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ADB:Kratz zu Scharffenstein, Johann Philipp Graf (1. Artikel)

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Artikel „Craz, Johann Phil., Graf zu Scharffenstein“ von Carl von Landmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 573–575, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kratz_zu_Scharffenstein,_Johann_Philipp_Graf_(1._Artikel)&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 00:24 Uhr UTC)
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Band 4 (1876), S. 573–575 (Quelle).
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Craz: Johann Phil. C. (Kratz), Graf zu Scharffenstein, Freiherr von Riesenberg[WS 1], einer der fähigsten Parteigänger im 30jährigen Kriege, † 1635. – Das Jahr 1620 führte den bisherigen Domherrn von Worms in die Reihen des Heeres der Liga. Mit Auszeichnung führte er ein Reiterregiment im böhmischen Kriege und in den folgenden Feldzügen. Seine hervorragende Theilnahme an [574] der Schlacht am weißen Berge, wo sein rechtzeitig geführter Angriff gegen Christian von Anhalt und die böhmischen Reiter dem Kampfe die entscheidende Wendung zu Gunsten der Katholischen gab, hat sich auch im Volksliede erhalten. Als Tilly’s siegreiche Feldzüge 1621–23 gegen Ernst von Mansfeld, Christian von Braunschweig und den Markgrafen von Baden den Krieg zu einem Abschluß gebracht zu haben schienen, verließ C. den baierischen Dienst und führte sein Regiment, jetzt als kaiserlicher Befehlshaber, zum Heere Spinola’s in die Niederlande, wo er der Belagerung von Breda beiwohnte. Doch schon 1625 stellte des Königis Christian IV. von Dänemark Eintreten für die protestantische Sache im Reiche neuen Krieg in Aussicht; gleichzeitig mit Colalto zum Heere Wallenstein’s abberufen, folgte er als Reiteroberst des Friedländers Fahne nach Niedersachsen und zur Schlacht bei der Dessauer Brücke. Aber noch im gleichen Jahre wurde C. in Folge eines Zerwürfnisses mit Wallenstein auf dessen Betreiben seines Regiments entsetzt, vielleicht im Zusammenhange mit der gleichzeitigen Verweisung Colalto’s aus dem Heere. Tief beleidigt hiedurch stellte sich C. dem König von Frankreich zur Verfügung und warb für dessen Dienst ein Regiment. Da ihm dies vom Kaiser, der wegen der mantuanischen Erbfolge damals mit Frankreich auf gespanntem Fuße stand, in hohem Grade verübelt wurde, und er wegen seiner durch Heirath erlangten böhmischen Herrschaften ohnehin von demselben abhängig war, so verließ er noch vor Ausbruch des Krieges in Italien das französische Heer.

Nach erfolgter Absetzung Wallenstein’s erscheint C. wieder als Befehlshaber im kaiserlichen Heere unter Tilly in Niederdeutschland. Die kaiserlichen Truppen in Pommern und Brandenburg hatte Wallenstein absichtlich vernachlässigt, sobald er seine Entlassung bevorstehend wußte, auch später weigerte er als Herzog von Mecklenburg jede Hülfe zum Unterhalt derselben; nicht lange konnten sie daher 1630 den frischen Abtheilungen der Schweden Stand halten: Trotzdem gelang es C. als Commandant von Landsberg a. d. Warthe, den ersten Eroberungsversuch der Schweden gegen diesen festen Platz im Januar 1631 erfolgreich abzuweisen und den Uebergangspunkt bis Ende April zu behaupten; indeß vollzog sich die Einnahme von Magdeburg durch Tilly. Auf dem Zuge des katholischen Heeres nach Thüringen befehligte C. als Generalwachtmeister das kaiserliche Fußvolk, und bei Tilly’s Vormarsch nach Sachsen, sowie während der Breitenfelder Schlacht verblieb er mit einem selbständigen Heerhaufen zur Deckung gegen Bernhard von Weimar im Thüringischen. Als Gustav Adolf nach Süddeutschland vordrang, kam Wallenstein wieder zum Oberbefehl. C. war unter jenen Befehlshabern, welche Kaiser Ferdinand hievon besonders in Kenntniß setzen zu müssen glaubte, auch wurde er sofort (28. Dec. 1631) von Wallenstein als Generalwachtmeister bestätigt. Trotzdem trat C. bald darauf in die Dienste des baierischen Kurfürsten, von welchem er am 1. Januar 1632 mit dem Titel eines Generals der Artillerie zum Commandanten der Oberpfalz ernannt wurde. Bei den Verhandlungen, welche von kaiserlicher Seite mit dem Kurfürsten zur Verhinderung der von demselben beabsichtigten Neutralität gepflogen wurden, wird C. genannt und ebenso in dem Briefwechsel, welcher die Unterstützung des ligistischen Heeres durch kaiserliche Truppen zum Gegenstand hatte und worin er die Handlungsweise Wallenstein’s scharf tadelte; auch wird er als ein Befehlshaber bezeichnet, den der Kaiser gerne wieder bei seinem Heere gehabt hätte. – Nachdem C. Verstärkungen zu Tilly gebracht hatte, führte er auf dem Vormarsche zum Gefecht bei Bamberg (9. März) die Vorhut; ihm gebührt der wesentlichste Antheil an dieser ersten Niederlage der Schweden auf deutschem Boden. Dagegen ist nicht richtig, daß er die Vertheidigung Ingolstadts gegen die Schweden geleitet habe. Als Maximilian mit seinem Heere in Erwartung Wallenstein’scher [575] Hülfe bei Stadtamhof stand, streifte er an der Spitze der Reiterei mit Cronberg ins Baierische bis an den Lech und that den Schweden vielen Abbruch. Am 17. April erhielt C., da Tilly ihn als den fähigsten zu seinem Nachfolger empfohlen hatte, den zeitweiligen Oberbefehl über daß ligistische Heer. Wallenstein zeigte sich hiemit nicht einverstanden; demselben vom niedersächsischen Feldzuge her ohnehin nicht gewogen, war er gegen C. aufgebracht, da dieser den kaiserlichen Dienst verlassen und sich auch eine Kritik der Handlungsweise des Generalissimus erlaubt hatte. Er forderte daher von Kurfürst Maximilian, daß der kaiserliche General Aldringen anstatt C. den Oberbefehl über die Truppen der Liga erhalte und drohte im Weigerungsfalle mit Entziehung aller Hülfe. In seiner Bedrängniß gab Maximilian nach, und C. wurde Statthalter von Ingolstadt. Durch diese Zurücksetzung gekränkt, beschloß C. sich zu rächen. Im Mai 1633 knüpfte er Verhandlungen mit dem von Norden anrückenden Bernhard von Weimar an. Durch die Uebergabe von Ingolstadt an die Schweden glaubte er seine Gegner, insbesondere seinen Nebenbuhler Aldringen, der damals in Schwaben kämpfte, am empfindlichsten zu treffen. Verspätetes Eintreffen der Weimar’schen Truppen und die Wachsamkeit der Posten machte jedoch die Ausführung des Planes scheitern. C. floh aus Ingolstadt und ging zum Feinde über. Als schwedischer Feldmarschall kämpfte er von nun an unter Bernhard von Weimar; bei dessen Zug in die Oberpfalz und nach Böhmen zur beabsichtigten Vereinigung mit Wallenstein 1634, befehligte er einen selbständigen Heerhaufen von 4000–5000 Mann in Franken. Zur Schlacht von Nördlingen herbeigerufen, stand er hier auf dem linken Flügel mit Bernhard von Weimar bei der Reiterei, gegen welche Johann v. Wert seine Kürassiere zu stets erneuten Angriffen führte. Mit Horn und anderen Anführern gerieth auch C. in Gefangenschaft. Nach Wien gebracht, entrann er seiner Haft und ging nach Schlesien, wurde aber wieder aufgegriffen und starb am 26. Juni 1635 in Folge kriegsgerichtlichen Ausspruchs auf dem Rathhause der kaiserlichen Residenzstadt durch Henkers Hand. – Nur wenige der hervorragenden Männer des 30jährigen Krieges haben aus Ueberzeugungstreue für die eine oder die andere Sache gefochten: persönlicher Ehrgeiz war bei der Mehrzahl derselben die Triebfeder ihrer Handlungen. C. gehört zu diesen, er ist ein sprechendes Charakterbild jener Zeit. Aehnlich ihm haben damals viele Andere gehandelt, doch nur die Namen der Fähigsten unter ihnen kennt die Geschichte, und nicht alle haben wie Wallenstein und er den Verrath gebüßt.

Heilmann, Kriegsgeschichte von Baiern etc. 1506–1651. München 1868. Rhein. Antiquarius II. 18, 1870. Dietfurth, Historische Volkslieder etc. 1876.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert in Band 17 ein weiterer Artikel.