ADB:Hinkelmann, Abraham

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Artikel „Hinkelmann, Abraham“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 460–462, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hinkelmann,_Abraham&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 04:38 Uhr UTC)
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Hinkelmann: Abraham H. (oder Hinckelmann), der bekannte Orientalist, wurde nach der übereinstimmenden Angabe seiner Biographen am 2. Mai 1652 zu Döbeln im jetzigen Königreich Sachsen geboren, doch findet sich nach einer Mittheilung des dortigen Predigers die betreffende Notiz nicht im dortigen Kirchenbuch; sie kann auch nicht wohl auf einem fehlenden Blatte, das die Zeit vom 21. Mai bis 14. Juni 1652 umfaßte, gestanden haben. Sein Vater soll Martin H. geheißen und Senator und Apotheker in Döbeln gewesen sein; seine Mutter wird Anna, geb. Dreißig, genannt. Er selbst hat angeblich vertrauten Freunden erzählt, daß der Mag. Balthasar Walther (vgl. Bd. III. S. 71) sein Großvater gewesen sei; dieser Walther sei der eigentliche Autor der unter Jacob Böhme’s Namen veröffentlichten Schriften (?) und habe, als er wegen seiner schwärmerischen Meinungen verfolgt wurde, den Namen H. angenommen (worüber zu vgl. Placcius, Theatrum anonymorum et pseudonymorum, in der Ausgabe [461] von Fabricius, Hamburg 1708, II. S. 582 ff.); danach müßte also wol dieser Walther sein väterlicher Großvater, falls nicht ein späterer Mann seiner Großmutter gewesen sein. Unser H. kam im J. 1664 auf die Schule zu Freiberg und bezog dann im J. 1668 die Universität, wo er außer der Theologie besonders die orientalischen Sprachen studirte und schon im J. 1669 Magister wurde. Im J. 1672, 20 Jahre alt, wurde er Rector der Schule in Gardelegen, und von hier aus wurde er in das gleiche Amt nach Lübeck berufen, woselbst er am 7. Januar 1675 eingeführt ward. Hier heirathete er am 2. Nov. desselben Jahres die Wittwe seines Vorgängers, Hermann Nottelmann († am 5. Sept. 1674). Ueber seine zehnjährige Thätigkeit in Lübeck ist im einzelnen wenig bekannt; vielleicht ließe sich aus den Acten des Ministeriums noch manches ermitteln. Von seinem Fleiße zeugen die zahlreichen Programme, die er herausgab; seine große Gelehrsamkeit wird allseitig gerühmt; vielleicht hat er durch seine Hinneigung zum Pietismus Anstoß gegeben. Aus dem Schlusse seiner Lübecker Zeit liegen Spuren eines freundschaftlichen Verhältnisses zu Spener vor, ohne daß wir wüßten, wie dasselbe entstanden ist und wann es begonnen hat. Auf seine pietistischen Ansichten mag sich auch wol schon das Colloquium bezogen haben, das am 23. März 1679 mit ihm in Lübeck gehalten wurde. Er fühlte sich jedenfalls später in seiner Lübecker Stellung nicht mehr glücklich; und seiner Freundschaft mit Johann Winckler, dem bekannten Freunde Spener’s, der seit October 1684 in Hamburg war und durch den auch Spener’s Schwager, Horbius, nach Hamburg kam, hatte H. es zu danken, daß er, nachdem er im Anfang des J. 1685 seine Freunde in Hamburg besucht hatte, am 19. Juli 1685 zum Diaconus zu St. Nicolai in Hamburg erwählt ward. Er blieb hier zunächst nur kurze Zeit; schon im J. 1687 ward er als Oberhofprediger und Generalsuperintendent nach Darmstadt gerufen und zum Professor honor. in Gießen ernannt. Ehe er diese Stellung antrat, ging er nach Kiel und promovirte hier zum Doctor der Theologie. In Darmstadt, wo er besonders bei der Landgräfin Elisabeth Dorothea in großem Ansehen stand, war er mannigfach für die Verbesserung der kirchlichen Zustände thätig. Doch konnte er Hamburg nicht vergessen; und in Hamburg hatte man ihn so lieb gewonnen, daß man ihn nach dem Tode des Senior Klug am 28. October 1688 zum Hauptpastor zu St. Catharinen erwählte. H. glaubte, trotzdem seine Freunde Bedenken gegen einen so schnellen abermaligen Amtswechsel hatten, dem Rufe folgen zu müssen; auch die Fürstin erkannte, daß dieser Ruf von Gott sei, und hinderte ihn nicht, ihm zu folgen. Aber in Hamburg warteten seiner nun schlimme Kämpfe. Schon vor seiner Wahl war diesmal von einigen Seiten seine Rechtgläubigkeit angegriffen; in dem von ihm herausgegebenen Andachtsbuche: „Neue Betrachtungen von der Reinigung des Blutes Christi“, das zuerst Hamburg 1686 erschienen war, hatten seine Gegner Irrthümer entdeckt, waren aber trotz eines ihnen günstigen Responsums der Leipziger Fakultät nicht mit ihrem Widerstand gegen seine Wahl durchgedrungen; am 7. Febr. 1689 ward H. wieder in Hamburg eingeführt. Als dann aber im J. 1690 und besonders arg im J. 1693 die bekannten pietistischen Streitigkeiten in Hamburg ausbrachen, da wurde er gleich seinen Freunden Winckler und Horbius von dem berüchtigten Johann Friedrich Mayer, mit dem er früher in Wittenberg befreundet gewesen war, und dessen Genossen auf eine Weise angegriffen, die jeder Beschreibung spottet. Unter den zahlreichen theologischen Streitschriften, die im J. 1694 in Hamburg erschienen, sind auch mehrere von H.; einige gab er mit seinem Freunde Winckler gemeinsam heraus; obwol er seiner ganzen Natur nach zu solchen Streitigkeiten keine Neigung hatte, sondern lieber still sein Amt verwaltete und seinen Studien oblag, so hatte er doch, namentlich als Horbius so ungebührlich [462] behandelt war, nicht schweigen wollen, mußte aber dafür selbst wieder sich die leidenschaftlichsten Angriffe gefallen lassen. Daß diese nicht nur von der Seite eines Mayer und ähnlichen wüthenden Gegnern des Pietismus ihn trafen, sondern daß er auch in einer anonymen Schrift, als deren Verfasser sich später Johann Wilhelm Petersen bekannt hat, „die Stimme des Herrn an Dr. Abraham H., als er sich mit Feigenblättern im Entschuldigungsschreiben bedeckte“ (1694), von einem der Freunde von Horbius der Unlauterkeit und Feigheit beschuldigt ward, das kränkte ihn so, daß er die Folgen davon nicht wieder überwand. Er erlebte noch die Freude, seine (arabische) Ausgabe des Koran vollendet zu sehen; sie erschien Hamburg 1694 in 4°. Aber mitten unter anderen gelehrten Arbeiten traf ihn am 11. Februar 1695 ein Blutsturz, den er selbst als eine Folge der Kämpfe des 94. Jahres bezeichnete; noch an demselben Tage starb er, noch nicht 43 Jahre alt, falls die obige Angabe über Tag und Jahr seiner Geburt ganz richtig ist. Wie als Schulmann, Theologe und Orientalist, hat H. sich auch als Prediger und Dichter geistlicher Lieder ausgezeichnet. Eine Auswahl seiner Predigten ließ Winckler im J. 1697 erscheinen. Unter seinen geistlichen Liedern, von denen vier bekannt geworden sind, hat das Lied: „Seligstes Wesen, unendliche Wonne“, zumeist Verbreitung gefunden, aber freilich auch wegen der in ihm angewandten Daktylen, die doch dem Gegenstand, einer Schilderung der „Seligkeit in Gott“, ganz angemessen sind, Anstoß erregt; jedenfalls ist es ein sehr schönes Lied, das in das Herz des Dichters einen Blick thun läßt. H. hinterließ eine umfangreiche Bibliothek, in der sich auch eine Anzahl orientalischer Manuscripte befand.

J. H. v. Seelen, Athenae Lubecenses, Thl. IV, S. 467 ff. Moller, Cimbria litterata, II. S. 329–36. Wilcken, Hamb. Ehrentempel, S. 462 ff. Aug. Jak. Rambach, Anthologie, IV. Bd. S. 47 ff. Lexikon der Hamb. Schriftsteller, III. Bd. S. 255–263; hier und bei Moller ausführliche Verzeichnisse seiner Schriften. Koch, Geschichte des Kirchenlieds u. s. f., 3. Aufl. IV. Bd. S. 407 ff. – Ueber die pietistischen Streitigkeiten in Hamburg und Hinckelmann’s Betheiligung an ihnen: Joh. Geffcken, Johann Winckler und die hamburgische Kirche in seiner Zeit, Hamburg 1861.