Zum Inhalt springen

ADB:Schum, Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schum, Wilhelm“ von Albert Brackmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 260–262, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schum,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:17 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schulz, Otto August
Nächster>>>
Schumann, Clara
Band 54 (1908), S. 260–262 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Juli 2015, suchen)
Wilhelm Schum in Wikidata
GND-Nummer 117647667
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|260|262|Schum, Wilhelm|Albert Brackmann|ADB:Schum, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117647667}}    

Schum: Wilhelm Sch., Historiker, wurde am 25. Juni 1846 zu Erfurt geboren. Da er zum Erben der väterlichen Fabrik bestimmt war, erhielt er mit Rücksicht auf seinen künftigen praktischen Beruf seine Ausbildung auf der Erfurter Realschule. Er verließ sie Ostern 1864 mit dem Zeugnis der Reife und trat in die Fabrik seines Vaters ein. Seine Neigung für Geschichte veranlaßte ihn, nach zwei Jahren diesen Beruf aufzugeben und sich dem Geschichtsstudium zu widmen. Zwei Jahre lang bereitete er sich für das Abiturientenexamen des Gymnasiums vor und bestand es im März 1868 in Erfurt. Der Ruf von Georg Waitz und seiner historischen Schule zog ihn nach Göttingen; Waitz nahm ihn in sein Seminar auf; dort entstanden einige kleinere historische Arbeiten. Am 1. October 1869 trat er in Berlin als Einjährig-Freiwilliger ein, hörte nebenbei Vorlesungen an der Universität, vor allem bei Droysen, und machte dann als Unterofficier den Feldzug gegen Frankreich mit. Am 18. August 1870 wurde er beim Sturm auf St. Privat schwer verwundet, so daß er erst im Frühjahr 1871 wieder Dienst thun konnte. Mit dem Eisernen Kreuze geschmückt kehrte er heim und wurde am 21. Juni 1871 zur Reserve entlassen. Nun wandte er sich wieder seinen unterbrochenen Studien zu. Bereits Anfang November 1871 bestand er in Göttingen das Rigorosum. Am 9. März 1872 wurde er zum Doctor promovirt auf Grund einer Arbeit: „Die Jahrbücher des Sanct-Albans-Klosters zu Mainz. Eine Quellenuntersuchung“. 1872 und 1873 finden wir ihn in München als Mitglied des Giesebrecht’schen Seminars; von dort machte er Studienreisen durch süd- und norddeutsche Archive; sie dienten hauptsächlich den Vorarbeiten für eine Lehre von den Urkunden Lothar’s III. Am 21. Februar 1874 habilitirte er sich in Halle für Geschichte und historische Hülfswissenschaften. In den Monaten März und April 1874 unternahm er eine italienische Reise, um seine Vorarbeiten über die Urkunden Lothar’s III. zu Ende zu führen; ein Reisebericht im Neuen Archiv f. ält. deutsche Gesch. (I, 1876, S. 123–157) berichtet Näheres über die Stationen der Reise.

Die äußeren Daten seines weiteren Lebens sind rasch aufgezählt: Am 1. April 1877 wurde er Schriftführer der historischen Commission der Provinz Sachsen, der er bis zum 1. Mai 1889 in dieser Eigenschaft angehörte. Am 27. März 1878 wurde er zum außerordentlichen Professor in Halle befördert; am 1. November 1889 folgte er einem Rufe nach Kiel; im Mai 1890 wurde er dort ordentlicher Professor. Schon am 16. Juni 1892 wurde er jedoch seinem neuen Wirkungskreise durch den Tod entrissen.

Die bedeutenderen wissenschaftlichen Arbeiten Schum’s beziehen sich auf das Gebiet der historischen Hülfswissenschaften, im speciellen auf die Diplomatik und Paläographie. Schon seine Habilitationsschrift behandelt ein diplomatisches Thema: „Vorstudien zur Diplomatik Kaiser Lothar’s III.“, Halle 1874. Die Beurtheilung, die diese Arbeit erfuhr, war verschieden. Scheffer-Boichorst (Jenaer Literaturzeitung 1874, Nr. 35) tadelte die starke Betonung der „paläographisch-diplomatischen Theorie“; „zunächst die inneren Gründe“, meinte er, „dann in Gottes Namen die paläographisch-diplomatischen Finessen, welche nun im Schwange sind“. Victor Bayer, der Sickelschüler (Göttinger Gelehrte Anzeigen 1874, S. 577–585) hielt die Wahl [261] des Themas für unglücklich; er erklärt die Resultate für ungenügend, weil erst die Prüfung aller Urkunden Lothar’s ein Ergebniß liefern könne. In dieser Kritik spiegelt sich der Gegensatz der alten und der neuen Sickel’schen Methode der Urkundenbehandlung ganz charakteristisch wieder. Bayer behielt Recht; das Unternehmen Schum’s war verfrüht; er hat im einzelnen einige zutreffende Beobachtungen gemacht; aber die Kritik, die er übte, schwebte in der Luft, weil er das Vergleichsmaterial nicht völlig beisammen hatte. – Aus demselben Grunde kann auch die Behandlung der Urkunden Lothar’s III. in den „Kaiserurkunden in Abbildungen“, Lieferung VI, Tafel 3–9 (Halle 1883), so dankenswerth sie als erster Versuch ist, nicht als vollständig und abschließend angesehen werden (kurz besprochen von H. Breßlau in den Jahresberichten der Geschichtswiss. VI, 1883, II, S. 334). Dasselbe gilt in noch stärkerem Maße von der Behandlung der Kaiserurkunden von Konrad III. bis Otto IV. („Kaiserurkunden in Abbildungen“, Lieferung X, Vorrede, Halle 1890).

In das Gebiet der Paläographie gehören 1. die „Exempla codicum Amplonianorum Erfurtensium saeculi IX – XV“, Berlin 1882. Sie enthalten Proben Erfurter Handschriften; über die Güte der Auswahl läßt sich jedoch streiten. (Besprochen von W. Wattenbach in den Jahresberichten der Geschichtswiss. V, 1882, II, S. 437; ferner von E. Bernheim in den Göttinger Gelehrten Anzeigen 1886, S. 779–780.) Das Werk ging aus der ihm übertragenen Katalogisirung der Amplonianischen Handschriftensammlung hervor. 2. Der Abschnitt „Die schriftlichen Quellen“ in Groeber’s Grundriß der Romanischen Philologie, Straßburg 1888; als kurzer Abriß der Paläographie dankenswerth, inzwischen in 2. Auflage durch H. Breßlau neu bearbeitet (Straßburg 1904).

Für die Scriptores-Abtheilung der Monumenta Germaniae historica bearbeitete er die Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium in Band XIV (1883) und versah die Ausgabe mit ausführlicher Einleitung (S. 361–374).

Von größeren oder kleineren Aufsätzen sind zu nennen: 1. „Erfurt während des Streites der Kaiser Heinrich V. und Lothar III. mit Kirche und Fürstenthum“, Vortrag, Erfurt 1874 (vgl. Jenaer Literaturztg. 1875, Nr. 49). 2. „Ein thüringisch-bairischer Briefsteller des XV. Jahrhunderts, herausgeg. und in seinem culturhistorischen Werthe erläutert“, Halle 1875 (vgl. Jenaer Lit.ztg. 1875, Nr. 48). 3. „Das Quedlinburger Fragment einer illustrirten Itala“, in den Theol. Studien und Kritiken 1876 (vgl. Jenaer Lit.ztg. 1876, Nr. 17). 4. „Kaiser Heinrich V. und Papst Paschalis II. im J. 1112. Ein Beitrag zur Geschichte des Investiturstreites auf Grund ungedruckten Materiales“, in den Jahrbüchern der Kgl. Akademie gemeinnütz. Wiss. zu Erfurt, N. F. Heft VIII, Erfurt 1877, S. 191–318 (vgl. E. Bernheim in Gött. Gel. Anz. 1877, S. 1595–1600). 5. „Cardinal Albrecht von Mainz und die Erfurter Kirchenreformation (1514–1533)“, Halle 1878. 6. „Mittheilungen über die Originale einiger päpstlicher Bullen für Anhaltische Klöster“, im Neuen Archiv für ält. deutsche Gesch. III, 1878, S. 203–205. 7. „Mittheilungen über die Fürstlich Metternich’sche Bibliothek auf Schloß Königswart in Böhmen“, ebenda V, 1880, S. 457–465, eine Vorarbeit für seine Ausgabe der Gesta archiep. Magdeb. 8. „Ueber neuerdings wieder aufgefundene Originale päpstlicher Bullen für Nienburg an der Saale“, ebenda VI, 1881, S. 613–615. 9. „Ueber die Stellung des Capitels und der Laienbevölkerung zu den Wahlen und der Verwaltungsthätigkeit der Magdeburger Erzbischöfe bis zum 14. Jahrhundert“, in den „Historischen Aufsätzen, dem Andenken an Georg Waitz gewidmet“, Hannover 1886, S. 389–432. [262] 10. „Miracula Burchardi III. archiepiscopi Magdeburg.“, im Neuen Archiv ält. deutsche Gesch. XII, 1887, S. 586–590. 11. „Ungedruckte Urkunde Heinrichs VI.“, ebenda XVI, 1891, S. 184 f. 12. Bemerkungen zu einigen Diplomen Konrad’s III., ebenda XVII, 1892, S. 619 f.

Außerdem war Sch., namentlich in den ersten Jahren seiner Lehrthätigkeit, vielfach als Recensent thätig. In den Jahresberichten der Geschichtswissenschaft hat er seit dem 2. Jahrgange den Abschnitt: Lothar III. und die Staufer bis 1208, bearbeitet, seit 1888 den größeren Abschnitt von 1125–1273, allerdings seit 1883 unterstützt durch seinen Schüler Dr. Kohlmann. – Umfangreichere Recensionen sind in den Gött. Gel. Anzeigen und in der Jenaer Literaturzeitung erschienen. Unter ihnen verdienen Erwähnung: 1. in den Gött. Gel. Anz., Jahrg. 1873, S. 1049–1070: Fr. Kolbe, Erzbischof Albert I. von Mainz und Heinrich V., Heidelberg 1872; Jahrg. 1875, S. 225–246: O. Lorenz, Papstwahl und Kaiserthum, Berlin 1874; ebenda S. 801–826: B. Riggenbach, Johann Eberlin von Günzburg und sein Reformprogramm, Tübingen 1874; Jahrg. 1877, S. 438–447: P. Leop. Janauschek, Originum Cisterciensium tom. I, Vindobonae 1877; ebenda S. 1217–1247: A. v. Mülverstedt, Regesta archiepiscopatus Magdeburg. I, Magdeburg 1876; Jahrg. 1883, S. 1018–1023: Band II des genannten Werkes und O. v. Heinemann, Codex diplomat. Anhaltinus V. 2. In der Jenaer Literaturzeitung, Jahrg. 1874, S. 791–793: W. Arndt, Schrifttafeln, Berlin 1874; Jahrg. 1876, S. 109–111: Th. Zahn, Urk.-Buch des Herzogthums Steiermark I, und A. Luschin, Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und Convente in Steiermark; Jahrg. 1877, S. 301–304: J. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre I (II vgl. Jahrg. 1878, Nr. 219) und Th. Sickel, Ueber Kaiserurkunden in der Schweiz; ebenda S. 447–448: C. Heffner, Die deutschen Kaiser- und Königssiegel u. a.

Nekrolog in den Jahrbüchern der Königl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Heft 19, 1893, S. L-LIV.