Zum Inhalt springen

ADB:Schröer, Tobias

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schröer, Tobias Gottfried“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 551–553, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schr%C3%B6er,_Tobias&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 17:22 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 32 (1891), S. 551–553 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Tobias Gottfried Schröer in Wikidata
GND-Nummer 119060396
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|551|553|Schröer, Tobias Gottfried|Franz Brümmer|ADB:Schröer, Tobias}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119060396}}    

Schröer: Tobias Gottfried S., ein hochverdienter Schulmann und schönwissenschaftlicher Schriftsteller, als letzterer besonders unter dem Pseudonym Chr. Oeser bekannt, wurde am 14. Juni 1791 zu Preßburg von protestantischen Eltern geboren, bildete sich auf deutschen Universitäten und kehrte dann in seine Vaterstadt zurück, wo er eine Lehrerstelle an dem dortigen evangelischen Lyceum übernahm, an dem er zuletzt die Professur für Geschichte, Archäologie und Aesthetik bekleidete. Im März d. J. 1850 wurde er k. k. Schulrath und Schulinspector für den Preßburger District, starb aber bereits am 2. Mai 1850. Wir müssen uns mit dieser kurzen Darstellung seines äußeren Lebensganges begnügen, da die [552] eigenen Aufzeichnungen Schröer’s, „50 Jahre aus dem Leben eines Deutschen in Ungarn“, von seinem Sohne, dem Dichter und Goetheforscher, Professor Karl S. in Wien redigirt, noch der Veröffentlichung harren. Nach diesen Aufzeichnungen, die sich „wie ein Roman“ lesen sollen, war das innere, geistige Leben des Verstorbenen ein um so reicheres, aber auch bewegteres. Schon frühe trat S. als Vorkämpfer für deutsche Bildung und freie protestantische Geistesrichtung in Ungarn auf; aber nur zu bald mußte er die Fesseln fühlen, welche die traurigen Censurverhältnisse unter Metternich’s Regiment seiner Feder anlegten, und als mehrere seiner Schriften, die er unter seinem wahren Namen in Ungarn herausgegeben hatte, von der Censur arg verstümmelt wurden, mußte er für seine Geisteserzeugnisse außerhalb Oesterreich-Ungarns (in Leipzig) eine Stätte suchen. Aber alles, was hier von ihm unter fremdem Namen erschien, durfte in der Heimath vom Autor nicht als sein Eigenthum anerkannt werden und mußte den Spürnasen der Polizei verborgen bleiben. So wurde er des Beifalls, den viele seiner Schriften fanden, niemals von Herzen froh. S. hatte eine entschiedene Begabung für das charakteristische Lustspiel, das besonders die Zustände der Zeit, die Mißstände auf politischem und kirchlichem Gebiete behandelt. Sein humoristischer Schwank „Der alte Herr“, in welchem Metternich mit den kühnsten Strichen als Hausverwalter geschildert wird, ging leider auf dem Wege zu einem Hamburger Buchhändler verloren. Für einen andern, in kirchlicher Hinsicht ebenso verwegenen Schwank, „Die Krebse“, wollte sich kein Buchdrucker finden; er erschien endlich in unkenntlich verstümmelter Gestalt als „Krebse und derartiges Ungeziefer. Ein Fastnachtsspiel von Theodoricus Schernberk d. j. (1845).“ Von seinen Lustspielen „Rein gefegt“ (im Almanach dram. Spiele f. 1828) und „Der Bär“ (im Jahrb. deutsch. Bühnenspiele f. 1830), die S. später in seine „Theestunden in Lindenhain“ (II, 1846) wieder aufnahm, erhielt das erstere nur deshalb den von Lebrun ausgesetzten Preis nicht, weil es zu spät zur Preisbewerbung eintraf. Großes Aufsehen erregte sein historisches Drama „Leben und Thaten Emerich Tököly’s und seiner Streitgenossen von A. Z.“ (1839), in welchem er den Kampf Ungarns für den Protestantismus und die Ränke der clericalen Hofpartei lebendig und wahr schilderte. Es wurden nach dem Manuscript die weitgehendsten Haussuchungen angestellt, selbst bei der Mutter des Dichters, und das Buch in Oesterreich streng verboten, obwohl sein Inhalt auch vom ästhetischen Standpunkt aus die günstigste Beurtheilung erfuhr. Zwei frühere Schriften ähnlicher Tendenz, „Ueber Erziehung und Unterricht in Ungarn in Briefen an den Grafen St. Szechenyi von Pius Desiderius“ (1839), worin er den Unterricht der katholischen Geistlichkeit geißelt, und „Die Religionsbeschwerden der Protestanten in Ungarn, wie sie auf dem Reichstage im J. 1833 verhandelt wurden. Herausg. von Elias Tibiscanus“ (1838) hatten bereits die Aufmerksamkeit der spähenden Polizei auf S. gerichtet, und dieser mußte daher in steter Furcht schweben, durch einen Zufall verrathen und nach der Festung Munkacs abgeführt zu werden. Dagegen ließ man seine anonym erschienene Novelle „Die heilige Dorothea. Dichtung und Wahrheit aus dem Kirchenleben in Ungarn“ (1839), die man wegen ihres Titels für unverfänglich hielt, ungehindert verbreiten, und erst, als sie ihre Wirkung gethan, wurde sie confiscirt. Man wird nach diesen Mittheilungen verstehen, was Schröer’s Sohn über das Leben und die Thätigkeit seines Vaters sagt: „Es liegt ein Stück bürgerlicher Tragödie in dem Leben des armen, so wenig gekannten und so viel geplagten Mannes. Wenn das triste lateinische Sprichwort: Quem Dii odere paedagogum fecere je auf jemanden Anwendung gefunden, so war dies bei S. der Fall. Ein Professor der deutschen Litteratur, der deutschen Rhetorik und Poesie in Ungarn, in Preßburg in der vormärzlichen Zeit! Jeder Csikos hatte eine beneidenswerthere Stellung [553] gegen ihn … Und in diesem närrischen Lande, unter einer gedankenlos absoluten Regierung, in einer indifferenten, farb- und willenlosen Stadt mußte Oeser, dessen ganzes tiefinnerliches Wesen von deutscher Bildung und Gesinnung getragen war, ein deutscher Schriftsteller sein, der seine litterarische Beschäftigung verschlossen, heimlich, wie ein – Verbrechen übte.“ Unter den zahlreichen Schul- und Jugendschriften müssen wir schließlich noch folgende hervorheben: „Weihgeschenk für Frauen und Jungfrauen. Briefe über die Hauptgegenstände der Aesthetik“ (1838), ein Buch, das nach des Verfassers Tode von A. W. Grube unter etwas verändertem Titel herausgegeben wurde und noch heute (in 20. Aufl.) in gebildeten Familien heimisch ist; – „Weltgeschichte für Töchterschulen“ (III, 1841–43; neu bearb. von Chr. Gotth. Neudecker); – „Geschichte der deutschen Poesie in leicht faßlichen Umrissen“ (II, 1844); – „Der Vogelherd. Dram. Gemälde aus Luther’s häuslichem Leben“ (1845); – „Geschichte der Deutschen, dem Volke erzählt“ (1847); – „Weihgeschenk für Jünglinge. Eine Vorschule zur ästhetischen Bildung“ (1849). – Auch Schröer’s Gattin, Therese, geborne Langwieser, geboren am 9. Mai 1804, die er im J. 1823 heimführte, hat sich als Schriftstellerin bethätigt und damit als eine geistreiche, ästhetisch fein gebildete Frau bekannt gemacht. Ihre „Briefe und Blätter von Frau Therese. Herausg. von Karl v. Holtei“ (1864) und „Für Euch, Ihr jungen Frauen und Mütter. Briefe an eine Freundin von Therese Oeser“ (1866), sowie „Im Brautkranz. Briefe an eine junge Verlobte etc.“ (1870) sind eine wahre Fundgrube von Innigkeit und Empfindungstiefe. Durch diese Schriften wurde denn auch die Deutsche Schillerstiftung auf die bereits vergessene Wittwe eines bedeutenden deutschen Schriftstellers aufmerksam, und sie hielt es für Pflicht, die Schriftstellerin unter ihre Pensionärinnen aufzunehmen. In den letzten Jahren ihres Lebens wohnte die Wittwe in der Nähe ihres Sohnes in Wien, und hier ist sie am 27. Januar 1885 gestorben.

Enthüllungen über Christian Oeser (von Prof. K. J. Schröer in der Wiener „Neuen Freien Presse“ 1869 v. 2. April). – Karl Goedeke’s Grundriß III, 860. – Wurzbach’s Lexikon XXXI, 18. – K. J. Schröer, Die deutsche Dichtung des 19. Jahrh., 1875, S. 191 ff.