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ADB:Panofka, Theodor

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Artikel „Panofka, Theodor Sigismund“ von Karl Ludwig Urlichs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 125–128, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Panofka,_Theodor&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 00:19 Uhr UTC)
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Panofka: Theodor Sigismund P., geboren in Breslau am 25. Februar 1800, † in Berlin am 20. Juni 1858. Von begüterten Eltern abstammend trat er aus dem Privatunterricht im October 1812 in das Friedrichsgymnasium seiner Vaterstadt ein und verließ dasselbe wol vorbereitet, um am 1. April 1819 in Berlin das Studium der Philologie zu beginnen. Dort schloß er sich vor allen an Böckh und Raumer an, die ihm ihre Freundschaft dauernd erhielten und schon den Studenten auch im häuslichen Verkehr gern förderten. Als Mitglied des philologischen Seminars promovirte der junge Gelehrte am 17. Juli 1822 auf Grund einer fleißigen und tüchtigen Dissertation „Res Samiorum“ [126] (Berolini ap. Maurer. 59 S. 8). Seine Untersuchung über Zeit und Leben des Polykrates sowie über die samische Künstlerschule haben bleibenden Werth. Nach der Vollendung seiner Studien zog ihn der Wunsch, an Ort und Stelle mit der Alterthumskunde sich vertraut zu machen nach Italien, einem damals für gelehrte Reisende schwerer zugänglichen Lande. Durch den von einem Vormunde, seinem Oheim, gelieferten Vorschuß unterstützt traf P. im Herbst 1823 in Rom ein. Seine philologische Vorbildung erleichterte die Aufnahme in den Kreis hochbegabter Kunstfreunde, unter denen Stackelberg eine hervorragende Stellung einnahm. Bunsen, für alles Edle begeistert, Kestner, eine feinsinnige, großherzige und liebenswürdige Natur *), würdigten den jungen Ankömmling ihrer Freundschaft; es wurde eifrig Griechisch getrieben, und in der jungen hyperboreisch-römischen Gesellschaft, die auch Gerhard unter ihren Mitgliedern zählte, entwickelte sich ein reges Leben. P. zog es weiter nach Süden. Im Jahr 1824 ging er nach Neapel, von dort in Gesellschaft von Kestner und Stackelberg nach Sicilien. In Palermo lernte er den Herzog Serra di Falco kennen, welcher sein großes Werk über die Alterthümer seiner heimathlichen Insel vorbereitete. An ihn richtete er von Neapel aus am 25. Februar 1825 seine erste italienische Schrift „Sopra una iscrizione del teatro Siracusano“ (poligrafia Fiesolana 1825. 43 S. 8). Sie bewies eine gründliche Kenntniß der Geschichte von Syrakus, welche auf die Erklärung der Eigennamen im Theater im wesentlichen richtig angewandt wurde, aber auch jene Neigung zu etymologischen Spielereien, welche ihn später auf seltsame Abwege führen sollte.

Ein mehrjähriger Aufenthalt in Neapel stempelte ihn zum Archäologen. Mit den bedeutendsten einheimischen Gelehrten vertraut, ein aufmerksamer Beobachter der neuen Funde, fleißiger Besucher der öffentlichen und Privat-Sammlungen, erwarb er sich eine ausgebreitete Kenntniß namentlich der unteritalischen Vasen, worin ihn von seinen Zeitgenossen keiner übertraf. Eine reife Frucht seiner Studien war das erst 1828 erschienene Verzeichniß der antiken Bildwerke von Neapel, in dessen erstem und einzigen Bande Gerhard die Marmorwerke, P. die große Vasensammlung beschrieb, der erste wissenschaftliche Katalog, lange Zeit der beste Führer zu den unerschöpflichen Schätzen des Museums. Die herkulanische Akademie ehrte ihn durch den Titel eines Correspondenten, und noch lange nachher belohnte ihn im Jahre 1849 ein neapolitanischer Orden. Dort machte er im Jahre 1825 die Bekanntschaft des ausgezeichneten Kunstkenners, des Herzogs von Luynes[WS 1], und bald darauf die folgenreichere des mächtigen Herzogs von Blacas, der sich bald entschloß, ihm die Herausgabe seiner reichen Kunstschätze anzuvertrauen. Um dieselbe Zeit veranlaßte ihn der Auftrag, einen Katalog der von dem in Rom verstorbenen preußischen Generalconsul Bartholdy hinterlassenen Sammlung, jetzt im Berliner Museum, zu verfertigen, zur Rückkehr nach Rom und Berlin, wo im Jahre 1827 sein „Museo Bartoldiano“ herauskam, voll von gelehrten Bemerkungen und künstlerischen Beobachtungen. Die Verbindung mit Blacas entschied seinen ferneren Lebenslauf. Nachdem er 1826 in Paris die Sammlung besichtigt hatte, begleitete er den Herzog auf dessen Gesandtschaftsreise nach Neapel und blieb dort sowie in Paris bis zur Julirevolution sein Hausgelehrter, zugleich mit dem großen Kreise von Alterthumsfreunden, an denen die Hauptstadt damals reicher war als irgend eine andere Stadt, Rom vielleicht ausgenommen, in regem Verkehr. Die Jahre in Paris bis 1834 waren wol die glücklichsten seines Lebens. Mit vollen Zügen [127] genoß er die Annehmlichkeiten der Weltstadt, von vornehmen Kunstfreunden geschätzt, von den Gelehrten wegen seiner classischen Kenntnisse und seines Scharfsinns gewürdigt, von anhänglichen Schülern, wie dem ausgezeichneten Forscher de Witte[WS 2], verehrt. Aber auch bittere Erfahrungen blieben ihm nicht erspart. Daß seine 1826 herausgegebenen Vasi di premio keinen durchschlagenden Erfolg erzielten, konnte er verschmerzen, da seine Uebersiedelung sie ins Stocken brachte; empfindlicher war die durch das freiwillige Exil seines Gönners verursachte Unterbrechung des Musée Blacas, wovon nur die erste Lieferung 1830 von ihm besorgt wurde; aber die tiefste Demüthigung bereitete ihm die schonungslose Kritik, welche der ausgezeichnetste Gelehrte Frankreichs Letronne seinen „Recherches sur les véritables noms des vases grecs“, Paris. Debure 1829 fol. entgegensetzte. Es war ein berechtigter Versuch, die willkürlichen und rein äußerlichen Benennungen des italienischen Kunsthandels durch classische Namen zu ersetzen, aber er wurde übereilt und willkürlich ins Werk gesetzt. Bekanntlich ist die Unterscheidung noch jetzt so zweifelhaft, daß man zu der rein mechanischen Bezeichnung durch Ziffern seine Zuflucht genommen hat. Indessen ermüdete Panofka’s Eifer nicht. Mit Ch. Lenormant vertiefte er sich in die arkadischen Mythen, und im Jahre 1834 gab er die „Antiques du cabinet du comte de Pourtalès-Gorgier“, Didot fol. mit schönen Abbildungen heraus. Es war sein letztes Werk in Paris. Eine schwere Krankheit trieb ihn nach Bonn; er sollte sein Vaterland nicht wieder dauernd verlassen.

Vorher hatte er sich um die Wissenschaft ein großes hoch anzuschlagendes, Verdienst erworben. Als sich die hyperboreische Gesellschaft in Rom 1828 zu der weltgeschichtlichen Gründung des archäologischen Instituts erhob, begrüßte P. das Unternehmen von Neapel aus mit Freuden: es verstand sich gleichsam von selbst, daß ihm in Paris die Stelle als auswärtiger Secretär der französischen Section übertragen wurde. Dort sorgte er nicht allein eifrig für Subscribenten und litterarische Beiträge, sondern überwachte mehrere Jahre hindurch die Redaction und den Druck der Annalen, sowie den Stich der Monumente. Ja er ging in seinen Bemühungen soweit, daß er das Deficit, welches die Existenz der Anstalt mitunter bedrohte, durch namhafte Vorschüsse deckte. Der Verkehr mit Rom und Berlin, mit Bunsen und Gerhard, war nicht leicht, und das reizbare Temperament, sowie das Selbstbewußtsein des Halbfranzosen machte sich in Klagen und Vorwürfen über Verzögerungen, Einförmigkeit, Weitschweifigkeit der Publicationen Luft, und nur die unerschütterliche Freundschaft sowie die geduldige Gewandtheit Gerhard’s verhinderten einen Bruch; aber P. gebührt die Anerkennung, daß er in hohem Maße dazu beitrug, das Institut über Wasser zu halten. Mehrmals dachte Bunsen, der ihn stets als Freund behandelte, daran, ihn als Secretär für Rom selbst zu gewinnen, auch zeigte sich P. nicht abgeneigt, der Einladung zu folgen. Aber schließlich entschied er sich im Januar 1835 zur Uebersiedelung nach Berlin, wo er im Winter 1836 mit dem knappen Gehalt von 250 Thlr. als Assistent des Museums angestellt wurde. Erst im Jahre 1847 hat er Rom wieder gesehen.

Seine Stellung in Berlin war nicht die günstigste. Fast ein Fremder geworden, mißtrauisch gegen die methodische Strenge seiner Landsleute, von dem hohen Selbstgefühl erfüllt, daß er neben Gerhard die ausgebreitetste Kenntniß der Monumente besaß, fand er nicht die erwartete Anerkennung. Zwar wurde er auch an der Universität in die Lage gesetzt, einzelne Studirende in seine Wissenschaft einzuführen, auch erzeigte ihm die Akademie der Wissenschaften schon 1836 die Ehre der Mitgliedschaft; auch blieb sein Verhältniß zu Gerhard ungestört. Aber häusliches Ungemach, die Kränklichkeit einer Schwester, bedrängte ihn, seine Schwerhörigkeit nahm zu, die Stellung am Museum, wo er erst 1856 Conservator der [128] Vasensammlung wurde, konnte ihm nicht genügen, und seine Geltung unter den Fachgenossen ging langsam, aber stetig abwärts. So vergrub er sich in seine Bibliothek, wo ich ihn mehrmals verdrossen aber mittheilsam getroffen habe, und nahm nur an den Zusammenkünften der italienischen, sowie der archäologischen Gesellschaft persönlich Theil. Diese hatte Gerhard 1841 begründet, P. wurde ihr und der 1843 ins Leben getretenen archäologischen Zeitung eifrigster Mitarbeiter. Als Gelehrter und Schriftsteller blieb er unermüdlich thätig. Außer dem stattlichen Buche über „Terracotten des königlichen Museums“ 1842 und der geschmackvollen Auswahl von Monumenten, die er unter dem Titel „Bilder antiken Lebens“ 1843 herausgab, hat er zwar kein größeres Werk mehr veröffentlicht, desto fruchtbarer aber erwies er sich in einzelnen Abhandlungen, die in den abwechselnd mit Gerhard verfaßten Winckelmannsprogrammen, den Institutsschriften, größtentheils in den Abhandlungen der Berliner Akademie ihren Platz fanden. Darunter verdienen seine glücklichen Bemerkungen von Parodien und Caricaturen des Dramas ausgezeichnet zu werden; überall (z. B. bei Asklepios) zeigt sich große Belesenheit und Beherrschung des Materials, Gemmen und Münzen nicht ausgeschlossen; die Versuche Plinius und Pausanias archäologisch zu erklären haben keinen besonderen Erfolg gehabt. Ueberhaupt führte ihn sein Scharfsinn je länger je mehr in die Irre; er verlor sich in Grübeleien, etymologischen Spitzfindigkeiten, willkürlichen Combinationen, so daß auch gute Gedanken nur verzerrt zum Ausdruck gelangten. So hat er Eigennamen mit künstlerischen Darstellungen geschickt verbunden, aber in der Ausführung sich zu seltsamen, nicht selten sprach- und sachwidrigen Behauptungen verirrt. Es genügt, aus einer Abhandlung der Akademie vom Jahre 1850 (Eigennamen mit ΚΑΛΟΣ), den Pythoschlüssel Pythokles, den Bleiber oder Freier (Μεμνῶν) Memnon als Beispiele anzuführen. Wenn er daselbst S. 53 „den Mangel einer richtigen Methode“ als Hauptschuld verunglückter Erklärungen rügt, so hat er sich selbst das Urtheil gesprochen. Durch diese Wunderlichkeiten, denen Gerhard u. a. aus Schonung nicht widersprachen, hatte eine schwüle Unsicherheit der archäologischen Hermeneutik gedroht, bis 1852 Otto Jahn in seiner Ausgabe der ficoronischen Cista seine vernichtende Stimme erhob. P. ließ sich nicht irre machen: er fuhr bis an seinen Tod, 20. Juni 1858, in der alten Weise fort.

Seine wissenschaftliche Bedeutung fällt überwiegend in frühere Jahre, die jetzige Generation weiß wenig von ihm. Aber eine gerechte Würdigung wird ihm in jener Zeit ein großes Verdienst nicht absprechen. Wenn man auch von den schönen Worten seines Freundes: „Panofka’s Verdienst ist in der Geschichte der Forschung begründet, die er zu seiner Zeit mächtig anregte, erweiterte und emporhob“ das letzte Prädicat nur bedingungsweise gelten läßt, so darf man die ersten unvermindert unterschreiben: sie reichen hin sein Andenken in Ehren zu erhalten.

Gerhard, Allgemeine Zeitung, 13. Juli 1858 Beilage zu Nr. 96. – Lenormant, Union, 20. août 1858. – De Witte, Notice sur Théodore Panofka, Bruxelles 1859 (Annuaire de l’Académie de Belgique 1859). – Michaelis, Gesch. des Deutschen archäol. Instituts. Berlin 1879.

[126] *) Ich darf wol der herrlichen Abende in Kestner’s Hause 1838–39 gedenken, worin Goethe’s Briefe vorgelesen, mit beiden Abeken, Papencordt, mir griechische Dichter, Aristophanes u. A. behandelt, Kunstwerke vorgezeigt wurden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Honoré Théodoric Paul Joseph d'Albert de Luynes (* 15. Dezember 1802 in Paris; † 17. Dezember 1867 in Rom), französischer Adliger aus dem Geschlecht der Alberti, 8. Herzog von Luynes und Chevreuse. Bekannt als Archäologe und Numismatiker.
  2. Baron Jean-Joseph-Antoine-Marie de Witte (* 24. Februar 1808 in Antwerpen; † 30. Juli 1889 in Paris), belgischer Klassischer Archäologe, Epigraphiker und Numismatiker.