ADB:Johann Cicero

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Artikel „Johann Cicero, Kurfürst von Brandenburg“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 153–156, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Cicero&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 22:22 Uhr UTC)
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Johann Cicero, Kurfürst von Brandenburg, geb. am 2. Aug. 1455 in Ansbach, Kurfürst seit 1486, † am 9. Jan. 1499 zu Arneburg in der Altmark; nur einem beschränkten Wirkungskreise gewachsen, hat er in starkem Gegensatze zu seinem hochstrebenden Vater Albrecht Achilles vorherrschend in den territorialen Interessen der Mark seine Lebensaufgabe gesucht. Schon in seinem zwölften Lebensjahre (1466) aus Franken an den Hof seines Oheims Kurfürsten Friedrich’s II. in die Mark berufen, um mit dessen (schon 1467 verstorbenen) Sohne Johann erzogen zu werden, trat er den Märkern bald noch näher dadurch, daß sein Vater, als er im Mai 1470 von denselben die Huldigung als Landesherr empfing, seinem Sohne unter Obhut des Bischofs Friedrich Sesselmann von Lebus die Verwaltung des Landes, seit 30. April 1476 unter dem Titel eines Statthalters übertrug. Die Stellung des Sohnes erwies sich als eine sehr schwierige. Von seinem energischen Vater in seinen Regierungshandlungen unter strenger Controlle gehalten, traf er auf hartnäckigen Widerstand, indem er auf dessen Gebot die mit jenem über das Recht und die Form der Besteuerung hadernden und dessen fremdländischem Wesen abholden märkischen Stände zur Hergabe von Mitteln zur Bestreitung zweier Hofhaltungen und der häufigen Nachbarkriege willig machen sollte. Konnte doch der Prinz selbst seine Vermählung mit der seit 1468 ihm verlobten Prinzessin Margaretha von Sachsen erst nach acht Jahren hauptsächlich darum erst vollziehen, weil die [154] Stände vorher die zur Hochzeitsfeier erforderlichen 10,000 Gulden verweigerten. Zwar brachte ihm der Vater in den schwersten Kriegsnöthen dreimal (1472–73, 1476 und 1479) persönliche Hilfe aus Franken herbei und verschaffte ihm, wie er meinte, durch Verträge gegen Pommern, Schlesien und Ungarn hin dauernde Sicherung: indem er selbst ihn aber, trotzdem daß die Verträge sich hinfällig erwiesen, seit 1479 ohne allen Beistand ließ, und nach seinem Tode (11. März 1486) die fränkischen Fürstenthümer auf Grund seines Hausgesetzes von dem Kurfürstenthum vollständig gesondert wurden, sah sich J. seit 1479 als Statthalter wie als Kurfürst auf die geringen Mittel beschränkt, welche sein durch Kriege und innere Unordnung zerrüttetes und geschwächtes Land aufzubringen im Stande war. Im Hinblick auf diese Lage entsprach es ganz seiner Natur, wenn er, die Interessen seiner Stände zu seinen eigenen machend, wenn auch unter Opfern, Frieden nach außen und innen zu gewinnen und durch diese Uebereinstimmung mit den Wünschen der Märker die Kluft, welche seine fränkische Herkunft bisher zwischen ihm und jenen bildete, hinwegzuräumen suchte. Herzog Bogislav X. von Pommern, welcher im Prenzlauer Vertrage (26. Juni 1479) die Lehnsherrlichkeit Brandenburg’s aufs Neue anerkannt hatte, sah sich nicht sobald durch eine günstige Erklärung Kaiser Maximilian’s und durch seine Vermählung mit Sophie, Tochter König Casimir’s IV. von Polen, (Jan. 1491) zu bessern Hoffnungen ermuthigt, als er von jeder Verbindlichkeit gegen Brandenburg sich lossagte. Alsbald übertrug der Kurfürst seinen Räthen, in Königsberg i. Nm. mit den Pommerischen in Verhandlungen zu treten, die in den zu Pyritz und Königsberg am 26. und 28. März 1493 vereinbarten Verträgen ihren Abschluß fanden. In ihnen entsagte Jener auf immer der Lehnsberechtigung auf Pommern, begnügte sich mit der eventuellen Erbfolge beim Aussterben der Herzogsfamilie und fand seinen besonderen Vortheil darin, daß der Herzog sich mit ihm zu gegenseitiger Hilfsleistung gegen auswärtige Feinde, vor Allem gegen Friedebrecher und Empörer im eigenen Lande verband. – Nach Schlesien hin hatte J. durch seine Schwester Barbara Ansprüche auf das Herzogthum Glogau erworben; sein Vater hatte dieselben mit allem Eifer und in einem mehrjährigen Krieg geltend gemacht, hauptsächlich um die ihm über Schlesien naherückende Macht des Ungarnkönigs Matthias Corvinus nicht weiter um sich greifen zu lassen, und hatte in geschickter Benutzung der Zerwürfnisse, die zwischen König Matthias und seinem Bundesgenossen, dem Herzog Hans von Sagan, eingetreten waren, jenen (Aug. 1479) in Olmütz dazu vermocht, ihm als Pfand für die ihm zuerkannten 40,000 Goldgulden die Landschaften von Crossen, Züllichau und Sommerfeld zu übertragen. Als nun bald nach dem Abzuge Kurfürst Albrecht’s aus der Mark die Aussöhnung des Königs mit Hans von Sagan die Erneuerung des Krieges durch den letzteren zur Folge hatte, da wartete J., damals noch Statthalter, die Befehle seines Vaters nicht ab, sondern bequemte sich in dem Vertrage zu Camenz (16. Sept. 1482) zu einer neuen Ausgleichung, vermöge welcher er die Umwandlung jener Pfandschaften in ungarische Lehen genehmigte, für die sich König Matthias das Recht der Einlösung vorbehielt. Nach dem Tode dieses Königs (April 1490) trat dem Kurfürsten die Versuchung nahe, als Erbberechtigter, wie er es in der That war, sich um den ungarischen Thron zu bewerben. Aber er wies sie von sich und zog es vor, sich den in Böhmen herrschenden Jagellonen Wladislaw zum Freunde zu gewinnen; er förderte nämlich dessen Bewerbung wesentlich dadurch, daß er durch Lösung des Verlöbnisses seiner Schwester Barbara mit Wladislaw diesem die Verheirathung mit der Königin-Wittwe von Ungarn ermöglichte. Er erachtete es für einen hinreichenden Gewinn, daß König Wladislaw (Ofen 9. Sept. 1493) dem durch den Camenzer Vertrag erworbenen Rechte [155] der Wiedereinlösung der abgetretenen Landschaften für die Lebenszeit des Kurfürsten und seiner beiden Söhne entsagte und (31. Mai 1493) dem Kurfürsten den Kauf der Landschaft Zossen gleichfalls unter Vorbehalt der Wiedereinlösung gestattete. Mochte über solche Kundgebung der Schwäche des Brandenburger Staates auf dem Reichstage die Aeußerung fallen, Brandenburg „habe seit 80 Jahren nicht kleiner Gerücht im Reiche gehabt“, den Kurfürsten mochte die Ueberzeugung trösten, daß er wenigstens dadurch die Möglichkeit gewonnen hatte, den viel verderblicheren inneren Schäden des Landes beizukommen. Er selbst nämlich hegte die Meinung, daß in keinem deutschen Lande so viel Räuberei und Barbarei zu finden sei, als in dem seinigen. Jedenfalls hielt sich hier noch ein nicht geringer Theil des Adels berechtigt, diejenigen, welche sich auf ihrem Gebiete nicht das Geleite von ihnen erkauften, als rechtlos zu behandeln, dagegen auch flüchtige Verbrecher der Nachbarlande auf ihrem Gebiete gegen erkauftes Geleite zu hegen und zu schützen, ingleichen gab es noch Städte, welche ihre Bürger straften, wenn sie ihr Recht bei dem Landesherrn suchten. Gegen die aus solchen Anschauungen erwachsenen Uebel stand dem Kurfürsten zunächst nur das Mittel zu Gebote, daß er sich durch Verträge mit den Nachbarn, namentlich mit Pommern (1493), Ungarn (1489), dem Erzbischofe Ernst von Magdeburg (1479), dem Herzog Heinrich von Lüneburg (1488) und in der Form von Erbeinigungen mit den sächsischen und hessischen Fürsten (1484) verschafft hatte, die Hilfe dieser Nachbarn gegen die auf ihrem Gebiete verweilenden oder sie gemeinsam bedrohenden Friedebrecher in Anspruch zu nehmen, wie denn z. B. 1488 eine in die Lausitz eingedrungene Raubschaar, die schwarze Bande, mit Hilfe Sachsens erfolgreich bekämpft wurde. Demnächst kam ihm wol auch der gute, namentlich durch die ihm ergebenen Landesbischöfe angeregte Wille seiner Stände hilfreich entgegen, indem namentlich 1482 gegen den Raubadel in der Priegnitz unter Anführung des Bischofs von Havelberg, Wediko von Putlitz, und des Landeshauptmanns der Altmark, Wilhelm von Pappenheim, das Aufgebot der Priegnitz’schen Städte, unterstützt von gutgesinnten Edelleuten derselben Landschaft ausrückte und durch Zerstörung von fünfzehn Raubburgen und eine strenge gegen alle aufgegriffenen Wegelagerer geübte Justiz für einige Zeit friedliche Ordnung herstellte. Die schon bei diesem Kriegszuge sich bewährende Zuneigung der Stände für ihren Fürsten gab sich in noch kräftigerer Weise auf dem Berliner Ständetage im Febr. 1488 zu erkennen, wo auf den Antrag der Bischöfe von Brandenburg und Havelberg die Stände demselben jene indirecte Steuer einer Bierziese, die sie dem Kurfürsten Albrecht beharrlich verweigert hatten, bewilligten. Allerdings erhob sich dagegen nachträglich Widerspruch von Seiten Stendals und einiger anderer altmärkischer Städte, welche nicht nur den außerhalb ihrer Ständeschaft gefaßten Beschluß als für sie nicht bindend erklärten, sondern sogar an den bei ihnen erscheinenden Steuererhebern sich gewaltthätig vergriffen. Aber das übrige Land hielt zum Fürsten, dem es nicht schwer wurde, mit Waffengewalt die aufrührerischen Städte zu züchtigen, worauf ein ständisches Gericht sie zur Leistung ihrer Pflicht verurtheilte. Freilich fand auch hier ein gegenseitiges Entgegenkommen von Seiten des Fürsten und der Stände statt, indem jener ihnen wenn auch nicht die von ihnen geforderte Erhebung und Umlage der Steuer durch ihre Beamten, wol aber eine Controlle derselben durch ständische Deputirte zugestand. Ein dauerndes Verdienst um sein Land erwarb sich der Kurfürst dadurch, daß er den von Italien aus über Deutschland bereits weithin verbreiteten humanistischen Studien den Weg auch in die Mark öffnete. Wie er selbst, in diesen Studien erzogen, sich namentlich durch seine Fertigkeit im Gebrauch der lateinischen Sprache auf Reichstagen und Fürstenversammlungen den Beinamen eines Cicero Germanicus erwarb, so wirkte er auch durch [156] Aufmunterung und reelle Unterstützung dahin, daß zunächst märkische Edelleute in Italien oder auf deutschen Hochschulen diejenige classische Bildung sich aneigneten, welche bereits von den obersten Räthen und Beamten der Fürsten, namentlich bei dem zunehmenden Einfluß, welchen das römische Recht auf die einheimische Gesetzgebung gewann, von den obersten Gerichtsbeamten gefordert wurde. Wenn die früheren Kurfürsten von Brandenburg schon aus diesem Grunde sich ihre Räthe und Beamten meistens aus dem in der Bildung vorgeschrittenen Franken kommen ließen, so wurde jetzt das Band, das den Kurfürsten mit den Märkern verknüpfte, ein wesentlich engeres, seitdem schon unter seiner Regierung eine beträchtliche Anzahl märkischer Edelleute als Doctoren beider Rechte – Liborius v. Schlieben, Buffo v. Alvensleben, Dietrich v. Bülow (vgl. oben V, 182), Johann v. Schlabrendorf, Bernt v. Rohr u. a. – in die obersten Stellen einrücken konnten. Aus eben diesem Grunde ging er auf die von Kaiser Maximilian auf dem Wormser Reichstag 1495 an die Kurfürsten erlassene Aufforderung, daß jeder von ihnen in seinem Lande eine Universität gründe, mit seinem aus Leipzig berufenen gelehrten Leibarzt Simon Pistorius ernstlich über die Verwirklichung dieses Gedankens in seinem Lande zu Rathe, hatte bereits Frankfurt a./O. zum Studiensitze ausersehen und 1498 vom Papste Alexander VI. den dafür damals erforderlichen Freiheitsbrief erworben, als die mangelnden äußeren Mittel und der den kränklichen Fürsten schon im 44. Lebensjahre überraschende Tod die Ausführung hinausschoben. Ein von Peter Vischer’s kunstfertiger Hand geschaffenes Erzdenkmal schmückt jetzt des Fürsten Grab im Berliner Dom. Von seinen beiden Söhnen wurde der erste, Joachim, Kurfürst von Brandenburg, der zweite, Albrecht, Cardinal und Kurfürst von Mainz.

Ranke, Genesis. Droysen, Preuß. Politik. II, 1. Pauli, Preuß. Staatsgeschichte. II. Moehsen, Gesch. der Wissensch. in der Mark Brandenburg. Urk. u. Akten, X.