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ADB:Falcke, Georg Friedrich Freiherr von

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Artikel „Falcke, Georg Friedrich Freiherr von“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 543–546, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Falcke,_Georg_Friedrich_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 20:54 Uhr UTC)
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Falcke: Georg Friedrich Freiherr v. F. stammte aus einer bürgerlichen Juristenfamilie Hannovers, die dem Lande schon in mehreren Generationen gedient hatte. Der Großvater, Johann Philipp Konrad F., geb. 1724 zu Elze, † 1805 zu Hannover, war der vertraute Freund Pütter’s seit jungen Jahren, wo sie in Wetzlar täglich mit einander verkehrt und dann gemeinsam mit Jul. Melch. Strube, dem Sohne des berühmten Vicekanzlers David Georg Strube, im Sommer und Herbst 1747 Regensburg und Wien besucht hatten. Nach einigen im hessen-darmstädtischen Justizdienst verbrachten Jahren in seine Heimath zurückgekehrt, war er seit 1753 Hof- und Justizrath in Celle, seit 1763 Hof- und Kanzleirath in Hannover und advocatus patriae, d. h. Rechtsconsulent der Landesregierung, namentlich in Processen über Gerechtsame des Fürsten. 1767–76 lebte er in Wetzlar als Subdelegirter Hannovers bei der Kammergerichtsvisitation und hatte an den wichtigsten Arbeiten derselben einen hervorragenden Antheil, wie denn auch seine im Druck erschienenen Schriften vorzugsweise den bei dieser Gelegenheit erwachsenen Fragen des Reichsprocesses und der Reichsverfassung gewidmet sind. Von 1787 bis zu seinem Tode war er Justizkanzleidirector zu Hannover. Aus seiner Ehe mit der Tochter Dav. Strube’s, die er während seines Aufenthaltes zu Wetzlar verlor, stammte Ernst Friedrich Hector 1751 zu Darmstadt geboren, 1809 zu Hannover gestorben. Er gehörte zu jenem wetzlar’schen Kreise, der die Kammergerichtsvisitation unter Joseph II. auch zu einem litterarhistorisch denkwürdigen Ereigniß gemacht hat, jener Tafelrunde, die Goethe in Wahrheit und Dichtung verewigt hat. Schon als Student hatte er „Braitwell“, ein bürgerliches Trauerspiel (Gießen 1769), erscheinen lassen. In Goethe’s Briefen an Kestner, der Legationssecretär bei der hannoverschen Gesandtschaft zur Kammergerichtsvisitation war und die Bekanntschaft [544] wol vermittelt hatte, wird in den J. 1772 seiner häufiger gedacht. 1773 als Auditor bei der Justizkanzlei zu Hannover angestellt, bereiste er 1774 und 75 zur Vollendung seiner Bildung Italien und auf der Heimkehr das südliche Deutschland. 1776 ward er Rath im Landesconsistorium und 1784 Bürgermeister der Altstadt Hannover, eine Stelle, die er bis zu seinem Tode, gemeinnützig für den Staat und die Stadt wirkend, bekleidete. Sein ältester Sohn, Georg Friedrich F., am 7. Aug. 1783 zu Hannover geboren, studirte in Göttingen bis 1804 Rechtswissenschaft und trat als Auditor bei der Justizkanzlei in Hannover in den praktischen Dienst, früh die Beachtung so ausgezeichneter Männer, wie Ernst Brandes und Rehberg, erlangend. Die westfälische Zwischenherrschaft brachte ihn an den Gerichtshof zu Nienburg, 1811 als substitut du procureur général an den Appellhof in Hamburg, an dem auch sein Vetter Rumann, der nachmals in dem Kampfe um das Staatsgrundgesetz so viel genannte Stadtdirector von Hannover, angestellt war. Im J. 1813 übernahmen beide auf Veranlassung des Buchhändlers Perthes eine gefahrvolle Mission Tettenborn’s nach Hannover. Nach Wiederherstellung der hannoverschen Regierung war ihm eine diplomatische Function in Frankfurt a. M. zugedacht, er gab aber dem Justizdienst den Vorzug und blieb ihm lange Zeit treu, wenn auch die gleichförmige Thätigkeit als Hof- und Kanzleirath zu Hannover häufig durch Reisen und Commissionen unterbrochen wurde. Ein Besuch von Paris und London im J. 1817 machte ihn genauer mit dem öffentlich-mündlichen Gerichtsverfahren bekannt, aber nicht zu einem Freunde desselben. Unerfreulicher war die Unterbrechung des Sommers 1818; aber es zeugt für das Vertrauen, das die Regierung in die Gewandtheit und die Energie des jungen Beamten setzte, wenn sie ihn als Commissar nach Göttingen sandte, wo durch Gewaltthätigkeiten der Studenten, Auszug derselben nach Witzenhausen und eine gegen die Universität geschleuderte Verrufserklärung die Ordnung gestört war. Unbeirrt durch die weichherzigen Klagen und Besorgnisse der akademischen Behörden führte er seine unpopuläre Aufgabe durch und verdiente sich auf die Dauer nicht blos den Dank seiner Auftraggeber, namens derer eine „Actenmäßige Darstellung“ aus der Feder C. W. Hoppenstedt’s Hannover 1818) den ganzen Hergang und Falcke’s Antheil daran dem Publicum vorlegte. 1820 wurde er an Stelle des zurücktretenden Erblanddrosten v. Bar (Bd. II. S. 44) hannoversches Mitglied der Bundescentraluntersuchungscommission zu Mainz und gehörte ihr bis zu ihrer Auflösung im Herbst 1828 an, möglichst bemüht, dem Weitausspinnen der Untersuchung, den ungeheuerlichen Disgressen entgegenzuwirken. Während des Mainzer Commissoriums wurde er 1821 zum Oberappellationsrath in Celle, 1825 zum Kanzleidirector in Stade befördert. Eine ihm im nächsten Jahre zugedachte Stellung in der deutschen Kanzlei zu London lehnte er ab, konnte sich aber dem erneuten Andringen des Herzogs von Cambridge nicht entziehen, als im Sommer 1828 der Posten eines geheimen Cabinetsraths und vortragenden Raths im auswärtigen Ministerium in Hannover erledigt wurde. Er „regrettirte“ seine Jurisprudenz, für die er sich eine gewisse „Superiorität“ zutraute, war nun aber doch der Diplomatie und dem Wettbewerb mit der Aristokratie verfallen, wogegen sich der Bürgerliche ungeachtet seines schon von der Universität datirenden Verkehrs mit dem Adel des Landes lange gesträubt hatte. Gleich im März 1829 wurde er nach Wien geschickt, zunächst um den Grafen v. Merveldt während seines Urlaubes zu vertreten, dann aber selbst dort als Bevollmächtigter accreditirt, hauptsächlich zu dem Zweck, um den Fürsten Metternich gegenüber den von Herzog Karl von Braunschweig wider Georg IV. und den Grafen Münster erhobenen Anklagen zu informiren. Mit dem J. 1830 trat Falcke’s Name mehr in die Oeffentlichkeit. Wie es hieß, waren ihm und dem geheimen [545] Cabinetsrath G. E. F. Hoppenstedt Ministerstellen angeboten, aber beide hatten abgelehnt. Die Zeit bürgerlicher Minister war noch nicht gekommen. Die entschiedene Zuneigung, die ihm der Herzog von Cambridge und seine Gemahlin widmeten, hätte kaum genügt, den traditionellen Gegensatz zwischen bürgerlichen Cabinetsräthen und adelichen Ministern, der neben allen äußerlich freundlichen Beziehungen seit langem in diesem Lande bestand, auszugleichen. Die Last der Arbeit ruhte nichtsdestoweniger auf den Schultern der Cabinetsräthe. Der erste Entwurf des Staatsgrundgesetzes war unter wesentlicher Betheiligung Falcke’s und seines Freundes, des Oberappellationsrathes Meyer, zu Stande gekommen. F. erhielt den Auftrag, sowol für diese erste Gestalt im October 1831 als auch für die, in welcher die Verfassung aus den ständischen Berathungen hervorgegangen war, im April 1833 die königliche Genehmigung in London einzuholen. Beidemal mit günstigem Erfolge, nur wurde sein Hinweis auf die Nothwendigkeit, die agnatische Zustimmung zu erwirken, mit dem Bemerken abgelehnt, man solle die Verfassung ins Leben führen, dann werde sie der Nachfolger schon bestehen lassen. Der König erhob F. in Anerkennung seiner Verdienste in den Freiherrnstand und ernannte ihn zum Mitgliede der ersten Kammer. Als solches war er namentlich in der Diät des J. 1836 für die Annahme des von der Regierung vorgelegten Hausgesetzes thätig, obschon er aus mündlichen und schriftlichen Aeußerungen des Herzogs von Cumberland, dem er bei seinem Aufenthalte in Hannover im December 1835 Vortrag über jenes Gesetz zu halten hatte, wußte, daß er weder dem „Family Law“ noch dem Staatsgrundgesetz seine Zustimmung ertheile. Daß er doppeltes Spiel getrieben, ist nicht anzunehmen. Die Erklärung seines Verhaltens liegt in jener Sorglosigkeit, mit der er und mancher andere, nicht zum wenigsten der König selbst, die Aeußerungen des Thronfolgers als zwar unbequeme, aber am letzten Ende doch unwirksame Proteste behandelte. Der Vorwurf, der darin liegt, wird noch verstärkt durch seinen Antheil an der Unterlassungssünde der Regierung, die nöthigen Schritte zur Ein- und Durchführung der Verfassung in den J. 1833–37 zu. thun. Doch wozu bei den Vorspielen verweilen? Als Ernst August zum Throne gelangte und sofort an die Verwirklichung seines Planes ging, erklärte F. zwar mit den übrigen Cabinetsmitgliedern sich an die Verfassung gebunden; als dann aber Geheimrath v. Schele und Kanzleidirector Leist, der Verwandte und Nachfolger Falcke’s in Stade, die Umsturzgelüste des Königs als Weisheit priesen und zu ihrer Durchführung sich als Helfershelfer darboten, da war er, allerdings gleich den Ministern und den übrigen Räthen, bereit, auch unter der Leitung des neuen Staats- und Cabinetsministers fortzudienen. Es war eitel Selbsttäuschung, wenn er meinte, sich auf eine ungestörte Thätigkeit als erster Rath im auswärtigen Ministerium zurückziehen zu können. Mochte ihn der König die ersten Jahre mit politischen Aufgaben unbehelligt lassen, im Frühjahr 1839 sehen wir ihn die am 27. Juni dem Bundestage überreichte, alsbald von Stüve widerlegte Denkschrift ausarbeiten; und wenn er persönlich sich damit vertheidigt, unter Zurückdrängung seiner Privatansichten die Rechtsgründe, die den König geleitet, dargelegt zu haben, um ihn in den Augen der Unparteiischen mit der Gerechtigkeit zu versöhnen und die Idee des Sieges lediglich der Gewalt über das Recht, die das Volk nothwendig demoralisire, mit allen möglichen sich noch darbietenden guten Gründen zu bekämpfen, so ist das am wenigsten ein der Gerechtigkeit erwiesener Dienst. Sein Name gehörte seitdem zu den verhaßtesten im Lande. In der Gunst seines Herrn stieg er dagegen zusehends. Im J. 1842 übernahm er die officielle Werbung um die Hand der Prinzessin Marie von Altenburg für den Kronprinzen, in den nächsten Jahren war er der beständige Begleiter des [546] Königs auf seinen Reisen, und als am 5. Sept. 1844 Schele starb, wurde F. die Leitung im Cabinet und des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten zu Theil. Am 1. Jan. 1845 folgte die Ernennung zum wirklichen Geheimrath mit dem Prädicat Excellenz und das Großkreuz des Guelfenordens nach. Inzwischen hatte er sich auf das Feld öffentlicher Polemik in der Zollvereinsangelegenheit begeben müssen. War er im Cabinet auch das einzige dem Zollanschluß geneigte Mitglied gewesen, so hatte er mit bekannter Versatilität doch die Feder zur Vertheidigung der hannoverschen Politik in der Staatsschrift des J. 1844 ergriffen, ohne hier gegen den preußischen Generaldirector der Steuern, Kühne, größere Lorbeeren zu ernten, als einst Stüve gegenüber. Die Stellung an der Spitze der Geschäfte war eine wenig erquickliche. Der König, durch die längere Uebung besser vertraut mit den Verhältnissen des Landes geworden, wollte von allem selbst Kunde haben, alles selbst leiten; und es ist vielleicht nicht blos Falcke’s Abneigung gegen die eigentliche Ministerstellung gewesen, daß Ernst August ihn nur zum Ministerstellvertreter machte. War auch der Verfassungskampf beendet, die Lage der Regierung den Ständen gegenüber war deshalb nicht minder schwierig. Beide Kammern opponirten gemeinsam, wo es sich um Geldsachen oder um Wahrung ihrer Rechte handelte. Dem ständischen Wesen und den ständischen Geschäften überhaupt wenig geneigt, begegnete F. den Kammern schroff und gereizt, und als beide sich in dem J. 1847 zu dem Antrag auf Oeffentlichkeit der ständischen Verhandlungen einigten, da war es unzweifelhaft seine Verehrung der alten Diplomatenheimlichkeit, die dem Könige jenes berühmt gewordene „Niemals“ anrieth. Die Märzbewegung beseitigte ihn sofort; er fiel, von Niemandem betrauert, am wenigsten von der Adelsaristokratie, die in ihm den Emporkömmling nicht vergaß. Der Volkswitz sprach von der Vergangenheit, da jede freie Regung erst mit Schelen- und dann mit Falkenaugen verfolgt sei. F. zog sich nach Osnabrück zu seinem Freunde, dem Kanzleidirector Meyer, zurück. Suchte Ernst August auch wol nachmals seinen Rath, so war er doch klug genug, sich in keine Intrigue verwickeln zu lassen. Ein Artikel von seiner Hand im Hamburger Correspondenten vom 28. August 1849 forderte zur Unterstützung des Ministeriums Stüve auf und warnte vor Berufung reactionärer Minister, ein Rath, den er dem Könige persönlich in Hannover im September 1850 wiederholte. Bei Gelegenheit dieses Besuches, den er seiner Vaterstadt zur Ordnung von Privatangelegenheiten machte, ereilte ihn in der Nacht vom 19. zum 20. Sept. der Tod. Die ihm Nahestehenden loben die Liebenswürdigkeit seines persönlichen Verkehrs, seine Humanität gegen Geringe und Arme, seine eine von sittlichen Verirrungen nicht freie Jugend sühnende ernste und religiöse Lebensführung; seine öffentliche Stellung in der Geschichte seines Landes wird man nicht anders bezeichnen können, als die eines bureaukratischen Staatsmannes der alten Schule, der wider besseres Wissen das Landesrecht preisgibt, um die unerschütterte Autorität des Landesherrn zu retten.

Pütter, Litt. des deutschen Staatsr. II. S. 43; Selbstbiogr. S. 133 ff. Rotermund, Gel. Hannover II. S. 14 ff., S. 683. Hannov. Portfolio II. S. 177 ff. Ztg. für Norddeutschland 1850, 22. Sept. Augsb. Allgem. Ztg. 1851, 4.–7. Febr., Nr. 35–38 der Beilage (v. Geh. R. Fallenstein in Heidelberg nach Briefen und Mittheilungen Falcke’s an seine Schwester, Frau Benecke in Heidelberg).