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ADB:Held, Hans von

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Artikel „Held, Hans von“ von Hermann Markgraf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 159–161, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Held,_Hans_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 20:39 Uhr UTC)
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Held: Hans Heinrich Ludwig v. H., der durch seine maßlosen Anklagen gegen die preußische Staatsverwaltung unter Friedrich Wilhelm II. großes Aufsehen machte und sich dadurch eine vielversprechende Beamtenlaufbahn verdarb, war der Sohn eines nach dem Siebenjährigen Kriege abgedankten preußischen Officiers. Geboren am 15. November 1764 zu Auras a. O. unweit Breslau, besuchte er das Pädagogium in Züllichau und darauf das Joachimsthalische Gymnasium in Berlin und bezog zu Ostern 1784 die Universität Frankfurt a. O., um das Studium der Rechte und der Staatswissenschaften zu beginnen. Neben ernstem Studium widmete sich der Jüngling in leidenschaftlicher Freundesliebe und Begeisterung für alles Edle und Hohe dem damals blühenden Konstantistenorden und setzte das auch in Halle fort, wohin er im folgenden Jahre übersiedelte. Seine Studien vollendete er in Helmstedt. Schon 1788 erlangte er eine Anstellung als Secretär der niederschlesischen Accise- und Zolldirection zu Glogau. Er war mittellos und lebte sehr mäßig, liebte aber den Verkehr mit Menschen und gab sich gern geselliger Freude hin. Der spätere Minister v. Struensee wurde bald auf ihn aufmerksam; schon im Mai 1791 kam er in eine bessere Stellung nach Küstrin; zwei Jahre später wurde er Assessor bei der Zoll- und Steuerdirection in dem eben erworbenen Posen und erlangte bald darauf den Rathstitel.

H. war seiner geistigen Anlage nach ein Vertreter der Sturm- und Drangperiode. Die Ideen der Aufklärung erfüllten ihn in ihrem vollen Umfange; aber in demselben Maaße, in welchem er für die Menschheit im allgemeinen glühte, war und blieb er Preuße mit Leib und Seele. Zu einer bedeutenderen Wirksamkeit ist er nicht gelangt. In seiner Seele wechselten fortwährend zwei Hauptkräfte einander ab, überschwängliches Gefühl und unbestechlicher Verstand, ohne daß sie sich zu höherer Einheit durchzuringen vermochten. Sie liefen vielmehr neben einander her und erzeugten abwechselnd schwärmerische Begeisterung und rücksichtslos verwerfende Kritik. Seine Feder war schnell, jede Gelegenheit begeisterte ihn zu Gedichten; von öffentlichen Anlässen war sein Herz stets erregt, und es drängte ihn, dieser Erregung Ausdruck zu geben, ohne die Berechtigung dazu mit Rücksicht zu untersuchen und ohne die Folgen mit Bedacht zu erwägen. In seiner Zeit glaubte mancher die Welt aus den Angeln heben zu können.

In die gefährliche Laufbahn eines politischen Anklägers trieb ihn seine Freundschaft mit dem damaligen Kriegsrathe Josef Zerboni, dem späteren Oberpräsidenten der Provinz Posen. Im October 1793 stifteten Zerboni, H. und der aus Oesterreich geflüchtete ehemalige Kapuziner und überaus fruchtbare Schriftsteller Ignaz Feßler eine dem Konstantistenorden ähnliche Gesellschaft, den Evergetenbund. Derselbe zerfiel sehr bald, machte aber doch die Stifter anrüchig. Als Freund Zerboni’s wurde denn auch H. in dessen damaligen Sturz verwickelt, der auf Grund eines von diesem am 12. October 1796 an den Minister Grafen Hoym, den allmächtigen Regenten von Schlesien und Neuostpreußen erlassenen, den Minister scharf angreifenden Briefes erfolgte. Zerboni ward auf die Festung Glatz gebracht, dann nach Magdeburg, seine Papiere wurden beschlagnahmt, und H. wurde auch eine verdächtige Persönlichkeit, [160] obwohl Zerboni 1798 freigesprochen wurde, H. hatte inzwischen im Juli 1797 geheirathet, wurde aber mit der Gattin nicht glücklich. In dieser Stimmung nahm er um so leidenschaftlicher an den öffentlichen Vorgängen theil und erbitterte auch seinerseits Hoym durch ein scharfes Gedicht, das zum 25. September 1797 in Posen erschien. Er wurde zur Strafe dafür nach Brandenburg versetzt, während seine Gattin in Posen verblieb, wo sie Grundbesitz hatte. Durch die doppelte Wirthschaftsführung gerieth er für die Dauer in ungünstige ökonomische Verhältnisse. In Brandenburg befreundete er sich mit Friedrich Buchholz, damals Professor an der Ritterakademie, und trat in Verbindung mit Fichte, Matthias Claudius, Garve, Schummel und anderen mehr. Mit Zerboni setzte er seinen lebhaften Verkehr fort, besuchte ihn auch während einer ihm bewilligten mehrmonatlichen Urlaubsreise auf seinem Gute in Neuostpreußen. Durch die gegen seinen Freund von neuem erhobenen Anklagen wurde seine Animosität gegen Hoym derartig gereizt, daß er 1801 das berüchtigte Buch: „Die wahren Jakobiner im preußischen Staate, oder aktenmäßige Darstellung der bösen Ränke und betrügerischen Dienstführung zweier preußischer Staatsminister“ – das sogenannte Schwarze Buch – veröffentlichte, worin er Hoym und den Großkanzler v. Goldbeck in maaßlos schmähendem Tone nicht nur schwacher und sorgloser, sondern geradezu gewissenloser Verwaltung beschuldigte, ohne doch einen sicheren Beweis dafür zu erbringen. Trotz der Gönnerschaft Struensee’s und anderer Gegner der beiden nicht gerade beliebten Minister ward er nach längerem Processe zur Amtsentsetzung und 18 Monaten Gefängnis verurtheilt, appellirte und fügte zu seiner Vertheidigung seinem „Schwarzen Buche“ das „Schwarze Register“ hinzu, das angeblich schlimme Verschleuderungen von Staatsgut in Südpreußen aufdeckte. Aber auch diese Enthüllungen hat die neueste Forschung von C. Grünhagen als nicht begründet erachtet. Das Urtheil wurde in zweiter Instanz bestätigt und H. nach Kolberg gebracht. Durch einen fast wilden, Niemand schonenden und Alle verletzenden Fanatismus hatte er bei aller guter Absicht selbst den Erfolg seines Vorgehens verdorben und sich in den Ruf eines unerträglichen „Rumorgeistes“ gebracht. In Kolberg erging es ihm, von den kärglichen Subsistenzmitteln abgesehen, nicht schlecht; er erlangte bald leidliche Bewegungsfreiheit. Nach seiner Entlassung ward er in Berlin vom Minister v. Struensee wieder beschäftigt und war auch litterarisch thätig. Sein „Rundschreiben an Bonaparte“ athmet Haß gegen den früher auch von ihm als Helden gepriesenen Tyrannen. Der „Patriotenspiegel für die Deutschen“ ist in ähnlichem Geiste verfaßt. „Struensee. Eine Skizze für diejenigen, denen sein Andenken werth ist“, zollt seinem Gönner den Tribut lebhafter und rückhaltloser Dankbarkeit. Der Tod desselben verschlechterte Held’s Aussichten erheblich. Seine Tochter starb, von der Frau ward er geschieden. Dann kam der Krieg, die Besetzung Berlins, die ihn zur Flucht nach Neu-Ruppin nöthigte. Aufs tiefste erregte ihn die Noth des Vaterlandes. In das Gezänk der zeitgenössischen Publicistik ward er immer wieder hineingezogen. Die „Blicke hinter Vorhänge“ verfuhren mit seinen Gegnern nicht sänftiglich. Nicht ohne Grund spricht ihm sein Biograph Varnhagen die eigentlich schriftstellerische Befähigung ab, weil es ihm bei allen seinen Schriften weniger um eine bestimmte Wirkung auf sein Publicum zu thun war als darum, seinem stets erregten Herzen Luft zu machen. Wie sich ihm gerade die Wahrheit darstellte, warf er sie in die Oeffentlichkeit, nie schonte er die Personen, immer glaubte er an die Untrüglichkeit seines Urtheils. Erst 1810 kehrte er nach Berlin zurück. Durch Hardenberg ward er auch am 17. August 1812 wieder als Salzfactor in den Staatsdienst übernommen und gelangte damit endlich in das Fahrwasser eines [161] äußerlich ruhigen, wenn auch bescheidenen Lebens. Im Mai 1813 verheirathete er sich in zweiter Ehe mit Wilh. Karol. v. Treuenfels, die ihm vier Kinder schenkte. Immer noch verfolgte er die öffentlichen Vorgänge mit lebhafter Theilnahme, feierte sie in Gedichten, lebte aber still und zurückgezogen. Er konnte seine Gefühle so wenig meistern, daß er Gesellschaften unbequem fand. Die politische, religiöse, philosophische Entwicklung nach den Freiheitskriegen war wenig nach seinem altpreußisch-royalistischen Sinn, aber mit großer Begeisterung folgte er dem Erwachen der Naturwissenschaften und den Vorträgen A. v. Humboldt’s. Ehrgeiz lockte ihn nicht mehr. Aus den Geldsorgen kam er nie heraus; sie trieben ihn schließlich in den Tod. Die Furcht, einen in seiner Salzkasse durch den Diebstahl eines Unterbeamten entstandenen Defect nicht ersetzen zu können, ließ den verzweifelten, vielleicht noch mehr von seiner Leidenschaftlichkeit, als von der Welt mitgenommenen Greis am 20. Mai 1842 zur Pistole greifen.

Varnhagen von Ense, Hans von Held, in den Biographischen Denkmalen, Bd. 7. – C. Grünhagen, Zerboni und Held in ihren Konflikten mit der Staatsgewalt. Berlin 1897. – Held’s eigne Schriften.