ADB:Schönaich, Otto Freiherr von
[1], Dichter. Geboren nach seiner eigenen Angabe am 11. Juni 1725 zu Amtitz bei Guben in der Niederlausitz. Er erhielt eine mangelhafte Erziehung, trat 1745 in kurfürstlich sächsische Kriegsdienste, wurde noch in demselben Jahre bei Kesselsdorf gefangen und nahm 1747 seinen Abschied. Fortan lebte er in nicht selten drückender Abhängigkeit von seinem Vater auf dem genannten Familiengute. 1751 sandte er sein in ländlicher Muße ausgearbeitetes Epos: „Hermann oder das befreite Deutschland“ (12 Gesänge) anonym an Gottsched, dem er persönlich fern stand, an dessen Dichtkunst er sich aber, wie er selbst wiederholt ausspricht, gebildet hatte. Es fand in Leipzig zum Schaden des bescheidenen Verfassers die günstigste Aufnahme, da es Gottsched sehr gelegen kam, um auf Grund seiner sprachlichen Richtigkeit und der Regelmäßigkeit seines Baus im Kampf mit den Schweizern der Klopstock’schen Messiade gegenüber als episches Mustergedicht aufgestellt zu werden. Um allen Widersachern zum Trotz sich als noch immer unerschütterten Richter in Sachen des Geschmacks zu bethätigen, ehrte Gottsched den Dichter durch den Lorbeerkranz, der ihm am 18. Juli 1752 in absentia feierlich ertheilt wurde; überdies ließ er im folgenden Jahre das Werk mit einer eigenen Vorrede drucken. (Es erlebte mehrere Auflagen, die letzte 1805; 1799 – l’an 7 – wurde es in das Französische übersetzt.) Durch jene Auszeichnung wurde S. einerseits an eine litterarische Partei gekettet und dem Spotte der Gegner bloßgestellt, der besonders der Dichterkrönung galt, andererseits wurde er zur Ueberschätzung seiner Kraft verleitet und zur Theilnahme an litterarischen Fehden ermuthigt, denen er nicht gewachsen war. Den ersten Schritt that er in dieser Richtung durch sein „Neologisches Wörterbuch oder die Aesthetik in einer Nuß“; 1756; 471 S., das sich gegen Haller, Bodmer und Klopstock richtete und nicht nur wirklich Fehlerhaftes, sondern auch das Berechtigte der neuen ästhetischen Grundsätze angriff. In seiner Vereinsamung, fern von den Mittelpunkten des geistigen Lebens, konnte er einen freien Blick in die litterarische Bewegung nicht gewinnen, deren Entwicklung er dort kaum zu verfolgen vermochte, sondern er bildete einseitig immer mehr die einmal angenommene Weise aus. Seine Polemik, die sich auch gegen Lessing wendete, wurde selbst seinen Freunden unbequem. „Der Herr Baron ist kein gehorsamer Sohn mehr“ schrieb Reichel schon im December 1754 an Gottsched. Ein Zeugniß seiner unermüdeten Thätigkeit war ein zweites, dem früheren ähnliches, gleichfalls in trochäischen Tetrametern geschriebenes Heldengedicht: „Heinrich der Vogler oder die gedämpften Hunnen.“ 1757, 12 Bücher. Mit nicht größerem Glücke hatte er sich dem Drama zugewendet: sein „Versuch der tragischen Dichtkunst“ 1754 enthielt 4 Stücke; sein Montezum erschien 1763. Seit 1770 veröffentlichte er nichts mehr. Im J. 1777 erblindet, erbte er erst im 65. Lebensjahre von seinem Vater die Standesherrschaft Amtitz und starb dort unvermählt am 15. November 1807. Mit ihm erlosch dieser Seitenzweig des von Friedrich d. Gr. gefürsteten v. Schönaich’schen Geschlechtes. Seine dichterische Thätigkeit gehört jener Richtung an, deren Geltung bei seinem Auftreten [254] bereits erschüttert und die lange vor dem späten Ende seines Lebens völlig abgethan war. Nimmt er auch innerhalb dieser Richtung durch seine Erfindungsgabe und seine Handhabung der Sprache eine beachtenswerthe Stellung ein, so war er doch bei weitem nicht dazu berufen, in der großen litterarischen Bewegung des vorigen Jahrhunderts die hervorragende Rolle zu spielen, welche Gottsched ihm zugedacht hatte.
Schönaich: Christoph Otto Freiherr v. S.- Danzel, Gottsched u. s. Zeit. S. 378. – Koberstein, deutsche Litteraturgeschichte. – Pescheck, Gesch. d. Poesie in d. Lausitz (Lausitz. Magazin Bd. 12. 1836) S. 51, 99. – Manuscripte der Epen in der Gubener Gymnasialbibliothek.
[Zusätze und Berichtigungen]
- ↑ S. 253. Z. 10 v. o.: Vgl. jetzt A. Stern, Beiträge zur Litteraturgeschichte des 17. u. 18. Jahrh., 1893, S. 95–128. Ein gekrönter Dichter. – v. Schönaich war seit 1759 vermählt; seine Wittwe überlebte ihn. Ein 1760 geborener Sohn war bald nach der Geburt verstorben; vgl. des Dichters Oden, Satiren, Briefe und Nachahmungen (Leipzig) 1761 S. 138–153. [Bd. 45, S. 672]