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ADB:Cracov, Georg

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Artikel „Cracow, Georg“ von Theodor Muther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 540–543, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cracov,_Georg&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 09:33 Uhr UTC)
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Cracow: Georg C. (Cracov, Cracau), Jurist und Staatsmann, geb. 7. Nov. 1525 zu Stettin, † 1575. Schon mit 13 Jahren finden wir ihn bei der Universität Rostock (unter dem Rectorat von M. Conrad Pegel Ostern 1538/39) inscribirt. In dem unter Arnold Burenius’ Leitung stehenden Collegium domus Aquilae, in welchem der humanistischen und mathematischen Ausbildung der Zöglinge eine treffliche Pflege zu Theil wurde, mag er den Grund gelegt haben zu seiner späteren wissenschaftlichen Tüchtigkeit. Auch in Wittenberg hat, wie nicht zu bezweifeln steht, C. studirt. Im Sommer 1547 finden wir ihn zu Greifswald als Professor der Mathematik und der griechischen Sprache. Er war der erste, welcher an der dortigen Universität Geometrie lehrte. Von einer Streitigkeit, in welche er mit M. Sigismund Schnörkel gerathen war, wird berichtet, daß er mit großem Lob seine Sache in lateinischer Sprache vor Herzog Philipp I. von Pommern geführt habe (1548). Im Herbst 1549 heirathete C. eine Tochter Joh. Bugenhagen’s, Sara, die 25jährige Wittwe des 1547 verstorbenen M. Gallus zu Zerbst. Um die nämliche Zeit verließ C. Greifswald und siedelte nach Wittenberg über. Dort las er über römische Schriftsteller, so im Sommer 1553 über Cicero de officiis und die Oratio pro Milone. Letztere enthalte gravissimas disputationes ex fontibus iuris depromptas, sagt C. in seiner Ankündigung. Wie es nicht selten geschah jener Zeit hatte also C. als lesender Magister artium der Jurisprudenz seine Aufmerksamkeit zugewendet; er kündigte auch Institutionsvorlesungen an und hatte schon seit längerer Zeit angefangen als Consulent und Advocat zu prakticiren. Endlich trat er ganz in die Juristenfacultät über. Am 7. August 1554 zum Doctor beider Rechte feierlich promovirt erhielt er sogleich oder nicht lange hernach eine juristische Professur für römisches Recht, einige Jahre darauf 1557 auch die Bestallung als kurfürstlich sächsischer Rath. 1557 (August bis December) nahm er als kursächsischer Legat mit Melanchthon, dessen Schwiegersohn Peucer und Anderen Theil am Colloquium zu Worms. Von dort begab er sich Anfangs October auf wenige Tage nach Heidelberg, um wegen eines beschwerlichen aber nicht gefährlichen Magenleidens die dortigen berühmten Aerzte zu consultiren. Im Sommer 1559 wohnte er als kurfürstlicher Mitgesandter dem Reichstag in Augsburg bei. Im folgenden Wintersemester verwaltete er das Rectorat der Universität Wittenberg. Noch vor Beendigung desselben hatte er den Tod Melanchthon’s zu beklagen, mit welchem er besonders in den letzten Jahren im vertrauten freundschaftlichen Verkehre gestanden. 1564 finden wir C. wiederum unter den Unterzeichnern des Reichsabschieds zu Worms. Er nennt sich bei dieser Gelegenheit: der Rechten Doct. Ordinarius Professor zu Wittenberg, womit angedeutet zu werden scheint, daß das Ordinariat in der Juristenfacultät auf ihn übergegangen war. Dieses [541] Ordinariat verblieb ihm auch, nachdem er längst Wittenberg verlassen hatte. Noch 1575 hören wir ihn „Herr Ordinari“ anreden und „Ordinarien zu Wittenbergk“ tituliren. Seine, auch früher durch Zuziehung zu Staatsgeschäften vielfach unterbrochene Thätigkeit als akademischer Lehrer aber hatte schon 1565 ein Ende gefunden. Der bei Kurfürst August von Sachsen vielvermögende Rath Ulrich Mordeisen war in Ungnade gefallen, an seiner Stelle wurde C. unter Ernennung zum Kammerrath (so viel als Geheimerath) dauernd an den Hof gezogen. Man erzählt, daß die Kurfürstin Anna, eine geborene Prinzessin von Dänemark, Mordeisen’s Fall und Cracow’s Erhebung betrieben habe, weil jener ein beim Kaiser beantragtes Verbot der Ausfuhr von Waffen, Munition und Proviant nach dem mit Dänemark im Krieg befindlichen Schweden verhindert habe, während bei diesem eine für Dänemark günstige Gesinnung vermuthet wurde. Cracow’s amtliche Thätigkeit als Minister Kurfürst Augusts eingehender zu schildern, würde zu weit führen. Nur auf Weniges soll in dieser Richtung hingewiesen werden. 1567 befand sich C. mit seinem Herrn dem Kurfürst bei den Executionstruppen, welche die Reichsacht wider Herzog Johann Friedrich den Mittleren zu Sachsen zu vollstrecken hatten. Bei den Verhandlungen vor der Capitulation Gotha’s (13. April) war er betheiligt. Es ist bekannt wie grausam nachher Wilhelm v. Grumbach und der gothaische Kanzler Dr. Christian Brück mit „peinlichen Fragen“ unter rücksichtsloser Anwendung der Folter procedirt wurden. Da flehte Brück fußfällig um Gnade und rief C. an, sich für ihn beim Kurfürsten zu verwenden: er erinnerte, daß C. dereinst in Wittenberg bei ihm Institutionen gehört habe und bat der Verdienste seines verstorbenen Vaters, des Kanzlers Brück, um das Haus Sachsen eingedenk zu sein. Hart, beinahe höhnisch antwortete C.: die Institutionenvorlesung habe er bezahlt; Gregor Brück sei allerdings ein redlicher und verdienter Mann gewesen, wäre der Sohn in seine Fußstapfen getreten, so würde er jetzt nicht an diesem Orte sich befinden. Ihm sei nicht zu helfen. – Wenden wir den Blick von dieser rohen Scene zu einer anderen Angelegenheit, bei welcher C., obwol fest und durchfahrend, so doch eifrig bemüht, den Rechtszustand Sachsens zu verbessern, sich zeigte. Wir meinen Cracow’s Antheil an der kursächsischen Constitutionengesetzgebung von 1572. Es steht fest, daß nach langjährigen Berathungen C. die Schlußredaction des Werkes übertragen war und daß er diese nicht eben leichte Aufgabe in sehr anerkennenswerther Weise löste. Besonders ist die Schärfe und Deutlichkeit des deutschen Ausdrucks zu loben, für jene Zeit ein um so mehr anzuerkennender Vorzug, als man in Handhabung der Muttersprache in Rechtssachen im allgemeinen noch sehr unbehülflich war. C. selbst nannte sich später wol mit Hinblick auf diese Redaction „Fabrikator“ der Constitutionen. Auch mag er es gewesen sein, welcher aus dem Cabinet des Kurfürsten die emsige Förderung der Vorarbeiten überwachte und im Gange erhielt. Seine directe Theilnahme an diesen Vorarbeiten aber ist weder nachweisbar noch wahrscheinlich. Der Opposition gegenüber, welche die Stadt Freiburg zu Gunsten ihres Stadtrechts gegen die Einführung der Constitutionen erhob, zeigte sich C. als eifriger Vertreter der Ideen, welche damals im Gefolge des Humanismus die besten Köpfe beherrschten. Für die Anhänglichkeit der Freiburger an ihre einheimischen auf deutsch-rechtlichen Grundlagen ruhenden Satzungen hatte er kein Verständniß. In wiederholten Conferenzen, welche er mit den Freiburger Abgesandten hatte, erklärte er sich sehr heftig gegen solche „grobe, viehische, unmenschliche und unbillige Rechte, welche auch wider die Natur liefen“, sagte von einzelnem, „es liefe solches wider der wilden Thiere Recht, welches auch die Katzen nicht thäten“, gab zu erkennen, der Kurfürst wolle schlechterdings ein durchaus gleiches Recht in seinen Landen beobachtet wissen, ein Recht, welches nicht wider das „natürliche Recht“ verstoße; gerade um den [542] Stadtgebräuchen, welche wider das ius naturale, gentium und sanguinis verstießen, ein Ende zu machen, seien die Constitutionen geordnet. Daß nun C. unter dem von ihm so oft angezogenen „natürlichen Recht“ nichts anderes versteht als den Inhalt des damals noch in Reception begriffenen römischen Rechts, bedarf für den Kenner jener Zeit keines Beweises. Aber bevor noch die Verhandlungen mit den Freiburgern völlig zu Ende geführt waren, hatte C. sein Verhängniß ereilt, in jähem Sturz war er von seiner Höhe gefallen und lag als ein armer, elender Gefangener im Thurme der Pleißenburg zu Leipzig. Am 13. (nach Anderen 16.) Juli 1574 war er auf seinem Gute Schönfeld bei Dresden auf Befehl des Kurfürsten verhaftet und in das Gefängniß abgeführt worden. Die Anklage gegen C. lautete im allgemeinen dahin, daß er die dem Kurfürsten eidlich angelobte Treue verletzt und gegen den Willen desselben gehandelt habe. Insonderheit wurde ihm vorgeworfen, daß er mit dem kaiserlichen Leibarzt Crato von Kraftheim eine „conspiration“ unterhalten habe. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Anschuldigung in Verbindung stand mit den wider die sogenannten Kryptocalvinisten damals begonnenen Verfolgungen (s. Bd. I, S. 677 f.). Der vertraute Freund Cracow’s Caspar Peucer war schon einige Monate früher gefänglich eingezogen worden, weil er sich wider gegebenes Versprechen in die „theologischen Händel“ gemischt, auch wurde er wiederholt befragt, was er mit C. und Anderen conspirirt, was er mit ihnen von seiner Meinung von wegen des Abendmahls conferirt und dergleichen. Es war damals bei Hofe nicht ohne Unterstützung des Kurfürsten die zelotische kirchliche Partei zur Herrschaft gelangt, welche sich als die Bewahrerin der reinen Lehre Luther’s betrachtete. Dieser war neben Peucer besonders C., der Humanist, der Freund und Gesinnungsgenosse Melanchthon’s, verhaßt. Ein strenger Theologe klagte: der Kurfürst werde durch Peucer von „sacramentirischen Gift“ ganz angesteckt, wie „von Kettenhunden“ sei derselbe bewacht, „daß Niemand zu ihm kommen und ihn eines besseren berichten könne“. Mit der kirchlichen stand eine andere mehr politische Partei in enger Verbindung. Der Leipziger Bürgermeister Hieronymus Rauscher und seine Anhänger suchten den Einfluß der Rechtsdoctoren auf die Verwaltung und Rechtspflege zu brechen, insonderheit die Doctoren aus dem Leipziger Rath und Schöppenstuhl zu verdrängen. C. dagegen war Patron der sogenannten Doctorenpartei, welche unter J. Thoming’s Leitung dahin strebte, das Laienelement aus dem Rath, besonders aus dem Schöppenstuhl zu entfernen. So kam es den strengen Theologen wie den Gegnern der Doctoren darauf an, Cracow’s Einfluß bei dem Kurfürsten zu brechen. Anderes kam hinzu. C. hatte durch sein heftiges rücksichtsloses Wesen sich viele persönliche Feinde gemacht und besaß auch ohnedem Neider. So wird berichtet, der kurfürstliche Geheimsecretär Jenisch habe sich vorgesetzt gehabt, ihn zu stürzen und habe dazu einen Helfer gefunden in dem bei Hof angesehenen und viel gebrauchten Wittenberger Juristen D. Lorenz Lindemann, den sein Ehrgeiz getrieben habe.

Die coalirten Feinde Cracow’s schonten den überwundenen Gegner nicht. In den Verhören mit zum Theil aberwitzigen, zum Theil hinterlistigen Beschuldigungen und Fragen gepeinigt, „auch ziemlicher maßen gefoltert“, sah er den letzten Hoffnungsschimmer schwinden, als Anfangs März 1575 ein zu seiner Befreiung gemachter Plan entdeckt wurde. Der in das Unternehmen mit verwickelte Hauptmann auf dem Schloß Pleißenburg Gregor Richter wurde öffentlich zum Schelm gemacht und sammt seinem Sohn, einem Studenten, vom Henker zum Thor hinaus geführt und verwiesen, hernach aber, da er Urfehde zu leisten sich weigerte, mit Ruthen ausgestrichen. Kurze Zeit darauf (16., nach Anderen 17. März) wurde C. in seinem Gefängniß „elendiglich auf dem Stroh liegend“ todt gefunden, umgekommen „Gott weiß wie“. Zionswächter erzählen: der [543] „öffentliche Feind, Spötter und Verfolger der reinen evangelischen Kirchendiener“ habe sich „vorher mit einem Messer das Leben nehmen wollen, damit er seine bösen Thaten nicht entdecken müsse“. Andere melden: „C. habe in den letzten 14 Tagen seines Lebens weder Speise noch Trank zu sich genommen und sich zu Tode gehungert“. Die Wahrheit wird wol sein, daß der durch das lange Gefängniß und die Qualen der Tortur geschwächte Körper Cracow’s die durch das Mißlingen des Fluchtplanes verursachte Gemüthsbewegung und das aus dieser zu erklärende Fasten nicht mehr ertragen konnte. Die Tochter Cracow’s und Freunde desselben führten seinen Leichnam nach seinem Gute Schönfeld bei Dresden, wo derselbe bestattet wurde.

So endete Georg C., einer der gebildetsten Männer seiner Zeit, ein Mann, dessen vielfache Verdienste um die sächsischen Schulen und Universitäten, sowie um die Gesetzgebung sich nicht abstreiten lassen. Gerhard Falkenburg aus Köln schrieb unter dem 17. Juli 1575 an Justus Lipsius: Cracovius in custodia misere est mortuus.