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ADB:Schlaginhaufen, Johannes

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Artikel „Schlaginhaufen, Johannes“ von Franz Kindscher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 329–336, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlaginhaufen,_Johannes&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 11:10 Uhr UTC)
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Schlaginhaufen: Johannes S., Superattendent zu Köthen im Fürstenthum Anhalt, † um 1560. Herkunft und Geburtsjahr sind noch unbekannt. Er wird aber im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts geboren sein, weil vor Ostern 1536 Luther, der auch damals sich alt fühlt und nennt, von ihm sagt, er gehe nun zu den Jahren. Mit gleichem Ruf- und Familiennamen, der auch Schlachinhaufen (so in der eigenhändigen Unterschrift unseres Köthner’s in Schmalkalden 1537), Schlahenhaufen, Schlainhaufen, Schlahauf geschrieben wird, finden sich im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts mehrere in Universitätskreisen. In Heidelberg wird am 3. Februar 1510 ein J. S. eingeschrieben, aus Wyl in der Diöcese von Speier, also aus Weil dem Dorf oder Weil der Stadt in Württemberg. Dieser J. S. könnte schon etwa 1493 geboren sein. In Erfurt wird ein J. S. aus dem durch Georg Spalatinus bekannten Spalt an der Retzat in Baiern unter dem am 18. October 1517 gewählten 249. Rector Michael Textoris aus Hirsau intitulirt, in Wittenberg am 23. Mai 1520 ein J. S. aus Neunburg in der Diöcese von Regensburg. Wiederum in Wittenberg antwortet „pro bibliis“ am 20. März 1521 ein also schon mit dem Priesteramt betrauter „vir venerabilis“ J. Schlachinhauffen „e Morauia“, wie Luther als präsidirender Decan der theologischen Facultät selbst eingetragen hat. Am 21. März 1521 wird derselbe zum Baccalaureus biblicus promovirt. Bedeutet nun Moravia hier die Heimath oder das Land der bisherigen, eventuell auch spätern Amtsführung? Bedeutet es Mähren oder gar die Gegend jener württembergischen Orte Weilerstadt und Weil das Dorf? Ist erheblich, daß unser S. in der Köthen’schen Kirchenordnung statt Schenke das in Anhalt ungebräuchliche böhmische Kretzmer (Krečma) benutzt? Unser S. war, wie Luther am 9. April 1536 auch von ihm sagt, in frischer Luft erzogen und an solche durch seinen früheren Wohnsitz gewöhnt. Das paßt auf Weil wie auf die Regensburger und manche andere [330] Gegend. Unseres Schlaginhaufen’s Schwiegersohn Johann Oberndorfer war Prediger in Regensburg. Der Familienname S. begegnet in Süddeutschland öfters. Dortige Verwandte können mit unserem Köthner Beziehungen unterhalten haben u. s. w. Man bleibt bei Vermuthungen stehen. Sicher taucht unser S. erst im November 1531 auf und zwar in Luther’s Hause zu Wittenberg. Wenngleich über die erste Hälfte seines Lebens also nichts fest steht und bis jetzt nur vermuthet werden darf, daß er schon in den zwanziger Jahren seine Studien unter Luther, Melanchthon u. s. w. mag vollendet und dann irgendwo als Schullehrer, Caplan, Diakonus, Pfarrer in kirchlichem Dienst oder geistlichem Amt gestanden haben, wo er ohne Zweifel sich so bewährt hat, daß Luther’s und des ganzen evangelischen Freundeskreises von Wittenberg volle Anerkennung und wohlwollende Gesinnung, ja auszeichnender Verkehr und thatkräftige Hilfe nur als das wohl erworbene Ergebniß kernhafter Tüchtigkeit und Verwendbarkeit, pastoralen Geschickes, Verdienstes und Erfolges des Gastes kann angesehen werden, um so erfreulicher ist es, daß wir von seinem fest erwiesenen Auftreten ab innerhalb und an der Wiege der reformatorischen Bewegung von ihm selbst sofort nach dem Erlebniß niedergeschriebene, höchst werthvolle Aufzeichnungen von Luther’s Tischreden, Meinungsäußerungen, Urtheilen und gelegentlichen Aussprüchen verschiedenartigen Charakters überkommen haben, die schon mit dem November 1531 anheben und bis zum September 1532 reichen. Man darf wol annehmen, daß er damals gelegentlich stellvertretend für Luther selbst, der öfters kränkelte, und den noch längere Zeit in Lübeck zurückgehaltenen und erst im April heimgekehrten Bugenhagen zu predigen und sonst zu amtiren hatte. Wenigstens verkehrte er damals ohne Unterbrechung mit Luther. Daß von Wrampelmeyer 1885 herausgegebene, von Dr. Conrad Cordatus geführte Tagebuch über Dr. Martin bis 1537, brachte bereits eine stattliche Reihe von Aufzeichnungen, die sich ausdrücklich an Schlaginhausen’s Namen anknüpften und den von Luther mit ihm geführten Gedankenaustausch genügend kennzeichneten. Durch die sachkundige und einsichtsvolle Bemühung des Professors W. Preger haben wir nun aber 1888 das originale Werk unseres S. selbst „Die Tischreden Luther’s“ erhalten, welches von Cordatus als seine Quelle neben den Aufzeichnungen von Veit Dietrich ausdrücklich mit genannt wird, wenn auch etwas geringschätzig als Krümeln, Brocken, „micae“, welches aber deutlich erweist, daß Cordatus von Flüchtigkeiten, Mißverständnissen und Willkür nicht ganz freizusprechen ist, wenngleich er sonst reiches und werthvolles Material uns zu bestem Dank geboten hat. S. tritt uns überall als ein damals zu Schwermuth neigender Mann entgegen, der nicht davon ablassen kann, über Versuchungen und Anfechtungen zu klagen, die ihn beängstigen, ihm den Seelenfrieden rauben, ihn leicht erregen und ihn tief niederschlagen, so daß man ihn nur glücklich preisen kann darum, daß er offenbar zufolge seiner gesellschaftlichen Gewandtheit und angenehmen Umgänglichkeit sowie seiner lautern Religiosität in Luther’s Hause eine sichere Zuflucht und freundliche Aufnahme gefunden hat, wo er sein sehr häufig bekümmertes Herz voll ausschütten, den ihm mit wirklicher Engelsgeduld reichlichst gewährten Trost und Zuspruch entgegennehmen und immer wieder von neuem sich aufrichten konnte. S. tritt uns auch später noch als finanziell bedürftig in mittelloser Lage entgegen, die ihn neben inneren Anfechtungen arg bedrückte. Wir finden ihn in Wittenberg als verheiratheten Mann vor. Möglicherweise stand er schon in zweiter Ehe. Ob häusliche Noth und Familiensorge ihn auch noch mit gequält und fortwährend beunruhigt hat, entzieht sich bis jetzt noch unserer Kenntniß. Er wird uns als lieber Gast in der Wittenberger Wohnung des frommen Magisters Georg Helt v. Forchheim bekannt, jenes Führers und Erziehers der jungen anhaltischen Fürsten Georg und Joachim bei ihren Leipziger Universitätsstudien, jenes vertrautesten Freundes von eben diesem Fürsten Georg dem Gottseligen. Von keinem [331] geringeren als Magister Nicolaus Hausmann aus Freiberg in Sachsen (s. A. D. B. XI, 98 f.) wird dem Gevatter und Gast Helt’s Ern S., dem gemeinsamen durch den „Blutleim“ Christi mit beiden copulirten Mitbruder das Ehrenprädicat „perhumanissimus“ ertheilt, in einem Brief an Helt vom 28. September 1532 aus Dessau mit schönen Grüßen und allen Segenswünschen in dem Herrn an das Ehepaar und mit der hauptsächlichen Anfrage, wohin denn nun jetzt S. gekommen sei, also an welchem Ort er eine feste Anstellung erhalten habe. Es mag hierbei angemerkt sein, daß der Name S. meist in der latinisirten Form Turbicida begegnet, die S. selbst in seinen lateinischen Briefen benutzt, und gelegentlich in den griechischen Bildungen „Ochloplectes“ und „Typtochlios“. Das von ihm gebrauchte kleine ovale Siegelbild mit I. S. zeigt einen Mann, auf dessen Haupt zu von links her eine Taube fliegt, und der, die Linke in die Seite gestemmt, mit einer Keule auf einen Haufen von Schlangen oder derartigem Gewürm, das sich ringelt und aufbäumt, losschlägt. Wir beschränken uns hier, um die Art und Weise des Verkehrs anzudeuten, auf ein Beispiel von Schlaginhausen’s Unterredungen mit Luther. S. ward am Sylvesterabend 1531 in Luther’s Wohnung von einer Ohnmacht befallen und dort zu Bett gebracht. Luther sprach: „Der Herr soll dich schelten, Satan!“ und fuhr ermahnend fort: „Dieser sollte der Engel des Lebens sein und wird zum Engel des Todes. Er versucht uns mit Lüge und Ermordung. Ihr müßt dieser Versuchung gewohnt werden und euch nicht fürchten, laßt sie euch vielmehr lieb sein. Denn auch David hat sie an sich erfahren und ich merke sie öfters an mir. Wiewol ich heute einen seinen Tag gehabt habe, so habe ich nichts gemerkt außer naturgemäßer Schwäche im Kopfe. Laßt sich die Gottlosen fürchten (Johann) Cochläus (in Dresden), (Johann) Faber (den Erzbischof von Wien), den (Markgrafen Joachim I. von Brandenburg). Das ist Versuchung des Geistes, die geht uns nichts an, denn wir sind Diener Gottes. Wenn wir nicht Gottes Diener sein wollen, wer wollte es denn sein? Deshalb gehen solche Versuchungen nicht uns an, sondern die Gottlosen.“ Darauf seufzte S.: „O meine Sünde!“ Luther tröstete: „Ich schlage euch vier Zeichen vor, sie dem Satan und der Sünde entgegenzuhalten: daß ihr getauft und erlöst seid, communicirt habt und täglich im Worte Gottes unterrichtet werdet. Ob uns aber die Versuchungen ein wenig wehe thun, das schadet nichts. Wollt ihr aber unsern Herrgott anrufen, so wirds euch sauer. Wenn ihr die heilige Anna anrufen würdet, so würde euch der Teufel bald helfen! Was ringst du viel mit den Sünden? Wenn du die Sünden Zwingli’s, Carlstadt’s und Münzer’s hättest, bliebe doch der Glaube an Christus siegreich über sie alle. Ach, es mangelt uns allein am Glauben. Ihr dürft nicht mit Satanas disputiren vom Gesetz, sondern von der Gnade, denn der Bösewicht kann euch aus einer Laus ein Kameel machen. Satan vexirt die Frommen mit den frostigsten Argumenten. Gewichtige Argumente von Verachtung und Schmähung des Namens Gottes, von der Schwachheit des Glaubens, von frostiger Liebe, bringt er nicht gegen uns vor, sondern nur mit kleinen und erdichteten Sünden quält er uns. Er wirft uns nur mit Schrepeln (Steinsplittern) und doch fürchten wir uns, als ob er uns mit Werkstücken und Häusern bewürfe. Summa summarum: er ist und bleibt der Verleumder, aber Gott sei Lob, der ihm nicht gestattet, daß er uns mit großen Sünden peinigt gegen die erste Gesetztafel, weil wir’s nicht aushalten könnten: er vexirt uns nur mit kleinen Possen. Gott will ihm die Ehre nicht geben, daß er uns mit wahren Sünden zerfleischen dürfte.“ Die Werthfülle der Aufzeichnungen Schlaginhaufen’s gegenüber denen von Veit Dietrich und Conrad Cordatus besteht, wie Preger sagt, darin, daß er bei klarer Auffassung und offenem Sinn für das Individuelle und Charakteristische uns Luther’s Wort und Weise in möglichster Unmittelbarkeit wiedergibt, daß er nicht bloß das Wort, den Gedanken seines väterlichen Freundes [332] sicher auffaßt, sondern auch die äußerlichen Umstände, die Veranlassung, die besondern Zeiten darstellt, unter denen der Gedanke in Worte gefaßt wurde. In Luther’s Familie war S. hochgeschätzt wegen seiner allzeit bereiten Dienstfertigkeit und treu helfenden Liebe. Luther’s Liebe begleitete ihn auch auf seinem ferneren Lebenswege. Schlaginhaufen’s Sohn hieß Martin. Doch wol nach Luther? S. scheint schon im Mai 1532 Magister gewesen zu sein, wie er später immer heißt. Wenigstens weist folgendes darauf. Er machte da einmal ein recht saures Gesicht, wie er erklärte, weil es seinem Nachdenken nicht gelingen wollte, das Gesetz vom Evangelium zu scheiden. Da meinte Luther: „Ja, lieber Meister Hans, wenn ihr das könnt, so seid ihr Doctor“ und stand auf, nahm sein Baret ab und sagte: „Wenn ihr das könnt, so will ich zu euch sagen: Lieber Herr Doctor Johann, ihr seid gelehrt, Paulus und ich habens noch nie dahin können bringen.“ In eben so hoher Achtung stand er bei Melanchthon, so daß begreiflich ist, wie man bemüht war, ihm ein Pfarramt zu verschaffen. Luther fand auch schon zu Michael 1532 ganz in der Nähe von Wittenberg eine Pfarre für ihn in dem Städtchen Zahna, im Amt Wittenberg des sächsischen Kurkreises. Die Verhältnisse dort waren nicht vorzüglich, trotzdem Zahna ein uralter Sitz derer v. Wederden und der Kurfürsten war. Die materielle Lage der Bevölkerung sowol in den Städten als auf dem platten Lande war kaum im Stande, einen günstigen Einfluß auf die Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse auszuüben. Die Baufälligkeit der meisten Pfarrgebäude trat bei der fortgesetzten Weigerung der baupflichtigen Gemeinden allgemein hervor, wenn auch die niedrig besoldeten Geistlichen mit eigenen Mitteln vorschußweise eingegriffen hatten. Zumal nach dem Bauernaufruhr von 1525 kamen die Pfarrkinder mit Unwillen ihren Verpflichtungen nach, die kleinen Bezüge an Ostereiern, Weihnachtsbroten und anderen Victualien den Kirchendienern zu entrichten. In manchen Gemeinden mangelte ein gutes Einvernehmen mit dem Pfarrer (vgl. Burkhardt, Sächsische Kirchen- und Schulvisitationen 1524–45. 1879). Zahna hatte erst nach der ersten Visitation vom 16. November 1528, die Luther selbst mit Propst J. Jonas, Hauptmann Hans Metsch u. s. w. ausführte, neben dem Pfarrer und Schulmeister einen Prediger oder Caplan erhalten (vgl. F. Winter, Die Protokolle der Kirchenvisitation in den Neuen Mittheilungen des thüringisch-sächsischen Vereins 1857, IX, 3, 121 bis 132). Inbetreff der Einkünfte war die kleine Pfarre leidlich, als S. sie auf die Wahl des Raths und der Gemeinde zufolge huldvoller kurfürstlicher Bestätigung erhielt. Bei der nächsten Visitation am 21. April 1533 ward der Gemeinde aufgegeben, ein besseres Pfarrhaus zu bauen. Auch eine Aufbesserung an Wiesewachs u. a. erfolgte. Durch Briefwechsel mit Helt und persönliche Besuche, an deren Erwiderung es nicht gefehlt haben wird, unterhielt S. stets regen Verkehr mit Wittenberg, so daß, wenn er einmal nicht von allem und jedem, was dort aus Zeitungen und nach persönlichen Meldungen bekannt ward, unterrichtet war, er sofort klagte, nicht auf dem Laufenden erhalten zu sein. Freilich auch in Zahna hatte der hypochondre Mann stets zu klagen und er hat es hier nur ein Jahr lang ausgehalten. Warum er dann fortging, ist nicht bekannt; gedenkt er doch der Gemeinde in Zahna später nur mit Wohlwollen. Vielleicht ist es doch nur der Wunsch nach einem größeren Wirkungskreis, der ihn veranlaßte, einer Berufung nach Köthen zu folgen, ob schon zu Michael 1533, ist noch unbekannt. Sicher ist, daß er im December 1533 bereits als Pfarrherr an der städtischen St. Jacobskirche stand. Er hatte Luthern Mispeln gesandt als Probe der Früchte seiner neuen Heimath. Dieser dankt ihm am 12. December nicht ohne erneute kräftige Mahnworte: „Ungern höre ich, daß ihr zuweilen noch betrübt seid, so doch Christus euch so nahe ist als ihr euch selbst, und will euch ja nicht fressen, weil er sein Blut für euch vergossen hat. Lieber thut dem frommen [333] treuen Mann die Ehre und glaubt, daß er euch lieber habe und günstiger sei, denn Doctor Luther und alle Christen. Wes ihr euch zu uns versehet, des versehet euch vielmehr zu ihm. Denn was wir thun, das thun wir von ihm geheißen. Aber er, der es uns heißt thun, der thuts von natürlicher Güte und ungeheißen.“ Auf Helt’s Frage, wie es ihm in Köthen gehe, antwortet er: „Ich halte mich in Köthen zurück, ich nehme mich zusammen und freundschaftlich suche ich zunächst überall Fühlung zu gewinnen, aber ich eile mit Weile. Ich habe ein bäuerisches Volk von sächsischem Charakter, hoffe jedoch, daß es mit Gottes Hilfe Christus durch mich in möglichst einfältiger Weise kennen lernen soll.“ Er ersucht Helt, Gott mit ihm zu bitten, daß Christus Wachsthum verleihe, damit er mit reichlicher Frucht in der so großen Ernte die Garben zu sammeln vermöge. Der umfassenden weitern Evangelisation Köthens war längst vorgearbeitet worden. Am 10. November 1524 ist als Pfarrer Martin Kaufmann bezeugt, dessen Geneigtheit zur Reformation in der Wolfgangstadt Köthen anzunehmen ist. Cyriacus Gercken, der einstige Kistenmacher, 1523 evangelischer Caplan an St. Nicolai zu Zerbst, später Pfarrer und Superintendent in Bernburg, taucht am 28. März 1531 am Köthen’schen Hofe als Prediger auf (s. A. D. B. VIII, 784). Auf diesem Grunde baute S. weiter. Sein Wunsch ist ihm in Köthen erfüllt worden. Ein Hauptwerk seiner dortigen Amtsthätigkeit erhielt in einer auf Befehl Fürst Wolfgang’s veranstalteten Kirchenvisitation seine Grundlage. Das dabei abgefaßte Protokoll und den an den Fürsten erstatteten Bericht kennen wir noch nicht. Wahrscheinlich ist mit der Visitation schon 1534 begonnen worden, da die seitens des Dessauer Hofes durch Pfarrer Gregor Peschel und Hofprediger M. Hausmann ausgeführte bereits am 14. September 1534 anfing. Hieran schloß sich der Erlaß einer Kirchenordnung für den Köthen’schen Landestheil, deren Nothwendigkeit sich bei der starken Ungleichmäßigkeit der Ceremonien bei Taufen, Beichten, der Communion, dem Messehalten, in Ehesachen, in der Tröstung der Kranken, bei Begräbnissen, beim Kirchgang der Wöchnerinnen, bei den Gesammtgebeten an den Adventssonntagen, zu Neujahr, Epiphanias, Charfreitag, Ostern, Pfingsten, Mariä Verkündigung herausgestellt hatte. Es waren auch Unschicklichkeiten zu rügen, wie z. B. daß ein Geistlicher die Messe hielt, ohne das Meßgewand angelegt zu haben, im Alltagskleide, in dem er jeweilig auch mit den Bauern in der Schenke saß. Die Kirchenordnung schließt sich ganz an die Wittenberger Kirchenbräuche an, weshalb es eingangs heißt: „Am ersten aber sollen alle Pfarrherren wissen, daß ich mich mit meiner Kirche zu Köthen in allen Ceremonien richte nach der Wittenbergischen Kirche, allein daß ich das Evangelion in der Messe lasse lesen gegen dem Volke, welche man zu Wittenberg singt. Ich hab’s aber mit Willen und Wissen unseres lieben Herrn und Vaters Doctor Martinus gethan, welcher auch gesagt, wenn’s zu Wittenberg nicht wäre angefangen zu singen, er wollt’s auch lassen lesen.“ Da die Dessauische Kirchenordnung bereits im März 1534 Luther’s Zustimmung erhalten hatte, wird man mit der Annahme nicht fehlgreifen, daß die Köthen’sche der allerersten Dienstzeit Schlaginhaufen’s bei Fürst Wolfgang entstammt, der schon längst vorher in dem ihm unterstehenden Lande manches reformirt hatte. Es darf nicht befremden, daß private oder amtliche Mißhelligkeiten oder Verdrießlichkeiten, wie sie Jedem begegnen können, jeweilig in S. den Wunsch hervorzurufen vermochten, seine derzeitige Stellung in Köthen mit einer andern womöglich lohnendern und angenehmern vertauschen zu können. Luther schlägt ihn dem Fürsten Wolfgang am 9. April 1536 für Wörlitz vor, wo ganz in der Nähe des Orts mehr Laubwald sei und leichtere und bessere Luft als in Köthen, denn in Anhalt wollte er ihn nicht gern missen. S. war bereit, zumal wegen der Nähe Wittenbergs, nach Wörlitz zu gehen. Der Fürst ging aber auf [334] den Vorschlag Luther’s, der auch bereits seinen Schützling bestimmt hatte, in Köthen bei seinem gnädigen gütigen Herrn zu bleiben, nicht ein und hat S. sattsam deutliche Beweise von landesväterlichem Wohlwollen auch bezüglich der Aufbesserung seines Diensteinkommens gegeben. Wie er auf seinen Rath bei der Abtei München-Nienburg schon seit 1534 rechnete, wie er für ihn bei Erkrankung besorgt war und Hülfe schaffte, wie für gastliche Gelegenheit seine Küche versorgt wurde, wie er ihn auszeichnete, indem er ihn 1537 in Schmalkalden und 1540 in Bernburg die anhaltische Kirche mit vertreten ließ, wie er ihm sein Vertrauen schenkte bei Unterricht und Erziehung eines lieben Neffen, wie er ihm Land verlieh: über alle solche Gnadenbeweise liegen uns Zeugnisse vor. Wieviel derartiges mag unnachweislich sein! Fürst Wolfgang verleiht ihm am 4. Decbr. 1538 erblich um des willen, daß er in Köthen Gottes Wort fleißig gepredigt und gelehrt hat und darin getreulich fortfahren soll, eine Hufe Landes auf der Köthener Stadtmark um 2 Neugroschen jährlichen Erbzinses. Am selben Tage um der Zunahme und Erbauung willen, welche die Stadt Köthen ihm verdankt, 2 Stücke Landes in der fürstlichen Breite vor dem Halle’schen Thore zu einem Weingarten, um einen Gulden jährlichen Erbzinses, nachdem er durch Kauf Nickel Georg’s Theil auch an sich gebracht hatte. Am 11. December 1538 gestattete ihm Fürst Wolfgang einen Fahrweg nach diesem Garten durch die fürstliche Breite. Das Land, eine halbe Hufe, war dem Pfarrherrn vom Rath zu Köthen verehrt worden und S. hatte davon ein Drittel zu einem Garten gemacht. Auf Anlaß seines Fürsten nahm S. schon an den Vorarbeiten zu dem Schmalkalder Convent von 1537 seit Mitte des Jahres 1536 Theil. Man faßte in Köthen im Januar 1537 infolge des vom Papst Paulus III. am 2. Juni 1536 erlassenen Ausschreibens wegen des auf den 23. Mai 1537 angesetzten Conciliums zu Mantua seine Bedenken zusammen. Man müsse bezüglich der Ausrottung der Ketzerei erfahren, was der Papst für ketzerisch und verdammt halte und ob in Mantua vom Glauben solle disputirt und gehandelt werden. In das Bedenken der deutschen Fürsten und Stände müsse gestellt sein, den Kaiser nochmals an seine Zusage zu erinnern, daß das Concil in deutscher Nation solle gehalten werden. Man müsse erkunden, wer Richter und Arbiter sein solle. Seine kaiserliche und königliche Majestät sei vor Anfang des Concils zu ersuchen, Contumaz zu verhüten und die Bahn zu brechen. Das Concil sei zu beschicken, wenn unparteiische Schiedsrichter vorgeschlagen seien; den weltlichen Räthen sei anheimgestellt, was die Abgesandten zu handeln haben und wie Sicherung zu erlangen sei. In Schmalkalden sei mit Beirath der Wittenberger Theologen zu besprechen, wer geschickt werden solle. Fürsten und Stände lassen sich von den Predigern nicht sondern, diese nicht von jenen und die Gelehrten lassen sich unter sich selbst nicht trennen, die weltlichen Räthe hätten zu entscheiden, unter welcher Bedingung weltliche Mandate des Papstes oder des Concils sollten angenommen werden, die Fürsten und Stände bestimmen, wer mit nach Schmalkalden genommen werden solle. Wiederaufrichtung von Secten und Orden, die durch Gottes Wort gestürzt seien, dürfe als unevangelisch nicht statthaben. Christliche Ceremonien sollten verbleiben, auch die Kirchengüter zu frommen Zwecken verwandt werden, Theologen und Juristen hätten zu berathschlagen, wie man sich gegen die unchristliche Gewalt des Papstes verhalten solle. Ueber den kaiserlichen Frieden und friedlichen Stillstand haben die Juristen zu befinden. Die neu in die Einung gekommenen solle man als Mitgläubige nicht lassen, denn es sei zu wünschen, daß die ganze Welt das Evangelium annehme. Die Fürsten müßten in eigner Person zu Schmalkalden einkommen oder ihre bevollmächtigten Gesandten neben denen der Stände dort haben. Zu Anfang Februar 1537 begaben sich Fürst Wolfgang und seine Vettern Fürst Johann und Joachim nebst [335] den Gelehrten Konrad Feigenbutz, Pfarrer an St. Nicolai zu Zerbst, Georg Helt aus Forchheim zu Dessau und unserem S. auf die Reise über Eisleben, Wiehe, Erfurt und Hohenkirchen nach Schmalkalden. Die 3 Gelehrten unterzeichneten am 24. Februar die Artikel. Zangemeister’s Ausgabe derselben von 1883 und 1886 zeigt die Handschriften in Lichtdruck. Magister S. neben Dr. med. Sturz, Bugenhagen, Spalatin und Mykonius begleitete Luther auf der Heimreise, die dieser am 26. Februar über Tambach antrat, das ihm um Mitternacht für sein schweres Steinleiden zum Phanuel (1. Mose 32, 30) ward. S. eilte sofort nach Schmalkalden zurück, den noch dort Verbliebenen die frohe Nachricht, Melanchthon Luther’s eigenen Brief und dem Kurfürsten den Bericht der Begleiter zu bringen. Vor des päpstlichen Legaten von der Vorst Herberge rief er laut sein „Lutherus vivit!“ zweimal hinauf. Kurfürst Johann Friedrich lohnte dem treuen Eilboten mit 10 kostbaren Denkmünzen seinen Liebesdienst. Die Lossagung der protestantischen Reichsstände von der Gewalt des Papstes war in Schmalkalden 1537 erreicht (vgl. Köstlin, Martin Luther2 1883 II, 402 ff.). Da Melanchthon erst am 6. März Schmalkalden verließ, war es S. infolge seiner Rückkehr aus Tambach vergönnt gewesen, vom 27. Februar ab noch mehrere Tage an den Berathungen der Theologen und der Fürsten über den päpstlichen Primat Theil zu nehmen. Die Unfertigkeit und Unsicherheit der äußern Lage der evangelischen Kirche und der Mangel einer Kirchenverfassung ließ sehr bald nach dem Schmalkaldener Tage, schon im Frühjahr 1539 auf dem Frankfurter Convent eine kirchliche Aussöhnung dringlich erscheinen. Kurfürst Johann Friedrich faßte für den 1. März 1540 eine erneute Zusammenkunft der Fürsten und Theologen in Schmalkalden ins Auge. Die Wittenberger Gelehrten gaben ihr Gutachten am 18. Januar ab. Den anhaltischen Theologen war von ihren vier Fürsten in gleicher Sache, Vertheidigung des Augsburgischen Bekenntnisses und der Apologie, sowie Erwägung, ob auch und wiefern und weit in etlichen Artikeln zeitlicher Sachen und äußerlicher Dinge halber mit Gott und Gewissen möchte zu weichen sein, die Abfassung einer Erklärung befohlen worden. Sie erfolgte zu Bernburg am 17. Februar durch den emeritirten Dr. Konrad Feigenbutz aus Zerbst, Dr. Cyriacus Gercken, Pfarrer zu Bernburg, unserm Magister S., Magister Johann Rosenberg, Pfarrer an St. Nicolai zu Zerbst und Severinus Sthaer, Pfarrer zu Neustadt-Bernburg. Natürlich wiesen sie jede Abänderung der Confession von 1530 ab und beharrten bei den Schmalkaldischen Artikeln von 1537, namentlich dem Hauptartikel von der Rechtfertigung allein durch den Glauben, dann aber bei den Artikeln über das Abendmahl und die Priesterehe, sowie bei Verwerfung der Privatmesse. Hinsichtlich der Ceremonien verstanden sie sich zu Aenderungen, falls dieselben von Luther, Melanchthon, den übrigen Wittenbergern und den diesen gleich stehenden Gelehrten gebilligt würden. Wegen äußerlicher Kirchenordnung und Zucht, des Fleisch- und Fischessens oder dergleichen, wollten sie sammt ihren Pfarrkindern kaiserlicher Majestät gebührlich gehorsamen, falls ihnen das Gewissen nicht beschwert würde. Manchfache verbessernde Zusätze und Erläuterungen verdankten die Geistlichen den Anregungen und dem Beistand des kenntniß- und erfahrungsreichen Fürsten Georg III. bezüglich der Beibehaltung von Bischöfen, ihrer Rechte und Befugnisse, gleicher Gebräuche bei Beichte und Communion, der schriftlichen Abfassung einer beständigen Kirchenordnung, nöthiger Einsetzung von Superattendenten mit bestimmten Rechten in kirchlicher Censur, wegen der Ordination, wegen der obrigkeitlichen Vocation und des Patronatsrechtes, hinsichtlich der Ehesachen, der antinomischen Irrlehren, eines Vergleichs mit den Böhmen, des Mißbrauchs, die Leute vor der Communion im allgemeinen zu absolviren und die besondere private Absolution fallen zu lassen, der Bekämpfung und Bestrafung lasterhaften Wandels. Alle [336] diese Punkte wurden den Wittenberger Lehrern zur Erwägung und Mitbeachtung anheim gestellt. Fürst Wolfgang äußerte sich über die Artikel und die den beiden Kanzlern Ludwig Rabe aus Köthen und Johann Ripsch aus Dessau mitzugebende Instruction von Köthen aus am 28. Februar, unmittelbar vor seinem eilenden Abreiten gegen Schmalkalden. Die Kanzler wurden instruirt. Der damalige Abschied datirt vom 15. April. Die Aussichten auf eine Aussöhnung hatten sich in Schmalkalden so günstig gestaltet, daß der Kaiser für den Juni einen Convent der katholischen und protestantischen Stände nach Hagenau ausschrieb. Bei seiner Amtsführung hat es S. nie an Beistand seiner Wittenberger Lehrer und Freunde und der Dessauer Theologen, sowie der anhaltischen Fürsten, insbesondere des Fürsten Georg III. gefehlt. Ein Schreiben von Justus Jonas an Fürst Georg von Anhalt vom 14. April 1545 mißbilligt Schlaginhaufen’s Härte, Schroffheit und Lieblosigkeit bei der geschwinden, angeblich rein willkürlichen und unmotivirten Absetzung eines armen kranken Dorfpfarrers zu Paschleben, Ludwig Lambsdorp, der deshalb für eine Stelle in Reppichau zwischen Köthen und Dessau empfohlen wird. Von Schlaginhaufen’s schriftlichen Arbeiten in Zahna und Köthen besitzen wir nur in seiner Handschrift fünf Briefe an Helt, „ein gemein Gebet für die ganze Christenheit um Förderung göttliches Wortes und um unsere liebe geistliche und weltliche Obrigkeit“ zur Zeit des Reichstags, vielleicht des Regensburger Tags von 1542 und weitere Gebete, in einer Abschrift eine den Text klar darlegende und bei aller Schlichtheit fesselnde Predigt vom 19. August 1543 über Lucas 10, 23 „Selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet“ von der Plerophorie, der rechten Versicherung und Gewißheit des wahren Glaubens und der Erlangung derselben vom heiligen Geist durch Gottes Wort. Von seinen mannigfachen Superintendenturgeschäften – der Titel Superattendent taucht als der seinige erst in der Mitte der vierziger Jahre auf – sind Acten nicht mehr vorhanden. Nur gelegentlich erfahren wir, daß 1561 Magister Albertus Christianus die Köthner Superintendentur als Schlaginhaufen’s Nachfolger inne hatte, so daß S. also vielleicht schon um 1560 gestorben ist. Ob der damalige Caplan Magister Johann Schopfel bereits S. zur Seite gestanden hat, ist noch unbekannt.

Als Schlaginhausen’s Kinder werden genannt Elenda, Anna und Martin, als sein Schwiegersohn, anscheinend Elenda’s Gatte, Johann Oberndorfer, 1578 und 1580 Prediger in Regensburg, als Martin’s Nachkomme zu gleicher Zeit Cantor Johann Ohler in Köthen, der dem Prediger 1580 von dem Schlaginhaufen’schen Erbtheil eine halbe Hufe auf Köthner Stadtmark und den Garten vor dem Hallischen Thor abkaufte.

Vgl. G. Bossert, Johann Schlaginhauffen in D. Luthardt’s Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben 1887, Heft 7. – Tischreden Luther’s nach Joh. Schlaginhaufen. 1888. – Herzogliches Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst.