, gegenüber der italienischen Musik, auch vor allem die deutsche Kunst, dieser Instrumentalschöpfung den vollen Athem einzuhauchen: da war es denn Philipp Emanuel Bach, der, aus der unerschöpflichen Harmoniewelt seines großen Vaters stammend, hier alle erforderlichen Mittel der Gestaltung und des Ausdrucks zu Gebote hatte und nun in seinen dreisätzigen Sonaten für Kenner und Liebhaber seinen Spruch, „die Musik müsse fürnehmlich das Herz rühren“, zur That und Wahrheit machte. Eine glückliche Fügung spielte schon dem jungen Haydn diese Neuschöpfung in die Hände, und nun kam er nicht mehr von seinem Claviere fort, bis alles durchgespielt war. Ja, wenn er oben unterm Dache vor seinem von Würmern zerfressenen Instrumente saß, beneidete er keinen König um sein Glück.

Derweilen war er jedoch selbst schon eben durch Instrumentalcomposition zu einem gewissen Ruhme gediehen, den ihm freilich die Handwerksmusiker mit den Ausdrücken „Modehansl“ oder „Gsanglmacher“ neideten. Er hatte die damals modische Menuett, die, vom Hofe Ludwig’s des Vierzehnten kommend, überall den Tanz der vornehmen Welt bildete, eben dieser mehr äußerlichen Vornehmheit entkleidet und sie, ausgestattet mit der ganzen österreichischen heiteren Gutmüthigkeit, dem Bürger und dem Volke geschenkt, die sie in Wirthschaft und Haus, in Garten und Salon gern aufnahmen. Hier verbanden sich Haydn’s volksmäßig natürliche Empfindung und sein Humor mit seinem künstlerischen Können, um ein vollendetes Gebilde zu schaffen; denn er fügte mit dem gesunden Instincte seine Menuetts ständig der Sonate ein und gab ihr damit zu der Vornehmheit der Kunst den Ton der Unbefangenheit, der sich schon bei Haydn zu dem Klange einer weltverlachenden Heiterkeit steigerte.

Claviersonaten schrieb er schon früh. Zu der Gattung des Quartetts und der Symphonie aber, als deren Schöpfer er zu gelten hat, führten ihn die Anregungen und Bedürfnisse der Zeit selbst. Das erstere wünschte sich einmal ein Musikfreund, Herr von Fürnberg, zu einer Hausmusik, an der Haydn theilnahm, und der Künstler schrieb dann in kurzer Zeit deren achtzehn. Die erste Symphonie aber entstand, als er selbst Dirigent eines Orchesters wurde. Dies letztere blieb er dann durch volle dreißig Jahre bei dem Fürsten Esterhazy in Ungarn. Und weil er dabei nach Belieben experimentiren, probiren, ab- und zusetzen konnte, so mußte er original werden, wie er selbst sagte. Doch liegt das Originale wohl mehr in [194] seiner eigenen inneren Natur und der Lebensfügung, welche dieselbe immer kräftiger und selbstständiger hervordrängte. Und da nun später nur noch ein entscheidendes Ereigniß, die Berührung mit dem erweckteren Volksgeiste und breiteren Leben des alten Englands, weiterbildend auf ihn wirkte, im übrigen aber sein individueller Geist es war, was ihn diesen Zug verstehen und in seinen zwölf Londoner Symphonien, die auch heute noch überall leben, künstlerisch darstellen ließ, so nähern wir uns dem Verstehen seiner allgemeineren Bedeutung am besten dadurch, daß wir uns seine Individualität deutlich vorzuführen trachten. Sind doch darüber, weil sich schon früh soviel Menschen für ihn interessirten, Nachrichten über ihn genug vorhanden.

Zunächst erfahren wir, wie das Leben selbst ihn darauf führte und förmlich dazu zwang, die eigentlichen Quellen des Glücks in sich selbst zu suchen und als eine wirkliche Lebensgefährtin die Kunst zu betrachten: Haydn war, und zwar durch ein ganzes langes Leben, unglücklich verheirathet.

Seine Heirath ereignete sich aber so: In Wien, wohin er im Herbst und Winter zurückkehren durfte, gehörten die beiden Töchter eines Perrückenmachers Keller zu seinen Schülerinnen. Die Jüngere gefiel ihm bald gar sehr, das junge Mädchen zog es jedoch vor, in ein Kloster zu gehen.

„Haydn, Sie sollten meine älteste Tochter nehmen,“ sagte darauf einmal scherzend der Vater, dem der tüchtige junge Capellmeister offenbar sehr behagte, und Haydn – that es. War’s Unkenntniß und Unbehülflichkeit in Dingen des Lebens oder der Drang nach einem ehelichen Leben – Haydn that es; er heirathete ohne oder gar gegen seine Neigung, und wir hören nun, wie schwer er es zu büßen hatte.

Schon daß die Frau älter war als er, blieb ein Mißverhältniß. Allein sie war obendrein eine herrschsüchtige und eifersüchtige Frau, die, keiner Ueberlegung fähig, zanksüchtig und herzlos erschien. Zudem war sie, entgegen der einfachen Herzensfrömmigkeit Haydn’s, sehr bigott und prunkte gern mit ihrer Gläubigkeit. Gleichwohl urtheilte Haydn vom Anfange der Ehe an milde genug über seine Ehehälfte:

„Wir gewannen uns lieb. Dessenungeachtet entdeckte ich bald, daß meine Frau viel Leichtsinn besaß.“

Er mußte wegen ihrer Putzsucht sogar seine Einkünfte sorgfältig verbergen. Auch lud sie die geistlichen Herren gar oft zu Tische, ließ viel Messen lesen und gab mehr kirchliche Spenden, als Haydn’s Lage gestattete. Von ihres Mannes Künstlerthum hatte sie so wenig Begriff, daß Haydn einmal selbst sagte:

„Ihr ist’s gleichgültig, ob ihr Mann ein Schuster oder ein Künstler ist.“

Sie verwendete sogar seine Notenblätter zu Papilloten oder Pastetenunterlagen und suchte ihn obendrein oft absichtlich zu ärgern. Als sie aber eines Tages sich beklagte, es sei nicht einmal so viel Geld da, um ihn, wenn er unerwartet sterbe, begraben zu lassen, verwies er sie auf eine Reihe Canons, die er in Ermangelung von Bildern in Glas und Rahmen an die Wand gehängt habe: er stehe dafür, daß sie ein Leichenbegängniß decken würden. Aber so groß auch seine Langmuth war, mitunter konnte er sich eines bitteren Wortes über seine Frau doch nicht enthalten, und als im Jahre 1805 der berühmte Geiger Baillot mit ihm sein Haus durchschritt, ergriff er denselben plötzlich am Arme und zeigte auf ein Bild: „Das ist meine Frau; sie hat mich oft in Wuth gebracht.“ Sie war damals schon fünf Jahre todt.

Es ist somit begreiflich, wenn auch nicht entschuldbar, daß er allmählich anderer Neigung sich hingab. Er wandte sein Herz der Sängerin Luigia Polzelli, einer neunzehnjährigen Neapolitanerin, zu, welcher er mit ihrem kränklichen Manne bei Esterhazy begegnete. Ohne gerade schön zu sein, war sie von zierlichem Wuchse und sehr einnehmendem Wesen. „Ein schmales längliches Gesicht von dunklem Teint, dunkle lebhafte Augen; Brauen und Kopfhaar waren kastanienfarbig,“ sagt Haydn’s Biograph C. F. Pohl. Er hatte an einem Weibe die Hölle im Hause; der Sängerin war ein ähnliches Loos beschieden – kein Wunder, daß die Herzen sich zusammenfanden und gegenseitig Trost suchten. Es fehlte jedoch der Boden zu wahrer fesselnder Neigung. Bei all seinen glühenden Betheuerungen ewiger Liebe vermissen wir in Haydn’s Briefen jene Zeichen höherer Achtung, ohne welche ein dauerndes Herzensband nicht denkbar ist. Die Neigung zu Luigia Polzelli verstrickte Haydn in jahrelange Seelenkämpfe, bis er seiner Empfindung für die anmuthige Sängerin Herr wurde und ihr männlich entsagte.

Hören wir zum Schluß, wie Haydn persönlich im Leben erschien und wie sein Naturell beschaffen war! Mit Recht achtet Goethe das Naturell des ausübenden Künstlers so hoch und entscheidend für die Kunst. Und wenn es wahr ist, was Vasari meint, daß Niemand einen schöneren Kopf malen kann, als er selbst hat, so wird uns umgekehrt Haydn’s Portrait an seine Musik gemahnen.

Haydn’s hagere, aber kräftige Figur blieb etwas unter dem Mittelmaß. Seine Züge waren ziemlich regelmäßig, der Blick feurig und sprechend, jedoch meist im Ausdruck gütig und wohlwollend. Aus der ganzen Physiognomie und Haltung sprach Bedächtigkeit und sanfter Ernst, während das Gesicht Würde ausdrückte. Doch nahm er im Gespräch eine heiter lächelnde Miene an; nur hörte man ihn nie laut lachen. Seine große gebogene Nase war durch einen Polypen entstellt und hatte in Folge der Blatternarben an jedem Nasenloche eine andere Form. Die Unterlippe ragte kräftig sinnlich vor. Die Gesichtsfarbe war sehr braun; ein Chronist nennt ihn geradezu einen „Mohren“, und er selbst spricht von einem Fürstenpaare, das ihn wegen seiner Häßlichkeit nicht habe leiden können. Der Perrücke, die er von Jugend auf trug, blieb er bis in sein höchstes Alter treu. Sie verdeckte aber zum Nachtheil des Gesichtsausdrucks einen großen Theil der breiten und schön gewölbten Stirn. Lavater sagt von Haydn’s Schattenriß:

„Etwas mehr als Gemeines erblick’ ich im Aug’ und der Nase;
Auch die Stirne ist gut, im Munde was vom Philister.“

„In seinem Charakter war viel Frohsinn und Scherz,“ sagt ein Zeitgenosse über Haydn. „Die bürgerliche Beschränkung und regelmäßige Einfachheit der Lebensweise erhielten ihm zeitlebens das so köstliche Gut der Gesundheit, und so sehr er stets der inneren Arbeit zugethan war und daher ruhige Betrachtung und ernsteres Besinnen liebte, wußte er doch dem Gespräche meist eine launige Wendung zu geben. Ehre und Ruhm waren die zwei mächtigen Triebfedern, die ihn regierten, mir ist aber kein Beispiel bekannt, daß sie in Ehrsucht ausgeartet wären.“

Daß Heiterkeit der Grundzug seines Wesens war, dafür hier noch ein Beispiel. Da war in Wien die noch ziemlich jugendliche Frau von Genzinger, die Gattin eines angesehenen „Damendoctors“, der auch Leibarzt von Haydn’s Fürsten war. Bei ihr verkehrten Dittersdorf, der Componist von „Doctor und Apotheker“, Beethoven’s späterer Lehrer Albrechtsberger, Mozart und andere erste Künstler Wiens. Frau von Genzinger hatte auch die Freundschaft des „Vaters der Symphonie“ gesucht und auf die beste Weise gefunden; denn der Weg zu derselben war das Arrangement einer Symphonie für Clavier gewesen. So genoß er denn dort die „allerangenehmsten Unterhaltungen“, wenn er das „unschätzbare Glück hatte, neben Ihrer Gnaden zu sitzen und sie Mozart’s Meisterstücke spielen zu hören“. Allein des Fürsten Abneigung gegen die Residenz in diesen späteren Jahren verurtheilte ihn nur zu bald wieder zur „traurigen Einsamkeit“. So sendet er denn manchmal an seine „wohledelgeborene sonders hochschätzbare allerbeste Freundin“ tragikomische Seelengrüße, wie den folgenden vom 9. Februar 1790, dessen Originaltext man in den „Musikerbriefen“ findet:

„Nun, da sitze ich in meiner Einöd’, verlassen wie ein armer Wais, fast ohne menschliche Gesellschaft, traurig, voll der Erinnerung vergangener, edler Tage. Ja, leider vergangen! Und wer, wer weiß, wann diese angenehmen Tage wiederkehren werden, diese schönen Gesellschaften, wo ein ganzer Kreis ein Herz, eine Seele ist, alle diese schönen musikalischen Abende, welche sich nur denken und nicht beschreiben lassen, wo sind alle diese Begeisterungen? Weg sind sie und auf lange weg! Wundern sich Euer Gnaden nicht, daß ich so lange nichts von meiner Danksagung geschrieben habe! Ich fand zu Hause alles verwirrt; drei Tage wußte ich nicht, ob ich Capellmeister oder Capelldiener war. Nichts konnte mich trösten; mein ganzes Quartier war in Unordnung; mein Clavier, das ich dort so liebte, war unbeständig, ungehorsam; es reizte mich mehr zum Aerger, als zur Beruhigung. Ich konnte wenig schlafen, sogar die Träume verfolgten mich, und da ich Mozart’s ‚Figaro‘ zu hören träumte, weckte mich der fatale Nordwind auf und blies mir fast die Schlafhaube vom Kopfe.“

Mit diesem heitern Brieffragment des wackern Musikers mögen die obigen anspruchslosen Beiträge zu seiner Charakteristik ihren Abschluß finden. Das Andenken des gemüthvollen Meisters sei uns für alle Zeit gesegnet!




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Haydn’s Geburtshaus in Rohrau an der Leitha.
Nach einer Aufnahme vom Jahre 1825 auf Holz gezeichnet.