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ADB:Töpfer, Karl

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Artikel „Töpfer, Karl“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 446–448, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:T%C3%B6pfer,_Karl&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 13:39 Uhr UTC)
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Töpfer: Karl Friedrich Gustav T., Dramatiker, wurde am 26. December 1792 zu Berlin als Sohn eines Geheimen Archivars geboren, besuchte, zeitig vielfache Anlagen und einen lebhaften Geist verrathend, das Gymnasium, da der Vater ihn für den juristischen Staatsdienst bestimmt hatte. Doch erwachte der Drang zur Bühne früh in ihm, und er fand schon als Knabe Gelegenheit, in Festspielen und Komödienaufführungen in Privatkreisen mitzuwirken. So verließ denn der Neunzehnjährige das Elternhaus heimlich und schloß sich einer in Mecklenburg-Strelitz herumwandemden Schauspielertruppe an. Doch der kleinlichen Verhältnisse und der äußeren Noth nach sechs Wochen müde, kehrte er heim, und der ausgesöhnte Vater verschaffte ihm am Breslauer Stadttheater ein Engagement, das er, durch seine Collegin Hendel-Schütz (A. D. B. XXXIII, 117) vielfach gefördert, 1814 mit einem am Brünner vertauschte. Hier sah ihn Schreyvogel (s. d.), der Leiter des Wiener Hofburgtheaters, und meinte einen fähigen Darsteller und Regisseur sowie einen schnellarbeitenden Dramatiker, wie er ihn suchte, entdeckt zu haben. 1815 übersiedelte T. nach der österreichischen Hauptstadt, wo er in jugendlichen Charakteren bald viel Beifall genoß. Sechs Jahre brachte er dort zu, bis ihn äußere Verdrießlichkeiten veranlaßten, von Wien zu scheiden, auf großen norddeutschen Bühnen zu gastiren und als Guitarrevirtuos in Concerten aufzutreten. Doch schon 1822 ließ er sich dauernd in Hamburg nieder, wo er seitdem bis zum Tode, 22. August 1871, gelebt hat. Er widmete sich daselbst im wesentlichen der dramatischen Schriftstellerei, nachdem er am 7. Juni 1822 „post exhibita ingenii specimina“, nämlich mit der 14seitigen Dissertation „Triumvirorum tragoediae graecae Aeschyli, Sophoclis, Euripidis pro singulari cujuscunque in scenam Graecorum tragicam merito adumbratam comparationem exhibet Carolus Fridericus Gustavus Toepfer imperialis theatri aulici vindobonensis poeta“ in Göttingen zum Dr. phil. promovirt [447] hatte. Denn er war mittlerweile ganz und gar zu litterarischer Thätigkeit abgeschwenkt. Obwohl er nun sieben Jahre die von G. Lotz gegründete Zeitschrift „Originalien“ leitete, dann 1836 die, von den besten Namen gestützte „Thalia. Norddeutsche Theaterzeitung, Kunst- und schönwissenschaftliches Unterhaltungsblatt“ gründete und später die kritische Wochenschrift „Der Recensent“ herausgab, als Lehrer schauspielerischer Talente wirkte und während der Hamburger Stadttheaterkrisen in den vierziger Jahren bald als Dramaturg, bald als artistischer Director Verwendung erhielt, daneben aber ein ausgedehntes und sogar höchst erfolgreiches litterarisches Schaffen entfaltete, verblieb er, auch nach der Heirath mit der Tochter eines mecklenburgischen Gutsbesitzers v. Häfften (1832), in kümmerlichster Lage. Endlich 1864 bekam der Zweiundsiebzigjährige, nachdem er „bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte, aus dem Schillerfonds die gewünschte Beruhigung für seine letzte Lebenszeit zu erhalten“, eine Jahrespension von dreihundert Thalern bewilligt, die den taub und lebenssatt gewordenen kaum vor drückendster Armuth schützte.

Das dramatische Talent Töpfer’s hat wahrscheinlich Schreyvogel geweckt. Dieser, als C. A. West bekanntlich selbst für das Theater thätig, hatte den unter großen Hoffnungen Engagirten und für einen Regisseurposten Vorgemerkten rasch an sich herangezogen und in jeder Weise zum Aufwärtsstreben ermuntert. Bald machte sich T. an kleine, von dem bretterkundigen Gönner kontrollirte Versuche; zunächst gelangte „Der Tagesbefehl“, ein schon Scenenkenntniß zeigendes heiteres Dramolet, zur Aufführung (vgl. aber L. Börne’s scharfe Recension als XLI seiner „Dramaturgischen Blätter“). Das vieractige Schauspiel „Hermann und Dorothea“ ging 1820 unter stürmischem Erfolge über das Burgtheater und machte schnell die Runde durch zahllose Häuser. Goethe’s Idyll war hier freilich zu einem spießbürgerlich angehauchten Sittenbild herabgedrückt; trotzdem fand die Dramatisirung des Urdichters vollste Zustimmung, der nur bedauerte, nicht selbst das Wagniß riskirt zu haben, andererseits für sein Gedicht die ersehnte Popularisirung danach erhoffte. „Der beste Ton“, „Freien nach Vorschrift“, dann das historische Lustspiel „Des Königs Befehl“, eine gelungene episodische Glorificirung Friedrich’s des Großen, die sich in Ernst Possart’s täuschender Maskirung bis in die Gegenwart lebendig erhielt, das Schauspiel „Gebrüder Foster“, namentlich aber die ungemein ergötzliche Kaufmannskomödie „Rosenmüller und Finke“, eins der jüngsten (1850) und gewiß das reifste Erzeugniß Töpfer’s, der damit launigen Situationen in Gustav Freytag’s „Soll und Haben“ um vier Jahre voranging, alles in allem 32 Nummern offenbaren seine entschiedene Fähigkeit, wirksame Vorwürfe für die lebendige Bühne wirksam zu gestalten. Und diese Gabe verleugnen auch diejenigen niederen Genres nicht, wie „Bube und Dame“, der unvergessene „Pariser Taugenichts“ und die freien Bearbeitungen nach Eugen Scribe. Allerdings versetzt uns seine Muse nirgends in eine höhere poetische Welt, stellt überhaupt an unsere Phantasie keinerlei Ansprüche, wohl aber traf sie den Bühnenton und die Erfordernisse der dramatischen Technik aufs beste und sorgte durch gut bürgerliche, nach keiner Seite verletzende Unterhaltung für den leichteren Geschmack des Publicums in aufgeregten und litterarisch verworrenen Zeitläuften aufs anerkennenswertheste und durchschlagendste. Geniale Züge, urwüchsige Erfindung, geistvolles Geplauder, vertiefte Charakteristik, derartige Dinge soll man bei ihm, dessen Verdienste eben in der Pflege eines wohlanständigen und bühnengerechten, moralisch ehrlichen Stils, sowie in gelegentlichen, im Sinne eines national fühlenden Preußenthums warm patriotischen Anregungen beruhen, nicht verlangen.

Neben den theatralischen Arbeiten, deren 19 – die bemerklichsten – H. Uhde 1873 als „gesammelte dramatische Werke“ (4 Bde.) herausgab, sind [448] die „Zeichnungen aus meinem Wanderleben“ (1823), sowie die kleinen, vorher einzeln erschienenen, „Novellen und Erzählungen“ (2 Bde., 1842–44) nur aus bibliographischen Gründen zu erwähnen. Eine unvollendete „Redekunst“ wurde in den Hamburg. Jahreszeiten 1871 gedruckt.

Für die Biographie vgl. die „(Bruchstücke) aus meinen Memoiren“ in der Zeitschrift „Freischütz“ 1859, Nr. 52–71 und 1862, Nr. 69–90; H. Uhde in der Einleitung der Ausgabe (s. auch den Prospect vor Bd. I); K. Goedeke, Grundriß z. G. d. D. D.¹ III, 916–918 (der S. 916 die Mythe beseitigt, T. sei „für seine schriftstellerischen Erfolge“ Kellinghusen S. 409] – schon 1822! – Göttinger Dr. honoris causa geworden); Kellinghusen in Schröder’s Lex. d. Hamburg. Schriftst. VII, 408 ff. An letzteren beiden Stellen genaue Aufzählung aller Veröffentlichungen von und der meisten über T. (das Titelverzeichniß in Manz’ „Realencyklopädie oder Konversationslexikon“ XII [1887], S. 515 b anscheinend nach anderer Quelle, ebenso das Datiren des dramatischen Schaffens seit 1812). Zur dramaturgischen Beurtheilung Töpfer’s s. Allg. Theaterlexikon VII, 95 f. (H. M[arggraff]; eine Notiz auch bei Flüggen, Biogr. Bühnenlex. I, 1892, 308 b), R. Gottschall (der bei der eingehenden Behandlung des neudeutschen Gesellschafts- und Konversationsstücks in zwei Abschnitten seiner „Litterar. Todtenklänge und Lebensfragen“, 1885, T. nicht nennt) an den in Schröder’s Lex. S. 413 angegebenen Orten und in d. „Dtsch. Nationalit.“, R. Prölß, Gesch. d. neueren Dramas III 2, 363 f., Franz Hirsch, Gedenkblatt zum 100. Geburtstag, Berlin. Tagebl. XXI, 660 (28. Dec. 1892). Der Nekrolog in Meyer’s Deutschem Jahrbuch I (1872), 274 behauptet, daß T. in Hamburg „ein dramaturgisches Institut mit großem Erfolge leitete“. Das Genast, der Vermittler in der Sache war, gegenüber ausgesprochene günstige Urtheil Goethe’s, das Uhde und Hirsch mittheilen, ist für uns nur aus Goethe’s Freude über die Thatsache an sich erklärbar; schon Varnhagen v. Ense hat sich am 7. November 1823 in einem Briefe an Goethe nach einer Berliner Aufführung sehr hart geäußert (Goethe-Jahrb. XIV, 60 f.). Seine Aufnahme in Dantés’ Dictionnaire biographique et bibliographique S. 995 (Par. 1875) dankt T. vielleicht der häufigen Verwechselung bez. Zusammenwürfelung mit dem Genfer Novellisten Rodolphe Toepffer (1799–1846): Menzel, Gesch. d. Dtsch. Dchtg. III, 52, 497, 501; Goethe-Jahrh. XIV, 134, 379. – Der einzige Sohn Töpfer’s, Karl Friedrich Wilhelm T., geboren am 20. Februar 1833 zu Hamburg, † an einem unheilbaren Brustleiden ebenda am 1. December 1871, promovirte 1857 zu Heidelberg zum Dr. jur. und wurde Advocat zu Hamburg. Sein vieractiges Lustspiel „Verwickelungen oder Für einander bestimmt“ wurde im März 1852 zu Altona, im Juni 1852 auf dem Tivolitheater in St. Georg zu Hamburg aufgeführt, aber nie gedruckt.