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ADB:Pflug, Johann Baptist

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Artikel „Pflug, Johann Bapt.“ von Paul Beck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 678–688, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pflug,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 07:35 Uhr UTC)
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Band 25 (1887), S. 678–688 (Quelle).
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Pflug: Johann Bapt. P., „schwäbischer Genremaler“, geb. als Sohn achtbarer Bürgersleute am 13. Februar 1785 und † den 30. Mai 1866 zu Biberach in Oberschwaben, der ehemaligen Reichs- jetzt württembergischen Oberamts-Stadt, aus welcher schon so viele namhafte Künstler hervorgegangen sind; besuchte zunächst die Schulen seiner Vaterstadt. Schon frühzeitig regte sich in dem aufgeweckten angehenden Lateinschüler der unwiderstehliche – wol durch die vielen in buntem Wechsel sich vollziehenden Truppendurchzüge geweckte – Hang zum Zeichnen und Malen, obwol ein eigentlicher Zeichnungsunterricht in Biberach damals noch nicht bestand, indem er für seine Mitschüler durchziehende Soldaten etc. abzeichnete, auch in Farben darstellte und so ein kleines Taschengeld sich verschaffte. Daneben hatte er auch an Musik und Gesang große Freude und das wurde insofern für ihn von Bedeutung, als er zunächst unter die „Singknaben“ seiner Vaterstadt und im J. 1797 unter die „Chorknaben“ des Benedictinerreichsstifts [679] Weingarten aufgenommen wurde, wodurch für ihn zugleich die Aussicht sich eröffnete, in der dortigen stark besuchten und mit einem Pensionat verbundenen Klosterschule kostenfrei die Vorstudien zum geistlichen Stande treiben zu können. Der hier durch den P. Rup. Dick ertheilte Zeichenunterricht beschränkte sich zwar einzig auf Architektur, allein der „Klosterstudent“ setzte neben seinen eigentlichen Studien für sich seine Zeichnereien und Malereien fort, wozu ihm nicht blos das eine Welt im Kleinen bildende Klosterleben selbst, die feierliche Vollentfaltung des katholischen Cultus in der majestätischen Stiftskirche, die Processionen und Passionsspiele, der grandiose „Blutritt“ etc., sondern auch die nahen Kämpfe und Schlachten, die vielfachen Truppendurchmärsche, so namentlich im J. 1799 das Korsakow’schen Armeecorps mit seinen Kosaken, Kalmücken, uralischen Tataren u. s. w., wo er u. A. den greisen Kriegshelden Suwarow auf seiner Kibitke durch Weingarten fahren sah, reiche Anregung gaben und ihm eine Menge neuer Eindrücke brachten. Da erfolgte im J. 1803 plötzlich die Aufhebung der Reichsabtei und die Aussicht auf das Weiterstudium und dereinst auf den geistlichen Stand war ihm benommen. Da aber regte sich der Drang, sich ganz der Kunst zu widmen, mit einem Male erst recht in ihm. Allein seine Eltern bestimmten ihn zu dem damals einträglichen Gewerbe eines Bortenwirkers. So mußte der bereits mit einer tüchtigen allgemeinen Vorbildung versehene Kunstjünger, den Kunstdrang im Herzen, mißmuthig und verdroßen ein trauriges Jahr in der Lehre zubringen, in welcher er übrigens die Freistunden immer mit Zeichnen und Malen in Wasserfarben ausfüllte und hatte als Bortenmacherlehrling auf einige Zeit die nicht minder schwere Kunst der Entsagung zu üben. Da trat unverhofft eine günstige Wendung seines Geschickes ein. Der nach Aufhebung des Buchauer fürstlichen Damenstiftes in Biberach lebende Geheimrath Scheffold ward bei einem Besuche im Pflug’schen Hause zufällig auf die Zeichnungen des jungen Mannes aufmerksam und erkannte alsbald dessen keimendes Talent. Er bewog die Eltern, ihn seinem Vater, einem Kirchenmaler, in die Lehre zu geben, während der Geheimrath selbst ihm in der Theorie und den Hülfswissenschaften der Malerei Unterweisung gab und seinen Geschmack zu bilden suchte. Alsbald – wohl etwas zu früh – machte der Jüngling sich ans Copiren von Bildern theils aus der Scheffold’schen Gemäldesammlung, in welcher sich meist Genrestücke eines Malers Hermann aus Freiburg i. B. befanden, theils aus der ansehnlichen gräflich Stadion’schen Galerie in dem nahen Warthausen. Namentlich hatte er sich durch die Copie eines originellen Gemäldes von unbekanntem Meister bemerklich gemacht, welches die „fünf Sinne“ durch allegorische lebensgroße Figuren in sehr realistischer kräftig wirkender Ausführung darstellte: Geschmack und Geruch durch einen kahlköpfigen Alten, der eine Pfeife raucht, während ein Hund an ihm aufspringt; das Gefühl durch einen Burschen der eine Dirne umfaßt, Gesicht und Gehör durch zwei Musikanten, von denen der Alte begehrlich in seinen Bierkrug schaut während der junge die Flöte bläst. Mit dem aus diesen Copieen gewonnenen Gelde konnte er, nachdem er von einer schon das Jahr zuvor in dieser Absicht dorthin unternommenen Reise infolge des Krieges hatte wieder zurückkehren müssen, im J. 1806 sich behufs seiner weiteren Ausbildung nach München aufmachen, woselbst er nach erstandener Prüfung und Vorweisung einiger seiner bisherigen Leistungen in die damals unter der Leitung des Bildhauers Roman Boos stehende, freilich noch in bescheidenen Anfängen sich haltende Akademie der bildenden Künste als Zögling aufgenommen wurde. Hier ward mit allem Ernst und Fleiß bei Tag nach der Antike, Abends nach dem lebenden Modell gezeichnet und nebenbei in der unter Christian v. Mannlich und dem Inspector Brulliot stehenden Gemäldegalerie, zu der P. gleichfalls Zutritt erhalten, welche [680] aber freilich damals nur ein Schatten von dem war, was sie heute ist, die Lieblingsmeister zum Studium ausgesucht, um nach ihrem Vorbild dereinst seinen eigenen Weg einzuschlagen. Nach nicht langem Schwanken zwischen Historien- und Genre-Malerei hatten es ihm besonders die in der Galerie damals schon gut vertretenen „Niederländer“, „welche den vierten Stand in der Kunst erst erschaffen haben“, mit ihrer Naturwahrheit und dem Zauber ihres Colorits angethan, und war somit die Entscheidung getroffen. Zuerst ging er an die Bilder von Teniers, dann an Ostade und Brouwer, weiterhin an Gerh. Dow, Franz Mieris, Gerh. Terburg und Kaspar Netscher etc. und bemühte sich durch fleißiges Studiren und Copiren in ihre Eigenthümlichkeit einzudringen. Bald war er mit den in der Galerie arbeitenden Malern bekannt; mit manchen, wie mit den Brüdern Angelo und Domenico Quaglio, in deren elterlichem Hause er viel verkehrte, mit Frank, Piloty, Albrecht Adam, Strixner etc., verband ihn Freundschaft. Sogar der damalige Kronprinz, nachmalige König Ludwig I, der große Künstlermäcen interessirte sich für den jungen Mann. So lebte er in Isar-Athen ein frohes Künstlerleben, lebte und webte in der Kunst und verwendete solchen Fleiß auf die Copien seiner Vorbilder, daß er auf dieselben alsbald selbst in München Bestellungen erhielt, wodurch so wie durch andere gelegentlich gefertigte Bildnisse, er die Mittel des Unterhaltes vermehren und seinen Aufenthalt in der Kunststadt verlängern konnte. Bis 1809 blieb er in dem damals politisch bedeutend erregten München; in diesem Jahre vertrieb ihn der Kriegssturm, infolge dessen u. A. die Bilder geflüchtet wurden, zu frühe für seine noch nicht vollendete Ausbildung. In der Heimath angelangt, beschäftigte er sich eine Zeitlang mit Porträtmalen, mit Costümbildern in der Art der „Niederländer“, faßte aber noch im selben Jahre seiner Rückkehr den Entschluß, auf Reisen (u. A. auch nach Wien) zu gehen, allein – es sollte anders kommen. Noch im September des J. 1810 wurde er als Zeichnungslehrer in seiner Vaterstadt angestellt, wobei ihm neben einer gesicherten Existenz noch Zeit genug für die Kunst übrig blieb. Zwei Jahre darauf verehelichte er sich mit der ehrsamen Jungfer Theresia Käufer, der ehemaligen Kammerzofe der letzten Buchauer Fürstäbtissin, der geistreichen Gräfin Maximiliana von Stadion, einem wackeren und intelligenten Wesen, welches ganz zu ihm paßte, ihm auch gar Manches vom Buchauer Hofe zu erzählen wußte und deren Bildniß in der damaligen reichen oberschwäbischen Tracht er noch im gleichen Jahre malte. Die Anstellung und die Gründung eines eigenen Hausstandes ließen ihn nun nicht mehr von seiner Vaterstadt, an welcher wie überhaupt an seiner oberschwäbischen Heimath er mit allen Fasern seines Herzens hing, loskommen. So war er darauf angewiesen, in dem damaligen engbegrenzten Stilleben einer Kleinstadt und in einfach-bürgerlichen Verhältnissen für seine Kunst eine entsprechende Richtung zu suchen. Und – diese fand er, durch das Studium der „Niederländer“ von selbst darauf hingeführt, mit glücklichem Griffe im eigenen Land und Volke, in dessen Leben und Treiben, Sitten und Bräuchen, dabei indeß keineswegs mit blinder Nachahmung verfahrend, sondern ganz selbständig seine eigenen Bahnen wandelnd. Wer weiß, ob es, wie man schon hin und wieder gemeint hat, nur gut für P. und seine künstlerische Entwicklung gewesen wäre, wenn er seiner Heimath den Rücken gekehrt und eine andere Wirkungsstätte, etwa in einer größeren Stadt, sich ausgesucht hätte! Nach seiner eigenen Versicherung bot sich ihm das Leben so reich dar als den „Niederländern“, fast noch mannigfaltiger; er griff zu, wo es ihm gefiel; wohl konnte er dann und wann verwundert fragen, wie es doch komme, daß man neuere Künstler oft über Mangel an Stoff klagen höre, da ja die Beobachtung des Lebens um sie her ihnen denselben in so unerschöpflicher Fülle liefere. – Zunächst boten die [681] ihm von früher Jugend an gebliebenen Eindrücke und Erinnerungen an die bewegten langen Kriegszeiten und an die alte Reichsstadt Anregung genug für seine Malerthätigkeit und reichliche Vorwürfe, – hatte er doch seit dem J. 1793, wo zuerst Kroaten, „Rothmäntel“ und Panduren, durch Biberach und Oberschwaben marschirten, bis zum J. 1815, sowol in seiner Vaterstadt, vor deren Thoren er selbst im J. 1796 einen heftigen Kampf wüthen sah, als zu Weingarten und München Truppen aller Art, die selige Reichsarmee, Oesterreicher, Deutsche, Franzosen, Italiener, Spanier, Russen mit ihren noch halbwilden Völkern beinahe in einem fort und im buntesten Wechsel an sich vorüberziehen sehen! Wie dieses militärische Leben und Treiben schon in dem Knaben die erste Lust zum Malen geweckt hatte, so reichte es auch dem angehenden Künstler Stoff um Stoff für sein Skizzenbuch. Eine Menge soldatischer Scenen ging aus dieser Anschauung hervor, bald wenige Figuren, bald ganze Trupps, im Gefecht, Bivouac, Lager oder auf dem Marsch, alle in Uniformirung, Haltung und Nationaltypus bis ins Einzelnste naturgetreu dargestellt. Als größere Compositionen entstanden so: „Erzherzog Karl in der Schlacht bei Aspern“, (auf Holz und im Besitze des Grafen Reuttner v. Weyl in Achstetten), virtuos bis auf den letzten Knopf und die letzte Borte gemalt und wol das beste Schlachtenbild des Meisters, von ihm selbst in seinen Memoiren (II, S. 110) brillant beschrieben; der kurz vor seinem Ableben im Farbendruck vervielfältigte ebenfalls in den Memoiren (II, S. 110–12) erklärte „Kriegsrath des Erzherzogs Karl in dem Hause des Söldners Hescheler zu Otterswang im März 1799“, für welches jetzt im fürstlichen Hohenzollernschen Museum zu Sigmaringen befindliche Bild P. immer eine große Vorliebe hegte und von welchem er sich zeitlebens nicht zu trennen vermochte; „alle die Gefühle – sagt er selbst, – die ich von Jugend für diesen Helden hatte, mit den gewissenhaftesten Pinselstrichen hab’ ich sie hineingemalt“; „der Rheinübergang der Württemberger bei Kehl im J. 1815“ in der königl. Staatsgallerie, das figurenreichste seiner militärischen Stücke; „die Schlachten bei Ostrach und Stockach etc.“ Doch sind dies keine Schlachtenbilder, wie sie in neuer Zeit z. B. von den Bataillemalern A. v. Werner, Bleibtreu, Camphausen, Faber du Faur, L. Braun, Franz Adam, Heinr. Lang, Meissonier, Alf. de Neuville, Dupray, Detaille etc. geschaffen worden sind. Es kommt P. nicht, wie den letzteren, auf eine möglichst naturgetreue, lebendige Wiedergabe des Schlachtfeldes und eines entscheidenden Augenblickes im Kampfe an, sondern auf die Darstellung des idealen Bildes, das er sich von der Schlacht macht, wie er ja auch den meisten von ihm dargestellten Kämpfen persönlich nicht angewohnt hat. Eines tritt unverkennbar in diesen Bildern hervor – der Gedanke, altösterreichischer Tapferkeit und Kriegsruhme ein Denkmal zu setzen und vor Allem, seinem und der Oberschwaben Liebling, den Erzherzog Karl zu verherrlichen –, sah der mit seinen Landsleuten allezeit gut kaiserlich gesinnte Patriot P. doch in diesem Helden, an dessen Person sich in Vorderösterreich die letzten Nationalgefühle und Kaisergedanken mit einer Innigkeit und Schwärmerei hängten, wie sie einst nur dem „Prinz Eugen, dem edlen Ritter“ entgegengebracht worden waren, den letzten Connetable des untergehenden hl. römischen Reiches deutscher Nation. Diese österreichischen Traditionen, in welchen P. aufgewachsen war, führten ihn späterhin von selbst den großdeutschen Anschauungen zu, welchen er Zeit seines Lebens, wenn er auch an der Politik keinen activen Antheil nahm, zugethan blieb. Die österreichisch-italienischen Feldzüge von 1848/49 und 1859 brachten sein patriotisches Blut noch mächtig zum Wallen; da – im Feldlager Radetzky’s wäre der „Alte“ am Platze gewesen! Allein – wer dachte da an den stillen bescheidenen, freilich auch schon hoch betagten P.?! – Noch eine [682] Reihe kleinerer, gleichfalls meist patriotisch gehaltener Kriegsscenen und Gefechtsbilder wären hervorzuheben, wie z. B. die „Plünderung des Pfarrdorfes Alberweiler durch die Franzosen“; der „Rückzug der französischen Armee aus Deutschland im J. 1796“; „Gefecht zwischen republikanischen Truppen und Condéern am Olzreuter See bei Schussenried im J. 1799“; „Austheilung der Veteranenmedaillen bei Laupertshausen im J. 1843“; „Tanz alter Veteranen in Ringschnait“, ein rührendes Bildchen – wie das Laupertshauser mehr ein militärisches Genrestück. In diesen Bildchen herrscht größtentheils Leben und Bewegung in einer Weise, die an die besten italienischen und französischen Meister dieses Faches gemahnt. Dazu nicht wenig Militärscenen in Aquarellmanier, in welcher P. gleichfalls mit Erfolg arbeitete und von welchen wir nur eine, die drastisch-reichhaltige, nicht ohne polemische Tendenz gehaltene Composition mit Pflug’s eigener Unterschrift: „So wurde von den Neufranken im J. 1796 die Freiheit im Schwabenlande verkündigt!“ mit anderen im Besitze von Graf Reuttner nennen wollen. Zahllos vollends waren die gemalten Skizzen, welche er von einzelnen Kriegern verfertigte. Denn bald wurde es unter den durchziehenden Kriegsvölkern bekannt, daß sich in Biberach ein Maler befinde, der trefflich abzubilden verstehe; und Deutsche, Russen, Böhmen und „Rothmäntel“ suchten den Künstler auf und bedrängten ihn, sie „abzuschreiben“ und zu Dutzenden wanderten die kleinen Bildchen in die ferne Heimath. Auch die Offiziere sprachen fleißt bei ihm vor, ließen sich malen oder kauften fertige Bilder von ihm. – Und als der Kriegslärm endlich verrauscht war, bot sich ihm ein neuer, eine Zeitlang mit Vorliebe behandelter Stoff dar, auf welchen er schon durch den dämonischen „Malefizschenk“ mit seinem Jauner- und Gauner-Schloß zu Oberdischingen (d. i. den Reichsgrafen Franz Ludwig Schenk v. Castell), einen der originellsten Kraftmenschen und „Gewaltigen“ des vorigen Jahrhunderts, welcher es dem P. ganz besonders angethan hatte, aufmerksam geworden war, – das Räuberwesen als böse Hinterlassenschaft jener langen Kriegszeiten, speciell jene Räuberbanden, welche noch mitten im hergestellten Frieden ihr Unwesen im „Oberland“ trieben. Insbesondere war es die zu seiner Zeit hausende Bande des durch Gustav Schwab’s Romanze: „der Sünderthurm“ in weiteren Kreisen bekannt gewordenen „schwarzen Vere“ (eigentlich Xav. Hohenleitner aus Rummelsried), welche seinen Pinsel fesselte und welche er in einigen sehr kräftigen, markigen (im fürstlichen Schlosse zu Wolfegg befindlichen) Aquarellen sowie in einem Oelstück darstellte.

Sein Hauptfeld lag aber auf dem Gebiete der eigentlichen Genremalerei, deren Vorwürfe er, ohnehin ein begeisterter Freund seiner oberschwäbischen Heimath und Landsleute, beinahe durchweg deren Leben und Sitten entnahm. Hier war er so ganz in seinem Elemente und zeigte sich sein Talent, seine selbständig-schöpferische reiche Phantasie und Eigenart und sein heiterer Humor am entschiedensten. Selbst ein echtes Kind des Volkes, liebte er es, in steten unmittelbaren Verkehr mit demselben in seinen verschiedenen Ständen, besonders mit dem Landvolk in seiner täglichen Arbeit und seinem Lebensgenuß zu treten. Wie nicht leicht jemand war es ihm gegeben, mit dem Bauernvolk einfach und natürlich umzugehen, sein Vertrauen zu erwecken, seine Zurückhaltung zu überwinden, es zur Mittheilung seiner Gedanken und Erlebnisse, zum Aussichherausgehen zu veranlassen und seine Art und Wesen zu ergründen. Für alle Vorkommnisse des Lebens sowol im Familienkreise als auch bei der Pflege gemüthlicher heiterer Geselligkeit hatte er einen empfänglichen Sinn und ein geübtes Auge; und was er erschaute, wußte er sinnig, gutmüthig und wolwollend, zugleich aber mit schalkhaftem Scherz und in charakteristischen Zügen auf der Leinwand nachzubilden. Frohgemuth zog er hinaus zu Kirchweihen, Hochzeiten, Tanzbelustigungen, Scheibenschießen, Kegelschieben, Jahrmärkten und Volksfesten [683] jeder Art und lebte sich recht ins oberschwäbische Volksleben ein, wanderte mit der Mappe unter dem Volk, welches er zunächst auf dem allwöchentlichen starkbesuchten Biberacher Markte am besten vor sich hatte, umher, belauschte dessen Eigenthümlichkeiten in den anmuthendsten Zügen und trat in der glücklichen Lage mit jedermann freundlich zu verkehren, bald überall im „Oberlande“ bekannt und als allenthalben gern gesehener Landsmann und Freund ebensowol in die Hütte des Landmannes ein, als in die Edelsitze des oberschwäbischen Adels. Nichts entging da seinem beobachtenden Auge, nicht „die Spieler in der Schenke“, nicht „der Pfarrherr, der seinen Bauern die Zeitung vorliest“, nicht „die zum Tischgebet versammelte Familie“, nicht „der Großvater als Kinderwärter“, nicht „die Anfertigung der Aussteuer“, „der Aufputz der Braut“ und ihre „Abfahrt mit dem Brautwagen“, nicht der wichtige Akt der „Hauswäsche“, nicht die flotten Bauernburschen im Sonntagsstaat mit den „Gelbledernen“, den hohen Hüten und den schweren Mänteln am heißen Sommertage, nicht der graue Veteran inmitten der drallen frischen Dirnen beim „Hahnentanz“, nicht der joviale Landbaron mit der „Gnädigen“ unter dem respectvoll bei Seite tretenden Bauernvolk, nicht die „Schnurranten und Vaganten“, nicht „der Handelsjude“, der „Musterreiter“, „der Ehninger Krämer“, der „altwürttembergische Schreiber“, nicht „die Zigeuner und das lustige Studentenvolk“, nicht „der Krautschneider“ und „der Spindelmann“, nicht „der Harfner“ und „der Bänkelsänger“, „die Kartenschlägerin“, „die Kunstreiter“ und „der Seiltänzer“, nicht „der Schneider und Schuster auf der Stör“ – lauter köstliche, beinahe mit photographischer Treue von ihm dar gestellte oberschwäbische Gestalten, ob deren Anblick dem Kenner das Herz im Leibe lacht. Was auf diesem Gebiete lag und zu was er seine Kraft ausreichend glaubte, das fiel seinem Pinsel anheim, wobei ihm die reiche nicht unschöne Tracht sehr zu Statten kam. „Ich sparte nichts dabei“ – sagt er selbst einmal – weder Ruhe noch Arbeit, war ganz vergnügt dabei, ohne andere Meister nachzuahmen oder etwas von ihnen zu entlehnen; ich ging meine eigenen Wege und suchte meinen eigenen Werken eine gewisse Originalität zu bewahren“. (Zu vgl. seine eigenen Bemerkungen über seine künstlerische Entwickelung in den Memoiren I, S. 159 u. 160; II. Cap. „P. und seine Kunst“, S. 64–126, insbes. S. 74, 75, 86; weiter S. 37–42, 53, 54). – Bei seinem Bestreben, überall das Charakteristische, das Unterscheidende der verschiedenen Stände und Berufsarten, die im Volksleben obwaltenden Gegensätze auszudrücken, fehlte es nicht, daß in seinen Compositionen die Contraste manchmal scharf und durchschlagend hervortreten; dem gesunden Humor stellte er gern den düstern Ernst gegenüber, dem goldenen Hintergrunde eines unbekümmerten fröhlichen Daseins die gewitterdunkle Schattenseite, dem gutgearteten Sohn der Natur den verlorenen – den Vagabunden, den Räuber. Häufig finden sich in seinen Sujets dürre und beleibte Personen zusammen; Landleute und Handwerker; Ansässige und Landfahrer; Arme und Reiche; Adel und Geistlichkeit; Bauern, Barone und Grafen; Schulzen und Büttel, Bettler und gestrenge Vögte; Nährstand und Wehrstand; Studenten, Schulmeister und Handwerksburschen; Bauernmädel und Stadtmamsell etc. So entstand öfters Bild und Gegenbild, das Pendant im eigentlichsten Sinne des Wortes, wie „die Neuwürttemberger in Altwürttemberg“; „die Altwürttemberger in Neuwürttemberg“; „die evangelische und katholische Pfarrstube“ (wobei die erste eigentlich die Kinderstube ist); „die Ausfahrt des protestantischen und katholischen Pfarrers“ (letztere allerdings etwas parodirt). Durch diese Gegensätze entstand ein nicht unangenehmer Wechsel der Linien und Figuren und wurde so nicht nur der Einförmigkeit entgegengewirkt, sondern auch nicht selten eine komische Wirkung hervorgebracht. Dabei verfuhr er übrigens meist mit Mäßigung und überschritt selten [684] die Grenzen des Erlaubten. Er hat sich überhaupt mehr der soliden Seite des Volkslebens zugewandt und seine Auffassung dieses Lebens ist kerngesund, wie das Volk, und darum auch volksthümlich, durchaus wahr und ungekünstelt, und ein poetischer, zuweilen von Localpatriotismus angewehter Hauch durchdringt meist die ganze Darstellung. Seine Bilder knüpfen sich meist an bestimmte Orte; haben in der Regel entweder die Kirche, ein Schloß oder irgend ein stattliches Wirthshaus zum Mittelpunkt der Scene und zum Hintergrund den „Bussen“, den hl. Berg Oberschwabens oder eine der um Biberach gelegenen Anhöhen. So hat er auch in dieser (leicht verführerischen) Richtung seine Selbständigkeit gegenüber den Niederländern gewahrt, und sich von deren Art, mehr die wüsten Seiten des Volks in ihrer drastischsten Gestalt hervorzukehren, ferngehalten; und da sieht man nicht, wie z. B. bei Ostade, Teniers, Brouwer etc., so viele widerliche anstößige Figuren, sondern wolhabende lebensfrohe Landleute halten hier im Festgewande theils am eigenen Heerde, theils unter freiem Himmel ihre altherkömmlichen Volksfeste in einer Weise, daß selbst die sogenannten Honoratioren, Pfarrer, Rentmeister, Förster, ja der gnädige Herr selber es nicht verschmähen, Theil daran zu nehmen, wie wir auch ihre Person (häufig sogar im Porträt) auf seinen Bildern angebracht finden. Aus der reichen Zahl von Bildern dieser Art lassen sich außer den bereits erwähnten noch besonders anführen: „die Bauernhochzeit zu Mittelbiberach“ (die sogenannte „Vogtei“), mit Ringschnait, Reinstetten, einem der Lieblingsorte Pflug’s (von ihm in den „Erinnerungen“ II, S. 65–67 selbst beschrieben); „das Kegelschieben in Reinstetten“ (ebendaselbst S. 81, 82); „Studenten und Bauern in einer Kneipe“ (auch unter dem Titel: „der Studentencommers“ oder „der Fürst v. Thorn“); „eine betrunkene Mette“ in folio (alle 2 Stücke im königl. Schloß zu Stuttgart); „Kirchweihe zu Laupertshausen“; „Kirchweihscene in Oggelshausen“; „Jahrmarkt“; „Kornmarkt in Waldsee“; „Zechende Bauern im Haberhäusle in Birkendorf“; „die Sichelhänge zu Oggelsbeuren“, „die Kunstbude“; ein Cabinetstückchen ist das in Aquarell ausgeführte „Erntefest zu Biberach den 28. Juli 1817“, nach den Hungerjahren von 1816/17. – Daran reihte sich noch eine weitere (4.) kleinere Gruppe von Gemälden, welche man mit dem Namen Landschaftsbilder bezeichnen könnte, obwol es nicht Landschaften im eigentlichen künstlerischen (modernen) Sinne sind. Unter denselben wären namentlich 4 für die Gräfin v. Brühl gefertigte (jetzt im Schlosse zu Sorau befindliche) „ländliche Ansichten aus dem Schussenthal“ sowie einige hübsche (meist in Achstetten befindliche) Aquarelle von oberschwäbischen und elsässischen Schlössern hervorzuheben. – Etwas auffallend mag sein, daß P., der doch lange Zeit Jäger und Fischer, überhaupt ein großer Freund der Natur war – von allerdings (im Gegensatz zu seinen mehr oder weniger etwas steif ausgefallenen Pferden) meist gelungenen da und dort auf seinen Genrestücken angebrachten Hundegestalten (Spitzen, Pintschern) abgesehen – sich dem eigentlichen Thier- und Jagdstück ferne hielt. – Seine meisten Bilder sind, um denselben größere Dauer zu geben, in Oel auf Holz und gewalztes Eisenblech, weniger auf Leinwand gemalt; ein kleinerer Theil ist in Aquarell- und Gouache-Manier ausgeführt. Auch pflegte er seinen Gemälden ein ziemlich kleines Format zu geben, weil kleinere Stücke leichteren Absatz fänden wie größere. – Durch die Lithographie wurden außer einzelnen Bildern, wie „die Spieler“ und „die Hauswäsche“ – die „ländlichen Gebräuche in Württemberg“, in 12 Darstellungen: „Kirchweihfest, Sichelhänge, Scheibenschießen, Eierlesen, Maientag, Lichtkarz, Schäferlauf, Weinlese, Johannisfeier, Hahnentanz, Hochzeitwagen, Cannstatter Volksfest“ mit Text von Conrector Pfaff (Stuttgart bei Ebner) vervielfältigt, wozu nur bemerkt sein möchte, daß P. als „Oberländer“ von Leib und Seele [685] im altwürttembergeschen „Unterland“ bei weitem nicht so zu Hause ist wie in Oberschwaben. Ferner kamen noch von ihm (in der P. Balz’schen Buchhandlung zu Stuttgart) „Bilder zu Uhlands Gedichten“, 2 Hefte in 8 Bl. heraus, welche der bekannten Romanzenreihe von „Eberhard dem Rauschebart“ gewidmet sind und je 2 Scenen aus der Schlacht bei Reutlingen und Döffingen sowie die „3 Könige zu Heimsen“ und den „Ueberfall im Wildbad“ darstellen. Einige Kleinigkeiten wie das Gegenstück „Neuwürttembergscher Falllehenbauer und der altwürttembergsche Grundbesitzer“, von P. selbst auf Stein gezeichnet, erschienen in der Autenrieth’schen Kunsthandlung in Stuttgart. Nach seinen Originalzeichnungen wurden später in der Planck’schen Schrift: „Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben in den Jahren 1818/19“ die Bildnisse der Hauptpersonen dieser Banden in Holzschnitt gefertigt. – Daneben hat der Meister – ganz abgesehen von seiner langjährigen bis 1856 währenden verdienstvollen Wirksamkeit als städtischer Zeichnungslehrer – viele talentvolle junge Männer in die Kunst eingeleitet; eine Reihe namhafter Künstler ist aus seiner Schule hervorgegangen, so J. B. Magg, Wäscher, Karl v. Ebersberg († 1880 zu Graz); weiter der durch seine eminente Befähigung für das Landschaftsfach rühmlichst bekannte Eberhard Emminger, einer der letzten großen Meister in der Lithographie; dessen Bruder Constantin Emminger, der Maler Hermann Volz, der frühverstorbene talentvolle X. Foerg, die Maler J. Padent und Bodenmüller und vor Allem der seither zu so großem Rufe gelangte Thiermaler Anton Braith – meist, wie der „Alte“ mit Genuß und nicht ohne ein gewisses Selbstgefühl betonte – Biberacher Landsleute. Doch kann man von einer Schule im eigentlichen Sinne des Wortes, die P. hinterlassen und die das schwäbische Genrestück, wie er es behandelte, systematisch weiter gepflegt hätte, nicht wohl reden, da dieser Art von Malerei mit dem Aufhören der Volkstrachten, Sitten und Gebräuche von selbst der Boden entzogen worden ist; noch am meisten hatte – von einigen Versuchen Ebersbergs abgesehen – sein Landsmann, der originelle Malerautodidakt Joh. Ev. Göser – in seiner Jugend ein Wagner –, auf welchen P. jedenfalls von großem Einflusse war, von ihm. Wie man sieht, war P. außerordentlich thätig und productiv – eine Folge einerseits seines unermüdeten Fleißes und seiner ungemeinen Arbeitskraft, andererseites seiner raschen Auffassung. So scharf er beobachtete, so schnell erfaßte er überall das Charakteristische, so rasch gestaltete sich ihm das Gesehene zu einer künstlerischen Composition … Ich zeichnete – so spricht er sich selbst einmal über seine Productionsweise aus – die Menschen, ohne daß sie es bemerkten, andere saßen mir; doch war mir stets die erstere Art des Aufnehmens lieber. Da warf ich denn die Figuren schnell hin, oft nur mit ein Paar Strichen; ich suchte mehr deren Charakter darzustellen, als die Aehnlichkeit. Mit der Zeit fanden seine Leistungen die verdiente Anerkennung; ging es auch im Anfang seines Schaffens nicht so rasch mit dem Bekanntwerden und Absatz, so sollte ihm dies später um so reichlicher dafür hereinkommen. Seinen ersten Ruf begründete er durch das im J. 1825 gemalte und im J. 1830 im württembergischen Kunstverein ausgestellte Porträt seines Mütterleins, wie dieselbe im einfach-bürgerlichen Gewande an dem Tisch der Wohnstube sitzt und arbeitet – ein von der innigsten Liebe zur Mutter beseeltes Bild. Den Gedanken, welche ihn beim Malen desselben bewegten und welche dem Leser am besten eine Vorstellung von dem „Menschen“ P. geben, hat er folgenden Ausdruck verliehen (a. a. O. II, S. 91) … „Streng genommen, liebte ich das Porträtiren nicht … Nur bei einem und zwar bei jenem, welches mein Mütterlein vorstellt, malte ich mit Liebe und zog den Schein der Sonne herein ins enge Gemach, wo sie mit Gedanken und stiller Arbeit beschäftigt ist. Denn es geht nichts im Leben über ein Mutterherz; ist das im Tode gebrochen, dann wird das reichste Dasein zur [686] Wüste: selbst bei der Erfüllung unserer schönsten Wünsche muß es uns dann immer fehlen!“ Nicht minder zeichnet sich das um dieselbe Zeit gemalte Bildniß seines Vaters, des ehrsamen Biberacher Küfermeisters, wie derselbe im Handwerkergewande, umgeben von Fässern und Kellergewölben, eben im Begriffe steht, seinen Frühtrunk zu sich zu nehmen, durch charakteristische Auffassung und äußerst sorgfältige und zugleich kräftige Arbeit aus. Das „Morgenblatt“, der „Mercur“, die „Stuttgarter Stadtpost“ und andre öffentlichen Blätter brachten die günstigsten Besprechungen über diese anmuthsvollen gemüthlichen Porträtbilder des Künstlers. Der mittlerweile im J. 1827 gegründete württembergische Kunstverein trug nicht wenig dazu bei, ihm Namen und Stellung zu verschaffen; gleich nach den ersten Ausstellungen gefielen seine Bilder sehr und mehrere derselben, darunter die „Kartenspieler“, eine „Hochzeitsscene“, die „Kunstbude“, der „Bänkelsänger“ und die „Wäsche“ wurden zur Verloosung angekauft. Mehrfache Aufträge von Seiten König Wilhelms von Württemberg, des hohen und niederen Adels folgten; und bald liefen von allen Seiten, von vielen reichen Privaten, hohen Militärs, aus Nah und Fern Bestellungen ein, eine solche Zugkraft übte die sorgfältige Ausarbeitung, Naturwahrheit, Frische und Durchsichtigkeit seiner Bilder, insbesondere auch der ächte unverwüstliche in ihnen zu Tage tretende Humor aus. In den späteren Jahren hörte die Schaffenslust infolge eines sich einstellenden Augenleidens allmählich auf. Wie fast bei allen Künstlern, so ist auch bei P. die Kritik oft sehr verschiedener Meinung und haben die Herrn Kunstrecensenten auch an seinen Leistungen allerhand auszusetzen. Den Einen sind seine Bilder zu bunt; sie finden zu viele Nuancen in den Localfarben, zu viele höchste Lichter u. s. w., anderen – und dies ist keine ganz unbegründete Ausstellung – sind seine Compositionen zu klein und gedrängt gehalten; ja einige gehen soweit, dieselben als trocken und erdicht (!) zu bezeichnen – kurz die widersprechendsten Urtheile werden nicht selten gefällt. Richtig wird soviel daran sein, daß es P. allerdings an der „Schule“ etwas fehlt und dies sich namentlich in der Technik fühlbar macht. Hin und wieder nimmt man auf seinen Stücken Verstöße gegen die Gesetze der Perspective wahr und ist nicht dafür Sorge getragen, daß sich die einzelnen Figuren kräftig und plastisch von einander abheben. Nicht minder läßt die Farbengebung oft sehr, besonders im Vergleiche mit den modernen Meistern des Colorits zu wünschen übrig, und ist nicht immer eine glückliche. Dann sind die Bilder von sehr verschiedenem Werthe und Ausführung; einigen sieht man die Eile wol an, mit der sie zu Stande gekommen sind. Auch glaubt man dieselben Motive in seinen Compositionen etwas zu häufig sich wiederholen zu sehen. Er selbst empfand dies Alles wol und beklagte dann und wann tief, daß seine Bildungslaufbahn so spät begonnen habe und in der Mitte durch den Krieg von 1809 wieder abgebrochen worden, und daß es ihm, wie er so sehnlich gewünscht, nicht vergönnt gewesen sei, die großen Meister an der Quelle zu studiren und namentlich die Gemäldegalerien in Belgien und Holland aufzusuchen. Darin stimmen aber alle überein, daß er das schwäbische Volksleben in seiner Tiefe zu erfassen und im Bilde zu vergeistigen verstanden, daß er durchaus originell in seinen Compositionen ist, ungemein fruchtbar, seine Zeichnung meist pünktlich und sein Pinsel leicht und keck ist. Eberhard v. Wächter fällt über ihn folgendes Urtheil: „Seine Bilder sind mit großer Ueberlegung componirt, verständlich und klar, die Figuren voll Charakter, die Köpfe voll Ausdruck und meisterhaft ausgeführt.“ Man wird noch beisetzen dürfen, daß er bei seiner mäßigen Ausbildung und der Beschränktheit seiner Verhältnisse, in welcher er sich auf wirklich bewundernswerthe Weise zurecht zu finden wußte, möglichst viel geleistet hat und seine Leistungen eine bleibende Errungenschaft für die Kunst und Culturgeschichte [687] bilden. Nicht leicht ist eine beschränkte Sphäre so mit feinem Sinn und treuer liebevoller Hingabe erfaßt und ausgebeutet worden, wie von ihm; ebenso wird man nicht bald eine so vollkommene Harmonie zwischen dem Künstler als solchem und als Menschen und seinen Werken finden, wie bei ihm – diese die getreueste Darstellung seines innersten Wesens, er der lebendige Commentar zu seinen Bildern, in welchen er sich so voll und ganz gibt, wie er ist, lebt und denkt. Und – wer noch Sinn für das Eigenthümliche des oberschwäbischen Volkslebens und für die volksthümliche Kunst überhaupt hat, wird die anmuthigen, gemüthlichen, oft von schalkhaftem Humor, ja ausnahmsweise von Schelmerei durchwehten herzerfreuenden Bilder mit innigem Wolgefallen betrachten und dem Künstler, dem es gelungen, alle diese vielen bunten Züge mit dem Pinsel festzuhalten und auf der Leinwand nachzuzaubern, umsomehr Dank wissen, als leider das Leben unseres Volkes in dem dahinrasenden Eisenbahnzeitalter durch das Verschwinden der hergebrachten Trachten und Gebräuche viel von seiner Ursprünglichkeit und Frische verloren hat und diese Darstellungen bald nur mehr der Vergangenheit angehören. Dahin sind längst die schönen oberschwäbischen Volksfeste mit der stattlichen und zugleich ökonomischen Volkstracht, welche ihm so reiche Ausbeute für seine Bilder lieferten; und von dem so schönen ächten Volksleben, wie es in den besten Jahren unseres Künstlers in ganz Oberschwaben zu Hause war, ist wenig mehr übrig geblieben! Wäre es möglich, die überallhin zerstreuten – nebenbei bemerkt, sehr gesuchten und heutzutage schwer und wenn überhaupt nur zu hohen Preisen erhältlichen – Bilder oder wenigstens eine Auswahl derselben in irgend einer der Vervielfältigungsarten nachzubilden und in einem Album zu vereinigen, so hätten wir eine Darstellung des oberschwäbischen Volkslebens von dauerndem culturhistorischem Werthe und seltener Vollständigkeit – und zugleich ein ächt schwäbisch-nationales Prachtwerk! P. gehört zu den seltenen Menschen, deren Persönlichkeit auf jeden, der ihm nahe kam, eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübte. Seine Herzensgüte, sein ungeheucheltes Wolwollen gegen Jedermann, sein ächtes biederes Künstlergemüth, sein lebhafter Geist, sein unübertrefflicher Humor mußten ihm jedes Herz gewinnen; insonderheit war der liebenswürdige, angenehme, bescheidene, anspruchslose, dabei aber von Witz und Laune sprudelnde Mann in seiner Heimath und ganz Oberschwaben eine allgemein beliebte und geachtete Persönlichkeit, ein sehr gesuchter Gesellschafter. Der sinnige Beobachter des Volkslebens, der von Freundlichkeit gegen den Geringsten, von aufrichtig gutmüthiger Gesinnung gegen seine Mitmenschen erfüllte Charakter, der weitherzige und mild gegen Andersdenkende gesinnte P. war aber in der That eine äußerst wolthuende Erscheinung. Dazu kam eine ungewöhnliche Kraft des Gedächtnisses, vermöge welcher er noch als Achtzigjähriger das Längst- und Viel-Erlebte bis in die kleinsten Züge festzuhalten wußte; und jene wunderbare Gabe des Erzählens sowol aus alten vergangenen als aus neuen Zeiten, welche den Umgang mit ihm, der an der Wende zweier Jahrhunderte als aufmerksamer Beobachter gestanden und eine der wichtigsten Perioden der Weltgeschichte selbst miterlebt hatte, so überaus genußreich machte – ein ächter Mann der „guten alten Zeit!“ Ja dieser seltene Mann hat nicht blos als Maler das oberschwäbische Volk in seinem Thun und Treiben belauscht und die charakteristischen Züge seines Wesens naturgetreu wiedergegeben, sondern er kannte auch sein Leben und seine Geschichte in Gegenwart und Vergangenheit, war ein feiner Volkskenner und besaß eine bewundernswerthe Gabe, alles, was er wußte, in anmuthiger, launiger, fesselnder und lebensvoll aufgefaßter Weise Andern mitzutheilen. Er war ein wahrer Erzähler von Naturanlage und Neigung; das Erzählen war ihm Bedürfniß, seine Freude, seine Erholung; und Manches davon ist in den ihm abgelauschten „Erinnerungen [688] eines Schwaben“ (2 Bände, hrsg. von J. E. Günthert, Nördlingen, 1874 u. 1877) uns überliefert und erhalten geblieben, welche einen schätzenswerthen Beitrag zur oberschwäbischen Sitten- und Local-Geschichte und zugleich den besten, weil lebendigen Commentar zu Pflug’s Bildern geben. Pflug’s Vaterstadt bat zum hundertjährigen Gedächtniß seiner Geburt an seinem Geburtshause im Sommer des J. 1886 eine Gedenktafel anbringen lassen und mit deren Einweihung in sinniger Weise eine Ausstellung von (ca. 120) Originalgemälden aus seiner Hand verbunden.

Außer den bereits angeführten „Erinnerungen etc.“ Nekrolog im „Schwäb. Mercur“ Nr. 148 v. 24. Juni 1866 zu vgl. mit Nr. 155 v. 4. Juli 1886: Nekrolog im „Staatsanzeiger für Württemberg“ Nr. 141–143 und 149 v. 1866; St. A. Beilage Nr. 19 v. 20. December 1885, S. 292–297. – Schließlich führen wir noch an, daß ein in Oel von seinem Schüler Ebersberg gut gemaltes Brustbild Pflug’s vorhanden ist.