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ADB:Schmidt, Ludwig Friedrich von

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Artikel „Schmidt, Ludwig Friedrich v.“ von Fr. Schmidt. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 722–728, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt,_Ludwig_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 13:08 Uhr UTC)
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Band 34 (1892), S. 722–728 (Quelle).
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Schmidt *): Ludwig Friedrich v. S., D. theol. u. philos., königlich bairischer Cabinetsprediger und Ministerialrath, ist in Königsbach im badischen Oberamt Pforzheim am 24. Januar 1764 geboren. Sein Vater war Pfarrer daselbst, nachher in Vörstetten (am badischen Kaiserstuhl), wo S. eine glückliche Jugend verlebte. Wie seine Brüder zunächst vom Vater unterrichtet, trat er 1778 in die Exemtenclasse des Karlsruher Gymnasiums ein mit der Bestimmung, Theologie zu studiren. Die theologischen Disciplinen, die schon hier gelehrt wurden, vermochten freilich so, wie dies geschah, das Interesse für diese Wissenschaft nicht besonders zu beleben, und der hochbegabte Jüngling hätte sich wahrscheinlich der Mathematik und Physik zugewandt, wenn nicht der entschiedene Wille des Vaters, der für sein Alter einen Vicar haben wollte, dieser Neigung unumstößlich entgegen gestanden wäre. Nach dreijährigem Gymnasialcursus und einem durch Krankheit veranlaßten und mit praktischen Uebungen im Katechisiren und Predigen ausgefüllten, etwa ein Jahr währenden Aufenthalt im väterlichen Hause bezog S. Ostern 1782 die Universität Jena. Eichhorn, Döderlein, Griesbach waren hier seine vorzüglichsten Lehrer, deren Vorlesungen er mit ununterbrochenem Fleiße besuchte. So konnte er schon Ende 1784 mit dem Zeugniß einer in Karlsruhe wohlbestandenen Prüfung nach Hause zurückkehren, wo er zunächst seinem Vater Vicarsdienste that. Das folgende Frühjahr aber entführte ihn als Pfarrverweser nach der damals zu Baden-Durlach gehörigen überrheinischen Grafschaft Sponheim, und das war die eigentliche Ursache der Wendung seines Geschicks, die keinem unerwarteter war als dem bescheidenen jungen Geistlichen selbst. S. hatte die dortige Pfarrei Leisel versehen, war Pfarrer in Bromberg und dann in Birkenfeld geworden und fand hier durch seine Predigten [723] den Beifall des badischen Erbprinzen Karl Ludwig, der mit seiner Familie in dem benachbarten Curorte Hambach vorübergehenden Aufenthalt genommen hatte. Die Folge war die Berufung Schmidt’s nach Karlsruhe als Hofdiakonus und Garnisonsprediger im J. 1792. – Im Jahre darauf verehelichte er sich mit Christiane Gaum und erfreute sich in der badischen Residenzstadt nicht bloß eines schönen, seinen Gaben entsprechenden Wirkungskreises, sondern auch des genuß- und gewinnreichen Umganges bedeutender, geistvoller Männer, wie Hebel, Brauer, Sander, Vierordt, Volz u. a. m. – Predigen war auch hier sein Hauptgeschäft; doch ward er trotz seiner Jugend zu mancherlei auszeichnenden Dienstleistungen außerdem berufen. So hatte man ihm für den damals entstehenden Entwurf einer neuen Kirchenagende für die badische Markgrafschaft die Artikel: Sonntagsgottesdienst, Trauung, Begräbniß zugewiesen, eine Arbeit, die er erst von München aus zu liefern in der Lage war. Denn das Jahr 1799 war herangekommen und mit ihm das entscheidendste Ereigniß seines Lebens. Die Tochter des badischen Erbprinzen, Prinzessin Karoline hatte sich mit Herzog Maximilian von Zweibrücken verlobt und wurde nun Kurfürstin von Baiern. S. war es, der ihr als Cabinetsprediger nach München folgen sollte. Als er 1799 in der bairischen Hauptstadt ankam, fand sich daselbst kein Hausbesitzer bereit, ihm, dem Protestanten, eine Miethwohnung zur Verfügung zu stellen. Der Kurfürst nahm ihn im Residenzschlosse auf.

Alsbald sammelte sich um ihn eine kleine evangelische Gemeinde; denn obgleich die von S. abzuhaltenden Gottesdienste eigentlich für die Kurfürstin bestimmte Privatandachten waren, so durften doch alle Protestanten Münchens, deren Zahl freilich sehr bescheiden war, daran theilnehmen. Sogar sahen es der Kurfürst und seine weitherzige Regierung unter Montgelas gerne, wenn Katholiken diese Gottesdienste besuchten, in der Hoffnung, daß dadurch „der altbayrische Obscurantismus etwas vermindert und liberalen Ansichten Eingang verschafft werden könnte“. So blieben denn auch zahlreich von Katholiken an S. gestellte Ansuchen nicht aus, in die evangelische Kirche aufgenommen zu werden. S. ist jedoch solchem Verlangen fast immer abwehrend entgegengetreten. Sein taktvolles Verhalten in solchen Fällen trug bei seiner persönlichen Liebenswürdigkeit und seinem ernsten Auftreten im allgemeinen viel dazu bei, daß gar bald alle Voreingenommenheit gegen den „ketzerischen Hofprediger“ verschwand, ihm Achtung aus allen Kreisen entgegengebracht wurde und ihm sogar die ausdrückliche gerechte Anerkennung des päpstlichen Nuntius widerfuhr. Die etwa 150 Münchener Protestanten waren theils Reformierte, theils Lutheraner. Da die Kurfürstin lutherisch war, so wurde Kirchen- und Schulverfassung der kleinen Gemeinde lutherisch eingerichtet, und die Reformirten erklärten, sich in allem zu den Lutheranern halten zu wollen, obgleich S. sich erboten hatte, ihnen das heilige Abendmahl nach reformirtem Ritus zu reichen und ihren Kindern den Heidelberger Katechismus zu erklären. So war in München schon im J. 1800 die confessionelle Vereinigung der Protestanten durch S. factisch und vollständig vollzogen. Als die heranwachsende Gemeinde zur evangelischen Stadtpfarrei erhoben wurde, blieb das Stadtpfarramt mit der Cabinetspredigerstelle in der Person Schmidt’s vereinigt bis 1818, und er hat diese Doppelstellung zum reichen Segen für Hof und Stadt auszufüllen gewußt.

Ungleich größer aber wurde die Bedeutung Schmidt’s für die Entwicklung der evangelischen Kirche im Königreich Baiern überhaupt. Bei seinem Eintritt in bairische Dienste schon wurde er zum Vertreter des lutherischen pfälzischen Consistoriums bei der königlichen Regierung aufgestellt, ein Einfluß auf die rheinbairische Kirche, der zunächst nur vorübergehend war, später aber in anderer Weise ihm wieder verstattet wurde. 1808 wurde in München eine protestantische [724] Kirchensection errichtet und S. zum ersten Rath mit dem Titel Oberkirchenrath in dieselbe berufen. Hier war seine erste Sorge die Herstellung und Einführung eines neuen allgemeinen Gesangbuches an Stelle der vielen in den einzelnen Städten und Gegenden des Landes gebrauchten (zählte man doch deren 30–40). S. machte sich mit großem Fleiße an diese Aufgabe und schuf unter schonender Berücksichtigung mancher örtlicher Wünsche und Gewohnheiten und indem er die alten sogenannten Kernlieder nach dem Vorgang Klopstock’s und Gellert’s dem Geschmack seiner Zeit gemäß umarbeitete, eine Sammlung von 775 gutgefaßten sangbaren Kirchenliedern, welche als „Gesangbuch für die protestantische Kirche im Königreiche Bayern“ 1811 erschien und sich bis Ende der fünfziger Jahre zum Segen der Gemeinden im allgemeinen Gebrauche erhielt, wo sie dann durch das Werk eines mehr dem Alterthümlichen zugewandten Geistes (das jetzige „Gesangbuch der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern“ verdrängt wurde. – Schon 1809 war an die Stelle der protestantischen Kirchensection ein ziemlich selbständiges Oberconsistorium getreten unter dem protestantischen Präsidenten Freih. v. Seckendorf, die Räthe waren die der bisherigen Kirchensection. In diese Zeit fielen die hauptsächlichsten die evangelische Kirche Baierns organisirenden Arbeiten (s. Protestantisches Kirchenjahrbuch 1812); es war eine Zeit, da in Baiern der von den Illuminaten gepflegte Geist der Bildung und Aufklärung aufs neue und frischer erwacht war und in der neugeschaffenen Akademie der Wissenschaften durch Männer, wie Jacobi, Schelling, Utzschneider, Schenk, Sömmerring, Feuerbach, Thiersch etc. kräftig gefördert wurde. Es herrschte ein reges Leben in München, und S. war der rechte Mann dazu, die Früchte solches Geisteslebens für seine evangelische Kirche nutzbar zu machen. Im J. 1817 begibt er sich nach der Pfalz, das dortige Kirchen- und Schulwesen zu inspiciren. Die Unionsidee jener Tage hatte auch bei der bairischen Staatsregierung Anklang gefunden, und S. sollte sich darüber informiren, inwieweit die Pfalz für die Kirchenvereinigung reif und dazu geneigt sei. So wenig Tröstliches er überhaupt dort vorfand, – die Nachwirkungen der französischen Occupation dieses so oft und schwer heimgesuchten Landes waren noch überall in traurigster Weise vorhanden, – große Geneigtheit für die Vereinigung beider Confessionen fand er überall, freilich nicht als Frucht moralischer Ueberzeugung, sondern als Ergebniß eines großen Indifferentismus und selbstsüchtiger Bequemlichkeit. So war denn der Segen der sich unter Schmidt’s Leitung vollziehenden Union in der Rheinpfalz erst von der Zukunft zu erwarten. Im rechtsrheinischen Baiern konnte allerdings in der Folgezeit von der Union um so weniger die Rede sein, als nach Schmidt’s Rücktritt der Einfluß Roth’s (s. A. D. B. XXIX, 317) maßgebend wurde, „der das Evangelium wie ein corpus iuris betrachtete und die symbolischen Bücher wie eine lex promulgata“. – 1818 erhielt die evangelische Kirche Baierns zum ersten Mal einen protestantischen Referenten im Ministerium. S. war dieser Ministerialrath und damit zur Leitung des gesammten protestantischen Kirchenwesens berufen. Damit trat er von seiner Stadtpfarrstelle und seinem Amte als Oberconsistorialrath zurück. Von seiner nunmehrigen Thätigkeit erzählt uns S. wenig, er erwähnt bloß, er sei mit seinem juristischen Correferenten, Ministerialrath Holler (s. A. D. B. XII, 788), so sehr eines Sinnes und Herzens gewesen, daß sie sich bei des einen oder des anderen Abwesenheit gegenseitig vertraten und man es keinem von ihren Berichten ansehen konnte, aus wessen Feder er geflossen war. Im Ministerium selbst, wo außer S. lauter Katholiken waren, hat auch keiner seiner Anträge jemals Widerspruch gefunden. Diese freie Denkart rühmt überhaupt S. als das Gepräge jener schönen und lebensvollen Zeit nach dem wiederhergestellten Weltfrieden, einer Zeit der Sammlung, des Wiederaufbaues, des wohlfahrtfördernden Strebens, durchweht von [725] einem classischen Geist der Versöhnung, der Vermittlung der Gegensätze, der wechselseitigen Duldung, dessen herrlichste Frucht die in den vornehmsten deutschen Staaten vollbrachte Union der beiden evangelischen Kirchen ist, auf welche gerade S. bahnbrechend hinwirkte. Weitausschauende sanguinische Seelen träumten damals sogar von der Wiedervereinigung des Protestantismus und des Katholicismus in einer allgemeinen deutschen Kirche, an deren Spitze man neben den Häuptern der Protestanten auch freisinnige Würdenträger der katholischen Kirche, wie Wessenberg, Sailer, Spiegel zu sehen hoffte: eine Morgenröthe, der leider der Tag in weite Ferne gerückt ist.

Bis zum Tode Max Joseph’s 1825 verblieb S. in der Stellung eines Ministerialrathes. Alle wichtigen evangelischen kirchlichen Angelegenheiten Baierns gingen während dieser Zeit durch seine Hand, „Es war eine treue und feste Hand und ein treues festes Herz, welches diese Angelegenheiten leitete.“ Im J. 1826 trat er bezüglich seines Staatsamtes in den erbetenen Ruhestand, um ausschließlich seiner Königin anzugehören, die zunächst ihren Wittwensitz Würzburg bezog, wohin ihr S. folgte. Er trat von da an nur selten mehr in die Oeffentlichkeit. In Würzburg ist ihm seine treugeliebte Gattin gestorben, seine Ehe war kinderlos geblieben.

So bedeutungsvoll das Wirken Schmidt’s für die evangelische Kirche Baierns war, der Schwerpunkt seiner Thätigkeit lag doch in seinem Amte als Cabinetsprediger der Königin. Dies war der Dienst, zu welchem er berufen war, seine späteren Kirchen- und Staatsämter waren nur Functionen. „Der Schmidt ist mein und wird bei mir bleiben“: das war die Entscheidung der Königin-Wittwe, als Ludwig I. die Absicht äußerte, ihn zum Hofprediger seiner Gemahlin zu ernennen und zugleich zum Präsidium des Oberconsistoriums zu berufen. S. genoß das Vertrauen der Königin in unbeschränktem Maße. Außer den gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Obliegenheiten war ihm die Correspondenz und die Bibliothek der Königin zur Besorgung übertragen und namentlich das Geschäft anvertraut, die reichen Gaben der gütigen Fürstin an die Armen zu vergeben. In frohen und schweren Stunden war er der königlichen Familie nahe, der es besonders an letzteren keineswegs fehlte. So war es die schwierige Aufgabe des Cabinetspredigers gewesen, aufgefordert von den leitenden Staatsmännern, die Königin zur Einwilligung in die Verbindung Eugen Beauharnais’ mit der Prinzessin Auguste zu bewegen. Mit Glück und Erfolg entledigte sich S. dieses Auftrages und überwand durch seinen Einfluß auf die Königin deren längeren Widerstand, der nach der damaligen Lage der Dinge für Baiern nur von den nachtheiligsten Folgen hätte sein können. Denn es war zu heftigen Auftritten zwischen der Königin und dem Kaiser Napoleon I. gekommen, der durch ihre Weigerung sich sogar zu den Worten hatte hinreißen lassen: „N’oubliez pas, Madame, que le sort de la Bavière est en mes mains!“

Nicht weniger wirksam und ehrenvoll erwies sich dieser Einfluß Schmidt’s am bairischen Königshofe bei der Verlobung des Kronprinzen (nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm’s IV.) von Preußen mit der Prinzessin Elise von Baiern, zwischen welchen sich eine wahre und herzliche Zuneigung entwickelt hatte. Aber Friedrich Wilhelm III. hatte bei der Bewerbung seines Sohnes um die Hand der Prinzessin die Bedingung des Uebertrittes der letzteren zur protestantischen Kirche gestellt. Der Antrag wurde infolge dieser gewissermaßen verletzenden Bedingung bedauernd abgelehnt. Bischof Eylert wandte sich hierauf im Auftrage seines Königs an S. mit dem dringenden Wunsche, dieser möchte seinen Einfluß für die Einwilligung des bairischen Königspaares in den Confessionswechsel ihrer Tochter geltend machen. S., von jeher ein grundsätzlicher Feind aller Uebertritte aus Nebenrücksichten bestärkte im Gegentheil Max Joseph [726] und dessen Gemahlin in ihrer ablehnenden Entscheidung, und die Verhandlungen wurden abgebrochen. S. selbst aber begab sich auf Wunsch seines Gebieters nach einiger Zeit nach Berlin, um bei Bischof Eylert und Fürst Hardenberg die Sache aufs neue in Fluß zu bringen. Er vermochte nun wirklich Eylert zu einem Incognitobesuche am bairischen Hofe zu bewegen, wo dieser sich persönlich von der vernünftigen Erziehung der Prinzessin und überhaupt davon überzeugen konnte, wie wenig von ihr irgend ein schädlicher Bigotismus zu befürchten sei. So gelang es den Bemühungen Schmidt’s, die Verbindung zu ermöglichen, auch ohne den Uebertritt der Prinzessin Elise, welcher später lediglich infolge eines freien Entschlusses geschah. S. aber hat durch sein ebenso takt- als charaktervolles Verhalten nicht bloß zur Gründung einer Ehe beigetragen, die eine Quelle innigsten Glückes für die fürstlichen Gatten und reichsten Segens für Preußen ward, – sondern er hat dadurch auch den Grund legen helfen zu der gegenseitigen Annäherung der Häuser Hohenzollern und Wittelsbach und so zu der Entwicklung der Dinge, wie sie die Jahre 1870 und 1871 sahen, vorbereitend mitgewirkt. – Die fürstlichen Eltern der glücklichen Braut lohnten dem treuen Diener mit Anerkennung und wachsendem Vertrauen, und Friedrich Wilhelm IV. und Elisabeth überhäuften ihn mit Beweisen des Wohlwollens und dankbarer Erinnerung bis zu seinem Tode.

Auch an Anerkennung äußerlicher Art hat es S. nicht gefehlt, eine Reihe von Würden und Ehrenbezeigungen ist ihm zu theil geworden. Im J. 1809 nach seiner Ernennung zum Oberkirchenrath verlieh ihm die Universität Jena die theologische Doctorwürde, 1827 die Universität Würzburg die philosophische. 1851 sandte ihm Jena das Ehrendiplom der philosophischen Facultät „als dem wahrscheinlich ältesten der noch lebenden Jenenser“. 1820 wurde er Ritter des Bairischen Civilverdienstordens und damit in den Adelstand erhoben, von welcher Ehre er aber nur Gebrauch machte, wo es das äußerliche Dienstverhältniß erforderte. Den Badischen Zähringer Löwenorden erhielt er 1840, und 1841 am Tage nach dem Tode der Königin Karoline den Preußischen Rothen Adlerorden II. Klasse.

Da der Königin der Aufenthalt und besonders das Klima in Würzburg nicht zusagte, hatte sie sich das Schloß Tegernsee zu ihrer Residenz erwählt. Dort sammelte sich bald alles, was zur großen Welt zählte, viele fürstliche Gäste fanden sich alljährlich dort ein, das diplomatische Corps hielt dort seine Villeggiatur, und S., stets in nächster Umgebung der Königin, blieb dadurch in lebensvoller Berührung mit vielen interessanten Männern. Zu seinem Amte als Cabinetsprediger und seinen oben erwähnten sonstigen Obliegenheiten war noch die Oberaufsicht über die Administration der Besitzungen der Königin-Wittwe gekommen. Er selbst schreibt von jener Zeit, 1828–1841: „Mein Leben floß ruhig und still dahin, ich lebte glücklich im Schoße einer reizenden Natur, genoß die Annehmlichkeit eines glänzenden Hofes und das Gefühl einer meinen abnehmenden Kräften angemessenen Thätigkeit, welches die Arbeit zum Genusse machte noch am späten Abend meines Lebens.“ Seine letzte und schwerste Amtsverrichtung war im October 1841 seine Rede am Sarge seiner Königin.

Schmidt’s theologischer Standpunkt war und blieb der eines ehrlichen Rationalisten. Er selbst äußert sich in hohem Alter in einem Briefe an seinen Pflegesohn, den in Jena früh verstorbenen Professor der Pathologie Dr. A. Siebert darüber mit folgenden Worten: „Mein Christusglaube ist, wie ich hoffen darf, ein vernünftiger und in einem bald achtzigjährigen Leben so fest gegründet, daß er nicht durch Spott beschämt und durch die hohe Weisheit, die sich in der neuhegelischen Schule und den Aufklärungsversuchen der Strauß und Feuerbach so breit macht, nicht erschüttert werden kann.“ – Außer einer Auswahl von [727] Predigten hat S. nichts herausgegeben. Dieses geschah in zwei Sammlungen. Die erste: „Predigten, bei besonderen Veranlassungen gehalten“; I. Band 1802, II. Band 1809. Die zweite Sammlung: „Christliche Reden und Betrachtungen bei dem Privatgottesdienste weiland Ihrer Majestät der verwittweten Königin von Bayern“ 1847. Außerdem sind einzelne Predigten Schmidt’s in anderen Sammlungen und eine große Anzahl Gelegenheitsreden einzeln im Druck erschienen. Das Eigenthümliche in Schmidt’s Vorträgen war die ungesuchte Einfachheit der Sprache und des Inhalts, und ein freundlicher Beurtheiler der „Christlichen Reden“ empfahl dieselben im Theol. Litteraturblatt der Allg. Kirchenzeitung 1848 Nr. 125 „als einen reichen Gedankenschatz allen Gläubigen“. Oberconsistorialrath Dr. Kapp, ein vieljähriger College und Mitarbeiter Schmidt’s hat dessen Verdienste als Kanzelredner in folgender Weise bezeichnet: „Schmidt hat als Prediger einen großen Namen gehabt und seine Arbeiten werden von vielen Homileten, wie z. B. von Ammon, unter die musterhaften gerechnet. Noch erinnern sich die älteren Glieder hiesiger Gemeinde oft der Erbauung, welche seine Vorträge ihnen gewährten, wie er mittelst des reinen lauteren Bibelwortes, das er ebenso klar auszulegen als praktisch zu behandeln verstand, und in einer einfachen, natürlichen Darstellung, fern von allem erkünstelten Schmuck, in ruhigem, höchst würdevollem Vortrag, mit einer Stimme, wie sie wenigen Predigern verliehen ist, die Herzen der Zuhörer erquickte und aufrichtete.“

Ueber die Persönlichkeit Schmidt’s gibt uns einer seiner Großneffen, der das Glück hatte, lange Zeit in der Umgebung des alten Herrn zu leben, folgende Schilderung: „Friedrich v. Schmidt’s hohe, kräftige Gestalt imponirte durch die stramme Haltung, die er bis ins hohe Alter beibehielt. Der Kopf war interessant durch den intelligenten, meist ernsten Ausdruck, wie durch die echt germanische Bildung. S. war der Typus eines Dolichocephalen: mächtiger Schädelbau, gewölbte Stirnhügel, das Gesicht von vorwiegend länglicher Erscheinung, langgezogene Nase, starkes Kinn. Unter den dichten Augenbrauen lagen die von breiten Liedern umgebenen großen freiblickenden Augen, deren Iris die altgermanische hellblaue Färbung hatte. Die Gesichtsfarbe war leicht geröthet und deutete hin auf die äußere und innere Kraft und Gesundheit des ungewöhnlichen Mannes.“ – S. bewahrte eine seltene Geistesfrische bis an sein Ende. Ein rührendes Zeugnis für dieselbe sind seine „Lebenserinnerungen“, die er 1851, also im achtundachtzigsten Lebensjahre niederschrieb. Er nahm immer noch regen und lebhaften Antheil an allem, was in der Litteratur und in der Tagesgeschichte Bemerkenswerthes vorfiel. Sein bewunderungswürdiges Gedächtniß blieb ihm getreu bis in seine letzten Tage, so daß er oft in kirchlichen Angelegenheiten von den Mitgliedern des Oberconsistoriums zu Rathe gezogen wurde; und es hieß in solchen Fällen: „Wir müssen den Schmidt fragen.“ – Horaz, sein Lieblingsdichter, war sein Vademecum, und seine Antwort an die philosophische Facultät in Würzburg auf die Ertheilung des Doctordiploms 1827 war nach dem Zeugniß des damaligen Decans Dr. Metz ein Muster von fließender Eleganz und Urbanität in lateinischer Sprache. – S. war ein angenehmer Gesellschafter, der gründlich umfassende wissenschaftliche Bildung und reiche Lebenserfahrung mit gefälliger Art und feinem Witz und Humor vereinte. Nur ausnahmsweise, wenn gerechter Unwille ihn erfüllte, erschien er zürnenden Blickes und konnte dann von der niederschmetternden Kürze eines Andreas Doria sein. Vornehmen Wesens, in jedem Wissen aufs praktische gerichtet, klar im Fühlen und Denken, ernst, mäßig, streng gegen sich selbst war er gegen andere von unversiegbarer Güte.

Seit dem Tode der Königin lebte S. zurückgezogen von der Welt in München im Umgang seiner näheren Freunde, treu besorgt von seiner Nichte, unermüdlich in Beweisen der Liebe, welche von frühesten Zeiten an seine Geschwister und [728] deren Familien erfahren durften und die ihm im großen Kreise derselben bei Kind und Kindeskind die Gefühle unvergänglicher dankbarer Verehrung gesichert haben. Manchen mag er allzu gemessen, ja kalt erschienen sein, aber mit Unrecht. Ein Geistlicher durch und durch führte er ein stilles geistliches Leben. Die Vormittage, wenigstens zwei Stunden des Vormittags wandte er seit vielen Jahren dazu an, zu beten und in der heiligen Schrift zu forschen. Insbesondere waren es die Psalmen und das Evangelium Johannis, aus welchen er schöpfte. Wenige Tage noch vor seinem Tode beschäftigte er sich mit der hebräischen Bibel, um Vergleichungen anzustellen. Ohne Furcht und ohne Schmerz sah er dem Ziel seiner langen Laufbahn entgegen und pries in Demuth die Gnade Gottes, die sich in einem solch gesegneten Leben an ihm geoffenbart hatte. Er starb in München nach kurzer Krankheit, 93 Jahre alt am 5. Juli 1857. Sein schlichtes Grabkreuz auf dem südlichen Friedhof trägt die Inschrift Psalm 4, 9. So ragte diese ehrfurchtgebietende Gestalt in unsere vielfach zerrissene Zeit noch lange herein, in gewissem Sinne ein später Nachglanz von Goethe’s Erscheinung unter den Epigonen, ein edles Bild classischer Harmonie und in sich geschlossener Vollendung.

Lebenserinnerungen des ehemaligen bayrischen Cabinetspredigers und Ministerialrathsz Ludwig Friedrich v. Schmidt „Aus meinem Leben“. Von Pfarrer Fr. Schmidt in Dertingen (Baden) mitgetheilt in den von Volkmar Wirth in Schwabach herausgegebenen „Blättern für bayrische Kirchengeschichte“ 1888. Nr. 4–8.
Fr. Schmidt.

[722] *) Zu Bd. XXXII, S. 3.