Zum Inhalt springen

ADB:Rottmann, Leopold

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Rottmann, Leopold“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 399–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rottmann,_Leopold&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Rottmann, Carl
Band 29 (1889), S. 399–401 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Leopold Rottmann in der Wikipedia
Leopold Rottmann in Wikidata
GND-Nummer 116662689
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|29|399|401|Rottmann, Leopold|Hyacinth Holland|ADB:Rottmann, Leopold}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116662689}}    

Rottmann: Leopold R., der jüngste Bruder des Vorgenannten, geboren am 2. October 1812 zu Heidelberg, war ursprünglich für die Wissenschaft bestimmt und genoß erst nach Absolvirung der Gymnasialclassen die Unterweisung des Malers und Radirers Jakob Wihelm Christian Roux, folgte aber 1830 dem damals schon gefeierten älteren Bruder Karl R. nach München. Anfänglich besuchte Leopold die Akademie, um sich dem Portraitfach und der Historienmalerei zu widmen, doch Heinrich Heß, welchem er vertrauensvoll nahte, erkannte richtig das zur Landschaft neigende Ingenium seines Schülers, welcher fortan das baierische Hochland auf fleißigen, auch nach Tirol und dem Salzkammergut ausgedehnten Studienreisen durchzog. Als erste Frucht erschien 1834 im Kunstverein zu Karlsruhe ein den „Untersberg mit Berchtesgaden“ darstellendes Bild, welches zur Verloosung angekauft wurde. Hierauf folgte im Auftrag der Großherzogin Stephanie von Baden ein Bild mit der „Festung Salzburg“; daran reihten sich mehrere Landschaften für Private. Auch gingen Bilder nach England und Rußland; sein Name gewann schnell guten Klang. Aber Leopold R. ging andere Wege. Entweder drückte ihn die Berühmtheit seines genialen Bruders, oder er war von Natur anders angelegt: er vermied die ideal componirte Auffassungs- und Darstellungsweise und richtete sein Streben darauf, der individuellen und localen Wahrheit der Natur so nahe als möglich zu kommen. Indessen wendete sich Leopold R., welchem zeitlebens eine gewisse zaghafte Natur verblieb, gleichsam der Begabung für selbsteigenes Schaffen mißtrauend, plötzlich zur Lithographie. Und es waren nicht die Schöpfungen seines Bruders, welche durch ihn, wie man hätte glauben können, die am meisten berechtigte Vervielfältigung gefunden hätten. Leopold R. übertrug den größten Theil der Zeichnungen auf Stein, welche der Maler G. Pezolt unter dem Titel „Salzburg und seine Angrenzungen“ herausgab. Außer mehreren kleineren Ansichten (z. B. von Sandizell) zeichnete und lithographirte R. die „Tiroler Gegenden“ für Cotta, lieferte eine „Partie am St. Wolfgang-See“ für H. Kohler’s „Münchener Album“ (1841), welches auch Rottmann’s Portrait brachte. Ferner nennen wir beispielsweise sein „Schwansee mit der Burg Hohenschwangau“, eine „Afrikanische Gebirgsgegend [400] mit einer Karawane“ nach Bernatz, einzelne „Märchen-Figuren“ (in 6 Blättern), eine „Ansicht von Athen“ nach Caroni und die 14 Illustrationen nach Kuwasseg zu Franz Unger’s „Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden“ (1847). Nach der von Professor v. Kobell erfundenen galvanographischen Methode gab R. eine Ansicht des Schrannenplatzes, der Residenz, Glyptothek und alten Pinakothek heraus und warf sich mit Feuereifer, insbesondere veranlaßt durch R. Oldenbourg, den damaligen Geschäftsführer der Cotta’schen litterarisch-artistischen Anstalt in München, auf den nach englischem Vorbild frisch erblühenden Farbendruck. Als erste Probe publicirte R. 16 Blatt „Ornamente aus den vorzüglichsten neueren Bauwerken Münchens“ und betheiligte sich dann noch bei vielen späteren Prachtwerken z. B. Aretin’s „Kunstdenkmalen des baierischen Herrscherhauses“ („St. Georgskapelle auf der Trausnitz“ nach Ferdinand Petzl) mit Lithochromien. Was hätten die beiden Brüder bei einer nur halbwegs praktischen Wechselwirkung, für sich gegenseitig zu leisten vermocht! So scheint Leopold den Werken seines Bruders Karl sorgfältig aus dem Wege gegangen zu sein.

Indessen drängte ihn doch seine künstlerische Natur zu mehr selbständigem Schaffen und zwar zunächst in jenem Fache, welches am meisten seiner anvererbten Begabung entsprach: der Aquarellmalerei. Im J. 1854 wurde ihm von König Maximilian II. der Auftrag, verschiedene Jagdstände und Lieblingsplätze im Hochgebirge in einem Album von Aquarellen wiederzugeben; zu diesem Zwecke verbrachte R. die Sommer 1854–1857 im Gebirge und sammelte mühsam und sorgfältig als Material dazu, die großen herrlichen Studien und Skizzen, welche im 1876 durch das Ministerium für das k. Handzeichnungs-und Kupferstich-Cabinet erworben wurden. Daran reihte sich ein zweiter Cyklus von Ansichten derjenigen Hauptpunkte, welche König Maximilian II. bei der im Sommer 1858 ausgeführten Gebirgstour von Arenenberg bis Berchtesgaden berührte. Sie bilden eine Illustration jener sogenannten Königsreise, welche Fr. Bodenstedt im ersten Bande seiner „Erinnerungsblätter“ (Lpz. 1879, auch unter dem Titel „Eines Königs Reise“) anmuthig beschrieb. Leider erlebte der hohe Auftraggeber nicht mehr die Vollendung dieser Aquarelle, welche König Ludwig II. pietät- und huldvoll übernahm.

Eine ebenso bedeutende, wie schwierige und undankbare Aufgabe erhielt 1872 unser Maler mit der Restauration der berühmten Fresken seines Bruders in den Arkaden des Münchener Hofgartens. Zur Regelung dieser Angelegenheit wurde damals eine complicirte Commission von künstlerischen Notabilitäten niedergesetzt, welche den traurigen Beweis lieferte, daß auch auf dem breitesten Boden des Parlamentarismus nicht immer die wohlthätigsten Resolutionen reifen. Obwohl das richtige Gutachten der Mehrheit dahin lautete: es gebe keine bessere Hülfe, als die Fresken herauszusägen und anderswo in Sicherheit zu bringen, da nun einmal der alles zerstörende Mauerfraß unvertilgbar in den Wänden sitze, so beschloß nun doch die Mehrheit, trotz ihrer besseren Einsicht und einzig richtigen Ueberzeugung, zum Gutachten der – Minderheit überzugehen, wonach die kostbaren, unersetzlichen Bilder unter „genügenden“ Schutzvorkehrungen an Ort und Stelle zu belassen, in ihren beschädigten Stellen aber zu restauriren seien. Leopold Rottmann’s Aufgabe wäre freilich immer die gleiche geblieben, nur daß im ersteren Falle seine auf die Restauration verwendete Umsicht und Sorgfalt einen bleibenden Nutzen gebracht hätte. Seine hervorragende Befähigung für dieses Werk wurde später ganz unnöthiger Weise benörgelt und in Abrede gestellt. Gewiß ist, daß Leopold, wie kein Anderer, die Malweise seines Bruders kannte; er war bei der Entstehung der Bilder zugegen und besaß eben so viel Pietät wie Verständniß für den großen Styl dieser Schöpfungen; er kann den [401] Umfang der Verantwortung, welche er mit diesem Auftrage übernahm. Daß aber ein solcher Sturm leidenschaftlicher Anklagen, solch ein kritischer Hagelschlag über ihn ergehen sollte, ahnte er sicherlich nicht. Glücklicherweise wurde es dem Vertheidiger Rottmann’s leicht, jede dieser Anklagen zu widerlegen und zurückzuweisen (vgl. Lützow’s Zeitschrift 1873 VIII, 176), deßungeachtet lieferte der ärgerliche Handel manchen Nagel für seinen Sarg.

Das schöne Privatproject, die griechischen Landschaften seines Bruders in Oel zu copiren, scheiterte plötzlich, nachdem sechs dieser Pinakothek-Bilder trefflich reproducirt waren. Leopold R. warf sich wieder ganz auf seine Aquarellmalerei; die Münchener Kunstausstellung 1879 brachte noch drei Blätter (Hinterriß, Obersee bei Berchtesgaden und den Eibsee bei Partenkirchen) von seiner Hand. Außerdem war unser Meister als Lehrer immerdar thätig, sowol bei dem Kronprinzen und nachmaligen König Ludwig II. als dem Prinzen Otto; auch Prinzeß Therese und I. k. k. Hoh. Prinzeß Gisela zählte er zu seinen Schülerinnen. Ebenso liebte man denselben in vielen aristokratischen Familien, obwol seine Methode vielfach wieder als zu antiquirt und ideal bemängelt wurde. Deßungeachtet blieb sein praktischer Rath und seine rationelle Anweisung anregend und fördernd, zumal bei selbstthätigen Scholaren, welche wie unser Bankdirector Th. Sendtner, das gewöhnliche Ziel eines geistreichen Dilettantismus überschritten. Da thaute der sonst so steife und zurückhaltende Mann auf und gab dann auch bereitwillig und wohlwollend sein Bestes. Er besaß ein feines und zutreffendes Urtheil, welches er aber niemals verletzend vorschob, da R. ohne Voreingenommenheit gegen andere Kunstrichtungen blieb und das wirkliche Gute ohne Neid und Eifersucht begrüßte. Seine eigentliche Bedeutung lag nach der richtigen Aussage eines dankbaren Kunstfreundes und Malers in „der Auffassung und Wiedergabe der Hochgebirgsnatur an Ort und Stelle. Da stand ihm, was sonst einen Vorzug seines stillen Charakters bildete, seine an Schüchternheit grenzende, ganz anspruchslose Bescheidenheit nicht im Wege; sein freier Farben- und Schönheitssinn wurde hier unmittelbar vom Reize und Zauber der Natur gepackt, zur energischen Darstellung gezwungen und fortgerissen. Was er dann, dem großen Zuge folgend, fixirte, überrascht ebenso durch die vollendete Zeichnung, die Charakteristik des Gegenstandes, die weise Beschränkung in der Wiedergabe der Form, in der Richtigkeit des Ausdrucks von Bewegung und Gestaltung des Terrains, wie durch wahre und frische Färbung, die auch nichts Fremdartiges in die Studie ließ“. Diese Naturstudien, welche zwei schwere, riesige Mappen in unserem Kupferstich-Cabinet füllen, sind den besten ihrer Art zur Seite zu stellen und werden, ganz eigenartig und frei von jeder ängstlichen Manier, nicht leicht übertroffen.

Leopold R. starb am 26. März 1881 sanft und schmerzlos in den Armen seiner seit dem Jahre 1847 ihm treu verbundenen Gattin. Mit ihm erlosch der letzte Träger dieses berühmten Malernamens.

Vgl. die vorgenannten Artikel von Marggraff und Nagler und meinen Nekr. in Beil. 172 der Allgemeinen Zeitung vom 21. Juni 1881.