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ADB:Tauentzien von Wittenberg, Bogislaw Graf

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Artikel „Tauentzien von Wittenberg, Bogislav Graf“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 447–452, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tauentzien_von_Wittenberg,_Bogislaw_Graf&oldid=- (Version vom 11. Dezember 2024, 21:24 Uhr UTC)
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Tauentzien: Bogislav Friedrich Emanuel Graf T. von Wittenberg, preußischer General der Infanterie, ein Sohn des Vorigen, wurde am 15. September 1760 zu Potsdam geboren. Das Ansehen, dessen der Vater sich erfreute, sowie sonstige Familienbeziehungen, von denen nur erwähnt sein mag, daß der jüngere T. durch die Verheirathung einer seiner Schwestern der Schwager des Staatsministers Graf Haugwitz wurde und daß er ein naher Verwandter des späteren Generalfeldmarschalls von dem Knesebeck war, verbunden mit eigener körperlicher Schönheit, einem höchst einnehmenden Wesen und glücklichen Geistesanlagen, bewirkten, daß seine Laufbahn früh eine glänzende war und es bis an sein Lebensende geblieben ist. Am 1. März 1774 in die Militärakademie zu Berlin aufgenommen ward er aus derselben am 1. September 1775 als Estandartenjunker zum Regiment Gensd’armes ausgemustert, kurz darauf aber, weil sein Vater fürchtete, daß der Aufwand, welchen die Officiere dieses tonangebenden Regiments machten, den leichtlebigen Sohn zu Ausgaben verleiten könnte, die außer Verhältniß zu seinen Mitteln ständen, zum Infanterieregimente Prinz Heinrich Nr. 35 versetzt. Der Chef desselben, eben dieser Prinz, wählte ihn bald zum Adjutanten, gewann ihn lieb und machte sich zu seinem militärischen Lehrmeister. T. begleitete ihn in den Bairischen Erbfolgekrieg sowie zwei Mal, 1784 und 1788, auf größeren Reisen nach Frankreich, und blieb am Rheinsberger Hofe bis König Friedrich Wilhelm II. ihn, als Tauentzien’s Vater gestorben war, 1791 in seine eigene Suite berief. Am 8. Juni 1792 verlieh er T., welcher rasch von Stufe zu Stufe gestiegen und bereits 1790 Major geworden war, den Grafentitel. Graf T. begleitete den König sodann 1792 in den Krieg gegen Frankreich, erhielt als ein Zeichen der Zufriedenheit mit seinen Diensten am 13. December den Orden pour le Mérite und ward, nachdem er am 16. Februar 1793 Oberstlieutenant und königlicher Flügeladjutant geworden war, als Militärbevollmächtigter in das Hauptquartier des in den Niederlanden befehligenden österreichischen Generalfeldzeugmeisters Clerfait gesandt. Auch in dieser Stellung entsprachen seine Leistungen durchaus den Wünschen und Erwartungen [448] des Monarchen und die gute Meinung, welche man am preußischen Hofe von ihm hatte, bewirkte, daß er am 8. Januar 1794 von seiner Stellung als Ministre auprès du Gouvernement-général des Pays-bas Autrichiens abberufen wurde und eine noch wichtigere Bestimmung erhielt indem er an des Generalmajors Graf Goltz Stelle zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister am kaiserlich russischen Hof ernannt wurde. In die Zeit, während deren er diese Stellung inne hatte, fielen der Aufstand in Polen und die dritte Theilung des Landes. Als Kaiser Paul den Thron bestiegen hatte, wurde T. abberufen. Er kehrte in die königliche Suite, in welcher er auch unter Friedrich Wilhelm III. verblieb, nach Berlin zurück und wurde mehrfach zu diplomatischen Sendungen benutzt, bei denen indessen hauptsächlich Höflichkeitsbezeugungen in Frage standen. Der russische Hof sprach damals den Wunsch aus, daß T. von neuem als Gesandter nach Petersburg kommen möge. Der König ging jedoch nicht darauf ein.

Im Herbst 1804 kehrte T., der seit 1795 Oberst, seit 1801 General war, in den Truppendienst zurück, welchen er trotz seiner dreißigjährigen Dienstzeit kaum kennen gelernt hatte und in den er sich nie recht hat einleben können. Er ward zum Chef des Infanterieregiments Nr. 56 vakant v. Laurens ernannt und hatte als solcher seinen Aufenthalt in Ansbach zu nehmen. Dort war er ganz an seinem Platze. Die fränkischen Lande und namentlich Ansbach entbehrten seit kurzer Zeit des eigenen Fürsten und seiner Hofhaltung, T. war wie wenige Generale geeignet ihnen beides zu ersetzen. Der Ausbildung seines Regimentes, vorzüglich der Officiere in militärwissenschaftlicher und geselliger Hinsicht, nahm er sich mit großem Eifer an. Unter anderem stellte er ihnen Aufgaben aus dem Gebiete des kleinen Krieges, welche sie praktisch ausführen mußten, ein damals wenig geübter Unterrichtszweig. Aber nicht lange Zeit war ihm zu solchen Zwecken vergönnt. Denn schon ein Jahr später störte des Marschalls Bernadotte unter Verletzung der Neutralität vollzogener Durchmarsch durch das fränkisch-preußische Gebiet die Ruhe des Landes. T. benahm sich dabei mit Mäßigung und Besonnenheit; die Thatsache zu hindern hätte nicht in seiner Macht gestanden. Mit seinem Regimente stieß er dann zu dem gelegentlich der Mobilmachung des Jahres 1805 unter Blücher im Baireuthischen versammelten Armeecorps, nach dessen in Veranlassung des Friedens von Preßburg erfolgter Auflösung ihm der Oberbefehl über die dort verbleibenden Truppen übertragen wurde. Bald nachher bat er aus unbekannten Gründen um seinen Abschied, welchen der König in gnädigen Worten am 17. März 1806 verweigerte. Kurz darauf erhielt er den Rothen Adlerorden. Daß T. aber auch verstand, die rauhe Seite nach außen zu kehren, beweist sein Schriftwechsel mit dem Magistrate der zu jener Zeit von den Franzosen besetzten Stadt Nürnberg, welche der Verbindung zwischen den einzelnen Theilen des langgestreckten Fürstenthums Baireuth Hindernisse in den Weg legte. General v. Reiche (s. A. D. B. XXVII, 652) schreibt über ihn, was den T. von 1806 kennzeichnen mag: „T., in der großen Welt aufgewachsen, vor 1806 fast nur Hofmann und Diplomat, hat sich rasch das Vertrauen seiner Untergebenen erworben, ritterlich, mit Leib und Seele Soldat, war 1805 sehr entschieden aufgetreten.“

Bei Beginn des Krieges vom J. 1806 stand er mit einem vorgeschobenen Seitencorps von 8 Bataillonen und 9 Schwadronen bei Hof. Das Nahen des Marschalls Soult nöthigte ihn zum Rückzuge nach Schleiz, wo am 9. October Marschall Bernadotte ihn angriff. Der Ausgang des Kampfes war für die preußischen Truppen unglücklich, woran (nach v. Lettow-Vorbeck, Der Krieg von 1806 und 1807 I, 215. Berlin 1891) Tauentzien’s mangelhafte Anordnungen hauptsächlich Schuld gewesen sein sollen. Dieser ging nun über Auma und [449] Triptis auf Jena zurück, übernahm am 11. das Commando über die gesammten Vortruppen der Hohenlohe’schen Heeresabtheilung, welche am Schlachttage, dem 14., den ersten Angriff der Franzosen auszuhalten hatten, diesem aber auf die Dauer nicht widerstehen konnten, bei Vierzehnheiligen nothdürftig wieder geordnet wurden und darauf das Schicksal des übrigen preußischen Heeres theilten. Mit dem Reste der Armee des Fürsten Hohenlohe gerieth T. am 28. durch die Capitulation von Prenzlau in Kriegsgefangenschaft. Auf Ehrenwort entlassen ging er nach Charlottenburg. Aus der Zurückgezogenheit aber, in welcher er dort lebte, wurde er durch einen Gewaltstreich des Kaisers Napoleon gerissen, dessen Mißfallen er durch die von ihm in den Jahren 1805 und 1806 während seiner Commandoführung in Ansbach und Baireuth den französischen Truppen gegenüber beobachtete Haltung auf sich gezogen hatte. Ohne jegliche anderweite Veranlassung und ohne daß irgend welche Anklage gegen ihn erhoben wäre, wurde er am 23. December 1806 nach der Feste Bitsch in eine unwürdige Gefangenschaft abgeführt. Im April 1807 traf dort die Nachricht ein, daß er gegen einen französischen General ausgewechselt werden solle. Auf der Heimreise berührte er die Städte Ansbach und Baireuth. Der ihm von den dortigen Einwohnern bereitete Empfang rief von neuem das Mißtrauen der argwöhnischen französischen Behörden gegen ihn wach. In Posen ward ihm eröffnet, daß die Auswechslung nicht stattfinden könne. Er ward von neuem zum Gefangenen erklärt und nach dem Fort Joux im Jura abgeführt. Dem Gewaltstreiche, welcher ebensowenig wie der erste auch nur durch Scheingründe zu rechtfertigen versucht wurde, entsprach die dem General zu theil werdende Behandlung, deren Härte später durch den ehrenhaften Commandanten des Forts gemildert wurde. In einer französischen Zeitung las T., daß er am 4. Mai 1807 zum Generallieutenant befördert war. Nach Abschluß des Friedens von Tilsit in das Depot der Kriegsgefangenen zu Nancy versetzt fand er vielfache Gelegenheit durch Rath und That, die er seinen Gefährten zu theil werden ließ, seine Herzensgüte und mittelst der vom Könige ihm zu diesem Zwecke gespendeten Gelder seine Freude am Wohlthun zu bethätigen. Nach 16monatlichem Aufenthalte in Nancy im Nov. 1808 in Freiheit gesetzt meldete er sich in Königsberg i. Pr. beim Könige und wurde bei der Neubildung des Heeres zum Chef der Brandenburgischen Brigade ernannt. Seine Garnison ward Berlin. Die Cabinetsordre vom 21. November 1808, welche ihm diese Bestimmung mittheilte, wies ihm ein Gehalt von 4000 Thlrn. und 2400 Thlr. Tafelgelder an, wovon jedoch nach den für jene Ausnahmezeit aufgestellten Grundsätzen ein Drittel abgezogen wurde, so daß er jährlich 4266 2/3 Thaler empfing. Daneben gebührten ihm zehn Rationen. Bevor er diesen Posten übernahm, begleitete er im Winter 1808/9 die königliche Familie zum Besuche des russischen Hofes nach Petersburg. Im Februar 1809 traf er in Berlin ein. Zwei Monate später erfolgte Schill’s Ausmarsch mit seinen Tauentzien’s Befehlen unterstehenden Truppen. Da die Vermuthung nahe lag, daß ein solcher Schritt nicht ohne Mitwissen der Vorgesetzten oder ohne daß diese sich eine strafbare Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflichten hätten zu Schulden kommen lassen geschehen sei, so enthob der König außer dem Gouverneur L’Estocq und dem Commandanten Chasot auch T. vom Dienste und sandte den General v. Stutterheim (s. S. 75) zu strenger Untersuchung des Vorfalles nach Berlin. Da sich jedoch herausstellte, daß dem Brigadechef kein Vorwurf gemacht werden könne, wurde T. durch eine sehr gnädige Cabinetsordre vom 21. Juli 1809 in seinen Posten wieder eingesetzt und blieb auf demselben, bis ihm, nachdem Blücher, seinem Wunsche entsprechend, zu den inactiven Generalen versetzt worden war, im August 1811 das Gouvernement von Pommern übertragen wurde.

[450] Als im Frühjahr 1813 Preußen zu den Waffen griff, um das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln, trug T. sich mit der Hoffnung an die Spitze des Heeres gestellt zu werden. Er rechnete dabei auf die Fürsprache des Kaiser Alexander, welcher ihm wohlwollte und seine Berufung gern gesehen hätte. Aber des Königs militärische Rathgeber hielten ihn für eine solche Stellung nicht geeignet; er galt für einen Gegner ihrer Neuerungen im Heerwesen; sein Hang zur Gemächlichkeit und zum Wohlleben, verbunden mit einem schwerfällig gewordenen Körper, berechtigten nicht zu großen Erwartungen von seinen Leistungen. Scharnhorst traute ihm nicht viel zu und sorgte auch später dafür, daß ihm in der Person des Majors v. Rottenburg (s. A. D. B. XXIX, 391) ein tüchtiger Generalstabsofficier beigegeben wurde, dessen Einfluß auf seines Generals Entschließungen um so größer war, als dieser seiner Umgebung überhaupt in hohem Maaße gestattete einen solchen auszuüben; noch geringer als Scharnhorst dachte Gneisenau über Tauentzien’s geistige Fähigkeiten und seine Leistungen. Auch Boyen meint, T. sei mehr Hofmann als Soldat gewesen und habe nicht die für einen Heerführer erforderlichen Kenntnisse gehabt, dazu habe „sein Hang zu vielfachen Lebensgenüssen ihm die Willens- und Urtheilskraft geraubt, ohne die der Mensch in ungewöhnlichen Verhältnissen nur zu leicht ins Schwanken geräth.“ Er wurde am 5. März zum Militärgouverneur der Lande zwischen Weichsel und Oder (außer Schlesien) ernannt und beauftragt Stettin zu blockiren. Seine dringende Bitte um Verwendung im Felde wurde mit schönen Worten abgeschlagen. Erst während des Waffenstillstandes ging ihm dieser Wunsch in Erfüllung, indem ihm durch eine aus Charlottenburg, den 18. Juli, datirte Cabinetsordre das Commando des neugebildeten IV. Armeecorps übertragen wurde, welches die Bestimmung erhielt je nach den Umständen mit dem Nordheere unter dem Kronprinzen Karl Johann von Schweden, dem dereinstigen Marschall Bernadotte, oder mit der Schlesischen Armee unter Blücher zusammen zu operiren und außerdem die Festungen an der Oder und an der Elbe einzuschließen. Es wurde ihm empfohlen mit dem Kronprinzen von Schweden in fortwährender Verbindung und in gutem Vernehmen zu bleiben. Des letzteren Auftrages entledigte er sich mit großer Gewandtheit, so daß der Kronprinz ihn, im Gegensatze zu dem mit ihm selbst in stetem Hader lebenden Bülow, als seinen Freund bezeichnete. Mit letzterem stand T. schon damals weniger gut. – Die Zahl der bei Beendigung des Waffenstillstandes T. untergebenen, für den Feldkrieg verfügbaren Truppen beziffert General v. Quistorp (Geschichte der Nordarmee III, 18) auf 30 169 Mann Infanterie, 2789 Reiter nebst 43 Geschützen. Es waren fast ausschließlich Landwehrtruppen, mangelhaft ausgebildet, ungenügend bewaffnet und ausgerüstet, aber von trefflichem Geiste beseelt, unter Officieren, welche vor Begierde brannten die Schmach von 1806 zu rächen. Am 20. August war das IV. Armeecorps bei Berlin versammelt. Von hier mußte es unverzüglich aufbrechen um eine Aufstellung bei Blankenfelde zu nehmen, in welcher es am 22. den Angriff des im Vorrücken gegen die Hauptstadt begriffenen Feindes zurückwies und durch deren Festhalten gegen den General Bertrand es am folgenden Tage zum glücklichen Ausgange der Schlacht von Großbeeren beitrug. T. marschirte nun nach Sachsen, nahm am 28. durch die Division Wobeser Luckau nach leichtem Gefechte und hegte den Wunsch von der durch sein Verhältniß zum Kronprinzen-Oberbefehlshaber ihm gelassenen Freiheit des Handelns Gebrauch zu machen, indem er sich von diesem, dessen wahre Absichten ihm bereits klar geworden waren, trennte und sich der Schlesischen Armee näherte, wurde aber durch Befehle, denen er nachkommen mußte, genöthigt sich mit der Hauptmasse der Nordarmee wieder zu vereinigen. Er bewerkstelligte dies am 4. September, nahm sein Hauptquartier in Seyda und begab sich, [451] durch Bülow bewogen, zum Kronprinzen nach Rabenstein, um wegen des gemeinsamen Handelns Abrede zu nehmen. Auf dem Rückwege wäre er fast dem Feinde in die Hände gefallen, da sein Corps inzwischen angegriffen und bis Jüterbog zurückgedrängt war, wo er dasselbe in der Nacht zum 6. antraf. Wenige Stunden später wurde er in der von ihm genommenen Stellung angegriffen. Es war der Beginn der Schlacht bei Dennewitz. Sein standhaftes Ausharren ermöglichte Bülow den Sieg. Als um Mittag seine Lage hochkritisch geworden war und man in seiner Umgebung vom Rückzuge sprach, sagte er: „Wenn ein commandirender General einem anderen ein Versprechen gibt, so darf man nicht daran zweifeln und ich werde eher mit meinem ganzen Corps auf dem Platze liegen bleiben ehe ich einen einzigen Schritt weiche.“ Seine Zuversicht war gerechtfertigt. Bülow kam und die Schlacht bei Dennewitz ward gewonnen. Eine sich daran schließende Periode neuer Thatenlosigkeit hoffte T. zum zweiten Male durch ein Zusammengehen mit Blücher ausfüllen zu können, der Gang des Krieges ließ es aber nicht dazu kommen, und, als Karl Johann den Plan witterte, rief er T. am 29. September in einer Weise zu sich heran, welche kein Umgehen des Befehles zuließ. Anfang October war T. über die Elbe gegangen und stand zum Schutze der Brücken und zur Deckung von Berlin mit einem Theile seiner Truppen bei Dessau, als die Nachricht, Napoleon selbst breche mit 30 000 Mann aus Wittenberg gegen Berlin vor, ihn veranlaßte seinerseits dahin abzumarschiren, um, wie er meinte, die Hauptstadt zu schützen. Der Entschluß ist ihm zu schwerem Vorwurfe gemacht worden; Gneisenau nannte diese rückwärtige Bewegung, welche geschah während die übrigen Theile der verbündeten Heeere im Vormarsche auf Leipzig begriffen waren, eine schmähliche Flucht; ein heldenhafter Entschluß war es sicher nicht, welcher T. zu jenem Schritte bestimmte und ihn um die Theilnahme an der Völkerschlacht brachte. In der Nacht vom 15./16. kam er unbehelligt in Berlin an, die Dunkelheit mußte den Bewohnern der Stadt den Zustand verbergen, in welchen der Gewaltmarsch seine Soldaten versetzt hatte. Nach einigen Tagen der Ruhe marschirte er über die Elbe zurück. Seine Truppen wurden nun zur Einnahme der an diesem Flusse belegenen Festungen verwendet. Torgau, schon vorher durch eine von Tauentzien’s Divisionen eingeschlossen gewesen, capitulirte nach vorangegangener Beschießung am 26. December 1813, Wittenberg wurde in der Nacht vom 12./13. Januar 1814 mit stürmender Hand genommen. Es war die Waffenthat, welcher T. seinen demnächstigen Ehrennamen zu danken hatte, um die er aber persönlich kaum ein Verdienst hatte, sodaß die Beilegung ihn peinlich berühren mußte. Die nächste Aufgabe, deren Lösung ihm zufiel, war das schon längere Zeit eingeschlossene Magdeburg zu gewinnen. Es dauerte damit noch lange, da der Gouverneur, General Lemarrois, die Uebergabe selbst dann verweigerte als König Ludwig XVIII. den Thron Frankreichs bestiegen und dieselbe angeordnet hatte. Erst am 24. Mai 1814 zog T. in die Stadt ein. Er verlegte jetzt sein Hauptquartier aus Hundisburg, von wo er die Einschließung Magdeburgs geleitet hatte, nach Hofgeismar, seine Truppen waren theilweise schon vorher nach Hessen und nach Westfalen abgerückt. Am 8. December 1813 war er zum General der Infanterie befördert worden, nach der Einnahme von Wittenberg hatte er das Großkreuz des Eisernen Kreuzes erhalten, am 3. Juni 1814 ward ihm sein Ehrenname beigelegt und ihm eine Dotation in Aussicht gestellt. An Anerkennung seiner Leistungen, welche, wenn man sie genau prüft, hinter denen der gleichgestellten Generale zurückbleiben, hat es demnach nicht gefehlt. Aber T. war ein Glückskind und das Glück hatte ihn verwöhnt. Er glaubte daher auch jetzt nicht, daß seine Verdienste nach Gebühr gewürdigt seien, [452] und war namentlich der Meinung, daß er auf den Namen Dennewitz größere Ansprüche habe als Bülow, dem er beigelegt worden. An der Thatsache konnte er nichts mehr ändern, der königliche Befehl war ergangen, aber er verlangte jetzt von Bülow die schriftliche Erklärung, daß das IV. Corps am 6. Septbr. 1813 wenigstens eben soviel geleistet habe wie das jenem unterstellt gewesene III. Als Bülow ablehnte diese Erklärung zu geben forderte ihn T., Bülow nahm die Forderung an und ließ seine Pistolen nach Freienwalde holen, wo er sich (August 1814) im Bade befand. Da besann sich T. Er zog gelindere Saiten auf und, als Bülow sich herbeiließ ihn durch eine anders gefaßte Erklärung zufrieden zu stellen, ward die Sache ohne Zweikampf beigelegt. Die gewechselten Briefe sind in der von Varnhagen v. Ense verfaßten Lebensbeschreibung Bülow’s (Berlin 1830, S. 395) abgedruckt. Tauentzien’s Dotation bestand in der im Kreise Züllichau-Schwiebus gelegenen Begüterung Schönfeld, einem ehemaligen Besitze des Cistercienserklosters Trebnitz in Schlesien, welches im J. 1810 säcularisirt war und ihm durch Schenkungsurkunde vom 7. August 1814 verliehen wurde. Nach Tauentzien’s Tode konnten die Erben den Besitz nicht halten. Er wurde im J. 1827 meistbietend versteigert und ging für 65 500 Thaler an einen Justizcommissarius Mettke über, der Taxwerth hatte fast 90 000 betragen (Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg 1856, II, 769).

Tauentzien’s Garnison wurde wieder Berlin. Nach des Königs Rückkehr aus dem Kriege ward ihm am 7. August 1814 das Generalcommando in den Marken rechts der Elbe und in Pommern übertragen. Am Feldzuge des Jahres 1815 hat er nicht theilgenommen. Beim Bevorstehen des Krieges mit dem Commando des VI. Armeecorps betraut sammelte er dieses bei Erfurt und Minden und führte es nach Frankreich, die Feindseligkeiten waren aber beendet als er ankam; im October trat er von der Bretagne aus den Rückmarsch in die Heimath an. Am 3. jenes Monats ward er wiederum zum commandirenden General in den Marken und in Pommern mit dem Sitze in Berlin ernannt, einer Stellung, welche am 3. April 1820 unter Beschränkung des Amtsbereiches in die eines commandirenden Generals des III. Armeecorps umgewandelt wurde. Auch diplomatische Dienste hatte er noch einmal zu leisten. 1820 sandte ihn der König nach England und Frankreich um die Theilnahme am Tode König Georg’s III. und an der Ermordung des Herzogs von Berry auszudrücken. Nach dem bei Mittenwalde im J. 1823 abgehaltenen Königsmanöver wurde er zum Chef des 20. Infanterieregiments ernannt, welchem zu seinem immerwährenden Gedächtnisse am 27. Januar 1889 durch Kaiser Wilhelm II. der Name „Infanterieregiment Graf Tauentzien von Wittenberg (3. Brandenburgisches) Nr. 20“ beigelegt worden ist. Am 20. Februar 1824 starb T. zu Berlin. Er war zwei Mal verheirathet, zuerst mit einem Fräulein v. Marschall, dann mit einem Fräulein v. Arnstedt. Sein Mannesstamm und damit der Name Graf Tauentzien von Wittenberg erlosch durch den Tod seines Sohnes, welcher am 6. November 1854 zu Trier, wo er in seiner letzten Dienststellung Cavallerie-Brigadecommandeur gewesen war, als Generalmajor zur Disposition starb.

Das Leben des Generals Grafen Bogislaw Tauentzien von Wittenberg von C. v. Gorszkowsky, kgl. preuß. Hauptmann, Frankfurt a. O. 1832 ist eine unkritische Lobrede. – Mancherlei Beiträge geben: (Dorow) Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur, 1. u. 3. Bd., Berlin 1838-39, ebenfalls fast alle zu Tauentzien’s Gunsten geschrieben. – Militär-Wochenbl., Berlin 1839, S. 74 enthält die Angaben über seine Dienstlaufbahn. – Für die Zeit von Mitte August bis Mitte September 1813: v. Quistorp, Geschichte der Nordarmee im Jahre 1813, 3 Bde., Berlin 1894.