ADB:Platner, Tilemann
Justus Jonas aus dem benachbarten Nordhausen Ostern 1506 die Universität Erfurt, wurde auch mit diesem, mit dem er dann fortwährend in naher freundschaftlicher Verbindung blieb, im J. 1507 Baccalaureus und drei Jahre darauf Magister. Schon seit 1515 in geistlichen Stellungen in der Vaterstadt thätig, wurde er dort am 23. October 1519 durch den Grafen Botho zum Pfarrer zu St. Martini befördert und genoß bis an sein Ende sowohl dessen als seiner Söhne volles Vertrauen. Schon im Herbst 1518 finden wir ihn als Studienleiter der jungen Grafen Wolfgang und Ludwig in Mainz, wo sein Erfurter Studienfreund Eobanus Hessus (der ihn auch noch vier Jahre später freundlich grüßen läßt) bei ihm einkehrt, als er mit dem Magister Johann Werter nach den Niederlanden reist, um den Erasmus zu besuchen. Im Herbste 1520 geleitet er die genannten Grafen zur Zeit von Luthers Decanat nach Wittenberg, wo der ältere im Sommer 1521 Rector, P. dagegen Vicerector wird. Der Aufenthalt in der Elbuniversität zu einer geistig so bewegten entscheidenden Zeit war natürlich auch für P. sehr bedeutsam. Er trat nicht nur Luther nahe, sondern erwarb so sehr die Achtung und Freundschaft Melanchthons, der dann auch später wiederholt in Stolberg mit ihm zusammentraf, daß dieser ihm sein dogmatisches Hauptwerk, die Loci communes, widmete. Am 20. September 1521 wurde [263] P. Licentiat und am 14. October mit seinem Freunde Jonas Doctor der Theologie. Gemeinsam wandten sie sich damals an Kurfürst Friedrich den Weisen wegen einer Unterstützung zu ihrem Doctorschmause. Als Mutian dem Jonas seine Glückwünsche sandte, ließ er auch den P. grüßen, der also auch zu seinem Erfurter Freundeskreise gehörte. Für das Ansehen, welches er damals bereits genoß, zeugt, daß er mit Melanchthon und anderen hervorragenden Männern das Gutachten inbetreff der Wittenberger Augustiner unterschrieb, die bereits auf eine völlige praktische Durchführung der Reformation drangen.
Platner: Tileman P., Reformator in den stolbergischen Harzlanden und im Stift Quedlinburg, geb. zu Stolberg am 24. November 1490, † daselbst vor dem 6. November 1551. Als Sohn des Rathsherrn Tile P. und der Margarete, Tochter des gräfl. Raths Ude, entstammte T. väterlicherseits einer wohlhabenden, schon seit 1430 in Stolberg angesessenen Familie, die sich nach der Beschäftigung ihrer Vorfahren Pletener oder Platener – so schreibt bereits T. den Namen in späteren Lebensjahren – d. i. Harnischmacher nannte. Für den geistlichen Stand bestimmt, bezog T. gleichzeitig mitUm die Zeit des Wormser Reichstags ist P. wieder mit seinem Pflegling Graf Ludwig zu Stolberg in Mainz, und da Graf Botho mit einem Sohne auf jenem Reichstage zugegen war, so wird auch P. von dem nahen Erzbisthumssitze aus dahingezogen sein, wenn auch möglicherweise der ältere Bruder Wolfgang es war, den der Vater bei sich hatte. Noch einmal war P. 1527, in welchem Jahre er auch an den Herzog Georg von Sachsen gesandt wurde, als Mentor des dritten Sohnes Graf Bothos, Heinrich, in Leipzig, welche Hochschule auf ernste Mahnung des Herzogs statt Wittenbergs gewählt war. War der persönliche Einfluß des Stolberger Pfarrers auf die jungen Grafen und deren Vater nicht unwichtig, so liegt doch dessen Hauptbedeutung in seiner Thätigkeit für die Verbreitung und Einrichtung der Reformation in den stolbergischen Harzlanden, zu denen auch das Amt Hohnstein, die Lehnsherrschaft Frohndorf im heutigen Kreise Langensalza, eine zeitlang das Amt Allstedt und mit Schwarzburg gemeinsam die Aemter Heringen und Kelbra gehörten. Als Stadtpfarrer an dem Hauptsitze der Grafen war er zunächst berufen, in der wichtigen Uebergangszeit, in die er gestellt war, einen wichtigen Einfluß zu üben, und er that dies als besonnener treuer Schüler der Reformatoren und hatte hierbei in Stolberg selbst mehrere entschiedene Freunde derselben zu seinen Helfern, so von 1520–1524 Johann Spangenberg, Schneidewin und besonders den eifrigen gräflichen Rentmeister Wilhelm Reiffenstein, den Hauptmann Wolf Rabil, dann auch den Prior des Klosters Himmelgarten Lorenz Süße.
In der reformatorischen Thätigkeit Platner’s ist die Zeit vor und nach 1538 zu unterscheiden. Bis zu jenem Jahre lebte nämlich Graf Botho, der, durch Rücksicht auf seinen brandenburgischen Lehnsherrn und Herzog Georg, der ihm auch 1522 Verwarnungen und Geschütz wider die Reformation und die reformatorische Bewegung zusandte, gebunden, endlich als Hofmeister oder Verweser des Cardinals Albrecht für Magdeburg und Halberstadt, bis zu seinem Tode beim alten Kirchenthum verblieb. Begann demgemäß die völlige Ueberführung der stolbergischen Lande zu Reformation erst seit dem Jahre 1538, so steht doch fest, daß dieselbe unter Platner’s Förderung und ohne hinderndes Einschreiten des regierenden Grafen schon vorher vielfach Eingang fand. Aus dem soeben bezeichneten Umstande wird es aber zu erklären sein, daß uns im Stolbergischen die alten Visitationsprotocolle nicht erhalten sind. Von 1526 zu 27 wurde die nicht leichte Visitation der Klöster in den schwarzburg-stolbergischen Gemeinschaftsämtern Heringen und Kelbra unter Platner’s Betheiligung durchgeführt; 1540 sehen wir ihn in der Herrschaft Frohndorf visitiren, 1546 ist er, von Neander erwähnt, bei der Umwandlung des Prämonstratenserklosters Ilfeld in eine Schule mit thätig. Besondere Umstände machte die Einrichtung der neuen Verhältnisse unmittelbar nach dem Bauernaufruhr in Stadt und Grafschaft Wernigerode, da sich hier auf engem Raum sechs Klöster und geistliche Stiftungen befanden. Als der Graf sich zu diesem Zwecke gleich nach dem Sturme hierhin begab, sehen wir neben Wilhelm[WS 1] Reiffenstein und anderen Räthen auch wiederholt P., mehrmals auch dessen Bruder Martin an seiner Seite. Da die damalige thatkräftige Aebtissin Anna zu Quedlinburg eine Tochter Graf [264] Bothos war, so rief sie im J. 1539, gleich nach dem Ableben Herzog Georgs, P. zu sich, um mit seiner Hülfe die Reformation im Stift einzuführen, aber so gut dies im Allgemeinen beglaubigt ist, so sind auch hierüber keine Acten erhalten und beginnen die eingehenden Nachrichten erst mit der im September 1540 von Herzog Heinrich dem Frommen veranstalteten Visitation. P. war nicht nur in der Gottesgelahrtheit, sondern auch in den Rechten wohlbewandert. Er bedurfte dieser Kenntnisse als gräflicher Rath, was er neben seinem Pfarramt war. Wenn Hamelmann sagt, man habe es P. zum Vorwurf gemacht, daß er sich zu viel mit politisch-weltlichen Dingen beschäftigt habe, so ist die Thatsache, daß er mit dem Abhören von Amtsrechnungen und der Erledigung von allerlei Geschäften im Auftrage seiner gräflichen Herren vielfach in Anspruch genommen wurde, durchaus richtig, aber dies war durch die außerordentlichen Verhältnisse der Uebergangszeit bedingt und seine Rechtskenntniß daher für seine Aufgabe sehr nützlich. Abgesehen von seinem akademischen Doctorgrad wird P. in gleichzeitigen Schriftstücken fast nur als Pfarrer zu Stolberg bezeichnet, selbst Superintendent der stolbergischen Lande heißt er erst in etwas späteren Urkunden. Daß er aber in Wirklichkeit die Aufgaben und Stellung eines solchen hatte, ist unbezweifelt, und es ist nicht so unzutreffend, wenn der Humanist Caesarius, der mit ihm freundschaftlich verkehrte, ihn gelegentlich stolbergischen Bischof nennt. Auch den Titel Hofprediger ließ man zunächst noch einem andern, der nach alter Einrichtung dessen äußere Stellung und Einkünfte einnahm und bezog. Die Aufgabe eines Hofpredigers erfüllte er aber schon 1524, indem er den jüngsten Sohn Graf Bothos taufte und dann besonders seit 1538 die geistlichen Amtshandlungen bei der gräflichen Familie verrichtete. Auch als Caplan Graf Albrecht Georgs wird er in den vierziger Jahren bezeichnet. – Wenn auch die Zeugnisse über das innere Wesen und den Geist seines Reformationswerks weniger zahlreich sind, so fehlt es doch nicht an festen Zügen, die ihn hinreichend kennzeichnen. Als ebenso unterrichteter als besonnener Mann ist er das gerade Gegentheil seines fast gleichaltrigen Landsmanns Thomas Münzer. Im J. 1540 spricht er sich für die durch Mäßigung ausgezeichnete brandenburgische Kirchenordnung aus. Er meint, man brauche über Ceremonien, sofern sie nur zur Ordnung, Zucht und Besserung dienen, nicht zu zanken und könne sie als frommer Christ wohl tragen. Dem Interim gegenüber ist aber 1549 die Erklärung zwar sehr vorsichtig und rücksichtsvoll gegen den Kaiser, aber das Bekenntniß wird darin nicht verleugnet. Für Augustin hegte er eine besondere Verehrung. Sehr eifrig studirte er die Schrifterklärungen von Brenz, die er fleißig mit Bemerkungen versah. Für seine geschichtliche Ader zeugen verschiedene von seiner Hand auf uns gekommene Aufzeichnungen. Echt evangelisch war sein Verhalten den Irrgläubigen gegenüber: im J. 1541 saß zum zweiten Male zu Stolberg Hans Hankel in Haft, der in die Schwärmerei der Wiedertäufer gefallen war und sich nicht wie ein Christenmensch gehalten hatte. Er gehörte nämlich einer seit dem Bauernaufruhr fortbestehenden Verbrüderung an, die nicht nur kirchliche, sondern auch der bürgerlichen Ordnung schädliche Irrthümer hegte, keine Obrigkeit anerkannte, Gütergemeinschaft forderte und mit Mähren eine gefährliche Verbindung unterhielt. Nach dem alten Brauch, wovon auch gerade zu Stolberg aus dem vorhergehenden Jahrhundert die traurigsten Beispiele bezeugt sind, hätte dieser Unglückliche sammt seinen Genossen durch Feuer oder Schwert enden müssen. Aber P. trat für ihn ein und gewann ihn durch Zuspruch und Belehrung: am 8. März 1541 bekennt Hankel, er habe das Recht (die Todesstrafe) verdient, sei aber auf Fürbitte und Belehrung Ehren Tileman Plateners Dr., Pfarrherrn zu Stolberg, abermals begnadigt worden. Die „Erudita commentaria in Matthaeum“, die P. nach Hamelmann und das [265] Registrum über Brenzens Commentaria in Johannem, die er nach Zeitfuchs’ Stolb. Chron. hinterließ, sind nicht gedruckt und scheinen sich nicht erhalten zu haben. Seine am 44. Geburtstage, am 24. November 1534 zu Erfurt mit Emerentiana v. d. Sachsen geschlossene Ehe blieb kinderlos. Als er im 61. Lebensjahre starb und im Chor der Martinikirche beigesetzt wurde, zeugte die außerordentlich große, noch lange in der Erinnerung fortlebende Betheiligung an dieser Trauerfeier für die allgemeine Verehrung, welche der überaus thätige Mann genoß. Die bei baulichen Veränderungen im Innern der Martinikirche in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts vorgenommene Oeffnung des Grabes zeigte, daß P. ein Mann von stattlicher Größe war.
- Otto Plathner, Die Familie Plathner. Berlin 1866, hoch 4°, S. 13 bis 37; Nachtrag, Berlin 1874, in gleichem Format, S. 271–288. – Derselbe in der Zeitschr. des Harzver. f. Gesch.- u. Alterth.-Kunde I (1868) S. 63–73, 286–295. – E. Pfitzner, Tileman Platner oder die Reformation in der Stadt und Grafschaft Stolberg. Stolberg (1883), 79 Seiten 8° nebst ein paar Beilagen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Wilhem