ADB:Martinitz, Jaroslav Borita Graf von

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Artikel „Martinitz, Jaroslav Bořita Graf von“ von Hans von Zwiedineck-Südenhorst in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 515–517, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martinitz,_Jaroslav_Borita_Graf_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 00:37 Uhr UTC)
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Martinitz: Jaroslaw Bořita Herr, später Graf von M., der oftgenannte Genosse Wilhelm von Slawata’s beim Prager Fenstersturz, gehörte einer seit dem 13. Jahrhundert in Böhmen begüterten Familie an, deren Ursprung man mit den schlesischen Grafen von Stoß in Verbindung gebracht hat. Vom 15. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts führte jeder Martinitz den Taufnamen Bořita nach einem Ahnen, mit welchem die nachweisbare fortlaufende Reihe der Herren v. M. beginnt. Heinrich v. M. stiftete im Anfange des 16. Jahrhunderts ein Fideicommiß aus den Herrschaften Smečno und Okoř, das an seine Vettern, mit denen er im Mitbesitz des Familiengrundbesitzes stand, überging, da er selbst kinderlos war. Er nahm als Oberstlandrichter und Vicegraf eine hervorragende Stellung unter den böhmischen Magnaten ein, mit ihm beginnt der Aufschwung des Hauses, welcher unter Jaroslaw den Höhepunkt seiner Macht und seines Einflusses erreichte. Dessen Vater, ebenfalls Jaroslaw mit Namen, war königl. ungarischer Rath und Kämmerer des Erzherzogs Ernst gewesen, sein Oheim Georg Bořita kaiserl. Geheimrath und oberster Kanzler des Königreichs Böhmen. Als dieser 1598 starb, hinterließ er dem jungen M. ein sehr ansehnliches Baarvermögen, welches ihn in den Stand setzte, dem geldbedürftigen Kaiser Rudolf II. mit einer Summe von 100 000 Gulden aushelfen zu können, ein Verdienst, welches eine vortreffliche Grundlage für eine glänzende Carrière im Hof- und Staatsdienste gewährte. M. machte die übliche Studienreise nach Italien, hielt sich längere Zeit in Siena auf und erwirkte beim Papst Clemens VIII. besondere Privilegien für einen in der Domkirche zu Prag von seinem Hause gestifteten Altar. Seine strengkatholische Richtung bekundete M. als Hauptmann des Schlaner Kreises, wozu er bald nach seiner Rückkehr von Italien ernannt worden war. Er wollte die freie Religionsübung in Schlan gewaltsam verhindern und erregte dadurch den lebhaftesten Widerstand, der zu mannigfachen [516] Beschwerden Anlaß gab. Kaiser Rudolf machte ihn 1603 zu seinem Rathe, 1609 zum Hofmarschall und zum Beisitzer des Landgerichtes. Seit der Erlassung des Majestätsbriefes stand M. in lebhafter Correspondenz mit Slawata und dieser mag auch wohl den Anstoß gegeben haben, daß M. bei Gelegenheit des Krönungslandtages 1617 als Candidat für die Stelle eines Burggrafen von Karlstein aufgestellt wurde, mit welcher ein jährliches Einkommen von 8000 Thalern verbunden war. Bisher hatte Mathias Thurn diese Stelle bekleidet, man wollte seine antidynastischen Bestrebungen jedoch bestrafen und fand ein Mittel, ihm Schaden und Hohn zugleich zuzuwenden, indem man ihn unter dem Vorwande der Beförderung der schönen Bezüge beraubte. Als Thurn bei der Vorstellung der Kronbeamten am 5. Octbr. 1617 die Erklärung abgab, er wünschte sein Amt zu behalten, verzichtete auch M. auf seine Beförderung, wenn Thurn’s Wunsch erfüllt werde. Wie schon früher abgekartet, hielt Mathias jedoch seinen Entschluß aufrecht und wurde der Günstling Slawata’s und des Kaisers Burggraf von Karlstein. Als solcher machte er sich zunächst durch seine katholische Propaganda bemerkbar. Er erließ ein Mandat, in welchem er den Bauern auf den burggräflichen Gütern befahl, in den herannahenden Ostern (1618) das Abendmahl in katholischer Weise zu empfangen, widrigenfalls sie zum Verkaufe ihrer Güter gezwungen werden würden. Das Mandat fand selbst bei den katholischen Statthaltern des Kaisers nicht allgemeine Billigung, der Obersthofmeister Adam von Waldstein erklärte es als eine directe Verletzung des Majestätsbriefes. Daß es unter den Beschwerden der Protestanten eine hervorragende Rolle spielte, ist kaum zu erwähnen nöthig. Der Antheil, welchen M. an der Action der kaiserlichen Statthalter gegenüber den beiden Protestantentagen im März und Mai 1618 nahm, läßt sich nicht genau feststellen, es dürfte von den Thatsachen kaum abweichen, wenn wir behaupten, daß sich seine Ansichten von denen Slawata’s niemals weit entfernt haben. So viel steht jedenfalls fest, daß nicht alle Vorwürfe, welche von der Opposition gegen diese beiden erhoben wurden, volle Berechtigung hatten, so rührte z. B. das Schreiben des Kaisers, welches die Antwort auf die Eingabe des ersten Protestantentages enthielt, nicht von Martinitz und Slawata, sondern von Khlesel selbst her. – Bei dem Acte, durch welchen die Führer der Opposition die offene Rebellion hervorriefen, beim Fenstersturze vom 23. Mai, wurden die beiden Gesinnungsgenossen M. und Slawata solidarisch für die Verfassungsverletzungen verantwortlich gemacht, sie waren auch schon vorher als die Opfer der Lynchjustiz bezeichnet gewesen. Graf Schlick rief ihnen zu: „Habt ihr nicht den edlen und tapferen Grafen von Thurn um sein Amt als Burggraf von Karlstein gebracht und hat nicht M. gegen das Gesetz des Landes sich in das Amt eingedrängt?“ Da konnte man merken, wo der Pfeil am tiefsten gesessen und daß das persönliche Rachegefühl Thurn’s an seinem politischen Auftreten nicht unbetheiligt war. M. suchte sein Vorgehen auf den Gütern des Burggrafenamtes zu rechtfertigen, dasselbe gehe Niemanden etwas an, er habe sich nur gesetzlicher Mittel bedient. Er nahm jedoch bald wahr, daß man seiner Vertheidigung wenig Bedeutung beilegte und trachtete seinen Schwiegervater, den Oberstburggrafen Adam von Sternberg, der nebst dem Grandprior des Malteserordens Diepold von Lobkowitz in der Rathsstube anwesend war, in derselben zurückzuhalten, da er hoffte, daß dessen Ansehen und Beliebtheit auch ihn retten könnte. Als jedoch Sternberg und Lobkowitz von ihren Freunden hinausgedrängt worden waren, begann sofort die geplante Execution. Wilhelm von Lobkowitz packte M. zuerst und hielt ihm die Hände rückwärts zusammen, dann kamen andere herzu und warfen ihn, wahrscheinlich fast gleichzeitig mit Slawata zum Fenster hinaus. Im Falle rief M.: „Jesus Maria!“ worauf Kinsky höhnte: „Nun werden wir sehen, ob ihm [517] seine Maria hilft?“ Als er jedoch, den Unglücklichen nachsehend, bemerkte daß M. sehr bald wieder auf den Füßen stand, sobald er im Schloßgraben aufgefallen war, soll er in die Worte ausgebrochen sein: „Bei Gott, sie hat ihm geholfen!“ M. hatte fast gar keinen Schaden genommen und kam zuerst dem Oberstlandrichter zu Hülfe, dem das in den Mund rinnende Blut den Athem benahm. Von drei Kugeln, die ihm nachgeschickt wurden, zerriß ihm die eine das Halstuch, die zweite durchbohrte die Kleidung, die dritte verwundete ihn ganz unbedeutend am Arme. M. rief: „Guter Gott, so willst du mich unverwundbar und unsterblich machen?“ Dann stieg er, von seinem Diener unterstützt, über eine Leiter in das Haus der Polixena Lobkowitz, woselbst bald darauf auch Slawata untergebracht wurde, begab sich dann in sein Haus und floh noch an demselben Abend in der Kleidung eines Mannes aus dem Volke, in Begleitung eines Arztes über Tachau in die Oberpfalz, kehrte auch dort nur in Klöstern ein und fühlte sich erst in München vollkommen sicher, wo ihn Herzog Maximilian aufs Beste aufnahm und ihm im Hause Tilly’s Wohnung gab. Er blieb in München, ließ Frau und Kinder dahin nachkommen und vertrat als außerordentlicher Agent den Wiener Hof in den diplomatischen Unterhandlungen mit dem bairischen Herzoge. Nachdem dieser seinen Kriegszug gegen die böhmischen Rebellen beendet hatte und als 1621 der Gerichtshof zusammengestellt werden mußte, der den Proceß gegen die gefangenen Hochverräther zu führen hatte, weigerte sich M. ebenso wie Sternberg und Slawata, demselben anzugehören und wartete mit seinem Schwiegervater in Passau die Austragung der Strafverhandlung und die Execution ab. Noch 1621 aber trat er sein Amt als Burggraf von Karlstein wieder an, wurde 1624 Oberstlandrichter, 1625 Oberstlandkämmerer, 1628 Obersthofmeister von Böhmen und 1638 Oberstburggraf von Prag. Die Erhebung in den Reichsgrafenstand (1621), die Verleihung des Palatinates und des Titels „Regierer des Hauses Smečno“ vervollständigten die Reihe der Gnadenbezeugungen, mit welchen Ferdinand II. die Anhänglichkeit an die Dynastie und die katholische Sache belohnte, deren Märtyrer M. zu werden bestimmt gewesen war. In der höheren Politik hat sich M. nicht mehr bemerkbar gemacht, seine Thätigkeit blieb auf die Verwaltung des Landes Böhmen beschränkt. Er erlebte noch die schwedische Invasion von Prag 1648, wurde verwundet und gefangen und starb am 11. Novbr. 1649. Nachkommen hatte er nur von seiner zweiten Gemahlin Maria Eusebia von Sternberg, die drei Ehen, welche er nach deren Tode noch schloß, blieben kinderlos.

Gindely. Gesch. d. 30jährigen Krieges, Bd. 1–4. – Zedler, Univers.-Lex. Bd. XIX. – Wurzbach, Biogr. Lex. d. Kaiserth. Oesterreich. 17. Theil. – Jos. Jireček, Paměti Vilěma hraběte Slavaty (Denkwürdigkeiten des Grafen Wilh. Slawata 1608–1619, 2 Bde.). – Der Wortlaut des Relig. Mandates für das Burggrafenamt Karlstein im sächs. Staatsarchiv und im Wiener Staatsarchiv, Miscell. Ber. 24. März 1618.

Georg Adam Graf von M., gehörte zu den namhaftesten österreichischen Diplomaten unter Leopold I. und Josef I. Er urgirte die Türkenhülfe 1682 bei den italienischen Höfen, namentlich bei Papst Innocenz XI., 1696 vertrat er in einer besonderen Mission die Rechte der Kaiserin gegenüber Innocenz XII. 1707 leitete er, von General Daun und 8000 Mann begleitet, die Expedition nach Neapel und hielt daselbst im Juli d. J. seinen Einzug als Vicekönig. Er starb am 24. Juli 1714 in Prag am Schlagflusse.