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ADB:Potter, Paulus

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Artikel „Potter, Paulus“ von Joseph Eduard Wessely in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 487–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Potter,_Paulus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 03:15 Uhr UTC)
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Potter: Paulus P., der berühmteste Thiermaler Hollands, geb. in Enkhuyzen 1625, † in Amsterdam 1654. Sein Vater, Pieter, war Historien- und Landschaftsmaler; man hat sich gewöhnt, ihn für einen mittelmäßigen Maler zu halten, aber die Vanitas der Galerie Suermondt (1636), sowie die Blätter, die P. Nolpe nach seinen Compositionen radirt hat, namentlich der große Fries mit der Cavalcade lassen gerade kein geringes Talent bei ihm voraussetzen. Unter den Augen seines Vaters wird Paul die ersten Uebungen in der Kunst begonnen haben. Man hat ihm zwei holländische Künstler zu Lehrern geben wollen, Albert Klomp und D. R. Camphuyzen, die Thierstücke gemalt haben. Doch ist man im Zweifel darüber, ob sie im Stande waren, P. zu beeinflussen oder ob sie nicht vielmehr selbst dessen Nachahmer waren. Wahrscheinlicher klingt die Annahme v. Wurzbach’s, daß der Radirer C. C. Blecker auf P. Einfluß geübt hat, ein Künstler, der mit rücksichtsloser Naturtreue eine wunderbare Sicherheit in der Führung der Radirnadel vereinte. Das Meiste dürfte freilich das Studium der Natur selbst gethan haben, das dem angebornen Talente zu Hilfe kam. Gelegenheit zu einem solchen Studium fand sich leicht, da die Triften Holland’s die herrlichsten Modelle dem Auge Potter’s vorführten. P. war ein frühreifes Talent. Die schöne Radirung: „der Hirte“, ist vom Jahre 1644, von demselben Jahre das Bild mit der Kuhweide in Kassel. Der Künstler war damals erst 18 Jahre alt! – Seit 1631 wohnte P. in Amsterdam, wo sein Vater das Bürgerrecht gekauft hatte. Später zog er nach Delft, wo er am 6. August 1646[WS 1] in die Lucasgilde aufgenommen wurde; blieb aber nur drei Jahre daselbst; im J. 1649 siedelte er nach dem Haag über, wo er ebenfalls in die Gilde Aufnahme fand und im Hause des Malers van Goyen wohnte. Hier hat er sich mit der Tochter seines Nachbarn, des Bauunternehmers Balckeneynde verheirathet. Bei seiner vollendeten Kunstweise erlangte er bald einen Namen und Ruhm. Man schätzte an seinen Bildern nicht allein die Composition und Farbe, sondern auch [488] die tadellose Natürlichkeit; denn wie kein anderer Thiermaler wußte er die anatomische und psychologische Natur seiner Geschöpfe getreu wiederzugeben. Graf Johann Moritz v. Nassau schätzte ihn hoch, besuchte ihn auch oft in seiner Werkstätte, nicht minder die reichen Kunstliebhaber der Stadt. Auch Amalia v. Solms gehörte zu seinen Bewunderern und machte Bestellungen auf seine Bilder. Für diese Prinzessin malte er das große Bild mit Kühen, Pferden, Schafen und menschlichen Figuren, doch wurde das Bild angeblich zurückgewiesen, weil sich eine Kuh gar zu ungezwungen und natürlich beträgt. Nach verschiedenen Schicksalen kaufte der russische Kaiser das Bild 1815 um 190 000 frcs. Es befindet sich jetzt in der Eremitage zu Petersburg. – Auch im Haag blieb P. nicht, sondern kehrte (1652) nach Amsterdam zurück, wo er mit unglaublichem Fleiße arbeitete. In den Jahren 1652 und 1653 entstanden seine meisten Bilder. Dr. Tulp war sein Freund und Beschützer. Dieser hatte den Künstler bewogen, nach Amsterdam zu kommen; für ihn malte der Künstler sehr viele Bilder. Barth. van der Helst hat uns in seinem „Bankett der Civilgarde“ des Künstlers Bildniß erhalten. Ein melancholischer Zug breitet sich über sein sympathisches Gesicht aus. Ist es das Vorgefühl seines nahen Todes, das Bedauern darüber, in dem besten Mannesalter gezwungen zu werden, seine heißgeliebte Kunst verlassen zu müssen? Wahrscheinlich entstand das Portrait auf dem großen Gemälde bereits im Laufe des Jahres 1653, das Bild selbst ist 1654 datirt. Im letzteren Jahre starb schon der Künstler und zwar im Monat Januar, denn am 17. dieses Monats wurde er begraben. Es ist erstaunlich, welch’ große Menge von hervorragenden Kunstwerken P. in der kurzen Lebenszeit geschaffen hat. Man zählt allein über hundert Gemälde seiner Hand, die in den Museen Europas zerstreut sind. Es ist nicht möglich, hier alle einzeln aufzuzählen und es muß eine kurze Uebersicht genügen. Amsterdam besitzt in seinem Museum fünf Bilder von ihm, darunter Hauptwerke, wie Orpheus, der die wilden Thiere bezähmt (1650) und der Hirt mit der Heerde (1651). Dazu kommen mehrere Meisterstücke in den Privatsammlungen van der Hoop, Six, van Loon u. a. Im Haag ist der berühmte junge Stier (1647) und zwei andere Bilder. In England befinden sich viele Bilder, sowohl im königl. Besitz wie auf den Landsitzen der Großen. Im Louvre begegnen wir drei Gemälden, darunter einer Kuhweide vom Jahre 1652. In Deutschland sind es die Museen von München, Kassel, Gotha, Schwerin, Dresden, die kostbare Meisterwerke besitzen, auch das Belvedere in Wien, die Sammlungen der Grafen Harrach und Czernin weisen einzelne Werke Potter’s auf. Die meisten Bilder desselben findet man aber in der Eremitage in Petersburg, elf Stück, darunter das oben erwähnte mit der pissenden Kuh. Neben diesen Gemälden, deren Schaffen allein zwei Menschenleben ausfüllen könnte, müssen wir noch seiner gezeichneten Studien gedenken, die in vier Bänden gesammelt, einen unvergleichlichen Schatz des Berliner Kupferstichcabinets bilden. Schließlich sind auch noch die Radirungen des Künstlers zu erwähnen, die sich stets einer besonderen Werthschätzung von Seite der Kunstsammler zu erfreuen hatten. Es sind nur 19 Blätter, die der fleißige Künstler radirt hat, aber jedes ist für sich ein vollendetes Kunstwerk. Wie naturwahr sind die einzelnen Thiere der Folge von acht Blättern aufgefaßt, nicht minder die fünf Pferde, die sehr theuer bezahlt werden. Von diesen kennt man allein fünferlei Copien. Hauptblätter, fertige Gemälde vorstellend, sind „der Kuhhirt“ und „der Schäfer“, zu den größten Seltenheiten gehört das kleine Blättchen mit dem Kuhkopf und der Affe Zabucaia. Daß ein solcher Meister, wie P., auch viele Kupferstecher zur Nachbildung seiner Compositionen bewog, ist leicht zu begreifen. Bartolozzi, A. Bartsch, namentlich M. de Bye, der fast nur Potter’s Zeichnungen sich zum Vorwurf wählte, ferner Cootwijck, Couché, J. Kobell, Masquelier, van Os, [489] Prestel, Tischbein, Unger, Weisbrod und viele mehr haben des Meisters Kunst in die weitesten Kreise getragen.

s. Houbraken. – R. van Eynden. – Kramm. – Immerzeel. – Westerheene, Monographie, 1867.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1446