Die Feuerzeuge

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Autor: Berthold Sigismund
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Titel: Die Feuerzeuge
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 41–43
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Feuerzeuge.
Von Berthold Sigismund.

Durch Nichts hat der Mensch seinen Adel, der ihn zum Herrn der Erde bestimmt, deutlicher bewiesen als dadurch, daß er das Feuer beherrschen lernte. Wer betritt die Räume einer Eisenschmelzerei oder den Heizraum einer Dampfmaschine, ohne daß in ihm anklingt der stolze Spruch des Sophokles: „Vieles Gewaltige lebt, doch das Gewaltigste ist der Mensch!“ Aber nicht nur in der Kunst, mit der er das mächtige Element zu seinem Diener erzog, erprobte der Mensch seine Herrscherkraft; ebenso sehr, vielleicht noch mehr bewährte er dieselbe durch die Fähigkeit, jenen dienenden Geist augenblicklich, wie durch einen Zauberspruch, aus dem Nichts hervorzurufen. Der Knabe begehrt eine Flamme, er ergreift ein einziges Stäbchen Holz, streicht es an der Wand und fast so rasch wie der Gedanke ist die Flamme da.

So folgsam ist indeß das dienende Element erst seit einem Menschenalter geworden; erst in unserer Zeit hat der Mensch den wahren Zauberspruch erfunden, der den Salamander zu augenblicklichem Gehorsam zwingt.

Wie anders war das in alter Zeit! Da mußte der Mensch mit größter Anstrengung seiner Körperkraft förmlich mit dem dämonischen Diener ringen, ehe dieser seine Dienste leistete. Auf welche Weise der Mensch gelernt, das Feuer herbeizubeschwören, ist ebenso unergründet, als die Entstehung der Sprache; die griechische Sage erklärt es durch den Diebstahl, den Prometheus an einem göttlichen Vorrechte ausübte. Aber ein solches Herunterholen der Flamme konnte, wie der Blitz oder die Flamme der Vulcane und Naphthaquellen, nur lehren, Feuer mitzutheilen, nicht aber Feuer entstehen zu lassen. Das Feuerzünden ist und bleibt eine Heldenthat des menschlichen Geistes, und sein Werth wird dadurch nicht verringert, daß alle, selbst die rohsten Völkerstämme diese Kunst verstehen.

Daß zwei an einander geriebene Holzstücke sich erwärmen, war eine zufällige Beobachtung, die sich den Urmenschen aufdrängte; aber wie eisern muß der Wille desjenigen gewesen sein, der zuerst, um zu sehen, wie weit sich diese Wärme steigern lasse, zwei Holzstücke so lange zusammenrieb, bis sie rauchten und brannten! Kein Europäer ist im Stande, mit dem Reibfeuerzeuge der Wilden Feuer zu machen, selbst der Drechsler bringt das in der Drehbank leicht und schnell gedrehte und mit einem hölzernen Meißel geriebene Holz nur zum Verkohlen und Rauchen, nie zur hellen Flamme. Auch dem kräftigen Wilden ist das Feuermachen keine leichte Aufgabe, er muß als Knabe und Jüngling wohl ebensoviel Fleiß und Zeit auf die Erlernung des Feueranreibens verwenden, als der civilisirte Knabe auf die Erlernung des Schreibens, und um sich die höchst anstrengende Arbeit zu sparen, sucht man das Heerdfeuer ununterbrochen zu erhalten oder borgt beim Nachbar einen Feuerbrand. Die Sitte, in den Tempeln „ewige Feuer“ zu unterhalten, entstand wahrscheinlich aus dem Bewußtsein der Schwierigkeit, Feuer zu zünden. Und nicht blos rohe Wilde (wie noch heutiges Tages die Bewohner der Carolinen und Aleuten) sind auf das mühselige Reibholz beschränkt, auch die Völker, denen wir einen großen Theil unserer Bildung danken, hatten in der ältesten Zeit kein besseres Feuerzeug. Homer, der die Kochgeschichte seiner Heroen so anschaulich und appetitlich schildert, erwähnt zwar nicht, wie sie zur Flamme kamen; aber Theokrit beschreibt, wie die Mannschaft von Kastor und Polydeukes dadurch Feuer zündet, daß sie „die Feuerhölzer mit den Händen reibt.“

Unsere deutschen Urväter sind vielleicht von frühester Zeit an im Besitze eines vollkommeneren Feuerzeugs gewesen; denn der Gedanke, Steine als Feuersteine zu verwenden, mußte sich den Völkern, deren Land nicht (wie es auf den Koralleninseln des großen Oceans der Fall ist) der Kiesel entbehrte, ungesucht darbieten, wenn sie sich Steine zu Hämmern und Aexten klopften und schliffen und dieselben Funken sprühen sahen. Als Zunder bot sich Pflanzenmark, mulmiges Holz und Linnenfaser wie von selbst an. Die Erfindung des Feuerstahls dagegen bleibt ein halbes Wunder, und wie über alle größten Erfindungen läßt uns die Geschichte auch über diese im Stiche. Virgil läßt den Begleiter des Aeneas „Funken aus dem Kiesel schlagen und dann den Zunder mit dürrem Laube schwenken.“ Wenn diese Angabe auch ein Anachronismus ist (an denen es bei Virgil so wenig fehlt, wie bei den altdeutschen Malern, welche die Apostel mit Brillen darstellen), so erhellt doch daraus so viel, daß die Erfindung des Feuersteins schon geraume Zeit vor dem Anfange der christlichen Zeitrechnung gemacht sein müsse.

Dieses Stein- und Stahlfeuerzeug blieb nun gegen zweitausend Jahre das einzige, allgemein verbreitete Mittel zum Feuerzünden, und hat wohl bei den Meisten als Non plus ultra-Feuerzeug gegolten. Denn der uralte Brennspiegel und das Brennglas, ferner das im achtzehnten Jahrhundert von Dumotiez erfundene Luftfeuerzeug, in dem die zusammengepreßte Luft Wärme entwickelt, und das elektrische Feuerzeug Brander’s, welches durch einen elektrischen Funken Wasserstoffgas entzündet, sowie das im neunzehnten Jahrhundert erfundene Döbereiner’sche Feuerzeug waren, so herrliche Proben menschlicher Erfindungsgabe sie auch liefern, nicht geeignet für den allgemeinen Gebrauch. Ihre Anwendung beschränkte sich entweder auf die physikalischen Hörsäle oder auf die Zimmer der Reichen, welche zu experimentiren liebten, und jetzt findet man sie fast nur noch in physikalischen Cabineten.

Die ungeheuere Mehrzahl der civilisirten Menschen handhabte ausschließlich das Reibfeuerzeug aus Stein und Stahl, welches in seiner Wirksamkeit den Reibhölzern der Wilden vollkommen [42] entspricht. Denn auch hier wird die Wärme durch Reibung entwickelt. Der an der scharfen Kante des Steines geriebene Stahl gibt so viel Wärme, daß die von ihm abgerissenen Stahltheilchen in’s Glühen gerathen und den Zunder entzünden, während bei dem Feuerzeuge der Wilden das harte Holzstück die durch seine Reibung von der weicheren Unterlage getrennten Holzstäubchen entzündet.

Das bärtige Geschlecht faßte den Stein mit der Linken, den Stahl mit der Rechten und führte als Vorrecht den Feuerschwamm, welcher wahrscheinlich eine urdeutsche Erfindung ist. (German tinder, deutscher Zunder heißt er in England.) Von andern Zündern, selbst dem bequemen Schwefel, machten die Männer selten Gebrauch und verschafften sich, wie Voß in der Louise so niederländisch genau darstellt, eine helle Flamme lieber durch Schwenken des Schwammes mit Laub.

Das schöne Geschlecht dagegen hielt den plumpen Stahl mit der Linken und bearbeitete ihn mit einem plumpen Steine, den die rechte Hand führte; als Zunder diente ausschließlich verkohlte Leinwand, als Flammenerzeuger der Schwefelfaden. Das Feueranzünden mit diesem Werkzeuge war eine der mühseligsten Arbeiten für die Hausfrau. Erst war der Zunder zu brennen und Schwefelfaden herzustellen, denn haushälterische Frauen übten auch diesen Zweig der Küchenchemie eigenhändig; dann galt es, im Dunkeln den Stahl mit dem Steine zu bearbeiten, daß er seinen Funkenregen in die Zunderbüchse ergieße. Das gab ein minutenlanges Ticken und Hämmern, und nicht selten trugen die Knöchel Spuren davon, daß sie statt des Stahles Streiche bekommen hatten. Das war eine Noth, wenn des Nachts ein schreiendes Kind Licht nöthig machte; Funken gab es genug, aber keiner fiel in den Zunder; der Mann brummte, das Kind zeterte und die arme „bedüpperte“ Hausfrau „pitschte“ noch immer vergebens und sah sich in der Angst ihrer Herzens nicht selten genöthigt, durch Nacht und Wind zur Nachbarin zu eilen, und Feuer zu borgen.

Aeltere Leser sind vielleicht ungehalten, daß ihnen solche Alltäglichkeiten erzählt werden; aber es gilt, dem jüngeren Geschlechte, für welches die Zunderbüchse schon ein sagenhaftes Alterthum geworden ist, zu zeigen, wie sauer es ihren Müttern geworden ist und welchen gewaltigen Fortschritt in der Cultur sie erlebt haben, einen Fortschritt, der für die Haushaltungen fast so bedeutsam ist, wie die Erfindung des Buchdrucks für die Welt des Geistes.

Die erste bedrohliche Erschütterung erlitt die Alleinherrschaft des Stahl- und Steinfeuerzeugs durch eine vor etwa dreißig Jahren gemachte Erfindung, welche nicht die durch Reibung, sondern die durch den chemischen Proceß entwickelte Wärme zum Zünden verwandte. Man wußte seit längerer Zeit, daß chlorsaures Kali in Berührung mit Schwefelsäure rasch zersetzt werde und dabei so viel Wärme frei mache, daß diese leicht entzündliche Körper in Brand steckt; ein praktischer Kopf benutzte diese Eigenschaft jener Stoffe zu dem Vitriolfeuerzeuge, bei dem man nur das rothe Köpfchen des Schwefelholzes in das Säurefläschchen zu tauchen hatte, um es brennend herauszuziehen. Alles war begeistert von dem neuen bequemen Feuerzeuge, und jeder Bauer, der seine Frau lieb hatte, brachte ihr vom Markte ein „Titsch-Feuerzeug“ mit. Noch hafteten daran zwei Mißstände. Die Zündmasse durfte nur die Oberfläche der Säure berühren, sonst wurde die Flamme durch die Flüssigkeit wieder erstickt; und doch war es im Dunkeln kaum möglich zu ermessen, wie tief das Zündholz einzutauchen sei. Dann war die Schwefelsäure, die beim Umstoßen des Flaschchens ausfloß, für Kleider und Haus gefährlich. Ein Deutscher, Romer, beseitigte sogleich diese Mißstände. Er füllte das Fläschen mit Amiant (Asbest), einer von der Säure kaum angreifbaren faserigen Steinart und tränkte diese Fasern nur so stark mit Säure, daß sie eben benetzt waren. Jetzt schien das neue Feuerzeug vollkommen zu sein, es war einfach, klein, wohlfeil, leicht zu handhaben; man jubelte und hielt den Gipfel der Erfindungen, für erklommen.

Aber das Bessere ist der Feind des Guten. Congreve’s Lucifer matches bewiesen, daß das Reibfeuerzeug, das älteste Mittel zum Feuerzünden, das einfachste und müheloseste sei, wenn man nur als Reibstoff eine leichtentzündliche Masse wähle. Diese war in einer Mischung von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon gefunden; man bedurfte dabei keine Säure mehr, das Schwefelholz entzündete sich mit einem Knalle durch einen Strich an der Wand.

Derselbe Romer, der eben als Verbesserer des Vitriolfeuerzeugs erwähnt wurde, bewies auch hier sehr bald sein Verbesserungstalent; er zog einen Stoff zur Anwendung, der wahrscheinlich für immer als der beste, praktisch zu verwendende Zündstoff dastehen wird, nämlich den Phosphor. Ein Hamburger Goldmacher, Brandt, hatte ihn im Jahre 1669 zufällig entdeckt, als er den Rückstand von eingetrocknetem Urin glühte, in dem er wahrscheinlich Gold zu finden hoffte; er hielt sein Verfahren geheim, aber der Berliner Kunkel erfand bald den wunderbaren neuen Stoff durch eigenes Probiren. Wohl keiner der Entdecker und kein Chemiker der vorigen Jahrhunderte hat sich träumen lassen, daß diese „curiose Rarität“ dereinst so in allgemeinen Gebrauch kommen werde, wie Eisen und Thonerde, und der Phosphor mag den Schüler trösten, der sich darüber beklagt, viele praktisch unnütze Thatsachen der Lehrbücher lernen zu müssen; denn gar Vieles, was jetzt theoretischer Ballast dünkt, wird mit der Zeit zur praktischen Goldbarre. Jetzt könnte die Menschheit leichter das Gold missen, als den Phosphor. Uebrigens ging es mit der Verwerthung des neuen Stoffes langsam genug. Selbst nachdem, hundert Jahre nach der ersten Entdeckung, Scheele und Gahn eine reiche Fundgrube des Phosphors in den Knochen nachgewiesen hatten, dauerte es fast noch ein Jahrhundert, ehe man den nunmehr billiger herzustellenden Stoff nützlich anwenden lernte.

Wie jede große Reform fast nie ohne schädlichen Einfluß auf Einzelne in’s Leben tritt, so erging es auch dem Phosphor, dem Lichtbringer (dies ist die wörtliche Bedeutung des chemischen Ausdrucks). Nicht wenige Arbeiter in den Zündhölzchenfabriken erlitten durch den Phosphordampf der trocknenden Hölzer Krankheiten, die mit dauernder Entstellung verbunden waren. Viele Feuersbrünste entstanden durch den unvorsichtigen Gebrauch des neuen Zünders, manches vorwitzige Kind erlitt dadurch den schmerzlichsten Tod. Darum riefen Viele Weh und Zeter über die gefährliche Neuerung und nicht wenige Regierungen verboten den Verkauf der gefährlichen Waare.

Aber kein echter Lichtbringer, der Phosphor so wenig als Guttenberg’s Presse, läßt sich auf die Dauer deshalb unterdrücken, weil er durch Mißbrauch schaden kann. Wie ein Lauffeuer verbreiteten sich die neuen Zündhölzer über alle civilisirten Länder und jetzt haben sie fast überall die Alleinherrschaft. Nur der Holzhauer und Förster, der bei Wind und Regen im Walde rauchen will, und der Maurer, der sich durch das „Aufpitschen“ Mußeminuten verschafft, führen noch Stein und Stahl, sonst brauchen fast alle Männer, selbst der Kutscher auf dem Bocke, dies neue Feuerzeug. Und vollends die Frauen sind ohne Ausnahme zur Partei des Phosphor übergetreten. Eine Zunderbüchse findet sich selbst im conservativsten Bauernhause nur noch im Alteisenkasten, und keine Frauenhand berührt andern Stein und Stahl, als Edelsteine und Scheere und Nadeln.

Und Niemand wird wohl diese Umwandlung bedauern, als vielleicht ein Bewohner der Champagne, der keine Feuersteine mehr in den Handel bringen kann, und ein Maler, der Nachtstücke darstellt. Für solche Nacheiferer Schalckau’s war freilich eine Zunderbrennerin, deren Gestalt wie ein Phönix aus der Flamme der Leinwand vortrat, oder eine Frau, welche in den glimmenden Zunder blies und von der matten Gluth roth angestrahlt wurde, eine wahre Augenweide. Wir Andern aber alle freuen uns, daß die Frauen von jenem sauren Geschäfte entbunden sind; ein Nachtlicht zu brennen, ist kaum noch nöthig; die neue Hausbequemlichkeit ist so vollkommen, daß auch der Reiche, der jede Anstrengung scheut, sich kein bequemeres Feuerzeug wünschen kann, und zugleich so wohlfeil, daß es auch dem Aermsten erschwinglich ist. Fast die Leinwand allein, die sonst zu Zunder verkohlt wurde, jetzt aber in die Papiermühle wandert, bringt die Ausgabe für die Zündhölzer wieder bei. Kauft man doch bei den Hausirern das Tausend Zündhölzer für einen Silbergroschen, wofür man nicht einmal die zu so vielmaligem Anzünden mit dem alten Feuerzeuge nöthigen Feuersteine anschaffen konnte.

Diese Wohlfeilheit ist eine heilsame Folge der Theilung der Arbeit. Wie hoch würde uns wohl ein einziges Schwefelholz zu stehen kommen, wenn wir es selbst spalten und mit dem Zündstoffe versehen müßten oder gar auch die Zündstoffe herstellen sollten!

Jetzt ist die Herstellung der Zündhölzer in folgende Geschäfte gegliedert. Zuerst erfolgt die Anfertigung etwa spannlanger, walzenförmiger [43] Holzstäbchen durch einen Hobel, der auf jeden Stoß deren zwei liefert. Diese Methode ist schon ein großer Fortschritt gegen das älteste Verfahren, wo man durch Spalten viel weniger, und obendrein plumpe eckige Hölzchen herstellte, während jetzt ein fleißiger Arbeiter, der täglich zehntausend Hobelstöße ausführt, an einem Tage hunderttausend Hölzchen anfertigt, da jedes Stäbchen in fünf Hölzchen zerlegt wird. Aus einer Klafter guten, leichtspaltbaren Holzes stellt man in Thüringen fünf Millionen Hölzchen her. Aber welcher Fortschritt ist nun vollends die durch Dampf oder Wasserkraft getriebene Hobelmaschine, welche täglich mehrere Millionen fertig bringt! Diese Maschine wird wohl binnen Kurzem vielen der Gebirgsbewohner, die jetzt vom Schwefelholzhobeln ihren Winterunterhalt erwerben, ihre Arbeit durch zu sehr herabgedrückte Löhne verleiden. Der Hobler liefert die von ihm gefertigten Stäbchen in garbenartige Bündelchen gebunden an die Fabrik ab.

Die nächste Arbeit ist das Zerschneiden der Stäbchen in Hölzchen. Mit einem der Tabakschneide ähnlichen Werkzeuge zerschneidet ein Arbeiter die Holzbündel so leicht wie eine Rolle Tabak. Hierauf werden die Hölzchen von Kindern in die „Maschine“ gepackt. Diese Maschine besteht aus zwei senkrechten, auf einem Brete befestigten Säulchen und zwanzig Bretchen mit einem Loche an jedem Ende, durch welches sie auf die Säulchen angereiht werden. In jedes Bretchen sind fünfzig Querfurchen eingeschnitten. Das Kind legt oder rollt vielmehr mit großer Behendigkeit fünfzig Hölzchen in die Furchen des Grundbrets und deckt darauf das zweite Bret u. s. w. Sind die zwanzig Bretchen der Maschine mit Hölzchen versehen, so schraubt man sie durch Preßschrauben an einander. Wie rasch die Füllung einer Maschine vor sich geht, erhellt aus dem Stücklohne, welches die Kinder erhalten; es beträgt einen Pfennig für die Füllung einer Maschine.

Die gefüllte Maschine ähnelt nunmehr einer Egge, deren tausend Zinken verschieden weit hervorragen. Ein Arbeiter, der die Klemmschraube etwas lockert, bringt durch einige Stoße auf eine Steinplatte alle Hölzchen zu gleich weitem Vorragen, so daß nun die Maschine einer groben Bürste gleicht.

Nachdem nun ein anderer Arbeiter die Enden der Hölzchen kurze Zeit in heißen Sand getaucht hat, damit die Zündmasse gut hafte, taucht er alle in der Maschine eingeklemmten Hölzer mit ihren Spitzen in geschmolzenen Schwefel. Wenn der Schwefelüberzug trocken ist, wird das geschwefelte Ende der Hölzer in den Phosphorteig getaucht, der auf eine Steinplatte aufgestrichen ist. Dieser Teig wird so bereitet, daß man eine bestimmte Menge Phosphor in mäßig erwärmter Gummi- oder Leimauflösung fein zertheilt. Wenn zu viel Phosphor zugesetzt würde, so würde die durch sein Verbrennen entstehende Phosphorsäure die übrigen Bestandtheile der Zündmasse mit einem glasigen Ueberzuge bedecken und das Anbrennen des Schwefels verhindern, Gummi oder Leim wird zugesetzt, um den Phosphor vor dem Verbrauche der Hölzer vor dem Sauerstoffe der Luft zu schützen, weil sonst der brennlustige Stoff sich still verzehren würde. Salpeter, Braunstein oder Mennige, oder mehrere dieser Sauerstoffspender zugleich werden zugefügt, um dem im Gummipanzer eingekapselten Phosphor, wenn er sich durch die Reibung entzündet, die zum Brennen unentbehrlichen Sauerstoffe zu liefern.

Wenn der an dem Hölzchen haftende Phosphorteig, der, so lange er feucht ist, schädliche Dämpfe aushaucht, getrocknet ist, werden die fertigen Zündhölzer von Frauen und Kindern verpackt. Sonst wurden sie hundertweise in kleinen Kistchen aus Bretern geschichtet, jetzt nur in Schachteln aus papierdünnen Holzspänen oder gar nur in Strohpapier. Ueberall gilt es ja zu sparen, um wohlfeile Waare zu liefern, und zwar eine Waare, die nicht zur Befriedigung der Eitelkeit dient, sondern eine wirkliche Erhöhung des häuslichen Comfort darstellt. Man darf sagen, daß durch die Erfindung der Phosphorzündhölzer unser Leben nicht nur bequemer gemacht, sondern geradezu verlängert worden ist. Welche Schaaren von Minuten ersparen wir jetzt, die wir sonst, mit einem unvollkommenen Werkzeuge ausgerüstet, auf das Feuerzünden verwenden mußten; welches Mittel ist uns dadurch in die Hand gegeben, jene Minuten zu edleren Zwecken zu verwenden! In Wahrheit, wir dürfen auf die Erfindung des Phosohorzündholzes mit freudigem Stolze blicken, und es dem großartigsten Mittel zur Zeitersparniß, der Eisenbahn, an die Seite setzen.

Nur ein trüber Gedanke könnte sich in die Freude über diesen Fortschritt mischen, das Mitgefühl mit den Arbeitern, welche durch die neue Erfindung arbeitslos geworden sind. Möge sich aber Niemand von unmotivirtem Mitleid weich stimmen lassen; jede neue Erfindung gleicht dem Speer des Achilles, der die von ihm hervorgebrachten Wunden wieder heilt. Man braucht nur Neustadt am Rennsteige zu besuchen, um die freudige Gewißheit zu gewinnen, daß die neue Erfindung selbst da, wo sie am meisten stören mußte, nur Segen gebracht hat. Zwar wird man in diesem armen Dörfchen, welches, auf der rauhsten Höhe des Thüringer Waldes gelegen, seit Jahrhunderten seinen Hauptverdienst in der Schwammfabrikation fand, nicht ohne Bedauern die beiden jungen Männer sehen, die zuerst die Fabrikation der Phosphor-Hölzchen in Thüringen betrieben, und durch die Dämpfe des Phosphors um ihre Kinnladen gekommen sind. Sie haben sich seit ihrer Genesung wieder ihrem alten Gewerbe, dem Schwammmachen zugewandt. Denn die Nachfrage nach dem alten duftigen Zunder für die Tabackspfeife hat sich nicht nur nicht vermindert, sondern vermehrt, so daß die Production der einheimischen Forsten, ja selbst die der skandinavischen und Karpathenwälder nicht mehr hinreicht, den nöthigen Rohstoff zu liefern. Das alte Gewerbe hat also nichts eingebüßt, und durch das neue haben Hunderte armer Gebirgsbewohner Beschäftigung erhalten. Wie viele Menschen mögen gegenwärtig in Deutschland von der Zündholzfabrikation leben, da in Oesterreich allein im Jahre 1855 in zweihundert Zündholzfabriken zwanzigtausend Arbeiter thätig waren!

Und die Veranlassung zur Erfindung eines solchen Segens für die Haushaltungen und zur Beschäftigung so vieler Menschen war die geistige Thätigkeit eines Mannes, der in seinem rußigen Laboratorium neugierige Fragen an die Wissenschaft stillte. Er suchte Gold und fand Phosphor, der mehr werth ist, als Gold. So kann ein still arbeitender Naturforscher, der, in seine Studien vertieft, sich um die Menschenwelt nicht kümmert, eingreifen in die Nationalökonomie ganzer Völker und die Haushaltung jeder Familie. Wenn irgendwo, so bestätigt sich hier die Wahrheit von Goethe’s schönem Worte:

Thu nur das Rechte in Deinen Sachen,
Das Andere wird sich von selber machen!