ADB:Schinkel, Friedrich

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Artikel „Schinkel, Karl Friedrich“ von Franz Vallentin (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 17–28, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schinkel,_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 11:09 Uhr UTC)
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Schinkel: Karl Friedrich Sch., bedeutendster Architekt des neunzehnten Jahrhunderts, Maler und Kunstschriftsteller. Geboren am 13. März 1781 in Neuruppin, † am 9. October 1841 in Berlin.

In seiner Vaterstadt Neuruppin empfing der Knabe kaum entscheidend tiefe Eindrücke. Sein Vater, Johann Kuno Sch., bekleidete daselbst das Amt eines Archidiakonus und Superintendenten und starb am 26. August 1787 an einer Erkältung, die er sich durch die Hülfeleistung bei dem verheerendsten Brande zugezogen hatte, der die Geburtsstadt K. F. Schinkel’s je heimsuchte [18] und auch dessen Geburtshaus vernichtete. Der junge Sch. blieb nun noch bis zu seinem 14. Lebensjahr mit seinen Geschwistern und seiner Mutter Dorothea, geborene Rose – (derselben Familie gehören der Chemiker Heinrich Rose und der Mineraloge Gustav Rose an) – in Neuruppin, wo er die Schule besuchte. 1794 zog seine Mutter mit ihm nach Berlin. Auf dem Gymnasium zum grauen Kloster, das ihn hier als Schüler aufnahm, zeichnete er sich nicht durch hervorragende Leistungen aus. Nur seine starke Neigung zur Musik und zu den bildenden Künsten deuteten bereits auf die voraussichtliche Wahl eines künstlerischen Berufes hin. Den entscheidenden Entschluß in ihm führte die Ausstellung des Jahres 1797 herbei, auf der des jungen Friedrich Gilly Entwurf für das Denkmal Friedrich’s des Großen ihn so begeisterte, daß er sich endgültig für die bildende Kunst entschied. 1798 verließ er als 17jähriger Primaner das Gymnasium und vertraute sich dem Geheimen Oberbaurath David Gilly an, der ihm zunächst Unterricht im Architekturzeichnen ertheilte. Noch Ende desselben Jahres kehrte dessen genialer Sohn Friedrich Gilly, der damals im Alter von 27 Jahren schon den Rang eines Oberhofbauinspectors bekleidete, von einer Kunstreise zurück und wurde neben dem Lehrer auch der Freund Schinkel’s, ein Verhältniß, das die gedeihlichste Uebertragung aller für Sch. fruchtbaren Elemente der Gilly’schen auf einfachere Monumentalität gerichteten Kunst ermöglichte, und den Grund zur Bildung und Klärung einer eigenen Formenwelt legte. Es währte jedoch nur zwei Jahre, als es durch den am 3. August erfolgten Tod des erst neunundzwanzigjährigen Gilly, den Sch. ganz ins Herz geschlossen hatte, endete, nachdem Sch. im selben Jahre am 8. März seine Mutter verloren hatte. Das Vermächtniß Gilly’s an Sch. war zunächst nicht nur ein rein geistiges, sondern auch ein praktisches. Denn der neunzehnjährige Schüler wurde nun damit betraut, die durch den Tod seines Lehrers abgebrochenen architektonischen Unternehmungen desselben zu Ende zu führen. Hierher gehören: der Umbau des Schlosses eines Grafen Flemming im Flecken Buckow bei Müncheberg und die Façade eines Hauses der Friedrichstraße in Berlin. Damals fertigte er auch bereits mehrere unausgeführte Entwürfe für den Fürsten Heinrich XLIII. von Reuß-Schleiz-Köstritz an, dessen Gastfreundschaft er genoß, und mit dem er noch später correspondirte. Es ist nicht zu verwundern, daß Sch. bei diesen Arbeiten, auch bei den selbständigeren, sich noch stark an die französisch und englisch beeinflußte Art Gilly’s anschloß, wenn auch schon ein stärkerer Trieb zur Classicität und ein Geschmack durchblickt, der stets Umgebung und malerische Anlage mit in Rechnung zieht und auf sie großes Gewicht legt. Es spricht sich darin bereits jener Zug aus, der gegen die raumlose nüchterne Nutzbaustadt der Gegenwart, die cultivirtere Auffassung eines Architekturgebildes als einer landschaftlichen Ingredienz bethätigt. Die von Gilly begonnenen Bauten für den Grafen Prittwitz bei Quilitz (später Neu-Hardenberg) erweiterte Sch. – Ueber diese, wie über seine Jugendarbeiten überhaupt gibt Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark ein treffendes Urtheil: „Wenn an diesen frühesten Bauten Schinkel’s etwas zu tadeln ist, so ist es das, daß der Genius des jungen Baumeisters, der Zug nach idealeren Formen sich hier an der unrechten Stelle zeigt. Diese Wirthschaftsgebäude machen etwa den Eindruck, wie wenn ein junger Poet einen wohlstilisirten und bilderreichen Brief an seine Wirthsfrau oder deren Tochter schreibt. Der Stil, die Sprache sind an und für sich unangreifbar, nur die Gelegenheit für den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Gemeinplätze wären besser. Sch. selbst, der ja in späteren Jahren so vorzugsweise die Anlehnung an das Bedürfniß predigte, würde diese, einer höheren Form huldigenden Wirtschaftsgebäude zwar mit Interesse, aber sicherlich [19] auch mit Lächeln wieder betrachtet haben. Indessen, wie jugendlich immer, ex ungue leonem.

In der Zwischenzeit hatte Sch. das Conducteurexamen bestanden. Auch eine kunstgewerbliche Thätigkeit hatte bereits ihren Anfang genommen, indem er für die Steingutfabrik des Barons v. Eckardstein in Charlottenburg nach eigener Erfindung Zeichnungen für kunstgewerbliche Gegenstände und deren malerischen Schmuck lieferte und dafür ein jährliches Honorar erhielt.

Gleich nach diesem ersten Anlauf einer eifrigen praktischen Thätigkeit trat eine für den Jüngling nicht ungünstige Pause ein, die ihm Gelegenheit gab, seinen Blick zu erweitern und eine Fülle neuer Eindrücke auf sich einstürmen zu lassen. Am 1. Mai 1803 machte er sich in Begleitung eines Freundes, des Architekten Steinmeyer, auf die Wanderschaft nach Italien. Der Weg führte über Dresden, Augsburg, Nürnberg, Prag, Wien, Rom, Sicilien, nach einem Aufenthalt Januar 1805 in Paris, zurück nach Berlin, wo Sch. März 1805 wieder eintraf. Die wesentlichen Fortschritte und Früchte dieser Reise liegen nicht auf dem Gebiete der Architektur, sondern auf dem der Landschaftsmalerei. Es erscheint dies natürlich dadurch, daß dieselbe dem noch schwärmerischen Jünglingsgemüth eine entsprechendere Ausdrucksmöglichkeit bietet, als die eine kühlere Behandlung gebietende architektonische Formung, zumal die völlig neuen landschaftlichen Eindrücke an sich eine weit stärkere Sensation für ihn sein mußten, als die durch das frühe Studium der Reproductionen bereits bekannte Mehrzahl der hervorragendsten classischen Bauwerke. Bezeichnend für seine damalige romantische Neigung ist es, daß die Letzteren seinen Sinn weniger fesselten als die dem Mittelalter angehörenden Bauten. Seine Aussprache darüber und die Art der Reisedarstellung in dem damals geführten an seinen Vormund Valentin Rose gerichteten Tagebuch, wie die mit eminenter Sicherheit entworfenen Zeichnungen der Jahre 1803–5 bestätigen dies.

Gerade aus seinen malerischen Vorübungen fand er Gelegenheit, in der nächsten Folgezeit Nutzen zu ziehen. Denn nach seiner Rückkehr nach Berlin im J. 1805 war bei den kriegerischen Zuständen in Preußen für eine öffentliche Kunstthätigkeit und besonders für die Baukunst kein Raum übrig. Sch. widmete sich denn auch die nächsten elf Jahre fast ganz der Malerei, die ihn und den seit seiner Verheirathung 1809 gegründeten Haushalt ernähren mußte. Eine Fülle von Gemälden entstand in dieser Zeit, von denen nur einige hier Erwähnung finden können. So der nachmals untergegangene Cyklus der perspectivisch-optischen Bilder für die Weihnachtsausstellungen des Decorationsmalers Karl Gropius. Mit Leimfarben auf Tapetenpapier gemalt, „entrollten sie“, wie Fontane erzählt, „aus allen Theilen der Welt das Schönste und Interessanteste vor den staunenden Augen seiner Landsleute: Ansichten von Constantinopel, Nilgegenden, Kapstadt, Palermo, Taormina mit dem Aetna, Vesuv, Peterskirche, Engelsburg, Kapitol, Mailänder Dom, Chamounithal, Markusplatz, Brand von Moskau, Leipziger Schlacht, Elba, St. Helena.“ Ferner die für das kleinere Gropius’sche Theater gemalten „Sieben Wunder der alten Welt“, die 1812 entworfen, heute nur noch theilweise in Skizzen erhalten, unter anderen den Dianentempel zu Ephesus, das ägyptische Labyrinth mit der Sphinxallee, den Zeustempel zu Olympia darstellten, denen sich die Restaurationen des Kölner Doms, Straßburger Münsters und des Schlosses Marienburg anreihten. Die Richtung dieser Malereien kennzeichnet sich schon durch die Wahl des stofflichen Inhalts. Von Staffeleibildern Schinkel’s, deren Anzahl, die späteren mitgerechnet, gleichfalls eine sehr große ist, besitzt die kgl. Nationalgalerie zu Berlin 17, theils Originale, theils Copien von Ahlborn und von Bonte. Sie gewähren, nimmt man die landschaftlichen [20] Zeichnungen des Schinkelmuseums hinzu, einen guten Einblick in die Art des malerischen Talentes Schinkel’s. Es handelt sich weniger um den Ausdruck einer eigentlich malerischen Empfindungesweise, für die sich die Erscheinung als eine Summe von Licht- und Farbenreizen darstellt, sondern um die durch die Mittel der Malerei wiedergegebenen Visionen eines Architekten. Nichts ist unabhängiger von historischen Bedingungen, als malerisches Genie. Eine Schule wirkt auf das Genie nur modificirend, nie bestimmend, wie auf das Talent ein. Schinkel’s Malerei ist vollkommen zeitlich bestimmt, und vergleicht man mit ihm seinen Landsmann und Zeitgenossen Karl Blechen, so spürt man im Gegensatz zu der in geebneten Bahnen schreitenden malerischen Kunst Schinkel’s hier sofort die originale traditionslose Wucht eines durchaus malerischen Genies. Es soll mit dieser Erörterung nur der Meinung Waagen’s und nach ihm Fontane’s und Anderer widersprochen werden, daß Sch. „einer der bedeutendsten Landschafter aller Zeiten geworden wäre, wenn er die Technik der Alten besessen und seine ganze Kraft diesem Fache zugewendet hätte“. Das Zeichen des Genies ist es eben, daß es sich die Ausdrucksmöglichkeiten erringt und schafft, die seinem Wesen entsprechen, eine Thatsache, die sich in dem architektonisch gerichteten künstlerischen Naturell Schinkel’s gleichfalls beweist. Die Malerei Schinkel’s bewegt sich jedoch in einer nie kühnen, nie Neues wagenden, stets correcten, liebenswürdigen Weise und erinnert entfernt, in der staffagenartigen Anordnung der Figuren auf seinen Landschaften an Lorrain und ähnliche. Eine gewisse scharfe Klarheit des Blicks, die seiner Zeichenkunst zu Gute kommt, drängt an sich von allen impressionistisch gewandten Vorbildern ab. Im ganzen steht man einer stofflich reichen Phantasie, aber einem nicht originalen Ausdruck gegenüber. Ein feiner Geschmack bekundet sich in seinen Theaterdecorationen; sie waren mehreren Generationen vorbildlich und sind noch heute, wo die Bestrebungen der Neuzeit auf diesem Gebiet keinen Anklang finden können, im Gebrauch. 1809 besuchte Königin Luise die bereits erwähnte Ausstellung des perspectivisch-optischen Cyklus und ließ sich von Sch. während der auf den Inhalt der Gemälde abgestimmten Musik eines Vocalquartetts persönlich seine Bilder erklären. Mit dieser Begegnung begann die für Schinkel’s Laufbahn folgenreiche Annäherung an den Hof. Nach einigen ihm übertragenen Umänderungen im kgl. Palais wurde er vom Minister Hardenberg (März 1810) als Assessor für das ästhetische Fach in die Oberbaudeputation berufen, ein Schritt, mit dem sein Staatsdienst und bald die äußerste Anspannung und Entfaltung seiner Kräfte, die für die Architekturgeschichte wesentliche Epoche seiner Wirksamkeit ihren Anfang nimmt. Er erreichte im Laufe der nächsten 28 Jahre die höchste staatliche Stellung auf seinem Gebiet, indem er 1811 zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin, 1815 zum Geheimen Oberbaurath, 1819 zum Mitglied der technischen Deputation im Ministerium für Handel, Gewerbe und Baukunst und Mitglied des Senats der Akademie, 1830 zum Oberbaudirector, 1838 schließlich zum Oberlandesbaudirecior avancirte.

1820 besuchte Sch. Goethe, der sich über den Eindruck dieser Begegnung in fast begeisterter Weise äußert: „Herr Geheimer Rath Schinkel machte mich mit den Absichten seines Theaterbaues bekannt und wies zugleich unschätzbare landschaftliche Federzeichnungen vor, die er auf einer Reise ins Tirol gewonnen hatte. Die Herren Tieck und Rauch modellirten meine Büste, ersterer zugleich ein Profil von Freund Knebel. Eine lebhafte, ja leidenschaftliche Kunstunterhaltung ergab sich dabei, und ich durfte diese Tage unter die schönsten des Jahres rechnen. Die Freunde begaben sich nach Weimar, wohin ich ihnen folgte und die angenehmsten Stunden wiederholt genoß. Es hatte sich in den [21] wenigen Tagen soviel Productives – Anlage und Ausführung, Plane und Vorbereitung, Belehrendes und Ergötzliches – zusammengedrängt, daß die Erinnerung daran immer wieder neubelebend sich erweisen mußte.“ Damals auch entwarf Sch. die Skizze für die Säle der Jenaschen Bibliothek.

1824 unternahm Sch. noch einmal eine Reise nach Italien. Sein Reisetagebuch läßt gegen das erste die inzwischen gereifte Anschauungsweise und geläuterte Urtheilsfähigkeit in allen künstlerischen Dingen erkennen. Eine Reise nach Paris, England und Schottland 1826, veranlaßt durch den Auftrag zu seinem größten Werk, dem Berliner Museum, war seine letzte größere Kunstreise. Er änderte seinen Aufenthalt seit 1832 nur noch, um seine bereits wankende Gesundheit in Marienbad, Kissingen und Karlsbad aufzufrischen. 1839 kehrte er von Kissingen schon in einem Zustande der Erschöpfung zurück. Das letzte Jahr seines Lebens wurde neben seiner zunehmenden Krankheit noch getrübt durch seine letzte Begegnung mit Friedrich Wilhelm IV., der eben auf den Thron gestiegen, ehedem als Kronprinz Schinkel’s bester Freund, ihn nicht gerade gnädig empfing. Fontane berichtet anknüpfend an die häufigen Vereitelungen seiner schon sorgsam ausgearbeiteten Pläne, über das Verhältniß Schinkel’s zu seinem königlichen Gönner: „In solchen Momenten war ihm der kunstsinnige Kronprinz ein Trost und eine Erhebung. ‚Kopf oben, Sch.; wir wollen einst zusammen bauen‘, das war die Zauberformel, vor der alle Trübsal schwand … Ob das Einvernehmen dasselbe geblieben wäre, wenn Sch. die Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s IV. um mehr als wenige Monate überlebt hätte, steht dahin. Fast möchten wir es bezweifeln. Der König war eben König, und Schinkel, wenn auch im letzten nachgiebig, war doch sehr fest in seinen Kunstprincipien. Die einzige Begegnung, die sie noch hatten, verlief nicht gnädig. Sch., wenige Tage nach der Thronbesteigung bereits zum Könige berufen, war nicht da (er war ohne Urlaub nach Ruppin gereist). Als er erschien, wurde er mit den Worten empfangen: ‚Sie haben sich wohl vor dem Kanonendonner gefürchtet, der meinem Volke meine Thronbesteigung verkündete.‘ – Gewiß wäre Alles wieder eingeklungen; aber, wie immer auch, der König war eben – der Kronprinz nicht mehr.“

Am 7. September 1840 bemächtigte sich seiner eine allgemeine Apathie, am folgenden Tage erblindete er auf einem Auge, am 9. September verlor er nach einem Aderlaß das Bewußtsein, ein Zustand, der wenige kurze lichtere Augenblicke ausgenommen, in Abständen von Krämpfen begleitet, bis zu seinem Tode andauerte. Dieser trat erst nach mehr als einem Jahr am 9. October 1841 als Folge der theilweisen Verkalkung und Erweichung der Gehirnmaterie ein. Sch. wurde im Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin begraben und ihm ein nach eigenen früheren Entwürfen für ein Monument gefertigtes Denkmal gesetzt mit der Inschrift:

Was vom Himmel stammt, was uns zum Himmel hebt,
Ist für den Tod zu groß, ist für die Erde zu rein.

In der Architekturgeschichte Deutschlands seit dem Absterben der Gothik und dem Eindringen der Renaissance nimmt Sch. den bedeutendsten Rang ein. Die Originalität seines Geistes kennzeichnet sich darin, daß er als Wissender des eklektischen neunzehnten Jahrhunderts ohne Vereinseitigung sich das vorbildliche Alterthum mit derselben Frische dienstbar machte wie einst die durch minderes historisches Bewußtsein an Ursprünglichkeit kräftigere Renaissance. Er bekennt sich letzten Endes zu einer Renaissance der griechischen Antike, und dies nicht aus liebhaberischem Archaismus, sondern aus der Einsicht, daß für ihn keine andere Formenwelt sich ergiebig erweisen wollte. Es kann nur [22] sympathisch berühren, daß er sich trotzdem nie hartnäckig irgend einer Erscheinung auf seinem Gebiete verschloß und sich auch auf Wege begab, die für ihn unfruchtbar blieben. Wie er das Gothische von allen Seiten sich unterthänig machen will, wie er es schließlich vergewaltigt, es dann als steril für eine Weiterentwicklung bei Seite legt, beweist die Kraft und die große von jeder Engherzigkeit freie Natur eines nie müden Suchers. Die harmonische Vollkraft seines Könnens jedoch offenbart sich in den Werken, seien es Projecte oder ausgeführte Bauten, die den Stempel des ihm näher liegenden rein griechischen Stils tragen.

Aus der Unzahl alltäglicher Erledigungen baulicher Obliegenheiten, die mit einer öffentlichen Stellung, wie sie Sch. bekleidete, verbunden sind, von den vielen ausgeführten Bauten und Projecten können hier nur die bedeutendsten, den Schinkel’schen Geist besonders charakterisirenden Werke hervorgehoben werden. Schinkel’s Meisterwerk ist das Museum zu Berlin (erbaut 1824–28). Auf einem Unterbau mit einem großartigen Treppenaufgang erhebt sich, von zwei correspondirenden Wandpfeilern eingefaßt, eine Halle von 18 mächtigen ionischen Säulen. Der tiefgehende Eindruck des Baues, der durch die wohlgestaltete Façadengliederung ebenso großartig bewegt wie massiv zusammengeschlossen erscheint, geht von diesen hohen einfachen Säulenstämmen aus, die dem Ganzen einen wuchtigen Ernst und eine herbe Würde verleihen. Von der großen Anzahl der Innenräume, für deren detaillirteste Ausschmückung Sch. noch bis in die letzten Jahre seines Lebens besorgt war, kann hier nur noch die schöne Rotunde gleich hinter dem Entrée genannt werden, die mit ihrem weihevollen Raum und gedämpftem Oberlicht geeignet ist, jeden Besucher zunächst vom Alltagsgeräusch zu befreien und ihn auf den Empfang höherer Eindrücke vorzubereiten. Die häßlichen verunzierenden rostrothen Fresken an den Wänden der äußeren Halle gehören nur im Entwurf und in der Idee Sch. an, verleugnen aber in der schlechten Ausführung die zu Grunde liegende Autorschaft gänzlich. Für das Museum wie für die meisten größeren Bauten mußte sich Sch. erst den Grund und Boden schaffen. Vergrößert dieser Umstand zwar die Mühe und Rücksichtnahme auf äußere Verhältnisse um Beträchtliches, so gestattet er auf der anderen Seite eine freiere Entfaltung des Baugedankens, indem das neu geschaffene Areal mit seiner intendirten Baumasse nach dem Willen des Architekten in landschaftliche Wechselwirkung gebracht werden kann. So gipfelte auch Schinkel’s künstlerischer Traum für Berlin in einem Stadtbild, das mit der zunehmenden Einwohnerzahl und den steigenden Erfordernissen des Industrie- und Maschinenzeitalters eine gedrängtere ökonomische Raumausnutzung erheischend sich leider bald im Gegensatz zur Wirklichkeit befand. Hermann Grimm hat in reizvoller Weise dieses ideale Stadtbild aus den Schinkel’schen Projecten dargestellt. Ein verwirklichter Theil desselben ist die ganze Anlage der Museumsinsel mit der Ableitung eines Spreearmes. Würde sie nicht durch die aufdringliche unbewegliche Masse des neuen Dombaues, der an die Stelle des alten nicht schönen aber dafür bescheideneren Domes getreten ist, ruinirt werden, so würde sie noch heute unverwischt den Stempel des Meisters tragen. Die Attractionskraft des Museums selbst ist eigentlich durch den neuen Dom noch gewachsen, indem diese an sich höhere Thurmbaumasse durch die großartig schlichte Macht der Museumsfaçade erdrückt wird.

Von den übrigen ausgeführten Werken können hier nur noch kurze Erwähnung finden: die Façade eines Hauses in der Friedrichstraße in Berlin (1803), Einrichtung des Festsaales im Palais des Prinzen August von Preußen (1816), die Hauptwache in Berlin (1816–1818, im dorischen Stil), das kgl. [23] Schauspielhaus in Berlin (1818–1821, mit einem schönen Concertsaal), das gußeiserne Monument auf dem Kreuzberge zu Berlin, als Denkmal für die Befreiungskriege (gothisch, nach dem bescheidensten der Projecte 1818 ausgeführt), der Durchgang unter den Linden zu Berlin nach der neuen Wilhelmsstraße (1819), das Scharnhorst-Denkmal auf dem Invalidenfriedhof zu Berlin (von Tieck und Rauch ausgeführt), das Denkmal für den Prinzen Louis Ferdinand von Preußen bei Saalfeld (von Tieck modellirt), das Haus des Ofenfabrikanten Feilner in Berlin, die Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin (1822, jetzt abgerissen), das Schlößchen Tegel bei Berlin für Wilhelm v. Humboldt (1822–1824), das Jagdschloß Antonin bei Ostrowo für den Fürsten Radziwill (1822), das Potsdamer Thor zu Berlin (1823; die beiden Wachthäuschen, die noch stehen, werden gegenwärtig als Postbureaus verwendet), das Landhaus des Bankiers Behrend in Charlottenburg (1823), der Trinkbrunnen auf dem Friedrich-Wilhelms-Platz in Aachen (1823), das Casino in Potsdam (1823–1824), die Schloßbrücke zu Berlin (1824, mit ihrem schönen Delphingeländer, auch die Idee der erst später ausgeführten Statuengruppen auf den Postamenten stammt von Sch.), der Casinoumbau in der Villa des Prinzen Karl von Preußen zu Glienicke bei Potsdam 1824–1825), das Gesellschaftshaus im Friedrich-Wilhelms-Garten bei Magdeburg (1825), Decoration in den Wohnräumen des damaligen Kronprinzen (nachmals Friedrich Wilhelm IV.) im kgl. Schloß zu Berlin (1825–1826), das Stadttheater zu Hamburg (1826), Umbau des Wohnhauses in der Villa Glienicke (1826), der Springbrunnen im Lustgarten zu Berlin (1826), Umbau des Palais des Prinzen Albrecht von Preußen in der Wilhelmsstraße zu Berlin (1829–1830), der broncene Brunnen im Hofe des kgl. Gewerbeinstituts in Berlin (von Kiß ausgeführt, 1829), das Grabmal Friedrich Delbrück’s in Zeitz (1831), die Bauakademie in Berlin (1831–1835), das Cavalierhaus auf der Pfaueninsel bei Potsdam, die Brücke zu Glienicke bei Potsdam (1831), die Villa Charlottenhof für Friedrich Wilhelm IV. (1831 begonnen, von Schinkel’s Schülern Persius und Strack nach seinem ersten Entwurf mit wesentlichen Modificationen gebaut), die Hauptwache in Dresden (1831–1833), der neue Packhof in Berlin (1832), das Palais des Grafen Redern unter den Linden in Berlin (1832–1833, in altflorentinischem Palaststil), das Gärtnerhaus in Charlottenhof bei Potsdam (1833), das Denkmal für Niebuhr in Bonn (1834), das Hermbstaedt-Denkmal in Berlin (1834), die Sternwarte am Encke-Platz in Berlin (1835), die gothische Capelle in Peterhof bei Petersburg, Schloß Babelsberg bei Potsdam (1835, ausgeführt 1844 von Persius, fortgesetzt durch Strack, theilweise vollkommen abweichend von dem Project Schinkel’s), das Monument des Lysikrates bei der Villa Glienicke (1836), das Rathhaus in Zittau, das Schloß des Grafen Potocki zu Krzeskowice, das Schloß Kurnick des Grafen Dzialinski in Posen, Schloß Kamenz bei Frankenstein in Schlesien (1838, von Martius mit Veränderungen ausgeführt), das Monument vor dem Adalbert-Thor in Aachen (1841–1842), Burg Stolzenfels am Rhein (erst von Stüler verändert gebaut), das Rathhaus zu Colberg, das Oberlandesgerichtsgebäude in Ratibor, die Gymnasien zu Düsseldorf und Danzig, das Anatomiegebäude in Bonn, der Leuchthurm zu Arcona, die Restaurirung des Ordensritterschlosses zu Marienburg, die Leitung der Kölner Dombaurestaurirung.

Im Kirchenbau erstrebte Sch. eine Umgestaltung des katholischen Kirchentypus nach den Erfordernissen des evangelischen und protestantischen Gottesdienstes, in dem die Predigt den Mittelpunkt einnimmt. Es sind hier zu nennen: die in ihrer mißrathenen Gothik nicht angenehme Werderkirche in Berlin (1825–1828), daselbst die St. Johanniskirche in Moabit (1835), die [24] Paulskirche auf dem Gesundbrunnen (1835), die Nazarethkirche auf dem Wedding (1835), die Elisabethkirche in der Invalidenstraße (1835), die Nikolaikirche in Potsdam (1830–1837), fünf Entwürfe für eine Kirche in der Oranienburger Vorstadt, das Project der Gertraudenkirche am Spittelmarkt, der Entwurf zu einem großen Dom als Denkmal für die Befreiungskriege, die kleine Kirche für den Kreis Malmedy, die Kirche in Straupitz, der Umbau der St. Johanniskirche in Zittau, die Altstädterkirche in Königsberg (vollendet 1845). Lübke nennt Sch. den Begründer des evangelischen Kirchenbaues. Dies ist insofern richtig, als Sch. zum ersten Male centrale Anordnung der Kanzel im Kirchenraum, der demgemäß als ein Auditorium für die Hörer der Predigt behandelt werden sollte, verlangt; und ist also insofern falsch, als diese Idee natürlicherweise bei allen Orthodoxen und Streng-Conservativen auf hartnäckigen Widerstand stieß und leider nie wieder einen Nachfolger fand. Zudem führte trotz allem Eifer, den Sch. auch hier als Suchender bethätigte, sein Tasten zwischen den für den erstrebten Kirchentyp anzuwendenden Formen nicht recht zu einem Ende. Denn der rein griechische Stil stand den christlich unweltlichen Zwecken zu fern und der gothische Stil stand der künstlerischen Sympathie Schinkel’s zu fern. So blieb es denn bei Versuchen, die allerdings in der Fülle der Ideen und Einfälle ihren baukünstlerischen und baugeschichtlichen Werth behalten. Angesichts der ehemaligen Bauakademie in Berlin verdient besondere Erwähnung Schinkel’s meisterliche Behandlung des Backsteinbaues, dessen Material nach seinem Charakter und seinen decorativen Möglichkeiten hier selten klug ausgenutzt und künstlerisch verwerthet wurde.

Wie hierin, so ging eine neue belebende Wirkung auch auf kunstgewerblichem Gebiet von Sch. aus. Denselben beherrschenden Einfluß, den der Wiener Maler Makart auf das zeitgenössische Kunstgewerbe ausübte, hatte Sch. auf die künstlerische Industrie und das künstlerische Handwerk seiner Tage. „Gab es eine neue Spontini’sche Oper, wer anders“, sagt Fontane, „als Schinkel konnte die Decorationen, gab es ein fürstliches Begräbniß, wer anders als Schinkel konnte die Zeichnung zu Monument oder Grabstein entwerfen? Das ganze Kunsthandwerk – dieser wichtige Zweig modernen Lebens – ging unter seinem Einfluß einer Reform, einem mächtigen Aufschwung entgegen. Die Tischler und Holzschneider schnitzten nach Schinkel’schen Mustern, Fayence und Porzellan wurden nach Sch. gewebt. Das Kleinste und das Größte nahm edlere Formen an: der altväterische Ofen, bis dahin ein Ungeheuer, wurde zu einem Ornament, die Eisengitter hörten auf, eine bloße Anzahl von Stangen und Stäben zu sein, man trank aus Schinkel’schen Gläsern und Pokalen, man ließ seine Bilder in Schinkel’sche Rahmen fassen und die Grabkreuze der Todten waren Schinkel’schen Mustern entlehnt.“ Und Wolzogen ergänzt dies Bild: „Die Berliner Damen aber konnten fortan kaum ein Vielliebchen mehr verlieren, ohne dem immer zur Aushülfe bereiten und immer mißbrauchten, von Arbeit fast erdrückten Künstler eine Zeichnung für ein Nähtischchen, ein Schmuckkästchen, eine Tischplatte, eine Fußbank, einen Garten- oder Blumentisch, ein Postament oder eine Vase, ja selbst für Armbänder und anderen Schmuck abzuquälen. Fast alle Gemälderahmen im alten Berliner Museum sind nach Schinkel’schen Entwürfen ausgeführt worden; für seinen Freund Beuth hat er selbst zu einem prosaischen Actentisch die Zeichnung geliefert.“

Nach Schinkel’s Tode wurde seinem künstlerischen Nachlaß in der ehemaligen kgl. Bauschule zu Berlin ein Museum eingerichtet, dessen Sammlung durch staatlichen Ankauf, durch Schenkungen Friedrich Wilhelm’s IV. und mehrerer Privatpersonen, Beuth’s und Karl Gropius’, durch Einverleibung der Schinkel’schen Zeichnungen, aus dem Besitz des kgl. Gewerbeinstituts und [25] des Archivs der ehemaligen Oberbaudeputation zu Stande kam. Als Beuth 1853 starb, wurde auch dessen Nachlaß dem Museum einverleibt. Unter dem Namen „Beuth-Schinkel-Museum“ befand sich die Sammlung in den Räumen der Bauschule, die ehedem Sch. als Arbeits- und Empfangszimmer gedient hatten. Seit die Function dieser Bauakademie 1884 aufhörte und das neue Polytechnikum in Charlottenburg ihr Amt mit übernahm, siedelte auch das Beuth-Schinkel-Museum dorthin über, wo es sich gegenwärttg noch befindet. Das Schinkel-Museum umfaßt 55 Mappen mit mehr als 3000 Blättern. Man gewinnt aus ihnen die Erkenntniß, daß sich ein richtiges Bild von dem enormen Schaffen dieses Mannes nur aus ihnen selbst ergibt. Zum größten Theil sind die fertig vor Augen stehenden Werke Schinkel’s nur verkümmerte, häufig sogar ganz unähnliche Abbilder seiner künstlerischen Phantasie, trotzdem dieselbe durchaus von realen Möglichkeiten ausging. Einen Einblick in das wirklich Schöpferische seiner Natur gewährt darum nur die Entstehungsgeschichte seiner Werke, von denen fast regelmäßig der kräftige Wurf ursprünglicher Conception eines sparsamen Königs und einer geldarmen Zeit wegen verwässert werden mußte. Die Mappen des Schinkel-Museums gestatten nun die denkbar beste Vertiefung in das gesammte Oeuvre Schinkel’s nach jeder Richtung hin. Namentlich eben die unausgeführten Projecte kann man hier besonders und in ihrer directen geistigen Wirkung genießen. Von ihnen müssen an dieser Stelle außer den bereits oben erwähnten noch die Folgenden hervorgehoben werden. Ein architektonisches Lehrbuch, auf 150 Platten mit begleitendem Text berechnet, sollte, wie sich Sch. selbst äußert, „den Versuch machen, in der Mannichfaltigkeit der Erscheinungen dieser vielfältig und verschiedenartig behandelten Kunst, besonders was den Stil betrifft, die Gesetze festzustellen, nach welchen die Formen und Verhältnisse, die sich im Verlaufe der Kunstentwicklung gestalteten und außerdem jedes nothwendig werdende Neue in dieser Beziehung bei den vorkommenden Aufgaben der Zeit eine vernunftgemäße Anwendung finden können.“ Er schlägt darin eine praktisch-concrete Methode ein, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Leben bewahrt. Dem ganzen Werk wird eine praktische Aufgabe, der Bau einer idealen Residenz, zu Grunde gelegt. Jede Gattung architektonischen Bedürfnisses findet natürlich darin ihren Platz und bietet sich somit die Gelegenheit, die didactische Absicht des Autors zu erfüllen, ohne dem Schüler trotz einer klaren und bestimmten Wegweisung die Freiheit seiner Erfindung durch starre Theorien zu beschneiden. Historisches, Aesthetisches, Technisches, Materielles fließen dabei zusammen und ergänzen sich zu einer allseitigen productiven Anleitung des Lernenden. Jedenfalls ein großes originelles Project, das jedoch nicht über die Vorarbeiten auf 463 Blättern gedieh.

Unausgeführt ferner blieben die Entwürfe zu einem großartigen Königspalast auf der Akropolis von Athen und die 1838 bereits bis ins kleinste, bis auf die ornamentalen Details der Innenräume farbig ausgearbeiteten wundervollen Pläne zu einem kaiserlichen Schloß auf der Krim. Die Letzteren machen einen so realen Eindruck, daß der Glaube erweckt wird, sie seien von einem fertigen Bau abgenommen. Daran reihen sich an die Projecte für das Mausoleum der Königin Luise, der Brunnen auf dem Schloßplatz in Berlin, das Luther-Denkmal in Wittenberg, das Hermanns-Denkmal, die Singakademie in Berlin, das Landschloß des Fürsten Ludwig von Sayn-Wittgenstein bei Wilna, das Tuscum und Laurentinum für den Kronprinzen, die Kuppel der kgl. Schloßcapelle in Berlin. Manche dieser Projecte wurden bei einer späteren Ausführung mit benutzt, keines aber so entstellt realisirt, wie die erwähnte Singakademie.

Eine längst vergessene kleine Federzeichnung Schinkel’s fand erst kürzlich [26] durch die Gedenkschrift des Architekten Max Littmann bei Gelegenheit der Eröffnung des Charlottenburger Schiller-Theaters eine Würdigung, die Sch. als den eigentlichen stillen Urheber des erst viel später von Richard Wagner mit besserem Erfolge proclamirten logenfreien Amphitheaters hinstellt. Wie sich von Sch. diese Idee über Gottfried Semper und Wagner auf die Gegenwart forterbte, ist in genannter Schrift ebenso klar wie interessant zum ersten Male niedergelegt. Es setzt geradezu in Erstaunen, heute eine Aeußerung Schinkel’s zu lesen, die ungehört an den Ohren seiner Zeitgenossen vorüberging und deren Verwirklichung die Bühnenreform der Gegenwart nebst der amphitheatralischen Anordnung als eine ihrer werthvollsten Errungenschaften betrachtet, die Tieflegung des Orchesters: „Die Senkung des Orchesters um zwei Fuß tiefer ist für die Wirkung der Musik von größtem Nutzen; die einzelnen Instrumente schmelzen durch den eingeschlossenen Raum, in dem sie sich zusammenfinden, mehr zusammen und kommen als eine vollständige Harmonie heraus (wie die Erfahrung in den großen Kirchen Italiens lehrt, in welchen bei Kirchenmusiken das Orchester fast in ein Kastengerüst eingebaut ist, das nur von einer Seite eine Oeffnung hat, um die Stimmen der Instrumente concentrirt herauszulassen, die ohne diese Einrichtung sich in dem weiten Raume kraftlos und ohne Zusammenhang verlieren würden). Vorzüglich wird der Gesang auf der Scene mehr dominiren, der jetzt sehr häufig durch das Uebertönen des näherliegenden Orchesters ganz verdeckt wird. Auch würden die vor der Scene arbeitenden Musiker nicht so stören, sondern ein sehr vortheilhaft trennender Raum wird zwischen Publicum und Theater dadurch gebildet.“

Nichts vermag das Bild dieses ernsten Künstlers nach der ethischen Seite seines Berufes hin wohl besser zu ergänzen, als seine eigenen Worte: „Nur das Kunstwerk, welches edle Kräfte gekostet hat und dem man das höchste Streben des Menschen, eine edle Aufopferung der edelsten Kräfte, ansieht, hat ein wahres Interesse und erbaut. Wo man sieht, daß es dem Meister zu leicht geworden, daß er nichts neues erstrebt hat, sondern sich auf seine Fertigkeiten und angeübte Kunst verließ, und wo es ihm unbewußt doch gelungen ist, seine bekannte Formenschönheit auszukramen, da fängt schon das Langweilige seiner Gattung an, und solche Werke, so hoch sie auch stehen mögen, sind doch seiner nicht ganz würdig, weil er der Welt etwas Höheres hätte erringen können.“ Und nichts vermag die Ansprüche, die er an seine eigene Kraft stellte, wohl besser zu vergegenwärtigen, als sein eigenes Bekenntniß: „Zum vollkommnen Zustand gehört reelle Lebendigkeit, Regsamkeit. Phlegma, sei es körperlich, sei es geistig, ist ein sündhafter Zustand für den, welcher in Zeiten der Bildung lebt, ein thierischer für den, der in Zeiten der Barbarei lebt. Ueberall ist man nur da lebendig, wo man Neues schafft; überall, wo man sich ganz sicher fühlt, hat der Zustand schon etwas Verdächtiges; denn da weiß man etwas gewiß; also etwas, was schon da ist, wird nur gehandhabt, wird wiederholt angewendet. Dies ist schon eine halbtodte Lebendigkeit.“ – Er trifft mit diesen Worten den Kern seines Wesens, das energischste Ausleben aller geistigen Kräfte, bei dem die Eigenschaften der Persönlichkeit in ihrer Fülle und charakteristischen Wirkung zu Tage treten und das Bild eines der thätigsten und schöpferischsten Menschen geben.

Sch. erhielt als Auszeichnungen: den kgl. preußischen Rothen Adlerorden III. Classe (1821), denselben mit der Schleife (1833), das Ritterkreuz des hannoverschen Guelphenordens (1835), den kgl. preußischen Rothen Adlerorden II. Classe mit Eichenlaub (1836), das Commandeurkreuz des kgl. griechischen Erlöserordens (1836), das Ritterkreuz des großherzoglich sachsen-weimarischen [27] Hausordens der Wachsamkeit oder vom Weißen Falken (1838), das Ritterkreuz des herzoglich sachsen-ernestinischen Hausordens (1838), das Ritterkreuz des königl. schwedischen Nordsternordens (1839), das Commandeurkreuz des königl. dänischen Danebrogordens (1840).

Er wurde ferner geehrt mit der Ernennung zum ordentlichen Mitglied der kgl. preußischen Akademie der bildenden Künste zu Berlin (1811), Ehrenmitglied des kgl. bairischen polytechnischen Vereins (1819), Professor der Baukunst und Mitglied des Senats der Berliner Akademie der Künste (1820), Associé étranger de l’Académie royale des beaux-arts de l’Institut de France (1824), Ehrenmitglied der Akademie der Künste in Kopenhagen (1824), Mitglied des Kunst-und Handwerkervereins in Altenburg (1824), Corrispondente dell’accademia di S. Lucia in Rom nella classe di architettura (1825), Ehrenmitglied des Vereins zur Beförderung der Landesverschönerung in Berlin (1828), Ehrenmitglied des thüringisch-sächsischen Vereins zur Erforschung vaterländischer Alterthümer und Erhaltung der Denkmale (1828), Ehrenmitglied der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Alterthümer in Leipzig (1834), Ehrenmitglied der Académie des beaux-arts in St. Peterburg (dans l’art de décoration théatrale) 1834, Correspondent und Ehrenmitglied des Institute of British Architects in London (1835), Mitglied des Vereins zur Verschönerung Neu-Ruppins und Umgebung (1835), Ehrenmitglied der Akademie der vereinigten bildenden Künste in Wien (1836), Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste in St. Petersburg (1836).

Sch. selbst betheiligte sich an folgenden Werken mit namhaften Beiträgen: Verzierungen aus dem Alterthum, herausgegeben von G. F. Bußler. Potsdam und Berlin 1806 u. 1807. Im ganzen 21 Hefte. Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker, herausgegeben von der kgl. technischen Deputation für Gewerbe in Berlin. 1821–1837. (Enthält zwei Aufsätze Schinkel’s „Ueber architektonische Glieder“ und „Ueber die Säulenordnungen“.) Ansicht der Stadt Köln, gezeichnet von Sch., für das Prachtwerk von Sulpiz Boisserée über den Kölner Dom (1823–1831). A. F. v. Quast, Mittheilungen über Alt- und Neu-Athen. Berlin 1834. Die Entstehung der Malerei nach Schinkel, gestochen von J. C. Thäter für die Historie de l’art moderne en Allemagne (Paris 1836–1842; deutsch von F. H. v. d. Hagen. Berlin 1836–1840) von Graf A. Raczynski. Geiß, Zinkgußornamente nach Zeichnungen von Schinkel. Berlin 1841–1852. Ornamente aus der Fabrik Ernst March, nach Zeichnungen von Schinkel. Berlin 1848. Vorlegeblätter zum malerischen Architekturzeichnen für Bau- und Kunstakademien, Gewerbeinstitute und technische Anstalten u. s. w., von Karl Gräb (I. Liefrg., Blatt 1–3 nach Sch.). Potsdam. Gräb, Album vom Schloß Babelsberg. Potsdam. Ausgeführte städtische Wohngebäude in Berlin. Architektonisches Album, redigirt vom Architektenverein in Berlin durch Stüler, Knoblauch, Strauch. (Erste Ausgabe 1841.) Architektonisches Skizzenbuch. Eine Sammlung von Landhäusern, Villen, ländlichen Gebäuden, Gartenhäusern, Verzierungen, städtischen Wohngebäuden u. s. w. (Berlin). Vorlegeblätter für Maurer. Herausgegeben von der technischen Deputation für Gewerbe in Berlin. Letzte Ausgabe 1857. Berlin 1827, 1830, 1841.

Ueber Sch. erschienen nebst den vielen Artikeln in den Lexika u. s. w. folgende namhaften Abhandlungen:

Dr. A. Paetsch, Schinkels letzte Krankheit und Leichenbefund. Berlin 1841. (Auch in Casper’s Wochenschrift für die gesammte Heilkunde Nr. 49.) – Wilhelm Stier, Gedächtnißrede u. s. w., am Grabe gesprochen. Berlin, October 1841. – Franz Kugler, C. F. Schinkel. Eine Charakteristik seiner [28] künstlerischen Wirksamkeit. Berlin 1842. – Gruppe, C. F. Schinkel und der neue Berliner Dom. Berlin 1843. – Dr. G. F. Waagen, C. F. Schinkel als Mensch und als Künstler. Berliner Kalender 1844. Herausgegeben von der kgl. preußischen Kalenderdeputation zu Berlin. – Waagen, Einige Ausführungen Schinkel’s über Leben, Bildung und Kunst. Vortrag. Berlin 1846. – C. Bötticher, C. F. Schinkel und sein baukünstlerisches Vermächtniß. Eine Mahnung an seine Nachfolger in der Zeit, u. s. w. Berlin 1857. – E. Knoblauch, Vortrag gehalten am Schinkelfest. Berlin 1857. – W. Lübke, Schinkel’s Verhältniß zum Kirchenbau. Festrede. Berlin 1860. – Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Berlin 1862 und 1863. – Alfred Freiherr v. Wolzogen, Aus Schinkel’s Nachlaß. Reisetagebücher, Briefe und Aphorismen. Berlin 1862. – A. Freiherr v. Wolzogen, Schinkel als Architekt, Maler und Kunstphilosoph. Berlin 1864. – A. F. v. Quast, C. F. Schinkel. Vortrag. Berlin 1866. – Herm. Grimm, Schinkel als Architekt der Stadt Berlin. Rede zum fünfzigsten Jubelfeste des Architektenvereins zu Berlin. (Bd. XXXIII d. Preuß. Jahrb., März 1867. Auch im Separatdruck erschienen.) – Max Littmann, Das Charlottenburger Schiller-Theater. Dem Andenken Carl Friedrich Schinkel’s und Gottfried Semper’s. Berlin 1906. – Eine Aufzählung der Porträts und sonstigen bildlichen Darstellungen von Schinkel’s Person findet man in der oben erwähnten Edition des Nachlasses Schinkel’s durch A. v. Wolzogen im 7. Bande, S. 357–359.