ADB:Leslie, Walter Graf von

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Artikel „Leslie, Walter Graf“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 437–444, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leslie,_Walter_Graf_von&oldid=- (Version vom 19. Mai 2024, 23:25 Uhr UTC)
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Leslie: Walther Graf L., kaiserlicher Feldmarschall, geb. 1606, † am 3. März 1667. - Zwei heraldische Greife tragen ein durch einen Querbalken getheiltes Schild; drei goldene Spangen zieren den Balken; den geschlossenen Turnierhelm krönt ein Greifenkopf; ein Spruchband aber zeigt die lakonischen Worte: „Grip fast“. Das ist das Wappen der Herren von Balquhaine (auch Balquhane und Balgulane), einer sehr alten Adelsfamilie Hochschottlands, deren Stammsitze Balquhaine Castle und Leslie Castle in der Grafschaft Aberdeen, District Garioch, nicht fern von Inverury nun in Trümmern liegen. Wol keiner ihrer zahlreichen Sprößlinge verstand es, den sinnreichen Wahlspruch seiner Ahnen so gewissenhaft, doch auch so rücksichtslos zu bethätigen, wie der vielgenannte Mann, dessen Name an der Spitze dieser Zeilen steht. „Greif zu – halte fest!“ man vermöchte keine andere zutreffende Devise für die Lebensskizze eines Walther L. zu ersinnen. Der jüngste Sohn der dritten Ehe John Leslie’s, den man den zehnten Baron von Balquhaine nennt, hatte L. daheim nach seinen Brüdern, beziehungsweise Halbbrüdern, John, William und Alexander kein reiches Erbe zu erwarten und ging darum bei Zeiten in die Fremde. Ihm war bereits ein älterer Vetter, Alexander L., vom Zweige der Earls of Leven, nach Deutschland vorangegangen. Während jedoch dieser als Calvinist von Geburt, nachdem er bereites 1628 in Stralsund dem schwedischen Interesse gedient, sich dem Heereszuge Gustav Adolfs von Schweden „zur Befreiung des Protestantismus“ angeschlossen hatte, hielt es Jener, obwol gleichfalls Calvinist, dennoch mit seinen religiösen Anschauungen für vollkommen vereinbar, Kriegsdienste in der großen Armee zu nehmen, die Wallenstein bei Wiederübernahme des Amtes und der Würde eines kaiserlichen Generalissimus im Winter 1631 bis 1632 zur endlichen und gänzlichen Niederwerfung des Protestantismus unter seine Fahnen rief. Diese Fahnen, die der gewaltige Friedländer siegreich über die Alpen, dann in das Herz von Deutschland und endlich bis an die Küsten der Ost- und Nordsee getragen hatte, versprachen offenbar dem jungen schottischen Edelmann die weitaus meisten und raschesten Vortheile; und nur um äußere, wohlklingende und glänzende Vortheile, nicht um irgend eine höhere, das blutige Kriegshandwerk rechtfertigende, adelnde Idee war es dem Glücksritter zu thun. Er trat in das Regiment zu Fuß des Grafen Adam Erdmann Trczka, der zur Zeit auch ein Arkebusier- und ein Kürassierregiment besaß und von dem Generalissimus, seinem Schwager, später sogar noch drei andere Regimenter zugewiesen erhielt, deren jedes ein Oberstlieutenant selbständig commandirte. Der unmittelbare Vorgesetzte Leslie’s war sein Landsmann Johann Gordon, als dessen Oberstwachtmeister wir L. zum ersten Male im Frühjahr 1632 kennen lernen. Seine Musketiere hatten redlich beigetragen, die Sachsen wieder aus Böhmen zu vertreiben und Prag zurückzuerobern. Nun führte sie Wallenstein mit seiner Hauptmacht durch die Oberpfalz dem plötzlich zur Defensive gedrängten Könige von Schweden vor Nürnberg entgegen. Hier, im Lager von Altenberg und der Alten Veste, erkämpfte sich L. die erste Anerkennung; es war ein heißer Kampf. Mit 20 Compagnien Croaten, 8 Compagnien Reiter und 500 „commandirten“ Musketieren, letztere unter Führung Gordon’s und Leslie’s, zog Generalwachtmeister Sparr am 8. August von Wallenstein’s Lager aus, dem schwedischen Obersten Taupadel, der eine Diversion nach Freystadt unternommen hatte, den Rückzug gegen Nürnberg zu verlegen. Durch seine Kundschafter hiervon benachrichtigt, beeilte sich aber Gustav Adolf, den Seinen rechtzeitig zu succurriren. Bei Burgtann überfiel er Sparr mit überlegener Streitkraft. Sofort ergriffen [438] die Croaten die Flucht. Dagegen setzten sich die Musketiere, von der schweren Reiterei nach Kräften unterstützt, herzhaft zur Wehr; ein kleines Gehölz bot ihnen einige Deckung. Gordon und L. „thaten Wunder“, erzählt ein englischer Geschichtschreiber; „sie fochten solange fort, bis sie sich völlig verschossen hatten“. Oberst Riese, sowie ein Hofjunker und ein Page des Königs wurden hart an dessen Seite getödtet. Die Tapferkeit der Schotten aber, so weiß die eben citirte Quelle weiter zu berichten, flößte dem Könige selbst eine derartige Bewunderung ein, „daß er sich öffentlich erklärte, er wolle sie, falls sie gefangen würden, ohne Verzug wieder freilassen und das Lösegeld für sie selbst bezahlen“. Die Uebermacht war zu groß. Die kaiserliche Reiterei wurde in einen Morast gesprengt, wo sich Sparr ergeben mußte; Gordon und L. theilten sein Loos. Thatsächlich gab Gustav Adolf die beiden letzteren ohne Lösegeld wieder frei; „nur machten einige Hindernisse, daß er die Vollziehung seines Versprechens fünf Wochen lang aufschieben mußte“.

Wieder in der Schlacht bei Lützen thaten sich Trczka’s Musketiere durch Muth und Ausdauer hervor, wie Trczka selbst, „indem er den ganzen Tag vornen am Spitz seines Regimentes gehalten und auf den Feind etliche Male getroffen“. – Im Winter 1632–33 und im folgenden Feldzug dem Commando Holk’s unterstellt, bildete der größte Theil dieses Regimentes die Garnison der alten Reichsstadt Eger, in der es auch während des Verheerungszuges des genannten Feldherrn nach Meißen und Sachsen blieb, bis es im Herbst durch Gallas in das Nürnberg’sche entsendet wurde. Zu Beginn des verhängnißvollen Jahres 1634 erscheint L. bereits in selbstständigerer Stellung, da Gordon, von Wallenstein zum Obersten designirt, ja schon im August des Vorjahres als solcher ernannt, doch nicht belassen, von seinem Regiment häufig abwesend war. Die Bewohner von Wendelstein und Umgegend, wo das Regiment Monate lang hauste, hatten viele Ursache zu klagen. Endlich am 9. Januar 1634 brach L. nach der Oberpfalz auf: „haben sich feindselig gehalten“, ruft der Chronist den Abziehenden nach. Drei Tage später marschirte L. mit seinen Schotten in Eger ein, wo ihnen abermals das Winterquartier angewiesen war. Von hier aus schrieb L. wenige Stunden nach seiner Ankunft an Octavio Piccolomini einen beachtenswerthen Brief, welcher zweierlei beweist: daß L. sich die Ungnade seines Obersten Trczka zugezogen hatte, dagegen die Gunst eines Anderen – Piccolomini’s – in desto höherem Maße genoß. Nicht ohne Grund wandte sich L. just an Piccolomini, als „einen Protector aller fremden Cavaliere“, um die Verwendung, seiner Person „bei dem Herrn Obersten (Trczka) im Besten gedacht zu sein“. Man weiß, mit welchen geheimen, meuterischen Mitteln von Seite einer gewissen Partei in Wallenstein’s eigenem Heere dessen Beseitigung um jeden Preis durch lange Zeit betrieben wurde; man weiß aber auch, wer von Anfang an die Seele und das Haupt dieser Militärverschwörung gewesen. Seit Jahr und Tag hatte er unter dem Schein einer unbedingten Ergebenheit den Generalissimus auf Schritt und Tritt arglistig verfolgt, um alle seine Unternehmungen im Augenblicke der Entscheidung möglichst zu vereiteln, gleichzeitig aber all’ sein Thun und Lassen an allerhöchster Stelle in einer Reihe theils verlogener, theils übertriebener Berichte einer verdächtigenden, hämischen Kritik zu unterziehen und so das unerläßliche Vertrauen des Monarchen zu seinem Feldherrn consequent zu untergraben. Auch eben jetzt, da es in Pilsen galt, das ganz unleidige, ja ganz unerträgliche Verhältniß, das auf solche Weise zwischen Hof und Heer künstlich geschaffen worden war, endlich und gründlich zu lösen – auch jetzt stand Piccolomini dem Schöpfer dieses Heeres, dem einst Allmächtigen an jenem Hofe als der intimste Günstling zur Seite; von allen versammelten Obersten und Generalen kannten nur Butler, Gordon und Diodati seine wahre Absicht. Die sie nicht minder [439] kannten – Gallas, Aldringen und Colloredo – waren nicht erschienen. Wie alle Anwesenden, so unterzeichneten auch Butler, Gordon und Diodati ganz unbedenklich den Revers vom 12. Jan. 1634, mit dem der General-Herzog, wie er glaubte, die Armee auf Leben und Tod an sich fesselte, in Wirklichkeit aber nur seinen unabwendbaren Fall besiegelte. Piccolomini sorgte dafür, daß er in Wien die rechte Wirkung nicht verfehlte. Das Schreiben Leslie’s kam ihm sehr gelegen. Mehr als der Bedächtigkeit eines Butler und der Verschlagenheit eines Gordon, vertraute er, wo es auf eine rasche That ankam, der kühnen, rücksichtslosen Habgier eines unternehmenden jungen Mannes. Das kaiserliche Patent vom 24. Jan. entsetzte Wallenstein seines Commandos. Noch ehe es zu Pilsen am 20. Februar zur Unterzeichnung eines zweiten Reverses kam, verließ Diodati wider ausdrücklichen Befehl des Generalissimus die Stadt. Piccolomini hatte unterdeß durch Aldringen auch ein zweites kaiserliches Patent (vom 18. Febr.) besorgt, das jenen ersten Pilsener „Schluß“ für null und nichtig, den Herzog aber für „einen meineidigen Rebellen“ erklärte; endlich ein drittes, allerdings nicht öffentliches und auch nicht vom Kaiser unterzeichnetes Patent befahl geradezu, des Rebellen „sich lebendig oder todt zu bemächtigen“. Als aber Wallenstein, von alledem wohl unterrichtet, den Weg nach Eger antrat, wußte Gallas, nunmehr der Höchstcommandirende in der kaiserlichen Armee, nichts besseres zu thun, als Gordon und L. anzuweisen, dem Flüchtigen die Aufnahme zu weigern. Klüger gab Piccolomini sowohl dem Obersten Butler durch dessen Beichtvater Patrick Taaffe als auch dem Oberstwachtmeister L. durch „einen guten Freund“ brieflich und mündlich die Rathschläge, die nun zu practiciren waren.

Keiner der so gedungenen Meuchelmörder wußte die „gute Meinung“ seines „Patrons“ so glänzend zu rechtfertigen wie L. Hatte sich Butler seinem Opfer schon auf dem Wege von Pilsen nach Mies mit 200 Dragonern angeschlossen (22. Febr.), so konnte auch L., hievon benachrichtigt, nicht länger warten. Er ging ihm entgegen und traf in der Nähe von Plan (24. Febr.) den schwerkranken Herzog, der, von nur wenigen Getreuen begleitet, „in einer schlechten Senfte von zwei Pferden getragen wurde“. Das Ziel der Reise war nahe. „Unterwegs“ – so ließ später L. selbst durch eine feile Feder niederschreiben und sogar „auf sonderbaren der römisch kaiserl. Majestät allergnädigsten Befehl“ in einer „ausführlichen und gründlichen“ Druckschrift aller Welt erzählen – „unterwegs hat er Friedland, wider seinen vorigen Brauch und mit mehr Ceremonien, als er sonsten gepflegt, in einem langen Discours ihm L. alles dasjenige erzählt, was zu Pilsen fürgangen; wie er sich retiriren wollen, aber von den Commandanten wiederum erbeten, in den gemachten Schluß, nur denselben zugute und weil man viel gefährliche Sachen bei Hofe wider ihn machinirt, sich selbst damit in Sicherheit zu stellen, eingewilligt, derenwegen anjetzo ein Confusion unter der Armada entstanden, dabei Ihre Königliche Majestät und anderstheils die spanische Faction die Häupter wären, endlich damit concludirt: wenn Ihre kaiserl. Majestät ihn Friedland ferner für ihren Diener und General nit haben wollten, so begehre er sie auch ferners für keinen Herrn zu haben, und es werde ihm an einem Herrn nit mangeln – aber begehre keinen zu haben sondern werde hinfüro selbst Herr sein; habe Geld und andere Mittel genug, eine Armada auf den Fuß zu bringen, und da er auch keines hätte, seien andere gute Leut, die ihn nit verlassen werden; viel Obriste unter Ihrer Majestät Armaden werden sich ein Zeitlang gut kaiserisch erzeigen, aber mit ehester Gelegenheit sammt den Regimentern zu ihm stoßen; Arnim und Franz Albrecht (von Sachsen-Lauenburg) sammt ihrem Volk seien zu seiner Devotion; werde innerhalb vier Wochen mit einer solchen Armada, dergleichen er noch niemals gehabt, nach Oestereich rücken und Ihrer Majestät selbst zu wissen machen, daß sie ihm Unrecht gethan, indem [440] sie den Spaniern und ihren Conföderanten mehr als ihm geglaubt, und daß sie nur selbst Ursach seien, daß er gegen sie endlich die Waffen ergreifen müssen; verhoffe unfehlbarlich, gar in kurzer Zeit seltsame Zeitungen aus Oesterreich zu hören; interim wolle er sich nach Eger begeben, wo seine guten Freunde sich versammelt.“ … Es liegt auf der Hand, daß diese ganze Geschichte vom ersten bis zum letzten Wort als tendenziöse Lüge zu betrachten ist. Es lag nicht in dem stolzen, verschlossenen, immer und immer berechnenden Charakter eines Herzogs von Friedland, viel zu plaudern; seiner vertrautesten Umgebung vom Anfang bis zum Ende ein unlösbares Räthsel, warf er doch wol nicht im entscheidenden Augenblick das große Geheimniß seines Lebens vor die Füße eines ihm völlig fremden, jugendlich-unerfahrenen Subalternoffiziers.

Noch am 24. Febr. hielt Wallenstein seinen bescheidenen Einzug in Eger. Am selben Abend traten Butler, Gordon und L. zur Berathung zusammen. Während derselben wurde L. abermals zum Herzog beschieden, um – wie er wieder berichten läßt – aus dessen Munde den Befehl zur Oeffnung der Stadtthore zu erhalten und die Versicherung des schwärzesten Verrathes an Kaiser und Reich mit eigenen Ohren zu vernehmen. „Die höchste Nothdurft“ – so erklärte, wie L. meldet, Wallenstein – „erfordere seine Sachen zu stabiliren, daß er des Feindes Volk mit dem allerehesten in Böhmen einlasse und zu dem Pfalzgrafen von Birkenfeld[WS 1], als nächstgesessenen, schicke, ihm mit zweitausend Pferden und eintausend zu Fuß zu succurirren, und demselben die Pässe des Königreiches, Eger und Elbogen, einräume; item daß er auch alsbald den Ilow abfertige, Cronach und Forchheim in seine Gewalt zu bringen, wie nicht weniger dahin zu tractiren, damit ihm die Veste Plassenburg zu einer sicheren Retirade möchte vergunnt werden“ etc. etc. – Wir brauchen nicht zu bemerken, welchen Grad von Glaubwürdigkeit auch diese angeblichen Herzensergießungen des Generalissimus in Anspruch nehmen dürfen. Das Unerhörte, das geschah, bedurfte aber nachträglich irgend einer Begründung. Nach Leslie’s Eröffnungen blieb ihm und seinen Genossen kein Ausweg, „als gegen solche offene … Verräther und Beleidiger der höchsten Majestät Hand anzulegen und (sie) vom Leben zum Tod hinzurichten“. L. persönlich besorgte die Einladungen, mit welchen Gordon am folgenden Tage die Grafen Trczka und Kinsky, den Marschall Ilow und den Vicekanzler Dr. Niemann auf die Burg zur Abendtafel beschied. L. war es, der während dieser Henkermahlzeit das Zeichen gab, auf welches hin das Gemetzel eröffnet wurde, dem die arglosen Gäste zum Opfer fielen. „Es ist auch dies zu merken“, entblödete man sich nicht dem Kaiser zu melden, „daß die Hauptrebellen zu denjenigen Obristen, welche sie niedergemacht, ein sehr großes Vertrauen gesetzt hatten“. Und wieder war es L., der alsbald nach vollbrachter Heldenthat angeblich mit eigener Lebensgefahr in die Stadt hinabeilte, die Wachen abermals in Eid und Pflicht nahm und noch 100 Dragoner herbeirief, um das Werk zu vollenden und den wehrlosen Feldherrn – „justo Dei judicio“ – hinzumorden. In Leslie’s Wagen wurde die Leiche aus der Stadt auf die Burg gebracht. Und kein Anderer als L. sollte der Bote sein, der zunächst Gallas und dann dem Kaiser die Nachricht von dem Vollzuge der empfangenen Befehle hinterbringen sollte. Ihn sandte Butler am 27. Febr. in Begleitung eines Hauptmanns nach Pilsen, wohin Gallas mittlerweile gekommen war, während Piccolomini schon in Mies verweilte und darum auch der erste von allen Generalen die Bestätigung seiner gierigsten Erwartung empfing, nicht ohne Butler mit inbrünstigen Worten zu danken, daß er „so grausame Tyrannen, so treulose Feinde des Kaisers von dieser Erde ausgerottet“. Der Jubel Gallas’ war kein geringerer. In Pilsen traf L. am 28. Febr. auch mit Carretto, dem kaiserlichen Vollmachtträger, zusammen, einer der erbärmlichsten Creaturen, die jemals einem [441] willenlosen Herrscher gedient. Carretto war ganz entzückt von dem jungen Helden, den er nun kennen lernte. „Der Leslie“, so schreibt er dem Monarchen, „ist ein witziger und redlicher Mann, der mit seinem Angeben und Anstellen simulando nicht allein mit den Anderen gehalten sondern fast das ganze Wesen dirigirt hat. Dieser protestirt nichts anderes als die Reputation und redet, als wenn er ein geborener König wäre“. Was aber unter der „Reputation“, auf die es ankam, verstanden werden sollte, erläuterte Carretto sogleich mit wenig verschämten Worten. Um „von der geübten Action einen Namen zu haben“, bittet L. den Kaiser um ein Regiment, und zwar in der Weise, daß diesem Regiment nebstbei die Würde und der Titel einer „Leibgarde“, sei es des Kaisers oder des Königs Ferdinand III., verliehen werde. Dem stehe, meint Carretto, kein Bedenken entgegen, obwol L. „nicht katholisch“; es unterliege keinem Zweifel, er werde „sich bald dazu bequemen“ (katholisch zu werden) – „allermaßen es nur darum zu thun, einen Namen zu geben.“ … Im Uebrigen werde Se. Majestät von ihm „die ganze Tragödie ordentlich vernehmen“; auch wisse L. einen Ort in Wien, wo 20000 Stück Ducaten, dem Ilow gehörig, zu confisciren seien; auf dem Trczka’schen Schlosse zu Nachod vermuthe er gar 400 000 solcher Goldfüchse, die leicht zu haben wären etc. – Kann es noch einem Zweifel unterliegen, welche Motive hier maßgebend waren? Am 6. März langte L. in der Wiener Hofburg an. Die Wirkung seiner Meldungen überstieg alle gehegten Erwartungen in Bezug auf seine Person. Der Kaiser, der sofort den Befehl gab, für den entleibten Generalissimus 3000 Seelenmessen lesen zu lassen, fand ebenso kein Maß und Ziel, den Mördern seine ganze und volle Gnade und Erkenntlichkeit zu beweisen. Den Löwenantheil aber trugen verhältnißmäßig nächst Piccolomini, der auch sehr bald in Person nach Wien geeilt war, Gordon und L. davon. L. empfing den Kämmererschlüssel und wurde Oberst – die Fertigung der Bestallung erfolgte, nachdem man endlich ein passendes Regiment, das Schauenburg’sche, für ihn gefunden hatte, am 16. April; der kaiserliche Thronfolger und König von Ungarn und Böhmen ernannte ihn nach Wunsch zu seinem „Leibgarde-Trabanten-Hauptmann“; außerdem erhielt er bald darauf – es steht zu vermuthen, nach vollzogenem Uebertritt zum Katholicismus – den Hofkriegsrathstitel und, was ihm offenbar das Angenehmste von Allem, die vormals dem Grafen Trczka gehörig gewesene ansehnliche Herrschaft Neustadt an der Mettau im Schätzungswerthe von 120 000 Gulden. Kaum achtundzwanzigjährig, sah L. seine kühnsten Wünsche erfüllt; er war ein „gemachter Mann“ und zweifelte nun keinen Augenblick, es auch noch weiter zu bringen. Sein großes Glück bewirkte sogar, daß der „ehrliche“ Butler empfindlich wurde, der sich bitter darüber beschwerte, daß man zu Wien (wo sich mittlerweile der schlaue Gordon gleichfalls eingefunden hatte) „dem Herrn L. und Obersten Gordon die Ehre und den Dank einzig und allein gebe, seiner aber, als welcher das Directorium bei der Friedländischen Execution gehabt, gleichsam als wenn er nichts gethan hätte, vergessen thue“ ……

In Leslie’s Leben war eine entscheidende Wendung eingetreten; er war, einmal nach Wien gekommen, mit größter Anstrengung kaum mehr von dort wegzubringen. Wenige Monate genügten, den verwegenen, feldtüchtigen Kriegsmann in einen completen Höfling umzuwandeln. Der Krieg, der fürchterliche, langwierige Krieg, war keineswegs zu Ende, und doch hören wir in den vielen, ja zahllosen Schlachten und Treffen, die noch geliefert wurden, den Namen L. fast nicht mehr nennen. Und doch erlebte er allerdings das Ende dieses Krieges und stieg er sogar auf der Leiter militärischer Ehrenstellen sehr rasch empor; sein Lorbeer aber wuchs nicht in den rauhen Stürmen blutiger Feldschlachten sondern in der milderen Treibhaustemperatur der Wiener Hofluft. Wol fochten seine Regimenter – bald hatte er zu dem [442] ersten ein zweites, ein Dragonerregiment, erhalten – die Schlachten von Nördlingen (1634) und Wittstock (1636) mit und theilten den Glückswechsel der kaiserlichen Waffen: von einer hervorragenden Betheiligung Leslie’s selbst verlautet so viel wie nichts. Und dennoch verstand er es vortrefflich, sich die besondere Gunst des Kaisers bis zu dessen Tode zu bewahren. Dafür lieferte Ferdinand II. einen sprechenden Beleg. Am 15. Januar 1637 überreichte ihm L. das folgende, höchst eigenthümliche Majestätsgesuch: „Ich hab mich unterstanden, Ihr kaiserl. Majestät unterthänigst zu berichten, wasmaßen daß der Aelteste des Hauses, davon ich linialmente descendirt bin, über sechshundert Jahr Grafen sein (sic). Derowegen haben meine Blutsfreund und Verwandten an mich begehrt aus vielerlei Ursachen, die unvonnöthen sein Ihr Majestät damit zu molestiren, daß ich mich zu einem Grafen machen soll lassen; und weil daß ich mich wirklich in Ihr Majestät Dienst befind, darf ich mich nicht unterstehen, diese Gnad von einem Anderen zu begehren: Als gelanget an Ihr kaiserliche Majestät mein allerunterthänigstes Bitten, mir die kaiserliche Gnad zu erzeigen und mich zu dem Stand eines Reichsgrafen erheben zu lassen. Solche erzeigte kaiserliche Gnad will ich die Zeit meines Lebens bei Ihr kaiserlichen Majestät und Dero Erzhaus verschulden und verdienen.“ … Darunter ließ der Kaiser noch am selben Tage die merkwürdigen Worte setzen: „Annuit Maiestas Sua Caesarea – motu proprio et libentissime, antequam quisquam Dominorum Consiliariorum consuleret, contestans, id se facturum etiamsi nemo consuleret“. Die Erledigung ist gewiß einzig in ihrer Art. Und das Grafendiplom, das auch sofort concipirt wurde, nahm ohne weiteres die geradezu erfundene Angabe des Petenten von der mehr als 600jährigen gräflichen Primogenitur seiner Familie in sich auf und überhäufte den angeblich mit allen Tugenden des Geistes und Körpers verschwenderisch ausgestatteten Epigonen mit einem Schwulst von Lobeserhebungen, ohne freilich eine andere positive That hervorheben zu können als wieder die Egerer Blutthat – „indem Du“, so apostrophirt der Monarch seinen Günstling, und der Passus ist werth, bekannt zu werden - „indem Du damals zu Eger, als es galt, jenen abscheulichen, ruchlosen Aufruhr und Abfall des Friedländers zu unterdrücken (in foeda illa ac perfida Fridlandi rerum novarum molitione ac defectione Egrae vindicanda) und jene bereits den ganzen christlichen Staat und Uns selbst bedrohende ungeheuere Gefahr von Unserm und des Reiches Hals und Nacken abzuwenden, Deiner unbefleckten Treue gegen Uns, Deiner beharrlichen Unbescholtenheit, aufrichtigen Ergebenheit und pflichtschuldigen Ehrerbietung aller späteren Nachkommenschaft ein, den unvergänglichen Büchern der Geschichte einverleibtes, leuchtendes Denkmal überliefert, deutlich erkennbar dem gesammten Erdkreis.“ … Wie viel der Phrasen waren nöthig, um sich selbst zu täuschen! – Doch kam Ferdinand II. nicht mehr in die Lage, das im Concept richtig vom 15. Januar 1637 datirte Diplom mit eigener Hand zu fertigen; er starb, bevor man die schöne Reinschrift beendigt hatte, und Leslie’s gräfliche Würde verjüngte sich, da man dem neuen Kaiser denn doch nicht einen Regierungsact aus den Tagen seines Vorgängers zur Signirung unterbreiten konnte, um volle drei Monate; die Urkunde wurde schließlich am 22. April des genannten Jahres ausgestellt. Ihr folgte, über ausdrückliches Ansuchen des neuen Grafen, mit besonderem kaiserlichen Erlaß vom 26. Juni 1637, die Verleihung des Prädicates „Hoch- und Wohlgeboren“ – „non ex ratione ulla a supplicante allegata sed ex mera gratia caesarea“.

Bald nachher muß L., gleichfalls „aus purer Gnade“, zum General erhoben worden sein. Wir finden ihn zu Beginn des Jahres 1638 unter Führung des ganz unfähigen Savelli vor Rheinfelden und Breisach; ein Jahr darauf in Böhmen und Sachsen gegen Baner, doch ohne irgend eine nennenswerthe Waffenthat berichten zu können. Im Juli 1640 überbrachte [443] er ein kaiserliches Schreiben nach Neustadt in Franken, woselbst eben Erzherzog Leopold Wilhelm und Graf Stadion mit Herzog Ernst von Sachsen-Weimar einen Waffenstillstand verhandelten. Ein Jahr später schickt ihn Ferdinand III. mit Briefen wieder nach Eger und dann nach Regensburg, wo er namentlich den kurbrandenburgischen Gesandten „im Namen des Kaisers eine fast nachdenkliche Remonstration und Erinnerung angefüget“. Das Versprechen einer „Gnadenrecompens“ von 40 000 Gulden war die Belohnung. Die Bezahlung ließ L. nicht in Vergessenheit gerathen. Im J. 1645 mußte er sogar nach Rom und Neapel verreisen. Dort setzte er bei dem Papst das Versprechen einer Geldhülfe an den Kaiser im Betrage von 20 000 Kronen durch; von Neapel brachte er dem Monarchen einen Wechsel auf 100 000 Kronen; er selbst kehrte reichbeschenkt nach Deutschland zurück. Ein weiteres Geschenk war sein Avancement zum Feldzeugmeister (1646); im Felde erschien er darum noch immer nicht. Der Krieg wurde beendigt, ohne daß L. zu seiner Entscheidung auch nur das Schwert gezogen hätte. Als aber am 5. Januar 1650 der bisherige Hofkriegsrathspräsident Graf Heinrich Schlick verstarb und Fürst Wenzel Eusebius Lobkowitz an dessen Stelle trat, wurde dem letzteren L. als Vice-Präsident an die Seite gegeben. Im Juli darauf ernannte ihn der Kaiser zum „General der steirischen, croatischen und windischen (Warasdiner oder oberslavonischen) Grenzen“, d. h. zum Commandirenden der gesammten, vor zwanzig Jahren von Ferdinand II. durch ein förmliches Verfassungsstatut organisirten späteren „Militärgrenze“, mit dem Titel eines Feldmarschalls, und schon am 23. August desselben Jahres folgte dem Titel auch der „Charakter“ mit Patent. Im December 1650 mußte sich L. bequemen, für einige Zeit den Hof zu verlassen und seinen Posten an der türkischen Grenze anzutreten. Er ging bis Petrin in Albanien, das er verproviantirte und mit einer starken Besatzung versah, so daß es den Angriffen der Türken, denen es häufig ausgesetzt war, mit Erfolg widerstehen konnte. Seit 1652 lebte er wieder in Wien durchwegs friedlichen Geschäften, trotz vieler kriegerischer Titel, denen im Juli 1655 der passendere eines „(Wirklichen) Geheimen Rathes“ folgte. Vermählt mit Anna Franziska, Tochter Maximilians Fürsten von Dietrichstein, erlebte L. nicht die Freude einer directen Nachkommenschaft. Seine mannigfachen Erwerbungen, zu denen durch Kauf auch die Herrschaft Pettau in Steiermark gekommen war, der Familie zu erhalten, bewog er Leopold I., den dritten Kaiser, dem er diente, mit Diplom vom 31. Mai 1662 die gräfliche Würde auch auf seinen Bruder Alexander L., Baron von Balquhaine zu übertragen, mit Entschließung vom 22. August desselben Jahres aber die Errichtung eines Fideicommisses zu gestatten. Am 27. Mai 1663 schrieb L. sein Testament, in welchem er den ältesten Sohn seines Bruders Alexander, Jakob L., damals Oberstlieutenant in der kaiserlichen Armee, zum Universalerben ernannte. Schon im nächsten Jahre erhielt Jakob L. ein durch den Tod des Generalwachtmeisters Lucas von Spick erledigtes Regiment und damit die Charge eines Obersten.

Da in dem 1664 (15. Sept.) geschlossenen Frieden zu Vasvar zwischen Oesterreich und der Pforte die Auswechselung der Ratificationen ausdrücklich an die Bedingung der gegenseitigen Ueberreichung kostbarer Geschenke durch ansehnliche Gesandtschaften geknüpft worden war, gerieth man am Wiener Hofe in nicht geringe Verlegenheit, die zur Lösung dieser Bedingung geeignetste Persönlichkeit ausfindig zu machen Die Wahl fiel schließlich auf L., der sich jedoch mit Rücksicht auf seinen bereits gebrechlichen Körper lange Zeit sträubte, die Mission zu übernehmen, und erst nachgab, als ihm der Orden des Goldenen Vließes verliehen wurde. So trat er denn am 15. Mai 1665 als kaiserlicher Großbotschafter die Reise nach Konstantinopel an, wo er am 17. Septbr. eintraf. Man hat ganze Bücher darüber [444] geschrieben, „Was in dem Königreiche Ober- und Niederungarn, beides, christlichen und türkischen Theils, auf den neugestifteten Frieden zu Wiederaufrichtung der umgefallenen verträglichen Nachbarschaft dieses 1665. Jahr über hin und wieder denkwürdig vorgegangen, insonderheit aber dem kaiserlichen Herrn Groß-Botschafter auf seiner Reise durch Ungarn bis nach Konstantinopel von den Türken für Ehre widerfahren“. Am 20. Decbr. desselben Jahres brach L. wieder von Konstantinopel auf, um schon am 27. März darauf mit ausgesuchtem Pomp seinen feierlichen Einzug in Wien zu halten. Außer den reichen Geschenken des Sultans übergab er dem Kaiser bei dieser Gelegenheit auch einen ausführlichen Reisebericht nebst einer geheimen Relation, mit der er umständlich zu beweisen suchte, „daß die ottomanische Kriegsmacht in den letzten hundert Jahren über halben Theil, was sie vor diesem gewesen, vornehmlich zu Meer, hat abgenommen“. Daß die ganze kostspielige Ambassade nicht den geringsten praktischen Werth für die Allgemeinheit hatte, zeigte sich sehr bald, indem fast unmittelbar nach Leslie’s Heimkehr die Feindseligkeiten an der türkischen Grenze wieder eröffnet wurden. L. brachte für sich ein ganzes Vermögen von jener Reise mit, doch auch einen bösen Gast, die Quartana, der er nach wenigen Monaten erlag. Er starb zu Wien, wie schon gesagt, am 3. März 1667; zwei Tage später wurde sein Leichnam in der Schottenkirche daselbst beigesetzt. „Sind durch solchen Abgang unterschiedliche hohe Aemter ledig worden“, schließt ein officieller Nekrolog. Er hinterließ nur lachende Erben.

Nach Urkunden der kaiserl. Archive, insbesondere des k. u. k. Kriegsarchivs, in Wien und der königl. Landtafel in Prag. – Man sehe u. A. auch: The swedish intelligencer, II (London 1633); „Ausführlicher vnd Gründtlicher Bericht der vorgewesten Fridtländischen vnd seiner Adhaerenten abschewlichen Prodition“ … Wien 1634); Theatrum europaeum, II–IX (Frankfurt a. M. 1633–72); Fr. Christoph Khevenhiller, Annales Ferdinandei, XII (Leipzig 1726); B. Ph. v. Chemnitz, Königl. Schwedischer in Teutschland geführter Krieg, I–IV (Stockholm 1648, 1653, 1853 u. 1857); Sam. Pufendorf, Commentariorum de rebus Suecicis libri XXVI (Frankfurt a. M. 1705); Paulus Tafferner, Caesarea legatio, quam … ad Portam Ottomanicam suscepit perfecitque Walterus Comes de Leslie (Wien 1672); William Leslie, Laurus Leslaeana … (Graz 1692); Fr. Förster, Wallenstein’s Briefe, III (Berlin 1829); Adam Wolf, Drei diplomatische Relationen aus der Zeit Kaiser Leopolds I. Archiv für Kunde österreich. Geschichts-Quellen, XX (Wien 1859); Chr. von Stramberg, Rheinischer Autiquarius, IV. Abth. 1. Band (Coblenz 1863); Col. Charles Leslie, K. H. Historical records of the family of Leslie (Edinburg 1869); Chr. d’Elvert, Beiträge zur Geschichte der böhmischen Länder, IV (Brünn 1878); H. Hallwich, Wallenstein’s Ende (Leipzig 1879).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Christian I. von Pfalz-Birkenfeld-Bischweiler.