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ADB:Grohmann, Christian August

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Artikel „Grohmann, Joh. Christian August“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 709–711, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Grohmann,_Christian_August&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 07:21 Uhr UTC)
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Grohmann: Joh. Christian August G., geb. am 7. August 1769 in Groß-Corbetha bei Weißenfels (Rgsbzrk. Merseburg), † am 3. Juli 1847 in Dresden, Sohn eines Predigers, welcher mit einer Tochter Gottsched’s verheirathet war, besuchte die Bürgerschule zu Querfurt, wohin sein Vater 1780 umgesiedelt war, und bezog 1786 die Universität Leipzig als Studirender der Theologie, fühlte sich aber bald in höherem Maße von Philosophie und Psychologie angezogen, wobei besonders Platner’s Vorlesungen auf ihn wirkten. Nachdem er in Folge einer Amsterdamer Preisaufgabe eine „Aesthetische Beurtheilung der Klopstock’schen Messiade“ veröffentlicht hatte, promovirte er in Leipzig (März 1790) als Doctor der Philosophie, und begab sich dann nach Dresden, um Kunststudien zu machen; dort schrieb er (1791) „Ideen zu einer physiognomischen Anthropologie“, eine sehr phantastische an Lavater anknüpfende Combination über die vier Temperamente und deren Zusammenhang mit Kunst und Religion. Im J. 1792 habilitirte er sich durch eine Dissertation „De generationis atque temperamentorum legibus“, als Privatdocent in Wittenberg, wo er 1798 außerordentlicher und 1803 ordentlicher Professor und Bibliothekar wurde. Er entwickelte eine reiche schriftstellerische Thätigkeit, in welcher er sich im Ganzen den Grundsätzen Kant’s anschloß; so erschienen: „Ueber das Verhältniß der Theorie zur Praxis“ (1795), „Neue Beiträge zur kritischen Philosophie und insbesondere zur Logik“ (1796), woselbst er die Logik auf Reflexion, d. h. absehend von Abstraction und Kategorien, zu begründen versucht, dann „Ueber den Begriff der Geschichte der Philosophie“ (1797), wo er im Gegensatze gegen chronologische Reihe eine systematische Darlegung fordert; letztere Schrift ist wieder abgedruckt in seinen „Neuen Beiträgen zur kritischen Philosophie und insbesondere zur Geschichte der Philosophie“ (1798), welche außerdem eine auf kantischem Boden [710] stehende Abhandlung „Ueber die Beurtheilungsprincipien der Offenbarung“ und eine Darstellung der „Hauptpunkte der Kant’schen und Fichte’schen Philosophie“ enthalten; zur gleichen Zeit gab er zusammen mit Zachariä „Philosophische Abhandlungen“ heraus (1796 f.) und in seiner anonymen Schrift „Kritik der christlichen Offenbarung“ (1798) versuchte er im Anschlusse an Kant’s Postulate der praktischen Vernunft eine ins Einzelne gehende Begründung dieser Frage, womit auch seine Abhandlung „Ueber Mythologie und Offenbarung“ (1799) zusammenhing. Im J. 1801 veröffentlichte er „Annalen der Universität zu Wittenberg“, worauf Schriften folgten, in welchen er sich gegen die Gegner Kant’s wendete, nämlich „Ueber das Verhältniß der Kritik zur Metakritik“ (1802), „Dem Andenken Kant’s oder die neueren philosophischen Systeme in ihrer Nichtigkeit dargestellt“ (1804) und „De recentissimae philosophiae vanitate“ (1809). Seine „Philosophie der Medicin“ (1808), in welcher er mit arger Großsprecherei auftritt, enthält eine ziemlich kindliche Teleologie nebst ästhetischen Tändeleien, auch Einflüsse der Gall’schen Schädellehre, und den Hinweis auf das Accomodations-Vermögen der Organismen. Im J. 1810 folgte er einem Rufe an das akademische Gymnasium zu Hamburg, wo er die Professur der theoretischen Philosophie und der Beredtsamkeit übernahm, aber nie zu ersprießlichen Lehrerfolgen gelangte, ja selbst die Schuld an Störungen der Disciplin trug und außerdem eine gereizte Feindschaft gegen classische Philologie kund gab. Eine gewisse grübelnde Innigkeit führte ihn mit Vorliebe auf psychologische Punkte, und so suchte er auch den Verkehr mit excentrischen oder unglücklichen Menschen, daher er gerne und häufig in Gefängnissen Beobachtungsstoff sammelte. Zeugniß dieser Richtung geben seine zahlreichen Aufsätze in Hufeland’s Journal, in Nasse’s Zeitschrift für psychische Aerzte (dort z. B. über den Attentäter Stapß und über F. L. Zach. Werner), in Nasse’s Zeitschrift für Anthropologie, in Friedreich’s Magazin für Seelenkunde. Daneben schrieb er: „Ueber die philosophische und ästhetische Cultur unseres Zeitalters“ (1810), „Ueber die höhere religiöse Ueberzeugung“ (1811), „Was ist der Deutsche?“ (1813), „Hamburgs Schicksal unter Davoust“ (1814), „Darstellung des Heiligen auf der Bühne“ (1816); den Inhalt seiner sentimentalen blumenreichen Schrift „Psychologie des kindlichen Alters“ (1812) gab er in näherer Einzelndurchführung wieder unter dem Titel „Ideen zu einer Geschichte der Entwicklung des kindlichen Alters“ (1817). In der „Aesthetik als Wissenschaft“ (1830) geht er, unbefriedigt durch Kant und ablehnend gegen Herbart, sowie gegen Hegel, seine eigenen Wege, indem er eine Vernunftwissenschaft des Gefühlsvermögens durchführen will, welche das Uebersinnliche bei Erörterung des Erhabenen, des Schönen, des Romantischen und des Lächerlichen etwas überschwänglich verwerthet und in solcher Weise die Grundsätze darbietet zu einer reichhaltigen Besprechung der vier Hauptkünste Poesie, Malerei, Plastik und Musik. Als er 1833 in Hamburg in den Ruhestand versetzt wurde, zog er nach Leipzig und dann nach Dresden, wo er in Zurückgezogenheit bis zu seinem Tode lebte, nur bisweilen kleinere Reisen unternehmend. Litterarisch beschäftigte ihn ein Gegenstand, welchen er bereits 1827 in einem Hamburger Programme „De summis in imputatione delictorum ad capitis usque supplicia extendenda periculis“) berührt hatte; nämlich aus seinem Bestreben, für Abschaffung der Todesstrafe zu wirken, ging zunächst die Schrift „Ueber das Princip des Strafrechts“ (1832) hervor, in welcher er die Rechtsstrafe als äußeren Zwang der Vernunftfreiheit zu begründen versuchte, worauf folgten „Mittheilungen zur Aufklärung der Criminal-Psychologie und des Strafrechts“ (1833), hierauf „Christenthum und Vernunft für die Abschaffung der Todesstrafe“ (1835), wo er einen Wiederabdruck der sächsischen landständischen Verhandlungen über dieses Thema veranstaltete [711] und verschiedene eigene und fremde Aufsätze (selbst eine Predigt Schleiermacher’s) beifügte; dann richtete er hierüber (1836) ein Sendschreiben an die sächsischen Stände und desgleichen (1837) an Eisenstuck und veröffentlichte auch „Philosophische Ideen über die Begründung eines vernünftigen Strafrechtes behufs des für das Königreich Norwegen beabsichtigten Strafgesetzentwurfes“ (1836). In seinen zwei letzten Schriften griff er wieder auf seine früheren Neigungen zurück, nämlich „Untersuchungen der Phrenologie oder Gall’sche Schädellehre“ (1842) und „Kopf-Formen des Somnambulismus“ (1844 in Struve’s Zeitschr. f. Phrenologie).

Neuer Nekrolog der Deutschen, Jahrgang 1847, S. 491 ff.