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ADB:August Wilhelm (Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel)

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Artikel „August Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 664–665, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:August_Wilhelm_(Herzog_von_Braunschweig-Wolfenb%C3%BCttel)&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 23:38 Uhr UTC)
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August Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. 8. März 1662 als dritter Sohn des Herzogs Anton Ulrich und der Herzogin Elisabeth Juliane, † 1731. Durch den 22. Aug. 1676 erfolgten Tod seines älteren Bruders August Friedrich (s. d.) erhielt er die Aussicht auf die einstige Regierungsnachfolge. Nach[WS 1] Beendigung seiner Erziehung hielt er sich unter Leitung seines Gouverneurs, eines Herrn von Falkenstein, anderthalb Jahre hindurch in Genf auf, bereiste dann Frankreich und die Niederlande und kehrte darauf nach Wolfenbüttel zurück, wo er in Zurückgezogenheit lebte, da der Vater ihn von jedem Einfluß fern hielt. Aug. Wilhelm war bereits 52 Jahre alt, als er 1714 die Regierung antrat, welche er 17 Jahre hindurch nur dem Namen nach führte. Gutmüthig, genußsüchtig, durch frühe Ausschweifungen geschwächt, hatte er vom Vater wol dessen Sinn für äußere Prachtentfaltung, aber nicht dessen Energie, Ehrfurcht und Gelehrsamkeit geerbt. Eine glänzende Umgebung liebend, leutselig und sanftmüthig, ohne jede Leidenschaft, aber auch ohne alle Thatkraft, beschäftigte er sich mit mathematischen und mechanischen Studien, und überließ die Regierung seinen Räthen und Günstlingen. Vom Vater übernahm er dessen einflußreichen Kanzler Phillip Ludwig Probst von Wendhausen, der die Regierung mit starker Hand geführt. Als dieser am 18. Nov. 1718 im 86. Jahre gestorben war, folgte ihm in seinem wichtigen Amte der Geheimerath Urban Diederich Lüdecke (geb. 8. Sept. 1655, zuerst Assessor am Schöppenstuhle zu Halle, dann 1704 Geheimerath und Director des Hofgerichts und des Consistoriums zu Wolfenbütttel, in den Adelstand erhoben und Besitzer des Ritterguts Nieder-Sickte bei Braunschweig, † 29. Nov. 1729), der aber seinen Vorgänger nicht zu ersetzen vermochte. – Den größten Einfluß auf den schwachen Herzog übte dessen Günstling Konrad Detlef von Dehn, welcher als der eigentliche Regent des Landes anzusehen war. Ein geborener Holsteiner, Sohn eines dänischen Obersten, war er unter Anton Ulrich als Page nach Braunschweig gekommen und war durch Geschmeidigkeit und Willfährigkeit gegen die Launen des Herzogs schnell in dessen Gunst gestiegen. Verheirathet mit der einzigen Enkelin des Kanzlers Probst von Wendhausen, hatte er dessen beträchtliche Güter ererbt und wurde für Braunschweig das, was zu gleicher Zeit Flemming und Brühl für Sachsen waren. Seine Lust an Aufwand und Verschwendung traf bei Herzog August Wilhelm auf ein bereites Feld. Bei verschiedenen Gesandschaften im Haag u. s. f. trat er auf wie der Vertreter einer Großmacht. Am 20. Febr. 1720 ward er Erbschenk von Gandersheim und 27. Sept. 1726 von Karl VI. in den Reichsgrafenstand erhoben. Sein Palais und französ. Garten in Braunschweig ward von zeitgenössischen Reisenden als Wunder der Bau- und Gartenkunst gepriesen. Als der thatkräftige, redliche, aber rücksichtslose Kammerpräsident Hieronymus von Münchhausen den vielen Mißbräuchen freimüthig entgegentrat und strenge Ordnung einführte, wiederholt auf Einschränkungen drang, wußte Dehn ihn beim Herzoge anzuschwärzen, indem er sich vertrauliche Briefe Münchhausen’s an den Blankenburger Geheimerath v. Campen verschaffte, welche Klagen über des Herzogs Prunksucht und Verschwendung enthielten. Eine Untersuchungsbehörde unter Dehn’s Vorsitz, und ein Spruch der von dem allmächtigen Günstling abhängigen Universität Helmstedt verutheilten Münchhausen zum Abschied ohne Pension. Helmstedter Referent war Augustin v. Leyser, Münchhausen’s persönlicher Feind. Des Herzogs Bruder aber, Ludwig Rudolf, Kaiser Karls VI. Schwiegervater, der die zum Fürstenthume erhobene Grafschaft Blankenburg [665] selbständig als Reichsfürst regierte und mit dem älteren Bruder längst verfeindet war, wußte beim Reichshofrathe das Urtheil zu erwirken, daß Münchhausen weder den ihm ertheilten schimpflichen Abschied noch den fiscalischen Proceß verdient habe. Als Ludwig Rudolf im J. 1731 seinem Bruder in der Regierung des Herzogthums Braunschweig nachfolgte, ernannte er Münchhausen, der bereits Geheimerath in blankenburgischen Diensten war, zum Premierminister; Graf Dehn verließ darauf Braunschweig und trat in dänische Dienste. – Von dem Vater hatte A. W. die Lust am Bauen und zu theatralischen Darstellungen geerbt. Der vorzüglichste Bau, welchen er neben vielen anderen aufführen ließ, war das neue Residenzschloß auf dem Grauenhofe in Braunschweig, welches nach einer damals beliebten Spielerei in Form eines W erbaut, durch Brand am 7. Sept. 1830 vernichtet ist. – Unter seiner Regierung erreichten die Vorstellungen in dem „Fürstlichen Opernhause auf dem Hagenmarkte“ in Braunschweig ihren Höhepunkt. Hoftheaterintendant oder nach damaliger Benennung „Capelldirector“ war Graf von Dehn, Capellmeister, zugleich Sänger, der Componist Georg Caspar Schürmann, und als Sänger wirkten in der Oper besonders die beiden später so berühmt gewordenen Componisten Hasse und Graun. – Um den unangenehmen Eindruck zu schwächen, den des Vaters Uebertritt zur katholischen Religion bei den streng lutherischen Unterthanen hervorgerufen hatte, erließ A. W. bei Antritt seiner Regierung die Verfügung, daß wöchentlich bei Hofe und darnach im ganzen Lande über die Augsburgische Confession und das Corpus doctrinae Julium gepredigt werden solle, auch wurden die beiden Reformations-Jubelfeste in den Jahren 1717 und[WS 2] 1730 in Braunschweig mit ganz besonderem Glanze gefeiert. Die von seinem Vater gestiftete Ritterakademie, welche die von ihr gehegten Hoffnungen nicht erfüllt und ihren Zweck, viele junge reiche Edelleute nach Wolfenbüttel zu ziehen, nicht erreicht hatte, ließ er wieder eingehen. – Im allgemeinen kann man über die Landesadministration unter A. W. kein ungünstiges Urtheil fällen. Der zu starke Militärbestand wurde vermindert, als Steuer das Stempelpapier eingeführt. August Wilhelm starb, nachdem er noch im letzten Lebensjahre die zwischen den Königen von England und Preußen entstandenen Irrungen durch persönliche Vermittlung gehoben hatte, kinderlos am 23. März 1731. Er war dreimal verheirathet, am 24. Juni 1681 mit Christine Sophie, Tochter seines Oheims Rudolf August (geb. 2. April 1654, † 26. Jan. 1695), dann mit Sophia Amalia, des Herzogs Christian Albrecht von Holstein-Gottorf Tochter (geb. 19. Jan. 1670, vermählt 7. Juli 1696, † 27. Febr. 1710) und endlich mit Elisabeth Sophie Marie, des Herzogs Rudolf Friedrich von Holstein-Nordberg Tochter und Wittwe des Prinzen Adolf August von Holstein-Plön (geb. 2. Sept. 1683, vermählt 12. Sept. 1710, † 3. April 1767).

Rehtmeier’s Braunschweigische Chronik. S. 1576–1585 (wo auch die zahlreichen Medaillen abgebildet sind, welche W. A. auf besondere Ereignisse hat prägen lassen). – Venturini, Handbuch der vaterländischen Geschichte, Theil 4. Braunschweig 1809. S. 65–111, mit besonderer Darstellung der Dehn-Münchhausen’schen Händel.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bach
  2. Vorlage: nnd