Zum Inhalt springen

ADB:Cohn, Ludwig Adolf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Cohn, Ludwig Adolf“ von Heinrich Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 394–396, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cohn,_Ludwig_Adolf&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 06:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Cohen, Maximilian
Nächster>>>
Coing, Johann Franz
Band 4 (1876), S. 394–396 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig Adolf Cohn in der Wikipedia
Ludwig Adolf Cohn in Wikidata
GND-Nummer 116629703
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|394|396|Cohn, Ludwig Adolf|Heinrich Hahn|ADB:Cohn, Ludwig Adolf}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116629703}}    

Cohn: Dr. Ludwig Adolf C., geb. 22. Mai 1834 zu Breslau, † 13. Jan. 1871 als Privatdocent zu Göttingen. C., aus einer angesehenen, durch gesellige Formen, durch Intelligenz und Witz ausgezeichneten Kaufmannsfamilie stammend, hatte das Unglück, daß ein Stickhusten bei großer Schwächlichkeit und scrophulöser Anlage des Körpers eine Verkrümmung des Rückenwirbels und dadurch eine für sein ganzes Leben verhängnißvolle Mißbildung des Körpers herbeiführte. Seine Gesundheit erheischte zumal in der Jugendzeit viel Schonung; daher ertheilte ihm den ersten Unterricht seine ebenso liebenswürdige, wie gebildete [395] Mutter zu Hause. Erst nach dem achten Lebensjahre besuchte er das Magdalenengymnasium unter dem Directorat von Schönborn. Dessen deutsch-preußischer Patriotismus, wie späterhin die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Abgeordneten Lasker blieben nicht ohne Einfluß auf seine vaterländische und politische Gesinnung. Trotz seiner Kränklichkeit absolvirte er im Alter von 17 Jahren das Abiturientenexamen und wurde am 30. April 1851 in die Universität von Breslau aufgenommen. Hier hörte er u. a. Vorlesungen bei Stenzel, Röpell, Ambrosch, Rückert, Wuttke, Cauer und ward auch Mitglied des historischen Seminars; 1853 ward er akademischer Bürger der Universität Berlin, wo er besonders Vorlesungen bei Ranke, Wattenbach, Curtius, Dirksen, Homeyer etc. annahm, und die Stiftung eines historischen Vereins, geleitet von Wattenbach, anregte. Mit wahrhaft rührender Verehrung hing sein dankbares weiches Gemüth an Universitätslehrern und Vorbildern, besonders an Stenzel, Ranke, Röpell, Wattenbach und Jaffé. Nach schwerem Nervenfieber und langsamer Genesung in seiner Vaterstadt, während welcher er sich Zutritt zu den Collegien von Mommsen und Junckmann verschaffte, wurde er auf Grund seiner Dissertation: „De rebus inter Henricum VI. imperatorem et Henricum Leonem actis. Pars prior“, am 13. Febr. 1856 zu Breslau zum Doctor promovirt. Das Zeitalter Heinrichs des Löwen blieb von da ab der Hauptgegenstand seiner Studien und Kritiken. Durch den Beistand naher Verwandten ward es ihm ermöglicht, 1857 nach seinem, durch die damaligen Staatsverhältnisse erzwungenen Uebertritt zum christlichen Glauben seine Niederlassung als Privatdocent in Göttingen zu bewerkstelligen, wohin ihn Verehrung für Waitz und der Ruf der Göttinger Bibliothek zog. Trotz seiner nervösen und asthmatischen Leiden las er 26 Semester nur mit kurzen Unterbrechungen, hauptsächlich über die Freiheitskriege 1813–15, die Geschichte Europa’s, speciell Frankreichs von 1789–1815, das Zeitalter des 30jährigen Krieges, besonders aber über „Grundzüge der Urkundenlehre“. Daran schlossen sich Vorträge über historische Chronologie und Propädeutik und praktische diplomatische und paläographische Uebungen. Von 1866 an nahm er, gedrängt von der warmen Begeisterung für die Entwicklung seines Vaterlandes, die Geschichte des preußischen Staates in das Gebiet seines Unterrichtes auf. In einer sogenannten historischen Societät erklärte er öfters mittelalterliche Schriftsteller, wie Adam von Bremen, Lambert von Hersfeld u. a. m. Seine bedeutenderen Leistungen, ausgezeichnet durch Sorgfalt, scharfe nüchterne Kritik, große Belesenheit, und von ebenso großer Wahrheits- wie Vaterlandsliebe zeugend, sind folgende Schriften: „Die Pegauer Annalen aus dem 12. und 13. Jahrhundert“ (Altenburg 1858). – „Ein deutscher Kaufmann aus dem 16. Jahrhundert. Hans Ulrich Kraft’s Denkwürdigkeiten“ (Gött. 1862). – „Der 30jährige Krieg. Eine Sammlung von Gedichten und Privatdarstellungen von J. Opel und Cohn“ (Halle 1861), vor allem aber die 1864 und 1865 erschienenen „Stammtafeln zur Geschichte der deutschen Staaten und der Niederlande“, eine vielfach auf eigener Forschung beruhende Umarbeitung der Voigtel’schen Tafeln von anerkanntem Werthe, deren Beendigung leider durch seinen allzufrühen Tod unterbrochen und auf Wunsch des Buchhändlers Herrn v. Heinemann übertragen wurde. Sie bildeten den Ausgangspunkt vieler kleineren, in Zeitschriften zerstreuten Arbeiten, wie „Wettinische Studien“, „Piasten und Wettiner“, „Zur Geschichte der Grafen von Reinhausen und Winzenburg“, „Die Vorfahren des Hauses Reuß“, „Verwandtschaft der Staufer und Anhaltiner“ etc. – Auch eine populäre Geschichte Kaiser Heinrichs II. (Halle 1867) für die Nasemann’sche Sammlung mittelalterlicher Erzählungen und sehr viele, mitunter sehr umfangreiche Recensionen und Anzeigen theils eigener, theils in sein Gebiet einschlägiger Schriften verfaßte er, besonders für die Sybel’sche Zeitschrift und für [396] die Göttinger Gel. Anzeigen. Von Haus aus zum Humor geneigt, wurde seine Stimmung durch mannigfachen Kummer und durch Verdruß über versagte Anerkennung seiner Leistungen, über die so oft fehlgeschlagenen Hoffnungen auf Anstellung und in Folge dessen zunehmende Kränklichkeit, vor allem durch die rasch hintereinander folgenden Todesfälle theurer Personen, an denen er mit der zärtlichsten Liebe hing, wie intimer Freunde, seiner Mutter, Schwägerin und seines Vaters, in den letzten Lebensjahren verdüstert. Interessante Reisen, lebendiger, seiner Neigung entsprechender Verkehr verscheuchten zeitweilig die Sorgen. Doch erlag endlich dem Druck des Lebens und angestrengter Arbeiten sein geschwächter Körper nach kurzer Krankheit an Asthma. Sein Grab ist in dem Kirchhof der Mariengemeinde in Göttingen. Ein Lichtstrahl in sein umdüstertes Leben war es, daß er den Siegen der deutschen Heere mit voller Theilnahme 1870 folgen und die günstige Wendung der vaterländischen Geschichte ahnen konnte. Treue Anhänglichkeit an sein Vaterland, seine Eltern, nahe Verwandte, Lehrer und Freunde, und warmes Gefühl für alles Schöne und Edle, andrerseits rücksichtsloseste Wahrheitsliebe waren die hervorstechendsten Seiten seines Wesens.

Vgl. die Vita vor seiner Dissert. – Vorreden seiner Schriften und Abhandl. in d. H. Zeitschr. v. Sybel, in den Gött. Gel. Anz. u. and. Zeitschr. – Hahn, L. A. Cohn, Syb. Hist. Zeitschr. 1876 oder 1877.