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ADB:Buttmann, Philipp Karl

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Artikel „Buttmann, Philipp“ von August Buttmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 656–659, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Buttmann,_Philipp_Karl&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:25 Uhr UTC)
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Buttmann: Philipp B. (in älteren Werken auch Philipp Karl genannt, welchen zweiten Vornamen er später gänzlich ablegte), geb. zu Frankfurt a. M. am 5. December 1764, Sohn eines Frankfurter Kaufmanns, dessen Vorfahren, wegen ihres Glaubens aus dem südlichen Frankreich vertrieben, in der Pfalz und Frankfurt sich niederließen und dort den ursprünglichen Namen (Boudemont) germanisirten. Seine erste Vorbildung erhielt Philipp B. auf dem Gymnasium in Frankfurt. Schon früh auf eigene Kräfte angewiesen, da außer dem Rector Purmann keiner der damaligen Lehrer ihn zu fesseln vermochte, ergab er sich als Schüler einem ziemlich ungeregelten Studium verschiedener alter und neuer Sprachen und einer mehr nach Willkür und Liebhaberei gewählten als einem bestimmten Plane folgenden Lesung von allerhand Schriften meist propädeutischen, oder auch belletristischen Inhalts. Als er im Jahre 1782 achtzehn Jahre alt die Universität Göttingen bezog, war noch keine wissenschaftliche Richtung bei ihm zum Durchbruch gekommen. Er ließ sich zwar in der theologischen Facultät inscribiren, aber, wie er selbst gestand, ohne Neigung für die praktische Seite des Faches und vielleicht nur in Folge eines mit Vorliebe begonnenen Studiums der hebräischen Sprache. Heyne’s persönlicher und litterarischer Einfluß war für ihn entscheidend. Bereits im ersten Jahre seines Göttinger Aufenthalts entschloß er sich, der theologischen Laufbahn zu entsagen und sich ganz der Philologie, inbesondere dem Studium der drei alten Sprachen zu widmen. Aber auch in dieser beschränkteren Studiensphäre gelang es ihm geraume Zeit hindurch nicht, seine Thätigkeit nach einem klar erfaßten Ziele hin zusammenzufassen, oder auch nur einen bestimmten Gegenstand zur selbständigen Bearbeitung, so oft und dringend auch Heyne mahnte, auszuwählen. Wenn er später, wie allgemein bekannt, mit Vorliebe das Studium der griech. Sprache betrieb, so waren es in der That mehr äußere und zufällige Veranlassungen und Antriebe, die ihn in späteren Jahren (er selbst nannte sich in ungesuchter Bescheidenheit „einen Spätlehrling“) dieser Seite der Philologie zuführten. Zunächst begab er sich nach vollendetem akademischen Cursus wieder in den Kreis seiner Familie zurück, besuchte sodann im folgenden Jahre 1786 seine Verwandten in Straßburg, wo er während eines achtmonatlichen Aufenthaltes Schweighäuser’s lehrreichen Umgang genoß und von ihm als Mitarbeiter am Polybius, dessen Herausgabe gerade im Werke war, herangezogen wurde. Von hier aus ward er in Gemeinschaft mit Gustav Hugo, seinem ältesten Universitätsfreunde, zur Erziehung des Erbprinzen nach Dessau berufen und genoß daselbst im Umgang mit Heinrich v. Berenhorst, A. v. Rode, C. F. Feder und anderen dem Hofe befreundeten Männern eine wohlthuende, vornehmlich der Lectüre des Plato und Sophokles gewidmete litterarische Muße. Die Früchte derselben verwerthete er später als Mitarbeiter am Heindorf’schen Plato, als Wiederherausgeber der ursprünglich von Biester edirten 4 Platonischen Dialoge (4. Ausg. Berlin 1822) und als Bearbeiter des Philoktet (Berlin 1822). Als das Verhältniß in Dessau gelöst [657] wurde, benutzte er die Nähe Berlins zu einem vorübergehenden Besuch der damals schon hochstrebenden und von Friedrichs des Großen Ruhme erfüllten Hauptstadt Preußens. Dieser kurze Aufenthalt und die zufällige Bekanntschaft mit einer hochbegabten Frau, der Wittwe des Buchhändlers Mylius, in deren gastlichem Hause er Männer wie Teller, Biester, Gedike, Nicolai etc. kennen lernte, sollte von bleibendem Einfluß auf seine ganze nachmalige äußere Lebensstellung werden. Im Jahre 1788 in das elterliche Haus zurückgekehrt (seinen Vater hatte er bereits 1780 verloren), erkannte er mehr und mehr, daß seines Bleibens in der fast nur von kaufmännischen Interessen geleiteten Vaterstadt nicht war. Nach Berlin stand sein Sinn und hierin wurde er durch Hugo, der inzwischen Professor in Göttingen geworden war, lebhaft unterstützt. Wirklich gelang es den Bemühungen seines Freundes und jener würdigen Frau, daß er bereits im folgenden Jahre durch den Bibliothekar Biester einen Ruf als diätarisch beschäftigter Hülfsarbeiter an der neu zu ordnenden königlichen Bibliothek zu Berlin erhielt, welche Stellung erst 1796, wo er das bescheidene Amt eines Bibliotheks-Secretärs annahm, in eine feste verwandelt wurde. Bei dem kümmerlichen Gehalte war er genöthigt, sich nach lohnendem Nebenverdienst umzusehn. Da die Mylius’sche Buchhandlung als Anhang zum Gedike’schen griechischen Lesebuch eine kleine griechische Grammatik wünschte, so erbot sich B. dieselbe zu liefern und arbeitete, unabhängig und im Gegensatze zu den bis dahin üblichen mangelhaften Compendien, auf kaum 6 Bogen den Grundriß einer kleinen Grammatik aus (Berlin 1792). Dies war der erste unscheinbare Anfang eines Werkes, das bestimmt war eine lange Zeit hindurch fast die alleinige Herrschaft auf preußischen und deutschen Gelehrtenschulen auszuüben. Es bewährte seine ebenso praktische als wissenschaftliche Brauchbarkeit in dem Maße, daß noch bei Lebzeiten des Verfassers die eigentliche Stammgrammatik (die nachmalige mittlere Grammatik) 13, der als Schulgrammatik bezeichnete Auszug 9 Auflagen erlebte, und die von einem seiner Söhne[WS 1] in seinem Sinn und Geiste fortgeführte Bearbeitung der mittleren Grammatik noch 9, der Schulgrammatik noch 7 weitere Auflagen verschaffte (mittlere Grammatik 22. Auflage Berlin 1869. Schulgrammatik 17. Auflage 1875). Wenn auch hierdurch nunmehr ein Mittelpunkt gewonnen war, nach welchem hin seine zerstreute litterarische Thätigkeit allmählich sich sammeln konnte, so bewahrte er doch Herz und Sinn für viele andre Zweige des menschlichen Wissens und Strebens, ja er schöpfte gerade aus seinen grammatischen Untersuchungen, eben weil sie sich fern hielten von dem damals noch herrschenden tödtenden Formalismus und in die Tiefen des wirkenden und bildenden Sprachgeistes einzudringen suchten, diejenige Geistesfrische und Regsamkeit, welche ihn befähigte den mannigfaltigsten Interessen des Lebens ein offenes Gemüth und warme Theilnahme zuzuwenden. So versuchte er sich selbst auf politischem Gebiete, indem er, von seinem Freunde K. Ph. Spener aufgefordert, theilnahm an der Redaction der Haude- und Spener’schen Zeitung und in dieser Stellung 9 volle Jahre verblieb. Dem während dieser andauernden Beschäftigung gewonnenen politischen Standpunkt verlieh er Ausdruck in einer 1804 gehaltenen und gedruckten Rede: „Ueber die Nothwendigkeit der kriegerischen Verfassung von Europa“. Seine allseitige Bildung, sein lebhafter Geist, sein sprudelnder, zündender, doch nie verletzender Witz verschaffte ihm Zutritt in viele der achtbarsten Familien, die es verstanden höhere Geselligkeit mit wissenschaftlichem Streben zu vereinigen. Bald sollte auch er ein wesentliches Glied der Berliner Gelehrtenwelt und sein Haus ein Versammlungsplatz nicht blos von Fachgelehrten, sondern auch anderer wissenschaftlicher oder künstlerischer Notabilitäten werden, an welchen das damalige Berlin so reich war. Im J. 1800 vermählte er sich mit der ältesten Tochter des als Arzt, Mensch und denkender Philosoph hochgeschätzten [658] Chr. Gottlieb Selle, des Leibarztes dreier preußischer Könige. In demselben Jahre nahm er auf Rector Meierotto’s dringenden Wunsch eine Professur am Joachimsthal’schen Gymnasium an, welche Stellung er jedoch, weil seine anderweitige Beschäftigung ihn hinderte sich ihr mit ganzer Seele hinzugeben, bereits im J. 1808 wieder aufgab. Ordentliches Mitglied der 1810 gegründeten Universität ist er nie gewesen, wol aber trat er in die engste Verbindung mit allen großen Männern, welche die Hochschule seit ihrem Entstehen zierten, mit Savigny, Niebuhr, Süvern, Rühs, Göschen, Böckh, Bekker, F. A. Wolf, mit dem er das „Museum der Alterthumswissenschaft“ herausgab, nachmals auch mit Schleiermacher, der, in mancher Beziehung zwar von anders geformter Gemüthsbeschaffenheit und an dialektischer Schärfe des Denkens und seiner Ironie des Witzes ihn überragend, doch unwiderstehlich zu ihm sich hingezogen fühlte und nicht von ihm wich bis zum letzten schmerzvollen Hauche seines Lebens. Ferner mit beiden Humboldts, Homeyer, Lachmann, Meinecke und vielen Anderen. Auch leitete er eine Zeit lang interimistisch das philologische Seminar, und mancher ältere Gelehrte oder Beamte gedenkt noch heute der geistvollen Behandlung der Classiker, namentlich des Horaz, für welche er seine jungen Zöglinge zu erwärmen suchte. Seine intimsten Freunde waren und blieben bis an ihren Tod der jüngere Spalding und Heindorf. Die geringschätzige Behandlung, welche letzterer von F. A. Wolf erfuhr, war der Grund, daß er mit dem damals so hoch gefeierten Gelehrten gänzlich zerfiel, ein Ereigniß, welches ihn um so tiefer schmerzte, als er mit den verschiedenartigsten Geistern zu verkehren verstand und eine einmal eingegangene nähere Verbindung, er der allem herrschsüchtigen Wesen und eigensinnigem Dünkel in tiefster Seele abhold war, nicht so leicht wieder zu lösen sich entschließen konnte. Eine kleine pikante Brochüre: „Buttmann und Schleiermacher über Heindorf und Wolf“ (Berlin 1816) setzte der von dem Ereigniß lebhaft berührten Mitwelt die Gründe des Zerwürfnisses auseinander. Jenes Verlangen, mit allen damals in Berlin lebenden bedeutsamen Männern, mochten sie Beamte, Gelehrte, Künstler sein, dem Militär- oder Civilstande angehören, in beständigem gegenseitigen Verkehr zu leben, machte ihn zum Stifter und belebenden Mittelpunkt zweier damals in Berlin angesehenen Gesellschaften, der griechischen, welche sich zuerst nach dem Namen des zur Lesung erwählten Autors, „die Gesellschaft herodotliebender Freunde“ nannte; und der sogenannten „gesetzlosen Gesellschaft“, welche lediglich den Zwecken heiterer Geselligkeit und ungezwungenster Unterhaltung geweiht war und ihre über die Grenzen Berlins hinaus sich erstreckende Anziehungskraft bewahrt hat, so lange B. ihr Meister war. Ein vollständiges Verzeichniß der zahlreichen Mitglieder nebst einer trefflichen Schilderung des in der Gesellschaft waltenden Humors, wie er namentlich unter Buttmann’s „Zwingherrschaft“ sich entfaltete, hat einer seiner treusten jüngeren Freunde, Clem. Klenze, als Manuscript für die Mitglieder (Berl. bei Reimer 1834) drucken lassen. Im J. 1806 erhielt er den ehrenvollen Ruf an die Berliner Akademie als Mitglied der historisch-philologischen Classe, deren beständiger Secretär er nach Spalding’s Tode wurde und bis an sein Ende blieb. Seine rege Betheiligung an den Versammlungen derselben bezeugt eine ganze Anzahl von gediegenen Abhandlungen, nicht, wie man vermuthen sollte, grammatischen oder sprachwissenschaftlichen, sondern fast nur mythologischen und historischen Inhalts. Seine liebste und tägliche Beschäftigung war fortdauernd die auf der kgl. Bibliothek, deren leitende Seele er nach Biester’s 1816 erfolgten Tode blieb, obwol er in richtiger Würdigung seines Wesens die Stelle eines ersten Bibliothekars beharrlich ausschlug und statt seiner den berühmten Historiker Fr. Wilken in Vorschlag brachte. Einen im J. 1808 ihm zugegangenen Ruf an die baierische Universität Landshut als ordentlicher Professor der alten Sprachen lehnte er ab, und zwar auf [659] persönlichen Wunsch des Königs, der in einem besonderen Schreiben von Königsberg aus ihn aufforderte zu bleiben, und, „weil er in der schweren über das Land verhängten Prüfungszeit solche Männer nicht missen könne und wolle“, sein Gehalt nicht unwesentlich erhöhte. Später sollte er dem Königshause noch näher treten, indem ihm die Auszeichnung zu Theil wurde, den Kronprinzen im Lateinischen unterrichten und in das Verständniß antiker Schriftsteller, namentlich des Livius, einführen zu dürfen. – Krank ist B. fast nie gewesen. Gesund und kräftig an Leib und Seele übertrug er einen großen Theil seiner belebenden Kraft auf die zahlreichen Glieder seiner Familie und auf den weiten Kreis seiner ihn aufrichtig verehrenden näheren und entfernteren Freunde, die nach seinem durch eine unglückliche langwierige Lähmung am 21. Juni 1829 herbeigeführten Tode sein Andenken durch ein schönes, von dem Bildhauer Chr. Tieck ausgeführtes Denkmal auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof ehrten. – Von seinen Werken seien außer den oben angeführten hier noch erwähnt sein bedeutendstes: die ausführliche griechische Grammatik in zwei starken Octavbänden (Berlin 1819. I. Bd. 2. Aufl. 1830, II. Bd. 2. Aufl. mit vielen trefflichen Zusätzen Lobeck’s 1839); und daran sich anschließend: „Lexilogus oder Beiträge zur Worterklärung für Homer und Hesiod“, 2 Bde. (Berlin 1818. 2. Aufl. 1825 und 1860), eine Fundgrube geistvoller und anregender, wenngleich vor dem jetzigen Standpunkt der fortgeschrittenen Sprachwissenschaft nicht immer stichhaltigen etymologischen Forschungen. Ferner besorgte er die Wiederherausgabe der Spalding’schen Midiana des Demosthenes (4., von seinem Sohne[WS 2] bearbeitete Ausg. Berlin 1862), veranstaltete eine neue Recension der von Mai aufgefundenen und edirten Mailänder Scholien zur Odyssee, vielfach vermehrt und verbessert durch Vergleichung anderer Handschriften, namentlich des zu Heidelberg befindlichen cod. Palatinus (Berl. 1821) und gab des Aratus „Phaenomena“ und „Diosemea“ mit krit. Anmerk. heraus (Berlin 1826). Ganz zuletzt, als zunehmende Körperschwäche das Zustandebringen jeder neuen Arbeit immer zweifelhafter machte, begann er, um seinem Geist die nöthige Beschäftigung zu gewähren, eine Sammlung seiner an vielen Orten zerstreuten kleineren Abhandlungen und Untersuchungen, und nannte das so entstandene Werk nach Beschaffenheit der größten Mehrzahl derselben: „Mythologus oder gesammelte Abhandlungen über die Sagen des Alterthums“, 2 Bde. (Berlin 1828).

Autobiogr. bis 1806 in: Lowe, Bildnisse jetzt lebender Berliner Gelehrter nebst ihren Selbstbiographien (Berlin 1806). – Akadem. Gedächtnißrede von Schleiermacher, gehalten am 8. Juli 1830, in den Denkschriften der Akad.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Alexander Buttmann (1813–1893).
  2. August Buttmann (1806–1890).