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ADB:Necker, de

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Artikel „Necker, de“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 355–358, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Necker,_de&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:18 Uhr UTC)
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Necker. De Necker ist der Name einer Familie von Formschneidern, welche im 16. Jahrhundert in Augsburg geblüht hat. Der Name erscheint in den verschiedensten Gestalten: neben de N. de Negker, Denecker, Denegker, Dienecker und, was Nagler, Monogrammisten II. Nr. 901 mit Unrecht bestreitet, auch Dannecker. So verschieden diese Namensformen sind, ist es doch nachweisbar falsch, wenn man dieselben schon auf verschiedene Personen deuten wollte. Heute ist und zwar nach Herberger’s Vorgang (a. u. a. O. bes. S. 29. Anm. 90) in den Werken zur Kunstgeschichte fast allgemein recipirt die Form Dienecker. Ganz mit Unrecht, denn der Hauptvertreter dieser Familie, um den es sich dabei zunächst handelt, schreibt in 11 von 21 Fällen, die wir feststellen konnten, seinen Namen selbst de Negker, in 7 de Necker, in zwei Denecker und nur in einem Falle, wenn auch in einem Brief an den Kaiser Maximilian I., Dienecker. Von den andern Gliedern der Familie ist letztere Form nie gebraucht worden (immer nur de Necker, Denecker oder Denegker), ja sie kommt, soweit bekannt, außer dem genannten Fall überhaupt nur noch einmal als Name der Familie vor, in einem Augsburger Gerichtsbuch von 1548. Darnach dürfte es mehr als angezeigt sein, daß diese Bastardform aus der Kunstgeschichte wieder verschwindet und die Form de Necker wieder hergestellt wird.

Weitaus das bedeutendste Glied der Familie, zugleich der erste in der Reihe, ist Jost (Jobst) de N., einer der trefflichsten Meister, welche die Blüthezeit der Formschneidekunst hervorgebracht hat. Was seine Herkunft betrifft, so unterschreibt er sich zwar in dem genannten Brief an den Kaiser: J. D. Formschneider von Antdorff zu Augsburg. Das muß aber nicht nothwendig bedeuten, wie man es allgemein auffaßt, daß Antdorff (= Antwerpen) seine Vaterstadt gewesen; es soll vielleicht nur heißen, daß er von dort hergekommen und etwa auch, daß er daselbst geschult worden sei. Jost könnte also immerhin auch anders woher gestammt haben. Nur die alte Ueberlieferung, wornach er von Nördlingen gewesen, scheint mit obiger Bezeichnung nicht recht zu stimmen. Wie sein Name zum ersten Mal vorkommt, ist er bereits in Augsburg. Als ältestes Zeugniß von ihm kann zwar nicht mehr der jetzt unter der Bezeichnung „Der Tod als Würger“ bekannte Burgkmair’sche Holzschnitt (Passavant III, p. 267 Nr. 40) gelten, da derselbe allerdings seinen Namen, nicht aber, wir man gewöhnlich angibt, die Jahrzahl MDX trägt; wenigstens ist dies nach authentischer Mittheilung nicht bei den drei Exemplaren dieses Holzschnitts der Fall, welche die Albertina in Wien besitzt. Dagegen erscheint sein Name zum ersten Mal im Jahr 1512 [356] in den Steuerbüchern von Augsburg und zwar mit dem Beisatz: „Kay. Mayest. Formschneider“. Da Grund zu der Annahme vorliegt, daß de N. diesen Titel erst in Augsburg bekommen hat, so muß seine Ankunft daselbst doch wohl etwas früher erfolgt sein. In der That finden wir ihn im genannten Jahr schon vollauf beschäftigt durch kaiserliche Aufträge. Und zwar geht es Maximilian in seiner Ungeduld viel zu langsam. Der Künstler muß (in dem oben erwähnten Brief an den Kaiser) gegen die Unterstellung sich vertheidigen, als ob er nebenher auch für andere arbeite, und muß sich zu der Annahme zweier Gehilfen bereit erklären, mit deren Unterstützung er sodann erbötig ist, sechs bis sieben Platten im Monat zu liefern. Was ist diese große „Arbeit vnnd stuckwerk“, worauf der Kaiser so ungeduldig wartet? An Mehreres könnte man denken. Denn um diese Zeit eben war es, daß der kunstliebende Fürst unter Konrad Peutingers und Hans Baumgartners Leitung jene glänzende Reihe von Holzschnittwerken herstellen ließ und zwar nur dem zeichnerischen Theil nach durch die Maler Dürer, Burgkmair und Schäuffelin, in der Ausführung aber durch besondere Formschneider: die „Genealogie“ (Bilder seines Ahnengeschlechts), die „österreichischen Heiligen“, die „Ehrenpforte“, den „Triumphwagen“, den „Tewrdank“ und den „Weißkunig“. Unter diesen dürften es der Zeit nach die Holzschnitte des Tewrdank gewesen sein, welche Jost de N. nach Obigem für den Kaiser zu liefern hatte und wirklich zeigen dieselben, an zwei Stellen wenigstens, sein Monogramm. Aber so umfangreich diese Arbeit war: unser Meister kommt auch unter den Formschneidern vor, welche die Bilder der österreichischen Heiligen und unter denen, welche den großen Triumphwagen Maximilian’s schnitten und es ist nicht unmöglich, daß er auch bei den andern Holzschnittwerken betheiligt war. So wird man, im Ganzen genommen, jedenfalls sagen können, daß ihm an jenen herrlichen Zeugnissen der Holzschneidekunst ein ganz wesentlicher Antheil zukommt. Aber Uebertreibung ist es, wenn allgemein behauptet wird, daß er an der Spitze all der deutschen und niederländischen Formschneider, die für Maximilian arbeiteten, gestanden sei und als der leitende Meister die Arbeit ihnen vorbereitet und dann wieder die letzte Hand an dieselbe gelegt habe (dazu erbietet er sich nur in Betreff der erwähnten zwei Gehilfen) und nicht minder hat es, bis der Nachweis erbracht wird, für eine Ausschmückung zu gelten, daß er zu den erwähnten Dienstleistungen durch Peutinger ausdrücklich von Antwerpen berufen worden sei. Die große Arbeit, mit welcher wir den Künstler in den ersten Jahren seiner Thätigkeit beschäftigt sehen, hat in gewissem Sinne ein Seitenstück an einem Werk seines letzten Lebensabschnitts. In diesem hat er nämlich noch einmal etwas Großes, Zusammenhängendes geliefert, einen Todtentanz nach dem Basler Abdruck von 1530, aber in viel größerem Maßstab gefertigt, ein Werk, das im Jahr 1544 erschienen ist. In der zwischenliegenden Zeit und nebenher entstanden viele einzelne Holzschnitte. Leider ist von diesen noch nirgends ein Verzeichniß angelegt; 30 oder mehr (je nachdem man zählt) findet man bei Bartsch, Le peintre-graveur VII, p. 203, 208 f., 216–220, 223, (vrgl. 236) 243 f., 266 f. Passavant, Le peintre-graveur III, p. (270) 282 f. 297 f.; Nagler, Künstler-Lexicon X und ders., Monogrammisten II, Nr. 901 und 1172 (V, Nr. 2017) aufgeführt. Darunter sind Porträts von Maximilian I., Karl V. und seiner Gemahlin, Louis XII., Hans Baumgartner u. s. w., ferner religiöse Bilder wie der h. Sebastian, Madonnen, der verlorene Sohn, auch allerlei Holzschnitte mit weltlichen Stoffen, vieles nach Zeichnungen Burgkmairs und Schäuffelins, einiges wenige auch nach Dürer. Das sind aber sicher weit nicht alle Holzschnitte, welche Jost de N. geschnitten hat; es sind nur die, welche er zufällig mit seinen Namen oder seiner Chiffre versehen hat – letztere aus d und n bestehend, beide Buchstaben [357] etwas getrennt und in der Mitte darüber Jt. (Ein eigentliches Monogramm, das aus J und G zusammengesetzt ist – s. Nagler, Monogrammisten II, Nr. 901 – kommt auf einer Tafel der zweiten Ausgabe des Todtentanzes vor; doch ist es zweifelhaft, ob es unserem Künstler zugehört.) Uebrigens hat sich de N. nicht bloß auf den Schnitt von Holztafeln beschränkt; er hat dieselben, was bis jetzt weniger beachtet worden, in zahlreichen Fällen auch gedruckt und da mit den Holzschnitten vielfach ein Text verbunden ist, so muß er auch eine kleine Buchdruckerpresse gehabt haben. Fraglich aber ist, ob er dieselbe unabhängig vom Holzschnittdruck verwendet hat (vrgl. in dieser Hinsicht namentlich die Schlußschrift des von Zapf, Augsb. Buchdruckergeschichte II, S. 160 angeführten Drucks). – Noch muß bemerkt werden, daß Jost de N. nicht bloß ein Künstler von höchst glücklicher Hand, sondern auch ein erfindungsreicher Kopf war. Er rühmt sich, die Herstellung von Helldunkelbildern mittels dreier Platten, welche er oftmals ausführte, selbst erfunden zu haben. In der That würde von ihm, wie dies gewöhnlich angenommen wird, das älteste bis jetzt bekannte Kunstblatt dieser Art herrühren, wenn der erwähnte Holzschnitt „Der Tod als Würger“ die Jahrzahl MDX tragen würde. Dies ist aber nach dem oben Gesagten nicht der Fall und so haben wir erst aus dem Jahre 1512 ein sicheres Zeugniß dafür, daß unser Meister den Dreiplattendruck gekannt hat. Da aber nach Nagler, Monogrammisten II, Nr. 901 der Formschneider von J. Schott’s Officin in Straßburg denselben schon im Jahr 1511 angewandt hat und des Lucas Cranach Versuche noch früher fallen, so gebührt diesen das Verdienst der ersten Erfindung. Aber man wird de N. glauben dürfen, daß er unabhängig von andern auf jenes Verfahren gekommen ist; ja er scheint nach einer Andeutung in seinem Brief an Maximilian I. noch eine andere Erfindung gemacht zu haben, diejenige nämlich, wodurch dasselbe Verfahren auf den Buntdruck in der Typographie Anwendung fand. – Jost de Necker’s Todesjahr ist so gut wie das Jahr seiner Geburt unbekannt. Nicht erst 1561 sondern schon 1548 war er nicht mehr am Leben; denn in letzterem Jahre schon kommt „Jobst Dannegkers wittib“ im Steuerbuch vor. Es ist nicht sicher, wie Butsch a. u. a. O. S. 16 annimmt, aber immerhin wahrscheinlich, daß er in eben diesem Jahr gestorben ist.

Neben Jost de N. kennt die Geschichte der Formschneidekunst zunächst noch einen David und einen Samson de N. Daß dieselben Söhne des oben genannten Meisters gewesen seien, galt bisher für wahrscheinlich. Es ist nicht bloß dies, es ist gewiß. David nennt in einer Eingabe an den Augsburger Rath vom J. 1559 „Jobst Denegker sel.“ seinen „lieben Vatter“ und Samson heißt im Gerichtsbuch von 1548 „Josen Dienecker Sohn“. Während man von Samson, der wohl frühe gestorben ist, nur eine Geschichte der Bathseba in vier Blättern kennt (Passavant III. p. 296), hat sein Bruder eine längere Thätigkeit aufzuweisen. Außer der von ihm besorgten dritten bis fünften Ausgabe des Todtentanzes von 1544, Augsp. 1561, Leipz. 1572 u. Wien 1579 (die zweite, ohne Jahr, hatte noch Jost selbst besorgt) ist als bedeutendste Leistung ein „Stamm- oder Gesellen-Büchlein“, Wien 1579, von ihm anzuführen. Sein vielfach anstößiges Leben brachte David de N. öfter in höchst unliebsame Berührung mit den Behörden, ja zog ihm Gefängnißstrafe und ein zeitweiliges Verbot der Ausübung seiner Kunst zu; es war wohl auch der Grund, warum er Augsburg verließ und nach Leipzig und von da weiter nach Wien zog. Dort finden wir ihn übrigens, von 1576 ab, fleißig an der Arbeit, bis sein Name mit dem Jahr 1584, in welchem er das Wiener Bürgerrecht erhielt, verschwindet. – Noch ist zu erwähnen Herkules de N., welcher 1579 in Wien eine zweite Ausgabe des genannten „Gesellen-Büchleins“ besorgte und auch als Buchdrucker thätig war, mindestens bis 1587. Ob er ein Bruder oder ein Sohn des David de N. war, hat sich nicht ermitteln lassen.

[358] Vgl. außer den Künstler-Lexicis und den bekannten Werken von Bartsch u. Passavant: H. F. Maßmann, die Formschneider Jobst, David, Herkules De Necker im Kunstblatt (Beilage zum Morgenblatt) 1831, Nr. 76; Th. Herberger, Konr. Peutinger in seinem Verhältnisse zum Kaiser Maximilian I. (Augsburg 1851), S. 29–31; und besonders A. F. Butsch, Die Bücher-Ornamentik der Renaissance (I.), 1878, S. 16 f. und A. Mayer, Wiens Buchdrucker-Geschichte I, 1883, S. 122–128.